Ein skandalöser Heiratsantrag?

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Als Zimmermädchen verkleidet, schleicht Jia sich wagemutig in die Luxus-Suite des griechischen Star-Architekten Apollo Galanis. Sie muss mit ihm reden! Er hat sich mit ihrer unschuldigen Schwester verlobt, was zu einem infamen Plan gehört, um sich an ihrem Vater zu rächen. Aber Jia ist entschlossen, sich zu opfern: Apollo soll sie heiraten, wenn er nur ihre Schwester verschont! Erst lacht er spöttisch, dann küsst er sie – und weckt ihre Sehnsucht nach mehr. Bricht ihr die Ehe mit dem Feind etwa das Herz?


  • Erscheinungstag 01.04.2025
  • Bandnummer 072025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534734
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

So hatte Jia Shetty sich ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag nicht vorgestellt: Um neun Uhr abends schlich sie in Manhattan in das Penthouse des rachedurstigen griechischen Milliardärs Apollo Galanis, der größten Wert auf seine Privatsphäre legte – und den sie schon mehrmals verärgert hatte.

Auch dieses Jahr hatte niemand an das Datum gedacht, es schon gar nicht gefeiert. Insofern war dieser Geburtstag aufregender als jeder zuvor. Allerdings glich ihre Aufregung nicht Schmetterlingen im Bauch, sondern Panik.

Was wird er mit mir machen, wenn er mich hier entdeckt?

Wobei Jia keine Ahnung hatte, wie sich Schmetterlinge im Bauch anfühlten. Mit einer Ausnahme vielleicht. Damals, als ihr Entwurf für den neuen Flügel der Bibliothek eines Milliardärs den Zuschlag bekommen hatte. Aber selbst da war ihre Reaktion gedämpft ausgefallen, weil sie den Vertrag unbedingt hatte ergattern müssen, um den Lebensstandard ihrer Familie zu sichern.

Innovativ und ökologisch klug hatte man ihren Entwurf genannt, doch sie war lediglich erleichtert gewesen. Denn nicht ihr Name hatte auf dem Entwurf gestanden. Nicht ihr hatte das Lob gegolten. Ihr Vater war nur damit einverstanden gewesen, dass sie Architektur studierte, weil sie ein unverkennbares Talent dafür besaß und sein eigenes Talent ihn längst verlassen hatte.

Nun aber war ihr das Studium bei der Planung, wie sie in das Penthouse eindringen konnte, zugutegekommen.

Es lag in einem Luxushotel, das Apollo Galanis selbst entworfen hatte. Was auch immer ihr künftiger Schwager sonst noch sein mochte – er war ein genialer Architekt. Einfallsreich, und mit der Überzeugung, dass weniger mehr war. Ein Mann, der die Welt besser zurücklassen wollte, als sie war.

Außer Jias Familie.

Nachdem Jia den letzten Monat als Putzfrau in dem Hotel gearbeitet hatte, war ihr endlich klar geworden, wie sie in das Penthouse gelangen konnte. Apollos Termine für diese Woche hatte sie ohne große Mühe herausgefunden, denn seit seiner Ankunft in Manhattan nahm er Rina, seine Verlobte und Jias ältere Schwester, ununterbrochen in Beschlag, wie ein Hundebesitzer, der die Aufmerksamkeit seines preisgekrönten Pudels forderte.

Beim Gedanken an ihre Schwester schnürte Angst Jias Brustkorb zusammen. Gestern Abend hatte Rina, den Kopf auf Jias Schoß, geschluchzt, Apollo sei ein rücksichtsloses Monster und erwarte, dass sie sich auf sein Kommando setze oder aufspringe und Männchen mache.

Die Worte spielten wie eine Endlosschleife in Jias Kopf. Wie sollte ihre sanfte, weichherzige Schwester dem Druck als Apollos Ehefrau standhalten, wenn sie es nicht mal ertrug, seine Verlobte zu sein? Wie sollte Jia den einzigen Menschen schützen, der sie je freundlich behandelt hatte, wenn nicht, indem sie sich selbst als Köder vor das Monster warf?

