Ein Streit, ein Flirt und großes Glück

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Das Letzte, was Dr. Mark O’Donnell braucht, ist eine neue Beziehung. Erst recht nicht mit der attraktiven Fernsehärztin Eva Veracruz, die ihn mit ihrer spitzen Zunge an seine Ex erinnert. Dumm nur, dass er ihrer sinnlichen Anziehungskraft so schlecht widerstehen kann!


  • Erscheinungstag 15.07.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717957
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Dr. Eva Veracruz sah zum fünften Mal innerhalb von fünf Sekunden auf die Uhr.

Aus dem Live-Studio für Ask the Doc hörte sie das muntere Stimmengewirr des Publikums – ein gutes Zeichen.

Allerdings war der Gastredner noch nicht im Studio. Das war ein schlechtes Zeichen. Ein sehr schlechtes Zeichen.

Eva seufzte. „Wo ist er, Phil? Wo ist dein Supermodel-Doktor, der uns endlich bessere Quoten bescheren soll?“

Phil, der Produzent, zuckte mit den Schultern. „Der kommt schon noch.“

„Unsere Zuschauer vertrauen darauf, dass wir ihnen zuverlässige medizinische Informationen liefern, und dieses Vertrauen dürfen wir nicht verlieren. Ich dachte, das wäre dir auch wichtig. Wir hätten lieber einen erfahrenen Redner einladen sollen, der sich mit dem Thema auskennt. Egal, wie er aussieht.“

Phil runzelte die Stirn. „Du weißt doch, dass in diesen Wochen wieder die Quoten ermittelt werden. Wenn wir da nicht gut abschneiden, bekommen unsere Zuschauer bald gar keine Informationen mehr, ganz egal, ob zuverlässig oder nicht.“

Ask the Doc wurde zwar nur regional in und um New Orleans ausgestrahlt, doch das Sendegebiet war groß, sodass sie eine bedeutende Menge an Zuschauern erreichen konnten.

Eva hatte Gerüchte über Zusammenschlüsse gehört. Gerüchte, die ihr gefielen, denn größer hieß besser, oder nicht? Doch nun strahlte die Konkurrenz zur selben Sendezeit eine Realityshow aus. Die soliden medizinischen Fakten und Ratschläge von Ask the Doc waren Berichten über Leute, die Maden aßen und von Riesenballonfäusten ins Wasser geboxt wurden, einfach nicht gewachsen.

Ihren Sponsoren gefiel das ganz und gar nicht. Denn wie sollten sie den Zuschauern Salben für den Windelausschlag ihrer Babys verkaufen, wenn niemand die Werbung sah? Wenn sie gegen die landesweit ausgestrahlte Realityshow nicht ankämen, würde es niemals zu Zusammenschlüssen und größeren Sendegebieten kommen. Stattdessen würde Ask the Doc wohl abgesetzt werden.

Phil hob eine Augenbraue. „Zweifelst du etwa an mir? Glaub mir, das hier ist mein Job, und ich habe seinen Hintergrund überprüft. Dr. O’Donnell ist ein erfahrener Notarzt, der auf Herzinfarkte bei Frauen und deren Früherkennung spezialisiert ist.“

„Und kann er vor der Kamera gut sprechen?“, fragte Eva.

„Es ist deine Aufgabe, ihn zum Sprechen zu bringen.“

Da sie diesen Dr. O’Donnell noch nicht kennengelernt hatte, hatte Eva keine Ahnung, ob er vor der Kamera etwas taugte. Um ihr eigenes Können machte sie sich dagegen keine Sorgen.

Phil sah auf die Uhr. Es war so weit. „Versuche, Zeit zu schinden, und behalte die Seitenbühne im Blick.“

„Alles klar.“ Zu den Klängen der Titelmelodie betrat sie die Bühne. Ihre Gedanken rasten, um die Begrüßung umzuformulieren. Normalerweise würde sie gleich zu Anfang ihren Gast ankündigen, doch wenn der nicht auftauchte …

Eva winkte ihrem Publikum zu und erhaschte in den Monitoren einen Blick auf sich selbst. Rabenschwarze Locken umrahmten ihr Gesicht und fielen ihr über den Rücken. Die hohe Luftfeuchtigkeit, die New Orleans am Vormittag heimsuchte, hatte bereits ihren Weg ins Studio gefunden.

