Ein stürmischer Flirt

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Wyatt Reynolds sieht sehr gut aus, hat eine überwältigende Ausstrahlung und ist zudem auch noch reich! Nur einen Fehler hat dieser Traumtyp in Melanie Staffords Augen: Er glaubt, alle Entscheidungen allein treffen zu können. Und genau damit ist sie überhaupt nicht einverstanden. Wyatt ist ihr neuer Teilhaber, aber keineswegs ihr Chef. Alles könnte so schön sein, wenn er nicht so dominant wäre: Melanie würde sofort Wyatts hinreißenden Flirt erwidern, denn sie hat sich längst in ihn verliebt! Entschlossen, alles für ihr Glück zu tun, kommt Melanie auf eine ausgefallene Idee ...


  • Erscheinungstag 10.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777586
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es wehte selbst für April ein heftiger Wind, und die Wände und das Dach des Wellblechgebäudes ächzten bei jeder Bö. Melanie Stafford hörte, wie die Tür von der Werkstatt zum Büro geöffnet wurde, wandte sich vom Computerbildschirm ab und blickte kurz auf die alte Wanduhr. Auch ihr Hund Scruff, der zu ihren Füßen geschlafen hatte, hob den Kopf, legte ihn aber wieder auf die Pfoten, als er den Störenfried erkannte.

„Ich dachte, Sie wären schon gegangen, Robbie“, sagte Melanie und schob den Schreibtischstuhl zurück.

„Ich habe Mr. Stovers Buick noch einmal poliert. Der Wagen glänzte noch nicht genug.“

„Ich finde es schön, dass Sie sich um die Autos kümmern, als wären es Ihre. Und Mr. Stover weiß es bestimmt zu schätzen, wenn er seinen Oldtimer morgen abholt.“

Robbie zuckte die Schultern. „Wir wollen, dass der Kunde zufrieden ist, und wenn er so viel für die Restaurierung eines Buicks, Baujahr siebzig bezahlt wie Mr. Stover, ist eine zusätzliche Politur nicht der Rede wert. Kommen Sie, und sehen Sie ihn sich an?“

Melanie hatte ihn sich schon am Nachmittag betrachtet und auch an jedem Tag in den letzten vier Wochen. Sie hatte die Wiederherstellung des Wagens Schritt für Schritt beobachtet. Doch als sie den leisen Stolz in der Stimme ihres Angestellten hörte und das Leuchten in seinen Augen erblickte, wusste sie, dass es grausam von ihr wäre, wenn sie seine Arbeit nicht bewunderte. Also ging sie, gefolgt von Scruff, hinter ihm her in die Werkstatt.

„Er ist wirklich ein Prachtstück“, sagte sie, als sie vor dem hellblauen Oldtimer mit dem schneeweißen abnehmbaren Verdeck standen.

„Ja“, bestätigte Robbie fast ehrfürchtig und ließ die Hand zärtlich über den Kotflügel gleiten. „Wenn man bedenkt, wie er ausgesehen hat, als Sie ihn hinten im Hof entdeckten, ist es schon ein kleiner Unterschied.“

Sie erinnerte sich noch sehr genau daran. Er war unter rostigen Autoteilen verborgen gewesen, beherbergte in den Rücksitzen eine Mäusefamilie und hatte einen Motor, der gut zwanzig Jahre kein Öl mehr bekommen hatte. Ja, jetzt sah er zweifellos etwas anders aus.

„Und er läuft traumhaft. Möchten Sie, dass ich ihn für Sie anlasse?“

„Warten wir bis morgen“, meinte sie, obwohl ihr bewusst war, wie gern er es ihr vorgeführt hätte. „Dann können Sie ihn gleich in den Ausstellungsraum fahren, damit Mr. Stover ihn sofort in seiner ganzen Herrlichkeit erblickt.“

In diesem Moment drehte sich Scruff zum Büro um, sträubte das Fell, knurrte und fing dann zu bellen an. Robbie runzelte die Stirn. „Es ist etwas spät für einen Kunden. Außerdem dürfte die Eingangstür auch verschlossen sein.“

„Es wird Jackson sein. Er hat einen Schlüssel. Hör auf, Scruff.“ Der Hund gehorchte, knurrte allerdings verhalten, während Melanie die Tür zum Büro aufmachte. „Ich bin in der Werkstatt.“

Kurz darauf trat ein junger Mann in offenem Kamelhaarmantel und einem Smoking über die Schwelle. Seine hellblonden Haare waren so perfekt frisiert, dass Melanie sich wunderte, warum der Wind sie nicht zerzaust hatte. Hatte er sie sich vielleicht gerade eben noch einmal gekämmt, oder waren sie womöglich so ordentlich, weil er Festiger darüber gesprayt hatte?