Sie hielt die Schlüsselkarte, die sie von Apollos Zimmermädchen gestohlen hatte, vor das Lesegerät im Aufzug. Erleichterung durchströmte sie, weil sich der Aufzug in Richtung Penthouse bewegte. Jia ergänzte ihre lange To-do-Liste um einen weiteren Punkt: Sicherstellen, dass das Hausmädchen ihretwegen keine Schwierigkeiten bekam.

Die Fahrstuhltüren glitten auseinander, und Jia trat heraus. Ihre Augen weiteten sich. Geschwungene Treppen aus Holz und Metall rahmten ein Wohnzimmer ein, das einem Palast alle Ehre gemacht hätte. Die zwei Etagen hohe Decke und sämtliche Wände bestanden aus Glas. Nicht einmal die tragenden Säulen machten den modernen Eindruck zunichte. Man konnte sowohl die glitzernden Lichter von Manhattan als auch den Himmel sehen, als stünde man in der Mitte von New York.

Außer zwei Kunstwerken aus Metall und Holz schmückten viele Pflanzen das Penthouse. Jia identifizierte eine riesige Geigenfeige und zwei Monsterae zwischen den stämmigeren und exotischeren Pflanzen. Sie verliehen dem Raum, der mit all dem Glas und Metall seelenlos hätte wirken können, eine intime Stimmung.

Wie konnte derselbe Mann, der ihre Familie unbarmherzig bestrafte, diesen Ort voller Herz geschaffen haben?

Sie wusste, dass sie in seinen Rückzugsort eindrang. Er hatte nicht mal ihre Schwester hierher eingeladen. Vielleicht würde die ihn etwas besser verstehen, wenn sie das Penthouse sah? Andererseits besaß Rina nicht Jias Vorliebe für alte Bauten und klare Linien. Sie war auch nicht so abgeklärt, sondern verwöhnt und privilegiert. Nie hatte Rina an der Liebe ihrer Eltern zweifeln müssen.

Zum ersten Mal verlangten das Leben – und ihr Vater – etwas von ihr, und prompt brach sie zusammen. Jia hingegen hatte lernen müssen, zäh zu sein. Sie hatte begreifen müssen, dass ihr Wert darin bestand, nützlich zu sein.

Sie ging in die Küche, schnappte sich einen Apfel und biss hinein. Dann schaute sie in den hochmodernen Kühlschrank, der groß genug war, um sich darin zu verstecken. Sie zog Käse und Weintrauben hervor und eine Schale, deren Inhalt nach Pilaw mit Nüssen aussah.

Die folgenden Minuten verbrachte sie mit der Suche nach der Mikrowelle hinter all den dunkelgrauen Schranktüren. Schließlich dampfte ihr Pilaw. Die Weintrauben waren kalt und saftig und der Käse genauso bröckelig, wie sie es gern mochte. Sie ließ sich auf den Liegesessel mit Blick auf die Skyline sinken.

Eine Mahlzeit, bei der niemand weinte oder aus der Haut fuhr, war in den letzten Monaten eine Seltenheit gewesen. Eigentlich hätte es nervenaufreibend sein sollen, in der Wohnung jenes Mannes zu sitzen, der das Leben ihrer Familie auf den Kopf stellte. Stattdessen aß Jia genüsslich die säuerlichen Trauben und den buttrigen Pilaw. Sie spülte den Käse mit einem Glas gekühltem Weißwein herunter und schmiegte den Körper an das weiche Leder des Sessels.

Wenig später schlief sie. Ihre Sorgen, weil sie sich an den Teufel verkaufen wollte, waren so gut wie vergessen.

Nach einer langen, anstrengenden Geschäftsreise kam Apollo Galanis in sein Penthouse zurück. Er war verdrossen, denn bei dem Projekt auf den Philippinen ging es seit zwei Monaten nicht voran. Sein dortiges Architektenteam hatte die von Apollo bereits abgelehnten Entwürfe kaum verändert. Die Unverfrorenheit, ihn zu einer weiteren Besprechung vor Ort einzuladen, ärgerte ihn.