Die Visagistin war großzügig mit dem roten Lippenstift umgegangen, stellte Eva fest, dabei brauchte ihr Mund gar keine zusätzliche Aufmerksamkeit. Auch ohne Make-up wirkten ihre Lippen wie mit Collagen aufgepolstert, obwohl sie das Zeug noch nie angefasst hatte. Doch die Lippenstiftfarbe war wirklich perfekt auf ihr scharlachrotes Kleid abgestimmt.

Eva musste auch zugeben, dass ihr olivfarbener Teint deutlich wärmer wirkte, wenn ein Hauch Rot unter ihrem weißen Arztkittel hervorblitzte.

„Hallo, New Orleans. Herzlich willkommen zu Ask the Doc. Mein Name ist Dr. Eva Veracruz. Heute sprechen wir über ein wichtiges Thema, das besonders für viel beschäftigte und gestresste Frauen von Interesse ist. Wir sprechen über Herzinfarkte und die Anzeichen und Symptome, über die wir alle Bescheid wissen sollten.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Phil seine Daumen in die Luft reckte und auf eine Figur zeigte, die im Schatten hinter der Bühne stand.

Eva sprach spontan weiter. „Und wir haben einen Experten zu Gast, der viel Erfahrung mit diesem Thema hat. Begrüßen Sie mit mir Dr. Mark O’Donnell von der Crescent Street Emergency Care Clinic.“

Der höfliche Applaus wurde deutlich lauter, sobald Dr. O’Donnell die Bühne betrat. Phil hatte recht gehabt: Dieser Mann hätte als Model arbeiten können.

Trotz ihrer eins achtzig plus der Zehnzentimeter-Absätze war er immer noch größer als sie, also mindestens einen Meter neunzig. Seine Augen waren von einem so lebhaften Meergrün, dass es nur das Ergebnis farbiger Kontaktlinsen sein konnte. Sein Haarschnitt zeigte erste Anzeichen von Widerspenstigkeit, als wäre er zu lange nicht mehr beim Friseur gewesen; die Farbe lag zwischen Braun und sehr dunklem Rostrot.

Eigentlich war er nicht ihr Typ. Sie stand eher auf einen ordentlichen Look. Andererseits hatte sie schon lange gar keinen Typ mehr gehabt – was auch ihre heftige Reaktion erklären würde: Nicht nur beschleunigte Dr. O’Donnell ihren Herzschlag, ihr ganzer Körper schien wie unter Strom gesetzt, als er auf sie zukam.

Es war nicht nur sein Aussehen, es war auch seine Haltung. Von einer starken Persönlichkeit ließ sie sich immer beeindrucken. Da sie das wusste, war ihr auch klar, dass sie ihn auf Abstand halten sollte.

Kein Problem. Sie wollte keinen Mann in ihrem Leben. Sie war immer noch damit beschäftigt, sich von dem letzten zu erholen.

Die Titelmelodie der Show ging über in die Musik zu einem kurzen Beitrag, den sie bereits gestern aufgezeichnet hatten. Es ging um Informationen darüber, wie man die Ambulanz vor Ort kontaktierte und wo es Broschüren und andere Materialien zum Thema Herzinfarkt gab. Währenddessen bat sie ihren Gast, ihr zu folgen.

Sein selbstbewusster Gang sorgte dafür, dass die Zuschauer sich in ihren Sitzen aufrichteten, auch wenn er sich nicht dazu herabließ, sie zu bemerken. Er ging durch das Studio, als gehörte es ihm.