„Einen Moment lang habe ich schon überlegt, ob du mich vergessen hast und nach Hause gefahren bist“, begrüßte er sie mürrisch.

„Ich könnte deinen monatlichen Besuch hier genauso wenig vergessen wie du.“

Sein Blick fiel auf Robbie. „Ich störe doch nicht etwa, oder?“

Robbie wurde rot. „Möchten Sie, dass ich bleibe, Melanie?“

„Nein. Angie wartet bestimmt schon auf Sie“, antwortete sie und wandte sich, nachdem er gegangen war, freundlich an Jackson. „Du störst tatsächlich. Ich begutachte gerade unser jüngstes Objekt, das Robbie soeben fertig gestellt hat.“ Sie schlenderte um den Wagen herum und bemerkte, wie herrlich die Farbe das Licht reflektierte. Ja, Robbie hatte Recht gehabt, das Auto glänzte jetzt noch schöner. Sie sollte es ihm morgen unbedingt sagen.

Auch Jackson betrachtete den alten Buick. „Warum jemand so viel Geld dafür ausgibt …“

„Das ist die Entscheidung des Kunden … Und erzähl mir nicht, dass du Probleme hast, deinen Gewinnanteil auszugeben. Übrigens siehst du heute sehr vornehm aus. Und das an einem Donnerstag. Gehst du einfach nur zum Essen oder gar ins Theater?“

Er zog die Brauen hoch. „Von einfach nur zum Essen gehen kann bei einem Besuch des Century Club nicht die Rede sein.“

„Natürlich nicht. Doch woher soll ich es wissen, wenn ich noch nie da gewesen bin.“

„Falls du auf eine Einladung aus bist …“

„Große Güte, nein. Ich hätte keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte.“

„Das ist zweifellos richtig.“ Er lachte. „Ich würde gern noch bleiben und mit dir plaudern, aber Jennifer wartet darauf, dass ich sie abhole.“

Dass die sicherlich sehr elegante Jennifer nicht draußen im Wagen saß, hätte er nicht anzusprechen brauchen, denn er hatte sie noch nie hierher mitgebracht. Melanie hatte sich schon manchmal gefragt, ob er seiner derzeitigen Freundin überhaupt erzählt hatte, woher er sein Geld bekam.

„Wenn du mir den Scheck also ausgestellt hast …“

„Er liegt auf meinem Schreibtisch.“ Sie schaltete das Licht in der Werkstatt aus und kehrte ins Büro zurück.

„Er ist diesen Monat nicht sehr hoch“, stellte Jackson fest, nachdem er den Betrag gesehen hatte. „Wie kannst du nur davon leben?“

„Das muss ich ja nicht. Das ist dein Gewinnanteil aus unserem Unternehmen. Ich beziehe zusätzlich noch ein Gehalt für meine Arbeit.“

„Das ist ungerecht.“

„Wieso? Hätten wir einen Geschäftsführer, müssten wir ihn bezahlen und den verbleibenden Gewinn teilen. Ich bin die Geschäftsführerin und erhalte deshalb Geld. Sollte dir die Summe auf dem Scheck nicht gefallen, kannst du gern anfangen, für Classical Cars zu arbeiten.“

„Das tue ich bereits. Ich erzähle den Leuten immer und überall von unserer Firma.“

„Und im letzten Jahr ist sogar jemand hier gewesen und hat sich umgesehen, gekauft hat er aber nichts.“

„Das ist nicht meine Schuld.“

„Wenn du dich mehr anstrengen würdest, machte es sich vielleicht auf deinem Scheck bemerkbar. Also dann bis nächsten Monat, Jackson.“

Nachdem er gegangen war und sie hinter ihm abgeschlossen hatte, schaltete sie den Computer aus und schlenderte zur Hintertür, neben der ein Brett mit etwa zwanzig Autoschlüsseln hing. „Was meinst du, Scruff, nehmen wir eine Corvette, die schon älter ist als ich, oder einen Thunderbird, der ein klein wenig jünger ist, um nach Hause zu fahren?“