Am liebsten hätte er das ganze Team gefeuert. Allerdings handelte es sich um Top-Leute, und wenn die nicht lieferten, wer dann? Außerdem konnte er sie nicht wegen etwas feuern, das er selbst nicht zustande brachte. Er war blockiert oder ausgebrannt oder beides, und allmählich dämmerte ihm der Grund dafür.

Diese Verlobung mit der Shetty-Erbin, zu der er sich gezwungen hatte. Nach gut anderthalb Jahrzehnten des Planens und Taktierens befand sich Jay Shetty endlich in seinen Klauen, jener Mann, der die Entwürfe von Apollos Vater gestohlen und unter eigenem Namen verkauft hatte.

Mit gebrochenem Herzen und bankrott war Apollos Vater nach Griechenland zurückgekehrt, ohne sich je von dem Verrat zu erholen. Inzwischen saß Apollo zwar im Vorstand von Jay Shettys Architekturfirma, allerdings ohne die Chance, die Aktienmehrheit zu erlangen. Bevor er drastischere Maßnahmen ergreifen und Jay ins Gefängnis bringen konnte, hatte der hinterhältige Mann ihm schamlos seine älteste Tochter als Ehefrau angeboten, drei Jahre nach der Hochzeit würde sie ihre Aktien auf Apollo übertragen. Offenbar hoffte Jay, seinen künftigen Schwiegersohn innerhalb dieser Frist wohlwollend zu stimmen.

Apollo fand die Vorstellung ungemein reizvoll, in Jays verzweifelter Hoffnung zu schwelgen. Genau wie die Aussicht, drei Jahre in dessen Leben präsent zu sein und ihm jenen Kummer zuzufügen, den er der Familie Galanis zugefügt hatte. Das Damoklesschwert zu sein, das über Jays Kopf schwebte … Herrlich.

Obwohl eine Ehefrau das Letzte war, was Apollo wollte.

Rina Shetty war nicht nur eine der schönsten Frauen, die er je erblickt hatte, sondern auch zurückhaltend. Seit Jahren fungierte sie als Gastgeberin ihrer Familie. Die Art Frau, die sich jeder Rolle anpassen würde, in der Apollo sie brauchte.

Er war auf Jays Verhandlungen eingestiegen, weil Rina für einen Mann wie ihn keine schlechte Wahl darstellte. Einen Mann, der nicht an Liebe und all diesen Unsinn glaubte. Der Ordnung schätzte und das Ruder stets in der Hand behielt. Der irgendwann Söhne brauchte, die sein Erbe antreten konnten.

Und wer eignete sich besser, die Galanis-Dynastie fortzuführen, als die Enkel ausgerechnet jenes Mannes, der Apollos Familie ruiniert hatte? Darin lag eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit. Bald würde Jay Shettys Firma nicht mehr sein als ein winziges Rädchen, das Galanis Corp sich einverleibte, vergessen von den eigenen unzufriedenen Angestellten, die zeigen wollten, was in ihnen steckte. Die ihre Loyalität dem größeren, mächtigeren Spieler gegenüber, der ihren Chef in die Zange nahm, nur zu gern beweisen wollten.

Vielleicht wird mein Hunger dann gestillt sein, überlegte Apollo wenig zuversichtlich. Vielleicht konnte er sich dann endlich einen Moment Zeit nehmen, um alles zu feiern, was er erreicht hatte.

Er zog das Jackett aus, knöpfte das Hemd auf, schenkte sich ein Glas Rotwein ein und ging zu seinem Lieblingssessel – dem einzigen Möbelstück, das er aus seinem Heim in Athen mitgebracht hatte. In diesem Liegesessel wollte er eine der spektakulärsten Aussichten der ganzen Welt genießen.

Wie sich herausstellte, war sein Sessel bereits von einer Frau in Zimmermädchenuniform besetzt.

Eine leere Weißweinflasche stand daneben, genau wie ein Tablett mit ordentlich gestapelten leeren Schalen und Gabeln.

Apollo hatte nicht mal seine Mutter oder Schwestern hierher eingeladen. Es war absolut inakzeptabel, dass eine Hotelangestellte ihren Berufskodex brach und in sein Penthouse eindrang. Erschöpfung und harte Arbeit waren ihm durchaus vertraut, aber er zahlte unverschämt gut für seine Privatsphäre.