Er hatte diese großspurige Art, auf die sie nie wieder hereinfallen wollte. Und an seiner Kleidung konnte sie ablesen, dass er gern die Regeln brach, was vermutlich nur zu schnell dazu führte, dass er auch Herzen brach – die Herzen aller Frauen, die dumm genug waren, sich auf ihn einzulassen.

In ihrer Show waren die Gäste eigentlich immer elegant und zurückhaltend gekleidet, Mark O’Donnell hätte also in Anzug und Krawatte kommen sollen. Stattdessen trug er einen Arztkittel über OP-Kleidung.

So wie die Scheinwerfer gesetzt waren, würden das Weiß seines Kittels und das Weiß ihres eigenen maßgeschneiderten Mantels alles überstrahlen.

Sie sah bereits, wie der Produzent hinter den Kameras hektisch dabei war, das Bild zu retten. Auf ihre Geste hin stellte sich Dr. O’Donnell vor den Stuhl ihr gegenüber. „Können Sie bitte kurz irgendwas sagen, damit der Tontechniker die Mikrofone noch einmal prüfen kann?“, bat sie ihn.

Er sah sie ratlos an. „Irgendwas.“

Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Diese Sendung würde eine Herausforderung werden.

Doch Dr. O’Donnell sollte seine fünf Minuten Ruhm bekommen. Sie würde dafür sorgen, dass er vor der Kamera wie ein Naturtalent wirkte, indem sie ihm die Antworten auf ihre Fragen unterschob und seine Pausen mit intelligenten Kommentaren füllte. Ihre Quoten würden in die Höhe schnellen, und die Sendung würde in der Sommerpause noch ein paar Mal wiederholt werden.

Eva war selbst verblüfft, wie routiniert sie die Situation meisterte. War es wirklich erst zwei Jahre her, dass sie die Krankenhauswelt verlassen und beim Fernsehen angefangen hatte?

Sie hatte viel gelernt, doch ihr Ehrgeiz nagte an ihr. Sie wollte die nächste Stufe erklimmen und landesweit ausgestrahlt werden. Ihr Agent hatte ihr geraten, die entsprechenden Leute wissen zu lassen, dass sie an größeren und besseren Aufträgen interessiert sei, noch bevor die fallenden Quoten von Ask the Doc bekannt wurden.

Doch wenn sie sich tatsächlich vollständig auf ihre Fernsehkarriere einließ, bedeutete das wohl, dass sie die praktische Medizin endgültig hinter sich lassen würde.

Und das war eine gute Entscheidung, oder? Sie würde sich nicht länger mit vagen Gedanken herumschlagen, eines Tages ins Krankenhaus zurückzukehren. Aber konnte sie ein erfülltes Leben haben und ihren Frieden damit machen, wenn sie sich niemals mehr als Ärztin bezeichnen würde? Konnte sie sich wirklich von der Karriere abwenden, auf die sie ihr ganzes Leben lang hingearbeitet hatte?

Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt, Eva! Nicht auf die Zukunft.

Denn in diesem Augenblick war es am wichtigsten, das Männermodel, das Arzt spielte, zu interviewen. Er saß ihr mit ausdruckslosem Gesicht gegenüber. Doch sie würde ein gutes Interview führen, sie war schließlich Profi.

„Herzlich willkommen, Dr. O’Donnell.“

Blitzschnell traf sie eine Entscheidung. Statt ihm die Hand zu reichen, knöpfte sie ihren Kittel auf und streifte ihn mit einer raschen Bewegung ab. In Richtung der Kameras zeigte sie mit der Hand auf ihr Wickelkleid. „Mein rotes Kleid soll heute eine Erinnerungsstütze sein, wenn es um das Thema Herzinfarkt bei Frauen geht.“

Sie ignorierte ein Gefühl der Befangenheit, weil das Kleid mit Absicht einen Tick zu eng geschnitten war, um besser unter den weißen Kittel zu passen.