Sie entschied sich für den Thunderbird, weil er ganz in der Nähe geparkt war, und verließ schließlich das Gebäude und sperrte es ab. Offenbar hatte Jackson es sehr eilig gehabt, zu seiner Jennifer zu kommen, denn er hatte nicht wie sonst immer davon angefangen, dass sie, Melanie, ihm die Firmenbeteiligung abkaufen sollte. Was sie nur zu gern tun würde, sobald sie irgendwo eine halbe Million Dollar fand oder er ihr ein reelleres Angebot machte. Was davon zuerst passieren würde, war für sie eine völlig offene Angelegenheit.

Als Melanie am nächsten Morgen bei Classical Cars eintraf, hatte Robbie den Buick schon aus der Werkstatt gefahren, ihn allerdings nicht in den Ausstellungsraum gebracht, sondern unmittelbar neben dem Vordereingang geparkt. Er hatte das Verdeck zurückgeschlagen und den Wagen so geschickt positioniert, dass die Chromteile das Sonnenlicht reflektierten. Sie stellte den Thunderbird in der Nähe ab, und als sie mit Scruff ausstieg, hörte Robbie auf, die Motorhaube zu polieren, und schlenderte zu ihr.

„Haben Sie keine Angst, dass sich hier draußen ein Stäubchen auf die Windschutzscheibe legen könnte?“

„Ich dachte, es wäre eine gute Werbung.“ Kurz deutete er zur Hauptstraße. „So mancher Fahrer hat schon abgebremst, um einen Blick auf das Prachtstück zu werfen.“

„Das bezweifle ich nicht.“ Sie schirmte die Augen mit der Hand ab und beobachtete, wie ein Kleintransporter auf den Vorplatz einbog. „Schade, dass wir ihn nicht länger dort stehen lassen können, aber leider kommt Mr. Stover gerade.“

„Guten Morgen!“, rief sie ihm zu, sobald er ausgestiegen war, und schwieg dann erst einmal, damit er sich in Ruhe an dem Buick weiden konnte.

Seit sie mit Oldtimern handelte, hatte sie auf jeden Fall zweierlei gelernt – zum richtigen Zeitpunkt den Mund zu halten und vor allem, sich zu gedulden. Und in diesem Geschäft brauchte man sehr viel Geduld. Zum einen bei interessierten Kunden, die genaue Modell- und Farbvorstellungen hatten und davon nicht abrückten, egal, wie lange es dauerte, den gewünschten Wagen zu beschaffen. Zum anderen bei potenziellen Verkäufern, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie sich von den geliebten Autos trennen wollten, und natürlich auch bei den Objekten selbst, deren Restaurierung viel Zeit und Mühe kostete.

Jetzt war ebenfalls wieder Geduld gefragt, wenngleich es in diesem Fall leichter fiel. Stumm lehnte sich Melanie gegen einen grünen Chevy, während Mr. Stover fasziniert den wie neu blinkenden Buick betrachtete. Sollte er sein Juwel die nächste Stunde bewundern wollen, würde sie so lange hier stehen bleiben und warten.

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass gerade ein schwarzes Auto von der Straße abbog und auf die Lücke zwischen dem grünen Chevy und einem Packard aus den fünfziger Jahren zugesteuert wurde, der als „Verkauft“ ausgeschildert war. Verblüfft wandte sie den Kopf. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Es war wirklich ein neuer Baritsa und sicherlich nicht die Kategorie von Wagen, die ihre Kunden normalerweise fuhren.

Hatte Jackson ihre Worte gestern vielleicht ernst genommen und im Century Club mit Leuten gesprochen, die sich ihre Oldtimer zuhauf leisten konnten? Gib dich keinen falschen Hoffnungen hin, rief sie sich sogleich zur Vernunft, es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass der Fahrer nur nach dem Weg fragt.

Durch die getönten Scheiben konnte sie nicht viel erkennen. Sie sah nur die Schultern und den Kopf eines vermutlich recht großen Mannes, der die Hand gehoben hatte, als würde er telefonieren. Mehr konnte sie beim besten Willen nicht ausmachen.