Das weiße Häubchen der Frau lag auf dem Boden, sodass ihr die dichten dunkelbraunen Haare mit den goldschimmernden Strähnen um das Gesicht fielen, das Apollo bekannt vorkam. Er trat näher, schaltete die Tiffanylampe an – und fluchte.

Dem Erkennen folgte Zorn. Dies war kein Zimmermädchen, sondern eine Frau, die er bisher noch gerade eben geduldet hatte. Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte.

Tatsächlich hatte Apollo in seinen neununddreißig Jahren nie eine andere Person kennengelernt, die ihn durch ihre bloße Existenz verärgerte. In ihrer Gegenwart fühlte er sich wie jemand, dessen Sonnenbrand mit Salz eingerieben wurde.

Als wollte die schlafende Frau seinen Zorn anfachen, schnarchte sie auf einmal laut. Apollo hatte die Nase voll. Bevor er den kindischen Impuls unterdrücken konnte, kippte er der Frau sein Glas Rotwein über den Kopf.

Prustend schreckte sie aus dem Schlaf hoch. Dann nuschelte sie etwas Unverständliches.

Apollo lächelte und fragte sich, wann er zuletzt solchen Spaß gehabt hatte. Nicht mal als armer Student in Harvard. Auch nicht später, als er seine erste Million verdient und Umweltpreise für seine Entwürfe gewonnen hatte.

Jia rieb sich die Augen und verschmierte den Wein dabei in ihrem Gesicht. Mit Verspätung erkannte Apollo, dass er soeben nicht nur seinen Lieblingssessel, sondern auch den makellosen Teppich ruiniert hatte. Christos! Er war nicht mal eine Minute in ihrer Gegenwart, und schon trieb sie ihn dazu, sich wie ein Rüpel aufzuführen.

Lächelnd strich sie mit den Fingern durch die dunklen Ponysträhnen, unter denen ihre Augen fast verschwanden. „Ihnen ist gerade klar geworden, dass Sie Ihren Sessel ruiniert haben, richtig?“ Sie sah zu ihm hoch und fuhr sich mit der Zungenspitze über die breite Lücke zwischen ihren Schneidezähnen.

Das war ihm zuerst an ihr aufgefallen – ihr unvollkommenes Lächeln neben den strahlend weißen, nahezu perfekten Zähnen ihrer Schwester.

Diese Frau war groß, mit einer knabenhaften Figur, dicken Brillengläsern und widerspenstigen Haaren. Auf einem Arm prangten bunte Tätowierungen. Violetten Lippenstift hatte sie bei der ersten Begegnung getragen, Skinny Jeans und klobige Stiefel. Rinas kurvige Figur hingegen hatte in einem eleganten cremefarbenen Jumpsuit gesteckt. Sie besaß eine wohlklingende Stimme, und die akkurat stumpf geschnittenen Haare reichten ihr bis zu den Schultern, der pinkfarbene Lipgloss war dezent, und ihre Haltung …

Der Kontrast zwischen den Schwestern hatte Apollo verwirrt und ihm vor Augen geführt, was er definitiv nicht in seinem Leben wollte.

Beim ersten Treffen mit Jay Shetty und dessen Nichtsnutz von Sohn sowie Rina hatte dieses ungezähmte Geschöpf namens Jia neben ihrer Schwester gesessen und trotz der warnenden Blicke ihres Vaters dreiste Fragen gestellt. Apollo hatte die Augen nicht von ihr losreißen können. Wie man zwangsläufig bei einem Autounfall hinschaut, hatte er damals gedacht.

Nach zwei weiteren Treffen hatte er sein Urteil modifiziert, und zwar äußerst widerwillig. Beide Male war Jia angeblich dabei gewesen, um Rina Gesellschaft zu leisten, und beide Male hatte sie ihm zu viele aufdringliche Fragen gestellt über die Ehe, die ihm vorschwebte.