„Wann immer Sie in Zukunft ein rotes Kleid sehen, sollten Sie überlegen, ob Sie noch über die frühen Anzeichen eines Herzinfarkts Bescheid wissen, von denen wir heute hören werden. Denn wenn man früh genug eingreift, kann man womöglich Leben retten. Stimmt das, Dr. O’Donnell?“

Sie blickte in seine blaugrünen Augen und bemerkte einen bernsteinfarbenen Ring um seine Pupillen.

Er sah sie an. Schließlich antwortete er: „Ja.“

Das Interview würde schwieriger werden, als sie gedacht hatte.

Manchmal reicht gutes Aussehen eben nicht, dachte Eva. Sie hätte dieses männliche Schmuckstück jederzeit gegen einen intelligenten und in seinem Fachgebiet bewanderten Arzt eingetauscht, ganz egal, wie er aussehen mochte.

Nun ja, wenn sie sich durch dieses Gespräch kämpfen musste, würde sie dem wenigstens irgendetwas Positives abgewinnen: Sie würde die Aussicht schamlos genießen, solange sie sich bot.

Sie zeigte mit der Hand auf den Besucherstuhl und bemerkte, dass Dr. O’Donnell kurz zögerte, bis sie sich setzte. Gute Manieren? Oder seine misstrauische Art, sich nicht auf etwas einzulassen, dessen er sich nicht vollständig sicher war?

Auch wenn sie sich mit den Feinheiten der Körpersprache eigentlich auskannte, sowohl durch Erfahrung als auch durch ihre Ausbildung, konnte sie hier nur vermuten, dass Letzteres der Grund war.

Sie war sich der Enge ihres Kleids ohne den Arztkittel nur allzu bewusst und setzte sich so hin, dass ihr die Kamera nicht direkt in den Ausschnitt starrte. Was allerdings bedeutete, dass Dr. O’Donnell freie Sicht hatte.

Das Set war nicht dafür ausgelegt, einen beruhigenden Abstand zwischen Gastgeberin und Gast aufrechtzuerhalten. Es sollte den Zuschauern vielmehr eine gewisse Nähe vermitteln und so ihr Vertrauen wecken.

„Noch einmal willkommen bei Ask the Doc, Dr. O’Donnell. Ich beginne gleich mit einer Frage: Wie viele Fälle von Herzinfarkten gibt es bei Frauen im Vergleich zu Männern?“

Sie blieb mit Absicht vage, damit sie an jede Antwort anknüpfen konnte, die sie bekam. Das machte, so sagten ihre Produzenten, einen großen Teil des Erfolgs der Sendung aus: Ihr Talent, schnell umdenken zu können.

Diese Fähigkeit hatte sie während ihrer Arbeit als Ärztin in einer Drogenklinik für ambulante Patienten erworben, wo ihr dreieinhalb Jahre lang gar nichts anderes übrig geblieben war, als schnell umzudenken.

Ihren Vorschlag, das Thema Drogen in einer ehrlichen, harten Sendung zu verarbeiten, hatten die Produzenten bislang abgelehnt. Doch sie würde hartnäckig bleiben und bei der nächsten Vertragsverhandlung darauf bestehen, dass eine ganze Reihe zu Drogenmissbrauch aufgezeichnet werden würde, beginnend bei Prävention und Früherkennung in der Familie bis hin zu den Folgen, Behandlungsoptionen und Erfolgsquoten im Kampf gegen die Sucht.

Es gab einfach so viele Menschen, die diese Informationen brauchten, doch leider noch mehr, die sich lieber von dem Thema abwandten.

Momentan aber hatte sie ein ganz anderes Problem. Denn Dr. O’Donnell sah auch so aus, als ob er sich am liebsten im nächsten Moment abwenden wollte – allerdings von ihr und der Kamera.

Er hatte eine schreckliche Nacht gehabt. Mark versuchte, weiter gegen seine Erschöpfung anzukämpfen. Er fühlte sich ganz benommen. Um sich aufzuwecken, schaute er die Frau an, die ihm gegenübersaß – ihr volles Haar, die vollen Brüste, volle Lippen, die man …

„Kommen viele Frauen in die Notaufnahme, die schon wissen, dass sie einen Herzinfarkt haben?“

Los jetzt, O’Donnell! Reiß dich zusammen!

