Ein Star zum Verlieben?

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Wenn er sie nur ansieht, rieseln ihr warme Schauer den Rücken hinunter. Dabei gehört Ward Miller zu genau der Sorte Mann, derentwegen Ana Rodriguez Hollywood verlassen hat: Der berühmte Musiker ist selbstverliebt wie alle Stars! Aber für die Stiftungsarbeit braucht sie seine Hilfe. Und je länger Ana ihn kennt, desto häufiger fragt sie sich, ob hinter der Prominentenfassade doch ein Herz steckt. Womöglich schlägt es sogar im gleichen Takt wie ihres? Als Ward sie sanft an sich zieht, fühlt sich Ana wie Cinderella - und will lieber nicht an den nächsten Morgen denken …


  • Erscheinungstag 31.12.2011
  • Bandnummer 1700
  • ISBN / Artikelnummer 9783864940699
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Letzte, was Ana Rodriguez gebrauchen konnte, war ein weiterer selbstverliebter Typ mit Starallüren. Einige Wochen zuvor erst hatte sie aus diesem Grund ihren Job als Kostümbildnerin in Hollywood an den Nagel gehängt. Als ihre beste Freundin Emma Worth ihr geraten hatte, sich in ihrem Heimatort Vista del Mar als Leiterin einer neu gegründeten Wohltätigkeitseinrichtung zu bewerben, hatte Ana keine Sekunde lang gezögert.

Ein Neubeginn war genau das, was sie jetzt brauchte – möglichst weit weg von Hollywood, das zu ihrem Albtraum geworden war. Möglichst weit weg von all den Stars, die ihr das Leben schwer machten, weil Ana sich weigerte, mit ihnen ins Bett zu gehen.

Inzwischen hatte sich herausgestellt, dass sie von nun an mit Ward Miller zusammenarbeiten würde – und Miller war ein absoluter Megastar. Eins hatte Ana während ihrer Zeit in Hollywood gelernt: Je bekannter der Name, desto größer das Ego. Allerdings bestand ihre Aufgabe jetzt nicht darin, einen Größenwahnsinnigen einzukleiden – vielmehr war sie damit betraut, seine Wünsche zu erfüllen, seine Ratschläge anzunehmen und sicherzustellen, dass er die Wohltätigkeitseinrichtung Hannahs Hope mit Begeisterung in der Öffentlichkeit vertrat.

Kritisch beäugte sie das bescheidene Empfangsbüro von Hannahs Hope. Dem wohlklingenden Leitsatz der Einrichtung gemäß bot sie sozial benachteiligten Menschen Hilfe und Rat und ermöglichte ihnen beispielsweise, ihren Schulabschluss nachzuholen.

„Du bist wohl ein wenig angespannt“, stellte jemand hinter ihr freundlich fest.

Über die Schulter sah Ana ihre Stellvertreterin Christi Cox an. „Ich bin gar nicht angespannt. Ich denke bloß nach.“ Aber das stimmte nicht: Sie war tatsächlich angespannt.

Die Einrichtung des Büros war tadellos sauber, doch zweifelsfrei funktionell: praktische Arbeitstische sowie gebrauchte Stühle und Regale, die Ana über örtliche Kleinanzeigen ergattert hatte. Das Besprechungszimmer, die Büros und die Küche im hinteren Teil des Gebäudes wirkten noch weniger repräsentativ. Ana hatte Omar, den dritten Angestellten von Hannahs Hope, in den Supermarkt geschickt. Allerdings bezweifelte sie, Miller mit einer edlen Kaffeesorte zu beeindrucken und damit vom heruntergekommenen Ambiente der Inneneinrichtung ablenken zu können.

So gut sie konnte, hatte sie versucht, den Empfangsbereich mit hübschen Kissen, einer Stehlampe und einem kleinen Läufer aufzupeppen, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Doch die Räumlichkeiten von Hannahs Hope waren sofort als das zu erkennen, was sie waren: zu fünfzig Prozent Begegnungsstätte, zu fünfzig Prozent Unterrichtsräume und zu hundert Prozent die letzte Hoffnung für die Menschen, die hierherkamen. Und zu null Prozent ein Ort, an dem man sich mit verwöhnten Berühmtheiten zu einem netten Plausch traf. Ana befürchtete, Miller würde die Nase darüber rümpfen, was sie bereits geleistet hatten. Aber eines wäre noch schlimmer: dass er hereinkommen, mit ihr sprechen und augenblicklich feststellen würde, dass sie eine Hochstaplerin war, die Hannahs Hope keine große Hilfe war.