Plötzlich hörte sie Mr. Stover ihren Namen sagen und schreckte aus ihrer Versunkenheit auf. Wie lange hatte er wohl schon vor ihr gestanden? „Bitte entschuldigen Sie. Was meinten Sie gerade?“

„Ich komme mir vor wie in einem Traum“, erklärte er stockend. „Ich habe immer bereut, meinen Buick verkauft zu haben, denn er war mein erstes Auto. Dass ich nun wieder den gleichen habe und außerdem noch so herrlich hergerichtet …“ Er lächelte und zog sein Scheckheft aus der Jacketttasche. „Ich schätze, Sie wollen etwas Geld dafür …“

„Lassen Sie uns das drinnen erledigen“, schlug sie vor und blickte noch einmal kurz zu dem Baritsa, bevor sie sich von dem grünen Chevy abstieß.

Auch Mr. Stover hatte den Wagen bemerkt. „Ich frage mich, was der Mann möchte. Es ist schon seltsam, dass er sitzen bleibt.“

„Vielleicht hat er den Buick gesehen und will ihn Ihnen abkaufen?“

Er lächelte. „Versuchen kann er es ja mal.“

Melanie führte ihn ins Büro und händigte ihm die Papiere aus, damit er sie studieren konnte, während sie in den Ausstellungsraum ging und ihnen einen Kaffee organisierte. Als sie gerade zwei Tassen eingeschenkt hatte und die Kanne wieder in die Maschine schob, hörte sie, dass die Vordertür geöffnet wurde, und wandte den Kopf. Ihr Herz schlug vor Aufregung gleich schneller, obwohl sie wusste, wie albern es war, sich wegen eines möglichen Kunden aus der Ruhe bringen zu lassen – auch wenn dieser einen Baritsa fuhr.

Sie traute ihren Augen nicht, als sie Jackson entdeckte. Was tat er an einem Freitagmorgen hier, nachdem er erst gestern seinen Scheck abgeholt hatte? Warum wagte er sich am helllichten Tag aufs Firmengelände und riskierte es, dass jemand ihn erblickte? Und seit wann fuhr er einen Baritsa?

„Mel, ich muss mit dir reden.“

„Nicht jetzt, Jackson. Ich habe einen Kunden im Büro, der mir gerade einen Scheck über einen hohen Betrag ausstellen will.“

„Es dauert nicht lange. Ich muss dir nur sagen, dass ich …“

Melanie schüttelte den Kopf, ging an ihm vorbei ins Büro und schloss die Tür hinter sich. Als sie Mr. Stover eine Viertelstunde später nach draußen begleitete, war der Baritsa immer noch da, doch Jackson nirgends zu sehen. Sie wartete, bis ihr glücklicher Kunde davongefahren war, und wollte wieder an den Schreibtisch zurückkehren, als sie aus der Werkstatt zwar gedämpfte, aber aufgeregt klingende Stimmen hörte. Sofort eilte sie auf die offene Tür zu.

„Was ist passiert? Ist jemand verletzt?“

„Noch nicht“, erwiderte Robbie grimmig.

„Was ist denn los?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte fragend zu Robbie, zwei weiteren Angestellten und Jackson hin, die auf dem freien Platz beieinander standen, wo bis heute Morgen der Buick gewesen war. Warum hatte ihr Partner überhaupt freiwillig die Werkstatt betreten? Er tat es sonst nur, wenn es unbedingt sein musste, und wartete auch dann in der Nähe der Tür, als hätte er Angst, sich schmutzig zu machen.

Finster sah Robbie Jackson an. „Er versucht, Werkzeug zu stehlen.“

„Zu stehlen? Das ist eine Verleumdung. Es hat meinem Vater gehört und ist nun meins. Ich nehme mir nur mein Eigentum.“

„Moment mal.“ Melanie schlenderte auf die Gruppe zu. „Warum willst du es?“

„Das ist eine gute Frage“, sagte einer der Angestellten leise. „Er weiß doch nichts damit anzufangen.“

„Wie dem auch sei“, fuhr Melanie fort, „es ist nicht das persönliche Eigentum deines Vaters gewesen, sondern zählt zum Inventar der Firma. Diese besitzt du ohnehin zur Hälfte, was also soll das mit dem Werkzeug?“ Sie hörte, dass jemand in die Werkstatt kam, und drehte sich um. „Ich bin gleich bei …“

Das routinemäßige Lächeln gefror ihr auf dem Gesicht, als sie den großen, breitschultrigen Fremden mit den schwarzen Haaren sah. Er hatte fast silberfarbene Augen, wie sie bemerkte, nachdem er die Sonnenbrille abgenommen hatte, und ausgesprochen markante Züge. Wie gebannt blickte sie ihn an. Er sah nicht so gut aus wie Jackson, jedoch wesentlich interessanter und würde auch in dreißig Jahren noch faszinieren, wenn Jacksons Attraktivität verblasst war.