Mark räusperte sich. „Es kommen nicht so viele Frauen in die Notaufnahme wie Männer, bei denen es einen Verdacht auf Herzinfarkt gibt. Wir haben immer gedacht, dass Männer viel öfter Herzinfarkte erleiden als Frauen, aber Tatsache ist, dass wir bei den Frauen einfach nicht die richtige Diagnose gestellt haben.“

Seine Gastgeberin nickte ermutigend, als ob sie einem Kind Antworten entlocken wolle. „Aber tatsächlich ist es doch so, Dr. O’Donnell, dass die häufigste Todesursache bei Frauen ein Herzinfarkt ist?“

„Ja, das stimmt.“ Mark dachte an die Frau, die letzte Nacht zu ihnen gekommen war. Er hatte auf einem EKG bestanden, obwohl sie glaubte, nur die Grippe zu haben.

„Sagen Sie uns doch bitte etwas zu den Symptomen, die wir jetzt für unsere Zuschauer einblenden.“ Dr. Veracruz zeigte nicht besonders subtil auf den Monitor.

Selbst in Gedanken hatte Mark Schwierigkeiten damit, sie Doktor zu nennen. Diese Frau war doch genauso wenig Ärztin wie er Primaballerina.

Wie hieß sie noch? Edna? Ella? Eva.

Sie sah auch aus wie eine Eva, jeder überbetonte, sinnliche Zentimeter von ihr. Es war vielleicht sogar möglich, dass sie einen Doktor in Journalismus hatte oder in Medienwissenschaften. Konnte man einen Talkshow-Doktor erwerben? Doch beim Anblick von Blut würde diese Frau mit ihren langen, klimpernden Ohrringen und dem Ausschnitt, der den Grand Canyon in den Schatten stellte, vermutlich in Ohnmacht fallen.

Mark las den ersten Stichpunkt vom Monitor ab. Kurzatmigkeit.

Er blickte in die Kamera, wie der PR-Experte seines Footballteams an der Highschool es ihm damals beigebracht hatte, und lächelte das rot blinkende Licht an. „Dies sind die häufigsten Symptome für einen Herzinfarkt.“

Er ignorierte Evas hochgezogene Augenbrauen.

„Wenn Sie das Gefühl haben, einen Marathon gelaufen zu sein, ohne auch nur einen einzigen Schritt getan zu haben, oder wenn Sie keinen tiefen Atemzug mehr tun können, gehen Sie in die Notaufnahme. Möglicherweise haben Sie einen Herzinfarkt.“

Seine witzige Betonung führte zu einem kurzen Lachen aus dem Publikum. Lachen bedeutete, dass die Leute zuhörten, und Zuhören bedeutete, dass sie die Informationen aufnahmen. Und das war für ihn der einzige Grund gewesen, weshalb er dieser Sendung zugestimmt hatte – damit die Leute etwas lernten.

Seine geliebte Grandma war an einem Herzinfarkt gestorben. Wenn sie es damals nur geahnt hätte … Wenn die Menschen um sie herum es gewusst hätten, wäre sie vielleicht heute noch hier, für ihn und für seine Schwester.

Seine Großmutter war in seiner Kindheit der einzige ehrliche Mensch gewesen in einer Welt, die nur aus Lügen, Falschheit und schönem Schein bestanden hatte. Eine Welt, die seinen Eltern wichtig gewesen war, nur um Teil einer bestimmten Gesellschaftsschicht zu sein.

Die Zuschauer warteten auf den nächsten Punkt auf der Liste. Mark griff erneut auf seine Art von Humor zurück, den die meisten Leute ein wenig verrückt fanden.