Wenn es jemanden gab, der in der Lage war, sie zu durchschauen, dann war es nämlich Ward Miller. Er war nicht nur ein gefeierter Rockstar, sondern auch berühmt für seine Arbeit in der Cara Miller Foundation, einer Stiftung, die er nach dem Tod seiner Frau ins Leben gerufen hatte. Millionen Dollar hatte er gespendet und gesammelt. Er war im Vorstand von so vielen Wohltätigkeitseinrichtungen, dass Ana aufgehört hatte, sie zu zählen. Und neuerdings war er auch Mitglied im neu gegründeten Vorstand von Hannahs Hope.

Tatsächlich hatte Ana diesen Job nur bekommen, weil Emma ebenfalls im Vorstand tätig war. Ihre einzige Qualifikation für eine Führungsposition bei Hannahs Hope bestand darin, dass sie und Emma gemeinsam aufgewachsen und wie Schwestern waren.

Dabei lasteten die Hoffnungen und Träume einer ganzen Stadt auf ihren Schultern. Und Ana wollte die Menschen von Vista del Mar auf keinen Fall enttäuschen. Außerdem brauchte sie diesen Job. Und das nicht nur, weil sie ihren alten Beruf an den Nagel gehängt hatte. Auch nicht, weil sie ihre gesamten Ersparnisse in einen kleinen Bungalow in einem mittelmäßigen Wohnviertel in Vista del Mar investiert hatte. Nein, nach vier Jahren, die sie damit zugebracht hatte, Menschen einzukleiden und zu verschönern, wollte sie endlich etwas in ihrem Leben bewegen.

Wenn ihr nur etwas mehr Zeit geblieben wäre, sich einzuarbeiten! Warum musste sie sich schon so früh mit Miller beschäftigen! Sie hatte die Stelle als Leiterin schließlich gerade erst angetreten.

Rafe Cameron, der Gründer der Stiftung, war bestenfalls ein desinteressiertes Vorstandsmitglied. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, Worth Industries zu übernehmen – ein Unternehmen, von dem die Wirtschaft Vista del Mars völlig abhängig war – und in Cameron Enterprises umzuwandeln. Als Beweis seiner guten Absichten hatte Rafe Hannahs Hope gegründet. Ana fürchtete beinahe, dass es ihm nur um positive Presse und weniger um die Wohltätigkeitsarbeit an sich ging.

Emma unterstützte Ana zu hundert Prozent – doch in Bezug auf Ward Miller war sie völlig verunsichert. Würde er einfach so auftauchen und das gleiche Wunder bewirken wie bei der Cara Miller Foundation? Oder war er vielmehr Rafes Aufpasser, der jeden ihrer Schritte überwachen würde?

Zu allem Überfluss war er auch noch ein Superstar, der größte Wohltäter des Landes und einfach heiß. Schon eine dieser Qualitäten hätte gereicht, um eine durchschnittliche Frau wie Ana einzuschüchtern. Alle drei könnten womöglich dazu führen, dass sie einen Herzstillstand erlitt. Denn seit ihrer Jugend war sie ein Fan von Ward Millers Musik. Professionell Distanz zu wahren würde ihr nur leichter fallen, wenn Ward sich als ein zweiter Ridley Sinclair entpuppte – ein angeblich glücklich verheirateter Filmstar, der Ana in Hollywood gnadenlos nachgestellt hatte. Okay, so furchtbar musste Ward vielleicht auch nicht sein.

Christi stellte sich neben Ana in den Türrahmen, und gemeinsam beurteilten sie den ersten Eindruck, den Miller im Empfangsbereich bekommen musste.

„Nicht nobel genug“, befand Ana schließlich. „Wir hätten ihn im Vista del Mar Beach- und Tennisklub treffen sollen, wie ich es ursprünglich vorgehabt hatte.“

„Sein persönlicher Assistent hat aber versichert, dass er keine Sonderbehandlung wünscht“, gab Christi zu bedenken.

