Ein verheißungsvoller Kuss

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Wie ein rettender Engel betritt Morgan Wakefield Samanthas abgelegene Hütte. Dort liegt sie in den Wehen und bringt nur mit seiner Hilfe den kleinen Timmy zur Welt. Zum Dank gibt Samantha dem stolzen Farmer einen Kuss - und entfesselt damit einen Sturm der Gefühle ...


  • Erscheinungstag 15.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746599
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Was zum Teufel tun Sie hier?“

Samantha Peterson, die gerade dabei war, Feuer im großen Steinkamin zu machen, zuckte zusammen und wirbelte herum, als sie die ärgerliche Männerstimme und das Zuknallen der alten Holztür hinter sich hörte. Der größte Cowboy, den sie je gesehen hatte, stand wie angewurzelt mitten auf der Türschwelle. Ein Blitz zuckte über den Himmel, und sämtliche Gruselgeschichten, die sie kannte, kamen Samantha in den Sinn.

Die Augen des Mannes waren unter der Krempe seines schwarzen Cowboyhuts verborgen, aber nach den grimmig zusammengepressten Lippen zu urteilen, war er nicht nur der größte, sondern auch der wütendste Cowboy, den sie je gesehen hatte. Er machte einen Schritt vorwärts, und im gleichen Moment schlug ihm ein Windstoß seinen langen schwarzen Mantel um die Beine. Erst jetzt bemerkte Samantha das Gewehr, das er in der Hand hielt.

„Ich … ich bin … oh …“ Samantha beugte sich leicht vor, schloss die Augen und stöhnte laut auf wegen des plötzlichen Schmerzes, der ihren Bauch durchzog.

„Himmel, Sie sind schwanger!“ Der Fremde klang schockiert.

Trotz ihrer Schmerzen spürte sie Wut in sich aufsteigen. Er hatte ihr einen heillosen Schrecken eingejagt und wusste nichts anderes zu sagen als das?

„Sehr freundlich von Ihnen, mir diese Tatsache klarzumachen“, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Ich glaube kaum, dass ich es sonst bemerkt hätte.“

„Geht es Ihnen gut?“

Seine Stimme klang auf einmal viel näher, als Samantha lieb war, aber das war im Moment die kleinste ihrer Sorgen. Sie hatte das Gefühl, dass dies keine von den Wehen war, die sie in den vergangenen zwei Wochen immer wieder mal geplagt hatten. Es fühlte sich überhaupt nicht wie falscher Alarm an. Aber das war doch nicht möglich, oder? Es waren noch drei Wochen bis zum Stichtag, den ihr Arzt errechnet hatte.

„Nein, es geht mir nicht gut“, erwiderte sie, als der Schmerz nachließ. Sie richtete sich auf, um dem Rüpel ihre Meinung zu sagen. „Sie haben mir einen solchen Schrecken …“

Samantha verstummte, als sie zu dem Mann neben sich aufsah. Schon seine Größe ließ sie unwillkürlich schaudern vor Angst, und sie machte einen Schritt rückwärts. Ihr Kopf erreichte kaum sein Kinn. Mit ihren eins fünfundsechzig war sie nicht unbedingt eine Amazone, aber sie war auch nicht gerade klein. Und trotzdem war dieser Mann mindestens zwanzig Zentimeter größer als sie und schien zudem noch ausgesprochen muskulös zu sein.

„Hören Sie, es tut mir leid, dass ich Sie angeschrien habe“, sagte er, und sein tiefer Bariton jagte ihr einen Schauer über den Rücken, der nicht das Geringste mit Angst zu tun hatte. „Ich hatte gedacht, einer der hiesigen Rotzbengel hätte sich hier eingenistet, um sich nach seiner Sauftour am Samstagabend auszuschlafen.“

„Wie Sie sehen, bin ich kein Rotzbengel.“ Samantha wich noch noch ein paar Schritte zurück. Sie brauchte Abstand zwischen sich und diesem Menschen, falls eine schnelle Flucht angesagt sein sollte – soweit man in ihrem Zustand überhaupt von Schnelligkeit reden konnte. „Und ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht die Angewohnheit habe, auf Sauftouren zu gehen.“

Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, er schob mit dem Daumen die breite Hutkrempe hoch und enthüllte die bemerkenswertesten blauen Augen, die sie je gesehen hatte. „Lassen Sie uns noch mal von vorn anfangen.“ Er streckte seine große Hand aus. „Ich heiße Morgan Wakefield.“

Als sie vorsichtig ihre Hand in seine legte, schlossen sich seine Finger um sie und Wärme durchströmte Samantha. Er sah sie erwartungsvoll an, aber es fiel ihr schwer zu sprechen. „Ich heiße Samantha Peterson“, brachte sie schließlich hervor und entzog ihm hastig ihre Hand.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Peterson.“

„Miss Peterson“, verbesserte Samantha ihn. „Ich bin nicht verheiratet.“

Sein Blick ging unwillkürlich zu ihrem dicken Bauch, bevor er ihr wieder ins Gesicht sah und nickte. War da etwa ein Anflug von Missbilligung in seiner Miene, bevor er ihr ein höfliches Lächeln schenkte? Wenn ja, dann war das Pech für ihn. Es ging ihn schließlich nicht das Geringste an, ob sie verheiratet war oder nicht.

Während sie sich weiterhin wortlos musterten, fiel ihnen plötzlich das Geräusch tropfenden Wassers aus einer der Ecken auf. Samantha eilte in die Küche und wühlte in den Schränken herum, bis sie einen großen Topf fand.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, stellte sie ihn unter das Leck in der Decke. „Das ist ja wunderbar. Nicht einmal das Dach hier ist in gutem Zustand.“

Morgan Wakefield betrachtete sie mit neuem Interesse. „Warum macht es Ihnen etwas aus, dass das Dach undicht ist?“, fragte er langsam.