„Wenn Sie sich schwach auf den Beinen fühlen und schwindelig – aber nicht auf dem Weg zum Altar sind, um Ja zu sagen – gehen Sie in die Notaufnahme. Möglicherweise haben Sie einen Herzinfarkt.“

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Dr. Veracruz sich in ihrem Stuhl zurücklehnte und ihm die Aufmerksamkeit überließ.

Jetzt musste er schnell nachdenken, um die weiteren Symptome auf dieselbe Art zu verpacken. „Wenn Ihnen übel ist und das nicht daran liegt, dass Sie sich gerade den Bauch mit Delikatessen aus New Orleans vollgestopft haben, gehen Sie in die Notaufnahme. Wenn Sie Verdauungsprobleme im Oberbauch haben, schieben Sie es nicht auf das scharfe Currygericht Ihrer Schwägerin, sondern gehen Sie in die Notaufnahme. Möglicherweise haben Sie einen Herzinfarkt.“

Er stockte. Zu den restlichen Symptomen auf dem Monitor fiel ihm nichts mehr ein.

Dr. Veracruz warf ihm einen Blick zu und beugte sich nach vorn. Sie gab dem Kameramann ein unauffälliges Zeichen, damit er sie mit ins Bild brachte.

Mit einem Lächeln sagte sie: „Wenn Ihre Rückenmuskulatur so verkrampft ist, als hätten Sie die ganze Nacht Tango getanzt, obwohl Sie nicht einmal das Radio eingeschaltet haben, gehen Sie in die Notaufnahme. Möglicherweise haben Sie einen Herzinfarkt.“

Sie warf ihm einen verschwörerischen Blick zu, als ob sie im Voraus geplant hätten, dass sie die Liste zu Ende bringen würde.

„Und das klassische Symptom: Wenn Sie das Gefühl haben, auf Ihrer Brust säße ein Elefant, gehen Sie in die Notaufnahme. Möglicherweise haben Sie einen Herzinfarkt.“

Mark nickte ihr zu, um ihr zu bedeuten, dass er wieder übernehmen würde. „Wenn Sie erste Anzeichen für einen Herzinfarkt bemerken, sollten Sie am besten sofort eine Aspirintablette nehmen. Wenn Sie sie nicht schlucken können, zerkauen Sie sie.“

Dr. Veracruz fügte hinzu: „Und nachdem Sie das Aspirin genommen haben, gehen Sie sofort ins Krankenhaus. Denn möglicherweise …“

Sie zeigte auf die Zuschauer, die im Chor ergänzten: „… haben Sie einen Herzinfarkt.“

Mark blickte mit großer Ernsthaftigkeit in die Kamera, um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen. „Das zweitgrößte Problem bei Frauen mit Herzinfarkt ist die Tatsache, dass sie niemanden belästigen wollen, nur weil sie sich gerade einmal nicht gut fühlen. Meine Damen, nehmen Sie sich ein Beispiel an den Männern. Nehmen Sie sich wichtig genug, andere zu belästigen, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass es falscher Alarm war. Ihrer Familie ist es lieber, Sie sind am Leben. Also verfahren Sie lieber ein bisschen Benzin, als ohne Behandlung zu sterben. Gehen Sie in die Notaufnahme, sobald Sie erste Anzeichen bemerken.“

Eva blickte genauso ernst in die Kamera. „Und denken Sie daran: Fahren Sie auf keinen Fall selbst. Wenn Sie sich ans Steuer setzen, bringen Sie nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer. Rufen Sie stattdessen die Ambulanz. Richtig, Dr. O’Donnell?“

„Richtig“, reagierte er sofort. Wenn es sein musste, war er ein guter Teamplayer.