Melanie schluckte beeindruckt. „Ich bin gleich bei Ihnen.“

„Ich habe Zeit, und es nicht eilig.“

„Es tut mir Leid“, erwiderte sie mit ehrlichem Bedauern, „aber wegen der potenziellen Verletzungsgefahr dürfen sich Kunden aus versicherungstechnischen Gründen nicht in der Werkstatt aufhalten. Würden Sie also bitte …“

„Ich bin aber kein Kunde.“

Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass nicht Jackson hinterm Steuer des Baritsa gesessen hatte, sondern dieser beeindruckende Mann, der jetzt ihre Angestellten fragend anblickte.

„Ich suche Mel Stafford“, erklärte er.

Melanie machte einen Schritt auf ihn zu. „Sie haben sie gefunden.“

Sie?“ Er sah sie überrascht an.

Eigentlich bist du es doch gewohnt, dass die Leute bei einer Autohändlerin erstaunt reagieren, dachte sie und wunderte sich über ihre leise Verärgerung. „Was kann ich für Sie tun, Mr. …?“

Schweigend ließ er den Blick durch die Werkstatt schweifen, als machte er im Geiste eine Bestandsaufnahme. Auf einem der acht Stellplätze stand zurzeit ein fast fertig restauriertes Modell T von Ford und hinten in der Ecke die Karosserie eines alten Mustangs.

„Haben Sie mir nicht erzählt, Jackson, dass hier erstklassige Autos verkauft werden?“

Jackson sah ihn über Robbies Schulter hinweg an. „Was letztlich auch nicht gelogen ist.“

„Für mich sieht es hier aber nicht nach einem Handel mit Nobelwagen aus.“

„Ich habe nie behauptet …“

„Es ähnelt viel mehr einem Schrottplatz.“

„Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich einmische“, ergriff Melanie das Wort. „Wenn Sie nur hergekommen sind, um unsere Produkte zu kritisieren, brauchen Sie nicht unser aller Zeit zu verschwenden und gehen am besten gleich wieder.“

Sie hörte, wie Robbie nach Atem rang, und war fast genauso überrascht wie er, denn es war das erste Mal, dass sie jemandem die Tür wies.

Der Fremde wirkte jedoch völlig unbeeindruckt. „Wenn ich recht informiert bin, sind Sie hier die Geschäftsführerin.“

„Ja. Und ich bitte Sie … Nein, ich fordere Sie auf, jetzt besser zu gehen.“

„Ich werde nirgendwohin gehen. Schließlich bin ich Ihr neuer Chef.“

Wyatt Reynolds hatte beobachtet, wie sich Jackson bei seiner Ankunft hinter dem Rücken eines Angestellten zu verbergen versucht hatte, und ihm war sofort klar gewesen, dass der junge Mann seinen Leuten noch nichts erzählt hatte. Natürlich würde die Nachricht vom Eigentümerwechsel zuerst so etwas wie Bestürzung hervorrufen, doch dass sie einschlug wie eine Bombe, hatte er nicht erwartet.

Die drei Männer in den mit Öl beschmierten Arbeitsanzügen standen da wie vom Blitz getroffen, während Jackson noch blasser wurde und sich mit dem Zeigefinger den Nasenrücken rieb, als wollte er sich hinter der Hand verstecken. Und plötzlich begann die Geschäftsführerin zu klatschen – große Güte, welche Frau nannte sich selbst schon Mel –, als hätte er soeben ein besonders gelungenes Kunststück aufgeführt.