Ana lachte kurz auf. „Ich habe schon mit vielen berühmten Menschen zusammengearbeitet“, erwiderte sie. „Und alle haben eine Sonderbehandlung gewünscht.“ Es gehörte nicht gerade zu ihren Stärken, Berühmtheiten Honig um den Bart zu schmieren. Im Laufe der Zeit war sie den ganzen Starrummel leid geworden und hatte gelegentlich ihrem lateinamerikanischen Temperament nachgegeben, über das ihre Freunde gutmütig zu spotten pflegten. „Entweder verlangen sie nach einem ganz bestimmten Mineralwasser“, führte sie aus, „oder sie machen so eine komische Diät, bei der sie fünfmal am Tag Seetang aus ökologischem Anbau durch die Nase ziehen müssen.“

„Ich schätze“, erwiderte Christi grinsend, „es wäre mir aufgefallen, wenn sein Assistent etwas in der Richtung erwähnt hätte.“

„Was denn dann?“, fragte Ana. „Ach, ist auch egal. Ich will es eigentlich gar nicht wissen.“

Sie gehörte nicht zu den besessenen Fans, die wussten, welche Süßigkeiten ihre Stars am liebsten aßen. Bei ihr handelte es sich ausschließlich um berufliches Interesse. Aber mal ehrlich: Welche amerikanische Frau zwischen zwanzig und neunundachtzig wäre nicht begierig darauf, Ward kennenzulernen? Wer hatte noch nicht in einer verräucherten Bar zu der Melodie von „Falling Hard“ getanzt oder im Auto lauthals „Caught You“ mitgesungen?

Für ihre Generation war Ward Miller so etwas wie Bono, Paul McCartney und Johnny Cash in einer Person. Er war der verführerische Bad Boy mit einem Herz aus reinem Platin und einem unglaublichen Gespür für Songs, die die Seele zum Klingen brachten. Seit dem Krebstod seiner Frau Cara vor drei Jahren hatte er kein neues Album mehr herausgebracht und kein einziges Konzert gegeben. Dass er sich derart aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, ließ ihn nur noch geheimnisvoller wirken. Die eingefleischten Fans verzehrten sich immer noch nach neuen Songs. Und Ana konnte nicht verhehlen, dass sie ein wenig aufgeregt war, Ward Miller persönlich zu treffen – vielleicht war sie sogar aufgeregter, als gut für sie war. Doch sie hatte hart dafür gearbeitet, absolut professionell zu wirken und sich nichts anmerken zu lassen, und hoffte von ganzem Herzen, mit dieser Strategie Erfolg zu haben.

Abermals sah sie auf die Armbanduhr. „Und jetzt ist er ganz offiziell zu spät dran. Sehr spät.“

„Nicht zu spät, hoffe ich“, sagte in diesem Moment jemand mit rauchiger Stimme hinter ihr, sodass Ana erschauerte. Diese Stimme hätte sie überall wiedererkannt. Plötzlich hatte sie ein ziemlich flaues Gefühl im Magen. Langsam drehte sie sich um. Und dort stand er: Ward Miller, der Rockstar.

Er stand im Flur zum Lieferanteneingang und war größer, als sie erwartet hatte – etwas über einen Meter achtzig. Er trug eine grüne Cargohose und ein schlichtes weißes T-Shirt, das seine breiten Schultern vorteilhaft betonte. In einer Hand hielt er eine verspiegelte Fliegerbrille, und außerdem hatte er ein Baseballcap von den Stingrays auf. Warum dachten Stars eigentlich immer, dass eine einfache Kopfbedeckung ausreichte, um die Fans zu täuschen, fragte Ana sich. Sein dunkles, lockiges Haar war kürzer geschnitten als zu der Zeit, als er noch regelmäßig Konzerte gegeben hatte – trotzdem war es immer noch lang genug, um ihm den leichten Touch des Anrüchigen zu verleihen. Sein Gesicht war schlank, seine Lippen schmal und ließen ihn gefühlvoll, einfühlsam wirken – und doch ungezähmt. Auf den Fotos in den Illustrierten war Ana das gar nicht aufgefallen.

Glücklicherweise schien er wegen ihrer Bemerkung nicht beleidigt zu sein. Megarockstars, die sich bereit erklärten, ihren Namen für eine gute Sache herzugeben, gab es nicht gerade wie Sand am Meer.

Als sie sich so viel geballter Berühmtheit gegenübersah, fühlte Ana sich plötzlich benommen. „Mr Miller, warum haben Sie denn den Lieferanteneingang genommen?“ Eigentlich hatte sie gar nicht derart tadelnd klingen wollen, aber das war wahrscheinlich besser als die Alternative. Es hätte nicht viel dazu gebraucht, und sie hätte wie ein Schulmädchen gekichert.