Eva nickte ihm zu. „Und nun eine kurze Werbepause.“

Die Mikrofone wurden ausgeschaltet, und Eva lächelte ihren Gast an. „Gut gemacht. Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, uns vorzustellen.“ Diese Stichelei wegen seiner Verspätung konnte sie sich nicht verkneifen. Sie streckte die Hand aus. „Eva Veracruz.“

„Mark. Tut mir leid, dass ich so spät war. Ich hatte noch einen Notfall.“

„Das ist wohl Berufsrisiko, wenn man in der Notaufnahme arbeitet.“

„Genau.“ Er zeigte auf seine Krankenhauskleidung. „Ich musste leider das hier anziehen. Den Anzug kann ich wohl vergessen. Ich wäre bestimmt nicht sehr willkommen gewesen, wenn ich mit blutiger Hose hier aufgetaucht wäre.“

„Das stimmt. Da sind sogar OP-Klamotten besser.“ Sie musste ihre Meinung über ihn wohl etwas korrigieren. Wenn das so weiterging, würde sie ihn am Ende sogar leiden können. „Jetzt kommt noch ein kurzer Teil mit Fragen aus dem Publikum und unseren Antworten. Dann sind wir auch schon fertig. Vielleicht könnten wir …“ Doch bevor sie eine gemeinsame Kaffeepause nach der Sendung vorschlagen konnte, unterbrach er sie.

„Wie können Sie medizinische Fragen beantworten, wenn Sie keine Ärztin sind?“, fragte er.

„Keine Ärztin? Was wollen Sie damit sagen?“ Doch Eva wusste genau, was er sagen wollte. Sie hatte es schon zu oft gehört.

Sie sah einfach nicht so aus, wie die meisten Menschen sich eine typische Ärztin vorstellten, und Fernsehfrisur und Make-up halfen auch nicht unbedingt, weil sie ihre Attraktivität nur noch betonten.

Andererseits: Warum sollte sie ihre Weiblichkeit verstecken? Sollte es für Frauen nicht endlich möglich sein, intelligent zu sein und hübsche Brüste zu haben?

Ihr Produzent winkte, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Weiter in …“ Er streckte fünf, vier, drei, zwei Finger aus und zeigte dann auf sie.

Mit einer Handbewegung bat sie Mark, aufzustehen, und erhob sich dann selbst. Dabei bemerkte sie, dass das enge Kleid beim Sitzen ein Stück nach oben gerutscht war. Üblicherweise verdeckte der Arztkittel solche Probleme, doch wenn sie jetzt an sich herumzupfte, würde sie die Aufmerksamkeit umso mehr auf ihre Beine lenken.

Mit dem Mikrofon in der Hand sprach sie in die Kamera. „Hier sind wir wieder bei Ask the Doc und werden jetzt Fragen aus dem Publikum entgegennehmen. Wenn Sie zu Hause auch gern einmal bei uns im Studio sitzen möchten, senden Sie uns eine E-Mail an die eingeblendete Adresse.“

Dieser Teil war der schwierigste der Sendung. Sie musste ständig auf die Zeit achten. Die Produzenten hatten sich deswegen auch entschieden, die Fragen und Antworten ans Ende der Show zu setzen: Falls die Gastredner zu viel Zeit in Anspruch nahmen, konnte am Schluss gekürzt werden.

Bei Marks kreativer Art, die Symptome für Herzinfarkte aufzuzählen, war wirklich viel Zeit verstrichen. Doch er hatte die trockene Liste unterhaltsam präsentiert – und alles, was bei einem beängstigenden und möglicherweise tödlichen Notfall zählte, war, dass die Leute sich diese überlebenswichtigen Informationen merkten. Nun würden sie sich bestimmt mit vielen Fragen auf diesen sympathischen Mann stürzen.

Doch es gab immer auch Zuschauer, die viel zu persönlich wurden. Sie redeten und redeten und wollten so lange wie möglich im Scheinwerferlicht stehen. Es war ihre Aufgabe, sie zum Schweigen zu bringen und dabei noch mitfühlend zu wirken. An manchen Tagen klappte das besser als an anderen.

Eva ging auf das Publikum zu und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Mark ihr folgte. Er hatte offensichtlich ihr Zeichen nicht verstanden, in der Mitte der Bühne stehenzubleiben. „Wer von Ihnen hat eine Frage?“

Die erste Hand, die sie sah, war von einer Mitarbeiterin der Show, die der Produzent ins Publikum gesetzt hatte. Sie sollte zeigen, wie man intelligente und kurze Fragen stellte. Eva war nicht besonders glücklich über diesen Trick, aber die Planung der Sendung war nicht ihre Aufgabe, wie ihr oft genug gesagt worden war.