„Der Witz war nicht schlecht“, erwiderte Melanie, nachdem sie zu applaudieren aufgehört hatte. „Ich weiß zwar nicht genau, warum Jackson sich die Mühe gemacht hat, uns zu unterhalten, aber das Geld, was er von uns bekommen hat, war’s durchaus wert, und jetzt würden wir gern weiterarbeiten.“

Wyatt trat etwas näher. Eine grünäugige Rothaarige, dachte er, wenn das mal keine gefährliche Mischung ist. „Es war kein Witz, Mel.“

Sie funkelte ihn aufgebracht an. „Für Sie immer noch Ms. Stafford, Mister.“

„In Ordnung, Ms. Stafford. Wenn es ein Witz gewesen wäre, warum ist mein guter Kumpel Jackson dann kalkweiß geworden, anstatt zu lachen?“

Unverzüglich drehte sie sich um, und Wyatt bemerkte zufrieden, wie die Wirklichkeit über sie hereinbrach, während sie Jackson starr anblickte. „Was, zum Teufel, hast du getan?“, fragte sie leise, und Jackson schien plötzlich ganz klein zu werden.

Eine Geschäftsführerin, die meint, den Chef herumkommandieren zu können, kann ich nicht brauchen, überlegte Wyatt und war sich darüber im Klaren, was er als Erstes ändern würde. Er beobachtete, wie sich Ungläubigkeit in ihrem Gesicht spiegelte, dann Entsetzen und schließlich Resignation und Bestürzung. Sie blinzelte, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass die anderen Angestellten sie völlig erstaunt ansahen.

„Robbie, machen Sie mit Ihren Leuten weiter“, befahl sie kurz angebunden. „Mr. Barnett möchte das Modell T noch diese Woche abholen. Und wir drei gehen jetzt in mein Büro und reden miteinander.“

„Mel, ich …“, begann Jackson so kläglich, dass Wyatt Mitleid mit ihm hatte.

„Jackson braucht nicht dabei zu sein. Wir haben gestern Abend schon alles besprochen, so dass jetzt nur noch Sie und ich die Einzelheiten klären müssen, Ms. Stafford.“

Jackson schien es vor Dankbarkeit die Sprache verschlagen zu haben. Er stahl sich durch die Seitentür nach draußen, bevor Melanie reagieren konnte. Wütend blickte sie Wyatt an. „Sie werden es noch bereuen, dass Sie ihn haben gehen lassen.“

„Warten wir’s ab.“

Höflich ließ er ihr den Vortritt und beschloss, nicht mit ihr darüber zu streiten, wer das größere Recht auf den Chefsessel hatte, als sie sich in dem kleinen Büro an den Schreibtisch setzte, auf dem eine ziemliche Unordnung herrschte. Sofort kam ein Hund darunter hervor, der wie ein Mopp mit Ohren aussah, und beschnüffelte seine Füße.

„Platz, Scruff!“, befahl sie energisch, woraufhin er sich gehorsam wieder verzog.

Wyatt setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber, stützte die Ellbogen auf die Armlehnen, legte die Fingerspitzen aneinander und das Kinn darauf. Abwartend sah er Melanie an.

„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Ansicht, Classical Cars von Jackson gekauft zu haben.“

Wyatt beschloss, sie erst einmal reden zu lassen, denn außer ein wenig Zeit hatte er nichts zu verlieren. Sollte sie sich doch etwas vormachen, wenn sie es unbedingt wollte, und auch ruhig glauben, dass sie die Situation beherrschte.

„Gewissermaßen, ja.“

Sie nickte. „Kennen Sie ihn gut?“

Versuchte sie etwa, ihn auf ihre Seite zu ziehen? Das könnte ganz unterhaltsam werden. „Ich kenne ihn seit einigen Monaten.“

„Ah ja. Und wie viel haben Sie ihm gezahlt?“

Wyatt zog die Brauen hoch. „Ich weiß eigentlich nicht, was Sie das angeht, Ms. Stafford.“

„Ich frage nicht aus reiner Neugier, obwohl es mich offen gestanden durchaus interessiert. Als er mir zuletzt eine Summe nannte, belief sich diese auf eine halbe Million Dollar.“

„Wollen Sie damit andeuten, dass Ihr … Autohandel nicht so viel wert ist.“

Melanie lächelte, und Wyatt witterte Gefahr. Sie sah aus, als würde sie sich bestens amüsieren. Überhaupt entwickelte sich das Ganze nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.