„Ich hoffe, dass es Ihnen nichts ausmacht. Die Paparazzi sind uns vom Flughafen aus gefolgt. Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich hatte gar keine Zeit, mir Seetang aus ökologischem Anbau zu besorgen.“

Ward wartete darauf, dass die reizende Brünette zu lachen begann – er jedenfalls hatte ihren Scherz mit dem Seetang urkomisch gefunden. Schließlich begegnete er nicht vielen Leuten, die über seine Berühmtheit lachen konnten, und fand es sehr erfrischend.

Doch anstatt seine Bemerkung witzig zu finden, versteifte sie sich und wirkte plötzlich größer, obwohl sie bestimmt nicht mehr als einen Meter siebenundsechzig maß. Ihre Wangen röteten sich, was ihrem Teint einen reizenden apricotfarbenen Schimmer verlieh. Mit dem vollen dunklen Haar und den hohen Wangenknochen war sie von überwältigend exotischer Schönheit – und aus irgendeinem Grund auch ziemlich aufgebracht.

„Es tut mir leid, dass ich mich von hinten angeschlichen habe“, versuchte er, sie zu besänftigen. „Bis zum San Diego Airport sind wir unerkannt geblieben. Aber dann sind Drew Barrymore und der Typ von der Mac-Werbung an Bord gekommen, um in den Urlaub zu fliegen – und dummerweise sind sie vor uns durch die Sicherheitskontrolle gegangen, sodass schon ein Schwarm Fotografen gewartet hat, als wir rausgekommen sind.“

Er hatte es sehr locker dargestellt, aber die Geländelimousinen mit den Paparazzi hatten ihnen beinahe dreißig Meilen wie Zecken an den Fersen geklebt. Im belebten Geschäftsviertel von Vista del Mar war es seinem Fahrer gelungen, sie kurzfristig abzuschütteln. Sein Pressesprecher Ryan und sein Assistent Jess waren im Wagen geblieben, nachdem Ward ausgestiegen war – in der Hoffnung, dass die Paparazzi darauf hereinfielen und weiterhin dem Wagen folgten.

Da Ana seinen Witz offensichtlich nicht verstand, warf er ihrer älteren Begleiterin ein Lächeln zu, das die Frau zögernd erwiderte. Sie hatte den nervösen Gesichtsausdruck, an dem man Fans gut erkennen konnte.

Er streckte die Hand aus. „Hi, ich bin Ward Miller.“

„Hi“, erwiderte die blonde Frau leise und räusperte sich. „Ich bin Christi Cox, die stellvertretende Leiterin von Hannahs Hope.“ Christi blinzelte, als sie seine Hand ergriff. Er mochte ihre unkomplizierte Art auf Anhieb. Jetzt kam es nur noch auf die kratzbürstige andere Frau an, die einen Schritt auf ihn zukam und ihm schwach lächelnd die Hand entgegenstreckte.

„Und ich bin Ana Rodriguez, die Leiterin von Hannahs Hope.“

Sie schüttelte seine Hand nur einen winzigen Moment und zog sie sofort wieder zurück. Nur gut, dass er keine herzliche Begrüßung erwartet hatte.

Stirnrunzelnd nickte sie Richtung Fenster. „Sieht so aus, als wäre es Ihnen doch nicht ganz gelungen, sie abzuschütteln.“

Als er auf die andere Straßenseite blickte, bemerkte er einen weißen Geländewagen, der vor dem Gebäude parkte. Nur einen Moment später hielten daneben ein zweiter und dann noch ein dritter Wagen.

Ward hörte den Vibrationsalarm seines Handys und sah auf dem Display, dass es Jess war, sein Assistent. „Ich gehe lieber dran. Es dauert auch nicht lange.“

„Sorry, Mann“, sagte Jess ohne große Umschweife. „Wir haben sie am Hotel verloren. Ich habe Ryan gesagt, dass wir weiterfahren sollten, aber er wollte unbedingt einchecken.“

„Kein Problem“, erwiderte Ward betont gelassen. „Ich schicke eine SMS, wenn ihr mir den Wagen hierher schicken könnt.“ Er beendete das Gespräch und steckte das Telefon zurück in die Tasche. „Tja, sieht so aus, als würden die eine Weile hierbleiben“, meinte er und lächelte gequält. „Sollen wir rausgehen und ein paar Fragen beantworten?“ Er klopfte Ana freundschaftlich auf die Schulter, woraufhin sie ihn überrascht ansah, denn er ließ seine Hand dort verweilen. „Wenn wir ihnen einen Knochen zuwerfen, lassen sie uns vielleicht in Ruhe.“