Sie war die Expertin, diejenige, die redete, aber nicht die Chefin. Trotzdem konnte sie mit ihrem Gehalt viele Rechnungen bezahlen, auch die für das Pflegeheim ihrer Großmutter und die gigantischen Rückzahlungen für ihre College-Ausbildung.

Eine nicht besonders gut zurechtgemachte Frau in der dritten Reihe hüpfte in ihrem Sitz auf und ab, mit einer gewissen Körpersprache, die sagte: Ich bin hier, um meine gesamte medizinische Lebensgeschichte zu erzählen, und wehe, jemand wagt es, mich zu unterbrechen. Eva gab sich Mühe, auf keinen Fall Augenkontakt herzustellen.

Sie blickte an der wild winkenden Hand der Frau vorbei und zeigte auf die Undercover-Mitarbeiterin.

Doch bevor sie diese mit dem Mikrofon erreichen konnte, hielt Mark der anderen Frau sein eigenes Mikrofon hin. Er legte ihr den Arm um die Schultern, damit sie aufhörte zu zappeln, während die Kamera sie größer ins Bild nahm. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er.

Eva glaubte, die Frau würde auf der Stelle in Ohnmacht fallen. Das hätte gerade noch gefehlt, um auch die letzten Sponsoren zu vergraulen.

Doch die Frau griff nach dem Mikrofon und hielt es nah an ihren Mund. Kurz sah Eva das alarmierte Gesicht des Tontechnikers, während er die Schieberegler nach unten zog, damit die Stimme der Frau nicht die Lautsprecher aller eingeschalteten Fernseher zum Bersten brachte.

Doch Mark legte seine Hand über die der Frau und zog das Mikrofon ein Stück weg. Eva hatte so langsam den Verdacht, dass er so etwas schon öfter gemacht hatte.

Die Frau räusperte sich. Ihr Gesicht war rot angelaufen. „Schon als ich ein kleines Mädchen war …“ Sie hielt inne, als ihr Tränen in die Augen stiegen.

Mark tätschelte ihr die Schulter. „Tief durchatmen.“

Die Frau lächelte ihm unter Tränen zu. „Wenn ich aufgeregt bin, fühlt es sich an, als würde mir mein Herz aus der Brust springen, so sehr schlägt es. Und dann hört es ganz plötzlich auf, und mir wird schwindelig.“

Mark runzelte die Stirn und legte ihr den Arm noch etwas enger um die Schultern. „Fühlen Sie sich jetzt gerade auch so? Sind Sie schon mal ohnmächtig geworden?“

„Ein- oder zweimal.“

„Setzen Sie sich bitte aufrecht hin.“ Mark half ihr dabei und zog dann sein Stethoskop hervor. Mit einem strahlenden Lächeln fragte er sie: „Darf ich mir Ihr Herz anhören?“

Die Frau nickte atemlos.

Eva schaute gebannt zu. Der Mann hatte Charisma, daran gab es nichts zu rütteln. Doch seine Annahme, sie sei keine richtige Ärztin, kränkte sie noch immer. Attraktivität – oder in seinem Fall außerordentliche Schönheit – war noch lange kein Freibrief für Gemeinheiten.

Mark nahm sich Zeit, um das Herz der Frau abzuhören. Währenddessen wies der Produzent einen der Kameramänner an, auf sie zu zoomen, damit sie die Pause überbrückte. So viel dazu, dass Mark anscheinend Erfahrung mit Fernsehsendungen hatte.

In die Kamera sagte sie: „Wenn ein Arzt Ihr Herz abhört, achtet er auf verschiedene Dinge, unter anderem auf einen regelmäßigen Rhythmus.“

Autor

Connie Cox
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