Sie glich einem wilden Sonnenuntergang, berstend vor sensationellen Farben und warmer Glut. Jetzt lächelte sie ihn nicht die Spur betreten an, obwohl er sie in seinem Allerheiligsten erwischt hatte, und Apollo gestand sich ein, was ihn an der Frau so provozierte. Jia besaß eine raue, unzähmbare Schönheit, als wäre sie auf die Welt gekommen, um maximales Chaos zu verbreiten.

Und Chaos verabscheute er mit jeder Faser seines Wesens.

Zeitgleich mit der Erkenntnis, dass sie ihn ebenso anzog wie abstieß, fragte er sich, warum Jay ihm nie diese Tochter als Ehefrau angeboten hatte. Warum er ihm stattdessen seine Älteste aufgedrängt hatte.

„Ich gebe Ihnen zwei Minuten, um zu erklären, warum Sie hier sind, Miss Shetty. Andernfalls lasse ich Sie ins Gefängnis bringen. Dort werden Sie sich gut einfügen mit Ihrer … schillernden Persönlichkeit.“

Sie stand auf. Unbeeindruckt von seiner Nähe und der Drohung schnappte sie sich eine Serviette vom Tablett und betupfte ihre Uniform. An ihrem langen Körper wirkte das verdammte Kleid kurz, es bedeckte gerade eben ihre Oberschenkel. Als sie den Saum auswrang, um ein paar Tropfen Wein aus dem Stoff zu drücken, erspähte Apollo den Rand ihrer Spitzenstrümpfe, die sich an schlanke, athletische Beine schmiegten.

Er hob den Blick, registrierte ihre schmale Taille sowie zwei offene Knöpfe des Oberteils, die den Ansatz kleiner Brüste und eine goldbraun schimmernde Haut entblößten. Das Ende eines Tattoos lugte unter dem Kragen hervor, als wollte es Verstecken mit Apollo spielen.

Zu spät schaute er zur Seite. Blitzartig schoss Lust durch seinen Körper. Geschockt fluchte er – was er sonst nie in Gesellschaft tat, weil es zu viel über seine Gefühlslage verriet.

Nein, nicht diese Frau. Christos! Die Schwester seiner Verlobten zu begehren … Das schmeckte zu sehr nach jener Wildheit, die ihm an Jia missfiel.

Nach Kontrollverlust.

Sie stand zu dicht vor ihm und fuhr sich noch einmal mit der Zungenspitze über die Zähne. „Sie müssen mir verraten, was für ein Wein das ist“, meinte sie und schmatzte unmanierlich. „Normalerweise trinke ich keinen Rotwein, weil ich davon Kopfschmerzen bekomme. Aber für diesen hier würde ich sie vielleicht in Kauf nehmen. Oder Sie schenken ihn mir einfach. Schließlich werden wir bald verwandt sein.“

Apollo biss die Zähne zusammen und wünschte sich inständig Gelassenheit.

„Gefängnis, Miss Shetty!“

„Na gut“, seufzte sie.

Er spürte ihren Atem und wusste, dass er zurücktreten und seiner Lunge Luft gönnen sollte, die nichts von diesem satten Duft roter Rosen mit dem Hauch von süßem Schweiß an sich hatte. Doch er tat es nicht. Dafür gefiel ihm der Geruch zu gut. Außerdem wäre er nie im Leben vor Jia zurückgewichen.

Letzteres überwog, entschied er. Sie war in sein Heim eingedrungen und zeigte wenig bis keine Reue. Auf keinen Fall würde er ihr zeigen, wie sehr ihre Anwesenheit ihn aus dem Konzept brachte. „Fahren Sie fort, Miss Shetty.“

„Okay, Sir. Sofort, Sir.“

„Seien Sie nicht albern.“ Irgendwie schaffte er es, den Drang zu ersticken, über ihre Frechheit zu lachen. Oder vielleicht war es der Drang, sie an sich zu ziehen. Er schloss die Augen. Weshalb drifteten seine Gedanken in diese eigenartigen, verbotenen Richtungen?