Einen Moment lang verspürte er das unbändige Verlangen, ihren Nacken zu berühren, und bevor er sich eines Besseren besinnen konnte, tat er es auch. Sanft schob er Ana Richtung Tür. „Kommen Sie, lassen Sie uns rausgehen.“

Abrupt zog sie sich von ihm zurück. „Warum sollte ich rausgehen?“

„Kostenlose Presse ist gute Presse. Das können wir ebenso gut für Hannahs Hope nutzen.“

„Ich …“ Sie unterbrach sich und schien über seine Worte nachzudenken. „Ich denke, Sie haben recht.“ Mit einem Achselzucken näherte sie sich der Tür und vermied es sorgfältig, Ward zu berühren. Dabei streifte ihr dichtes langes Haar fast seine Brust, und er atmete ihren Duft ein. Warm und betörend, wie Zimt in der Sonne. Durch die offene Tür wehte eine Brise Meereswind herein, und der salzige Geruch vermischte sich mit Anas Duft. Das ist so, als würde man Zimtplätzchen am Meer essen, dachte Ward. Plötzlich überkam ihn ein heftiges Verlangen, gleichermaßen vertraut und exotisch. Ein verdammt ungünstiger Zeitpunkt, derart stark auf eine Frau zu reagieren. Zumindest brauchte er sich keine Gedanken darüber zu machen, sein Herz in dieser Angelegenheit zu riskieren. Als er damals an Caras Sterbebett gesessen hatte, hatte er sich geschworen, sich niemals wieder zu verlieben.

Sobald Ward nach draußen trat, begannen die Journalisten, Fotos zu machen. Da sie kürzlich noch in Hollywood gelebt hatte, war der Starrummel nichts Neues für Ana. Die vier Jahre im Filmgeschäft hatten sie eines gelehrt: Stars lebten für die Medien und den entsprechenden Rummel, der um ihre Person gemacht wurde. Wards Haltung schien ihre Meinung nur zu bestätigen. Ihr blieb kaum genug Zeit, sich an die Heerscharen von Reportern zu gewöhnen, die mit einem Mal vor dem Gebäude standen. Du liebe Güte, wo kommen die bloß alle her, dachte sie, während Ward bereits charmant in die Kameras lächelte und Fragen beantwortete. „Nein, das hier ist nur ein geschäftliches Treffen“, sagte er und deutete auf Ana.

Für einen Augenblick hoffte sie, er würde das Gespräch auf Hannahs Hope lenken, und stellte sich innerlich darauf ein, vorzutreten und zu reden. Sie strich sich den schmalen Rock glatt und sehnte sich im Stillen nach den Zeiten, in denen sie nicht versucht hatte, so professionell auszusehen, und sich wesentlich extravaganter gekleidet hatte. Doch dann bahnte sich eine Brünette den Weg durch die Menge der Reporter nach vorne. Ana kannte sie. Es war Gillian Mitchell, eine Journalistin von der Seaside Gazette. Selbstbewusst rief sie Ward zu: „Ich habe gehört, Sie haben Zeit für Aufnahmen in einem Tonstudio in Los Angeles gebucht. Arbeiten Sie an einem neuen Album?“

„Natürlich besteht jederzeit die Möglichkeit, dass ich wieder als Sänger arbeite. Aber im Augenblick mache ich nur eine Aufnahme mit einem lokalen Musiker, Dave Summer, der gerade bei meiner Plattenfirma unterschrieben hat. Ich finde es wichtig, anderen jungen Musikern dieselben Chancen zu geben, die ich gehabt habe.“ Er beugte sich ein wenig vor und zwinkerte der Reporterin zu. „Aber ein Songwriter bleibt ein Songwriter – ich habe immer noch Geschichten zu erzählen.“

Die ganze Zeit künstlich zu lächeln strengte Ana zusehends an, und nur mit Mühe unterdrückte sie eine sarkastische Bemerkung. Von wegen, dass er sich von hinten hatte anschleichen müssen. Vermutlich hatte er die ganze Sache hier inszeniert. Was für ein Blödmann.