„Ja, in der Tat. Ich finde den Preis ziemlich unverschämt … für seine Hälfte.“

Hälfte? Jackson hatte mit keiner Silbe erwähnt, dass er nicht der alleinige Eigentümer war. Und das überrascht dich? fragte Wyatt sich insgeheim leicht spöttisch und überlegte dann, ob Mel ihn vielleicht gerade hereinzulegen und zur Aufgabe zu überreden versuchte.

Energisch setzte sie sich nun auf. „Ich habe Beweise, dass Jackson nur fünfzig Prozent besitzt.“

Nun war er wirklich misstrauisch. „Hören Sie mit dem Bluffen auf, Ms. Stafford.“

„Ich bluffe nicht. Jacksons Vater war ein kleiner Mechaniker. Wie er Miteigentümer eines Schrottplatzes geworden ist, weiß ich nicht genau …“

Wyatt hatte seines Erachtens keine Miene verzogen, aber dennoch schwieg Mel unvermittelt und blickte ihn nachdenklich an.

„Ihre Einschätzung war durchaus richtig. Hier sieht es schon wie auf einem Schrottplatz aus, denn es ist einmal einer gewesen. Er wurde erst in den letzten Jahren anders genutzt. Und in eine Goldgrube verwandelt.“

Sie runzelte die Stirn. „Ich würde es eher mit einem Opalvorkommen vergleichen. Wir bewegen tonnenweise Altmetall, um einen einzigen kleinen Schatz zu finden.“

Sie klingt, als meine sie es ernst, dachte Wyatt. Nein, das konnte nicht sein. Oder vielleicht doch?

„Jacksons Vater hat den Schrottplatz jahrelang geführt, ab und an das eine oder andere Teil verkauft, allerdings meistens immer mehr angesammelt. Als er vor zwei Jahren starb, hat Jackson ihn beerbt. Er war nicht sonderlich davon begeistert, Schrotthändler zu werden, und hat sofort davon gesprochen, dass er verkaufen wolle.“

„Für eine halbe Million Dollar.“

„Ja, den Preis hat er genannt. Natürlich war niemand verrückt genug, ihm so viel zu zahlen“, erklärte Melanie und sah Wyatt mit ihren grünen Augen betont unschuldig an. „Bis jetzt jedenfalls.“

Wenn sie hofft, die begehrte Information zu erhalten, muss sie es schon wesentlich geschickter anstellen. „Wenn Jacksons alter Herr eine Hälfte besessen hatte, wer besaß dann die andere?“, fragte Wyatt.

„Mein Vater. Und er hat sie mir vererbt.“

Warum war er, Wyatt, nicht vorausschauender gewesen! Er hätte von Anfang an wissen müssen, dass es gefährlich war, sich mit Jackson einzulassen, und er derjenige sein könnte, der den Kürzeren zog.

Versonnen blickte Melanie an die Decke. „Jetzt kennen Sie die Sachlage und wollen sicher Jackson finden und den Vertrag rückgängig machen. Ich habe Ihnen vorhin schon prophezeit, Sie würden es bereuen, dass Sie ihn haben gehen lassen.“

„Ich werde nicht hinter ihm herjagen.“

„Aber …“ Verwirrt sah sie ihn an. „Aber er hat Sie doch nicht richtig ins Bild gesetzt.“

„Nein, das hat er in der Tat nicht.“

„Dann ist es Betrug.“

„Wahrscheinlich.“

„Was bedeutet, dass der Deal ungültig ist. Wenn Sie wirklich nicht gewusst haben, was Sie kaufen, kann er nicht auf Vertragserfüllung bestehen.“

„Nur gab es in dem Sinne keinen solchen Vertrag. Und deshalb, Ms. Stafford, haben Sie nun einen neuen Partner.“ Seit er das Büro betreten hatte, verspürte er zum ersten Mal eine gewisse Befriedigung, denn Mel war noch blasser geworden als Jackson vorhin.

Autor

Leigh Michaels
Leigh Michaels ist die Autorin von über 70 Romanen für Harlequin. Mehr als 27 Millionen Kopien ihrer Bücher sind weltweit gedruckt und in 20 Sprachen übersetzt worden. Fünf ihrer Bücher waren Finalisten bei den RITA® - Verleihungen. Sie hat den “Reviewers Choice award” für Family Secrets, den Robert Bliss Award...
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