„Wenn Sie darauf bestehen, mich Miss Shetty zu nennen, in diesem Ton, der mich an meinen Geschichtslehrer erinnert, dann muss ich Sie Sir nennen. Mein Name ist Jia. Warum habe ich ihn von Ihnen noch nie gehört?“

„Weil ich keinen Grund sehe, derart … vertraut mit Ihnen umzugehen.“

„Es ist aber kein Problem für Sie, mit dem Rest meiner Familie dick befreundet zu sein?“

„Der Rest Ihrer Familie provoziert mich nicht so wie Sie.“

Er trat näher, schließlich war dies seine Wohnung. Jetzt musste Jia zu ihm hochsehen, wenn auch nicht viel. Sie war größer als die meisten Frauen, sodass er kaum auf sie herunterschauen musste. Auch das gefiel ihm. Dabei sollte ihm rein gar nichts an dieser Situation gefallen.

Aus heiterem Himmel fiel ihm etwas ein. Seine Miene wurde finster. „Wie sind Sie hier reingekommen? Die Sicherheitsvorkehrungen sind vorbildlich.“

„Und doch bin ich hier.“

„Sie sollten besser meine Fragen beantworten, Miss Shetty, sonst …“ Er zückte sein Handy und rief die Kontakte auf. „Ich habe so eine Ahnung, dass es eine wirksamere Strafe für Sie wäre, Ihren Vater über Ihre neueste Aktion zu informieren.“

Ein kaum wahrnehmbarer Schauer durchlief ihren Körper, mit großen Augen starrte sie Apollo an. Zum ersten Mal fiel die Verwegenheit, die sie wie eine zweite Haut trug, von ihr ab und brachte die junge Frau darunter zum Vorschein. Sie sah aus, als hätte er ihr einen Hieb unter die Gürtellinie versetzt. Und er, verflucht, bekam tatsächlich ein schlechtes Gewissen.

„Ich lasse es drauf ankommen. Die letzten paar Male haben Sie mich ja auch nicht verpfiffen, Apollo.“

Prompt fühlte er sich töricht wegen der dreißig Sekunden, in denen seine Schuldgefühle und Neugierde erwacht waren. Wie sie seinen Namen aussprach. Als hätte sie es insgeheim schon oft getan, und zwar nicht so zuckersüß, wie sie es jetzt tat … Der Klang ging ihm durch und durch, breitete sich zähflüssig wie Honig in ihm aus.

„Dann geben Sie also zu, dass Rina beim ersten Treffen mit mir nicht versehentlich in einem falschen Lokal gelandet ist, und dass mein Bodyguard Sie beim zweiten Mal nicht zufällig um ein Haar außer Gefecht gesetzt hätte, und dann das … dritte Mal“, presste er hervor und verkniff sich ein Lachen. Sogar er hatte Jias dritten Auftritt lustig gefunden. Sie hatte mit der Kreditkarte ihres Bruders gezahlt, die sie ihm bei einem angeblich unabsichtlichen Rempler aus der Jacketttasche gezogen hatte. Fast wäre Jay Shetty eine Ader an der Schläfe geplatzt.

„Natürlich gebe ich es zu. Nicht, dass ich damit Erfolg gehabt hätte.“

„Was war denn das Erfolgskriterium?“

„Zu erreichen, dass Sie meine Familie schrecklich genug finden, um Rina in Ruhe zu lassen.“

„Und neulich, als Ihre Schwester in Tränen ausgebrochen ist bei der Vorstellung, mit mir nach Athen zu ziehen?“

Sie fuhr zusammen, als hätte sie Schmerzen. „Ich würde Rina nie zum Weinen bringen. Nicht mal, um Sie loszuwerden.“ Ihre Miene hellte sich auf. „Warten Sie! Offenbar hat Sie das abgeschreckt …“

„Nicht genug, um die Verlobung zu lösen. Ihrem Vater zufolge ist Rina sanftmütig und völlig überwältigt von ihrem Glück.“

Jia schnaubte. Wahrscheinlich landete dabei sogar etwas Spucke auf Apollos Hemd. Es kostete ihn einige Mühe, das Zucken seines Augenlids zu unterbinden – ein sicheres Indiz dafür, dass ihm etwas an die Nieren ging. „Ich vermute, diese … kleine Einlage hier dient dazu, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Wie sind Sie doch noch gleich hereingekommen?“

„Ich arbeite seit einem Monat als Putzfrau in Ihrem Hotel. In der Zeit habe ich den Grundriss analysiert, herausgefunden, welcher Aufzug herführt und wann der Schichtwechsel Ihres Sicherheitsdienstes stattfindet. Ich habe mich mit Sophia angefreundet, der Einzigen, die Ihr Penthouse putzen darf, habe Sophias Schlüsselkarte geklaut und Ihre Termine von Rinas Handy kopiert. Und hier bin ich nun.“ Sie machte ausladende Armbewegungen, als wäre sie eine Dirigentin.