Als schließlich ein paar Journalisten weggingen, sagte Ward endlich: „Doch heute bringt mich meine Arbeit für eine gute Sache hierher. Ich möchte Ihnen von Hannahs Hope erzählen …“

Ana versuchte, noch begeisterter zu lächeln. Die Cara Miller Foundation – die unter dem Kürzel CMF bekannt geworden war –, war zu Ehren von Wards Frau Cara gegründet worden und setzte sich für unterprivilegierte Kinder ein. Obwohl die CMF offiziell keine Verbindung zu Hannahs Hope hatte, war Ward im Vorstand von beiden Organisationen. Im passenden Moment sagte Ana einige Worte über Hannahs Hope und die Ziele der Stiftung. Kaum hatte sie die Internetadresse genannt, fuhr bereits der erste Übertragungswagen davon.

Nachdem die letzten Reporter gegangen waren, blickte sie zu Ward. Er presste die Lippen aufeinander. Ana fragte sich, ob ihm das hier schwerer gefallen war, als er sich anmerken ließ. Doch als er ihren fragenden Blick auffing, lächelte er.

Dieses unvermittelte Lächeln schien ihr den Atem zu rauben, und sie fühlte sich wieder so benommen wie schon bei der Begrüßung. Irgendwie kam es Ana so vor, als wäre ihre Körpertemperatur um einige Grad gestiegen.

„Das ist gut gelaufen“, sagte er, und seine weißen Zähne blitzten auf.

Unwillkürlich musste Ana an das Image des kaum zu zähmenden Wolfes denken, das ihm seine Presseabteilung verpasst hatte. Gerade so eben konnte sie sich verkneifen, dümmlich zurückzulächeln, und strich sich durchs Haar. Als ihr bewusst wurde, was sie da gerade tat, zog sie hastig die Hand zurück. Sie würde sich nicht von ihm ablenken lassen, gleichgültig, wie charmant er tat. „Großartig“, erwiderte sie betont begeistert.

Er hob die Augenbrauen und betrachtete Ana eingehend. „Mögen Sie Stars im Allgemeinen nicht, oder haben Sie nur was gegen mich? Falls Sie nämlich ein Problem mit mir haben, würde ich das jetzt gern wissen.“ Er neigte den Kopf, was ihrem Gespräch eine gewisse Vertraulichkeit verlieh.

Ana hatte das schon vorher bei Stars erlebt. Sie manipulierten Menschen, damit sie genau das taten, was von ihnen erwartet wurde. Doch sie hatte zu viel Zeit in Hollywood verbracht, um darauf hereinzufallen. Trotzdem wurde ihr plötzlich ganz heiß. Ihr Körper reagierte auf die unausgesprochene Anspielung, auch wenn ihr Verstand ihr sagte, dass es nur eine Kriegslist war. Das verwirrte Ana am meisten. Sie wusste es eigentlich besser und wollte trotzdem darauf hereinfallen – Wards Anziehungskraft war überwältigend stark. Der Fan von Ward Miller in ihr hoffte natürlich, dass er sie mochte, und wünschte sich wider besseres Wissen, dass er ein liebenswerter Mensch war.

„Sie haben recht“, entgegnete sie empört. „Ich mag keine Stars. Das, was Sie hier abziehen, erklärt auch bestens, warum. Wenn Sie Hannahs Hope helfen wollen, dann reden Sie auch darüber.“ Aufgebracht trat sie einen Schritt auf ihn zu und wünschte sofort, sie hätte es nicht getan. Verflixt, roch dieser Mann gut! „Und benutzen Sie diese soziale Einrichtung nicht als Plattform für Ihr Comeback. Es gibt hier Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen. Wenn Sie Hannahs Hope nur als Trittbrett für Ihren Weg zurück ins Rampenlicht benutzen wollen, dann …“ Sie hielt inne, als ihr klar wurde, was sie eigentlich von Ward Miller erwartet hatte. „Dann sind Sie nicht der Mann, für den ich Sie gehalten habe.“

2. KAPITEL

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Ward im Jahr mehr als zweihundert Tage auf Reisen gewesen. Den Auswirkungen der verschiedenen Zeitzonen hatte er nur mit einer tüchtigen Dosis Koffein beikommen können. Entweder wurde er allmählich älter, oder er hatte sich während seiner beruflichen Auszeit verändert. Wie auch immer – auf jeden Fall wachte er am nächsten Tag um vier Uhr morgens auf und konnte nicht mehr einschlafen. Also stand er auf, zog seine Sportsachen an, um am Strand zu joggen, noch bevor er überhaupt an einem Kaffee gerochen hatte.