Er trat noch einen Schritt näher, roch ihren Duft, der sich um seinen Körper wand wie eine Ranke der Lust, und wusste, dass er einen gewaltigen Fehler beging. Dennoch machte er keinen Rückzieher. Ihre großen braunen Augen weiteten sich, und ihre Schultern bebten, aber sie blieb, wo sie war.

„Nun, da Sophia Ihretwegen ihren Job verloren hat, sagen Sie mir, warum Sie mich wie die Pest verfolgen.“

„Wenn Sie Sophia feuern, gehe ich zur Personalabteilung. Ich habe jede Menge Unterlagen über Sophias Pünktlichkeit gesammelt. Darüber, wie lange sie schon hier arbeitet und dass es keine einzige Beschwerde über sie gibt. Die Personalabteilung hat sie zu Ihrem Zimmermädchen bestimmt, weil sie aus demselben griechischen Dorf stammt wie Ihr Vater.“

Noch nie war er auf eine würdigere Gegnerin gestoßen. Jia hatte ihre Hausaufgaben gemacht, weil sie nicht wollte, dass ihretwegen eine unschuldige Frau entlassen wurde.

Ein Charakterzug, den Apollo keinem Nachkommen von Jay Shetty zugetraut hatte. Noch ein Grund, warum er geglaubt hatte, dass Rina die perfekte Frau für ihn sein könnte. Es mangelte ihr an Persönlichkeit, Intelligenz und jener Gerissenheit, die einer Shetty eigentlich im Blut liegen sollte. Jia hingegen besaß all das im Übermaß.

„Was wollen Sie?“, fragte er und wünschte sich sehnlichst, sie loszuwerden.

„Ich bin hierhergekommen, um Ihnen ein Angebot zu machen.“

„Welches?“

Jäh hämmerte das Herz in seiner Brust, als stünde er wieder als junger Bewerber bei einem großen Architekturbüro Schlange, mit nichts als Träumen und Zielen in der Geldbörse.

„Eine Art Tausch. Sie geben meine Schwester frei, und im Gegenzug bekommen Sie …“

Apollo erkannte, dass die aufblitzende Panik in ihren Augen echt war. Ein unvertrautes Gefühl stieg in ihm hoch. Er wollte ihre Angst verscheuchen und die Wildheit darunter schmecken, ihre Fassade herunterreißen und ihr wahres Ich offenbaren.

Rasch leckte sie mit der Zungenspitze über die breite Unterlippe. „Sie bekommen mich.“ Ihr Oberkörper hob und senkte sich, als sie durchatmete. „Ich bin hier, um Sie davon zu überzeugen, dass ich eine weitaus bessere Ehefrau für Sie wäre als meine Schwester.“

Sie lachte auf, harsch und selbstironisch. „Ich bin in diesen hochgesicherten goldenen Käfig eingebrochen, habe den Job einer anderen Frau aufs Spiel gesetzt und mehr als Ihre übliche Verachtung riskiert, um mich an den Teufel zu verkaufen. Das ist mein durchtriebener Plan.“

2. KAPITEL

Apollo Galanis als Teufel zu bezeichnen, war vermutlich nicht der beste Weg, ihn davon zu überzeugen, dass sie eine bessere Option als ihre Schwester darstellte. Aber wann waren Jias Vorhaben je planmäßig gelaufen? Ihr gesamtes Leben, einschließlich ihrer Zeugung, war von Murphy’s Law bestimmt. 

In ihrem Kopf hatte die brillante Idee, Rinas Verlobten durch Intelligenz, Cleverness und Mut zu beeindrucken, ganz anders ausgesehen.