Sein Bungalow lag an einem einsamen Strandabschnitt von Vista del Mar, denn Ward hatte Wert auf die unmittelbare Nähe zum Meer gelegt. Sein Assistent Jess und sein Pressesprecher Ryan hatten in einem Hotel eingecheckt, und Ward genoss die Zeit für sich allein. Als er am Strand entlangjoggte, kündigte sich am Horizont allmählich der neue Tag an. Noch war er hier mit dem Sand unter seinen Füßen, dem Rauschen der Wellen und der Brise, die sein Gesicht kühlte, allein. Trotzdem genügte das nicht, um die Erinnerung an Anas schmerzhafte Worte auszulöschen … Dann sind Sie nicht der Mann, für den ich Sie gehalten habe.

Er hatte bereits eine Menge Menschen in seinem Leben enttäuscht – Menschen, die ihm vertraut hatten und die er liebte. War es wirklich zu viel von ihm verlangt, diese Frau, die sich so sehr für ein Hilfsprojekt einsetzte, nach Kräften zu unterstützen?

Möglicherweise wäre das alles nicht so schlimm, wenn er sich nicht auf unerklärliche Weise zu Ana Rodriguez hingezogen fühlte. Doch was hatte das schon zu bedeuten? Sexuelle Anziehungskraft kam und verging. Vor Cara hatte es immer Frauen gegeben. Er war erfahren genug, um sich nicht von dem Verlangen nach Ana aus der Bahn werfen zu lassen. Vielmehr fürchtete er, dass Ana einen Blick auf sein wahres Ich geworfen und die Wahrheit gesehen hatte: dass er ihre Erwartungen nicht erfüllte – und nie erfüllen würde.

Nach Caras Tod hatte er hart gegen die Trauer ankämpfen müssen, bevor er wieder ins Leben zurückgefunden hatte. Schließlich war es ihm gelungen, mit der Verzweiflung fertigzuwerden und ein Leben ohne Cara zu beginnen. Allerdings war es ihm nur geglückt, indem er sich abgelenkt hatte. Das war so wie beim Joggen – man lief einfach immer weiter, ohne darüber nachzudenken. Man musste sich einfach nur bewegen und konnte die schmerzenden Muskeln und Füße ignorieren – sowie die furchtbare Erfahrung vergessen, einen geliebten Menschen an den Krebs verloren zu haben. Und wenn man schnell genug war und nie eine Pause machte, dann konnte man vor allem davonlaufen. In den letzten drei Jahren hatte er achtzehn Stunden am Tag gearbeitet, um die Cara Miller Foundation ins Leben zu rufen und erfolgreich zu machen. Voll und ganz war er in dieser Arbeit aufgegangen, um die schmerzhaften Erinnerungen zu verdrängen. Während er weiterlief, wurde ihm klar, dass Ana in einer Sache recht gehabt hatte. Hannahs Hope brauchte ihn – aber nicht als Durchreisenden. Er würde mit Herz und Seele bei der Sache sein müssen.

Bevor Cara krank geworden war, hatte die Musik ihm dabei geholfen, klar denken zu können. Jetzt joggte er, denn er hatte jegliche musikalische Inspiration verloren. Früher hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem er nicht Gitarre gespielt hatte. Die Songs hatten ihm dabei geholfen zu entspannen. Doch all das gehörte der Vergangenheit an. Jetzt war ihm nur das Joggen geblieben – allerdings konnte er nicht ewig weiterlaufen. Früher oder später würde er anhalten müssen, um zu Atem zu kommen und sich wieder auf den Heimweg zu machen. Erschöpft machte er eine kurze Pause, bevor er umkehrte. Dieses Mal lief er allerdings nicht, sondern ging den Weg in Ruhe zurück. Rechtzeitig vor Sonnenaufgang war er wieder zu Hause.

Am nächsten Tag kam Ana erst spät im Hannahs Hope an, da sie zuvor ein entmutigendes Gespräch mit der Bank geführt hatte. Sicher hatten sie eine Menge Geld – bisher jedenfalls – aber den ganzen Papierkram konnte Ana im Augenblick gar nicht gebrauchen. Besonders den nicht, für den sie die Unterschriften der Vorstandsmitglieder benötigte. Obwohl Rafe sich nie sträubte, etwas zu unterzeichnen, brauchte man manchmal Tage, bis man ihn ausfindig machen konnte. Da sie die Unterschriften allerdings bis zum nächsten Morgen brauchte, würde jemand von Hannahs Hope zu Cameron Enterprises fahren müssen, um Rafe in einem freien Moment abzupassen. Gerade jetzt konnte sie jedoch keine Zeit dafür erübrigen.

Gestresst trat sie durch die Hintertür in das Gebäude und rief: „Ich bin eigentlich gar nicht da. Ich lasse nur meinen Laptop hier, um zu …“ Sie verstummte, als sie bemerkte, dass niemand im Raum war, der ihr zuhörte. Wo waren sie alle hin? Normalerweise waren Christi und Omar um diese Uhrzeit schon da. Ana spähte in das Büro, das die beiden sich teilten, doch auch dort war niemand. Also legte sie den Laptop auf ihrem Bürosessel ab und folgte dem Gemurmel, das aus dem Konferenzzimmer drang.

Dort saßen Christi, Omar und Emma Worth am Tisch. Emma hatte ihren Laptop vor sich stehen, auf dessen Tastatur sie einhändig herumtippte, da ihr anderer Arm wegen ihres kürzlichen Verkehrsunfalls immer noch in einem Verband steckte. Auf dem Tisch befanden sich außerdem eine Schüssel mit Obst sowie Gebäckteilchen und Muffins aus dem Bistro am Meer, wie das blaue Einpackpapier verriet. Eine Kaffeekanne und ein Stapel Pappbecher standen auf dem Bücherregal, und es duftete nach Kaffee und Blaubeermuffins. Offensichtlich hatte jemand beschlossen, für alle Frühstück herzubeordern, und Ana vermutete, dass es sich bei diesem Jemand um den Mann handelte, der an der Tafel stand und etwas anschrieb. Ward trug Jeans und ein kariertes Flanellhemd, und obwohl er mit dem Rücken zu Ana stand, konnte sie erkennen, dass das Hemd nicht zugeknöpft war. Vermutlich trug er darunter eines dieser eng anliegenden T-Shirts, das Anas Aufmerksamkeit auf seine Muskeln lenken würde. Seine dunklen Locken kringelten sich am Ansatz des Hemdes und ließen in Ana den Wunsch wach werden, Wards Nacken zu berühren.

„Was geht hier eigentlich vor?“, fragte sie entrüstet.

Drei Köpfe drehten sich zu ihr um. Christi und Omar lächelten, doch Emma wirkte nervös, als ahnte sie, dass Ana nicht mit dem einverstanden war, was sie sah.

Ward hörte auf zu schreiben und sah sich zu Ana um. Sein Lächeln wirkte irgendwie ein wenig überheblich. Und verdammt, er trug tatsächlich eines dieser körperbetonenden T-Shirts unter dem Hemd. Es gehörte schon viel dazu, Jeans, Baumwolle und Flanell zu tragen und trotzdem elegant zu wirken, aber irgendwie gelang es Ward. Batman in einem Frack hätte nicht so hinreißend gut ausgesehen.

„Schön“, sagte er. „Sie kommen gerade richtig. Wir sind beim Brainstorming.“

„Woher kommt das Essen?“

„Von dem kleinen Restaurant in der Innenstadt. Wie heißt es doch gleich?“

„Das Bistro“, sagte Emma kleinlaut.

„Ja, genau.“ Er nickte. „Das Bistro am Meer. Großartiger Laden. Die haben die Sachen auch gebracht.“

„Und die Whiteboards?“, wollte Ana wissen und deutete auf die beiden Tafeln. Die hatten auf ihrer Liste der Gegenstände gestanden, die sie hatten anschaffen wollen, für die ihnen bislang aber das Geld gefehlt hatte.

Er lächelte noch charmanter. „Schuldig im Sinne der Anklage.“

Die Tafeln waren noch nicht installiert worden, sondern lehnten gegen vier Stühle. Auf der einen stand oben „Was wir brauchen“, und auf der anderen „Wie wir es bekommen“.

Autor

Emily Mc Kay
<p>Durch Zufall stieß Emily McKay schon in jungen Jahren auf einen Liebesroman und war von Anfang an fasziniert. Sie studierte Englisch an einer Universität in Texas und unterrichtete vier Jahre lang an einer Grundschule. Während ihrer Tätigkeit als Englischlehrerin setzte sie sich mit dem Schreiben auseinander und näherte sich dem...
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