Er war ein skrupelloser, ehrgeiziger Milliardär, der die kleine Architekturfirma ihres Vaters zerschlagen wollte. Sie hatte geglaubt, ein solcher Mann wüsste es zu schätzen, wenn sie die Initiative ergriff. Dann war sie auf seinem Sessel eingeschlafen, und nun beobachtete er sie mit diesem eindringlichen Blick aus seinen grauen Augen.

Sie erkannte, was sie nicht bedacht hatte, und zwar etwas Wesentliches: Apollo war nicht jener lenkbare Durchschnittsmann, auf den sie ihn in Gedanken reduziert hatte. Ein gefährlicher Irrtum.

Vom allerersten Moment an, als sie sich gesehen hatten, war zwischen ihnen eine prickelnde, intensive Energie aufgeflammt. Jia hatte sich als Rina ausgegeben und über ihr vermeintlich intensives Sexleben geplaudert, um ihn abzuschrecken. Er hatte gewusst, wer sie war, und mitgespielt. Nach einer detaillierten Beschreibung des Vierers, von dem sie angeblich gerade kam, hatten seine Mundwinkel gezuckt, und wie von selbst war Jias Blick zu seinen unfassbar schönen Lippen gewandert.

Ihr Blick war ihm nicht entgangen. Seitdem hatte sie sich bemüht, ihn zu verabscheuen, und er hatte sich bemüht, sie zu verachten. Trotzdem war auf beiden Seiten etwas Explosives ins Spiel gekommen, etwas, das Jia sich zunächst nicht hatte eingestehen wollen. Das sie wach liegen ließ. Das sie schließlich zu diesem verrückten Plan getrieben hatte.

Ihr Angebot gründete auf der Energie zwischen ihr und Apollo. Der Gedanke daran ließ ihr das heiße Blut in Wangen und Nacken steigen, ihre Haut fühlte sich klamm und klebrig an.

Wenigstens hatte er sie nicht ausgelacht. Doch je mehr Sekunden er schwieg, desto lieber wäre ihr sein Gelächter gewesen, lieber jedenfalls als sein prüfender Blick.

„Dann zeigen Sie mir mal Ihre Qualitäten. Verkaufen Sie mir die Idee“, sagte er schließlich und ging an ihr vorbei.

Jia blinzelte, als er das Licht anknipste. Auf einmal fluteten Vitalität und Stärke durch ihren Körper, während ihr Hirn nur langsam die Tatsache verarbeitete, dass Apollo sie nicht hinauswarf.

Als sie sich umdrehte, saß er auf der weißen Ledercouch. Einen Arm hatte er auf die Rückenlehne gelegt, die Beine gekreuzt. Für seine süffisante, belustigte Miene hätte Jia ihn am liebsten geohrfeigt. Er sah aus wie ein Herrscher. Über alles.

„Ich warte. Offenbar halten Sie sich für eine bessere Kandidatin als Ihre Schwester. Also, überzeugen Sie mich.“

Hätte er den Blick tiefer als bis zu ihrem Hals wandern lassen, mit dieser herablassenden Art, die besagte, dass Jia lediglich einen amüsanten Zeitvertreib für ihn darstellte, wäre sie ausgerastet. Stattdessen sprach aus seinem Blick die Gewissheit, dass nichts auf der Welt ihn überzeugen würde. Diese Arroganz machte sie umso entschlossener. Ihr ganzes Leben hatte sie wenig Freundlichkeit und Liebe erfahren, und dieses Wenige hatte Rina ihr geschenkt. Jia hätte alles getan, um Rina vor Apollo zu retten, selbst wenn es ihr eigenes Verderben bedeutete.

„Meine Schwester ist sanftmütig, gütig und … in unseren Chauffeur verliebt. So herzlos Sie auch sein mögen – ich gehe davon aus, dass Sie keine Frau heiraten wollen, deren Zuneigung nicht Ihnen gilt.“

„Ihre Schwester ist zu nett, um mich nach unserer Hochzeit zu betrügen. Und zu sanftmütig, wie Sie eben sagten, um ihr Ehegelübde zu brechen. Und was Zuneigung betrifft: Die ist unbeständig. Ich kann nichts damit anfangen.“

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