„Ich hatte gehofft, dass ich wenigstens heute Nacht hier im Trockenen sitzen würde.“

„Sie wollen bleiben? Hier, in diesem Haus? Heute Nacht?“

„Ja auf alle Ihre Fragen“, versicherte sie und musste über seinen ungläubigen Blick lächeln. „Ich habe es von meinem Großvater geerbt.“

„Sie sind Tug Shackleys Enkelin?“

Samantha nickte und ging zum breiten Steinkamin hinüber. Langsam ließ sie sich in einen Sessel sinken. Die nächste Wehe rollte heran, und Samantha atmete tief und gleichmäßig, während sie sich darauf konzentrierte, alle Muskeln ihres Körpers zu entspannen.

Als der Schmerz abklang, stellte sie fest, dass Morgan sein Gewehr gegen den Sessel gelehnt hatte und die Hände auf die schmalen Hüften stützte. Er betrachtete sie, als wüsste er nicht so genau, was er von ihr halten sollte. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?“

„Ja. Und noch besser wird es mir gehen, wenn ich mein Baby zur Welt gebracht habe“, sagte sie und ermahnte sich, ruhig zu bleiben, obwohl das Baby früher kam als erwartet. „Wissen Sie zufällig, wo das nächste Krankenhaus liegt?“

Seiner Miene nach zu urteilen, war dies die letzte Frage, mit der er gerechnet hatte. „Verdammt, Sie werden doch wohl nicht …“

„Doch, genau das.“ Sie lachte fast über den entsetzten Ausdruck, der über sein attraktives Gesicht huschte. „Und wenn Sie mir jetzt auf meine Frage antworten, kann ich ins Auto steigen und mich auf den Weg machen, um mein Baby zur Welt zu bringen.“

Er nahm seinen Hut herunter und fuhr sich mit einer Hand durch das glänzende schwarze Haar. „Sie können sich doch nicht selbst ins Krankenhaus fahren.“

„Und wieso nicht, Mr. Wakefield?“, fragte sie herausfordernd.

Er war nicht nur einer der größten Männer, den sie je gesehen hatte, sondern auch einer der bestaussehenden. Er hatte eine kleine weiße Narbe über der rechten Augenbraue, und auf seinen Wangen zeigten sich die ersten Bartstoppeln, aber das unterstrich nur noch seine Attraktivität.

„Ich heiße Morgan“, sagte er und setzte sich den Hut wieder auf den Kopf. „Und in Ihrem Zustand ist es nicht sicher zu fahren. Was ist, wenn die Wehen so stark werden, dass Sie von der Straße abweichen?“

Samantha stand unbeholfen auf. „Dieses Risiko muss ich eingehen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen. Wir werden uns ein anderes Mal weiter unterhalten. Jetzt muss ich erst mal mein Baby kriegen.“

Er schüttelte stur den Kopf. „Wo haben Sie Ihren Wagen geparkt?“

„In der Garage oder Schuppen oder wie Sie das heruntergekommene Ding hinter dem Haus nennen wollen.“ Sie nahm ihre Schultertasche vom Kaminsims. „Warum?“

„Das nächste Krankenhaus ist in Laramie, und das ist über sechzig Meilen von hier entfernt.“ Er streckte die Hand aus. „Geben Sie mir die Schlüssel. Ich fahre Sie hin.“

„Das ist nicht nötig“, sagte sie kopfschüttelnd. „Ich bin gut in der Lage …“

Die nächste Wehe kam völlig unerwartet und war so heftig, dass Samantha einen Moment keine Luft bekam. Als sie ihre Tasche fallen ließ und sich krümmte, hielt Morgan sie an den Schultern fest und stützte sie, bis der Schmerz nachließ.

„Sie können nicht einmal richtig stehen, wenn die Wehen kommen.“ Er hob ihre Tasche auf und reichte sie ihr. „Und jetzt geben Sie mir Ihre Schlüssel, und ich hole den Wagen.“

Sosehr sie es hasste, es zugeben zu müssen, er hatte recht. Sie wühlte in ihrer Tasche herum und reichte ihm die Schlüssel ihres zwanzig Jahre alten Ford. „Es kann sein, dass er nicht gleich anspringt. Manchmal ist es recht mühsam.“

„Keine Sorge. Ich glaube, ich werde es wohl noch schaffen, einen Wagen in Gang zu kriegen“, meinte Morgan trocken. Er nahm die Schlüssel und wandte sich ab, aber als Samantha ihm folgte, hielt er inne. „Es hat keinen Sinn, dass wir beide klatschnass werden. Bleiben Sie im Haus, bis ich den Wagen dichter an die Veranda gefahren habe. Dann helfe ich Ihnen die Treppe hinunter.“

„Ich glaube, ich schaffe es gerade eben noch, ein paar kleine Stufen hinunterzusteigen“, wandte Samantha bissig ein.

„Sie sind nicht in bester Form, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich ein gebrochenes Bein einhandeln wollen. Eine Geburt reicht doch wohl, oder?“

Er ging hinaus, bevor sie den Punkt mit ihm diskutieren konnte, und lief über den Hof. Er hatte fast achtzehn Monate auf diesen Tag gewartet. Tugs Erbin war endlich gekommen. Leider hatte sie sich die Idee in den Kopf gesetzt, hier zu wohnen. Und in diesem Moment war sie ganz klar nicht in der Verfassung, sich seine Argumente anzuhören, dass es am besten wäre, wenn sie ihm die Ranch mit dem alten Haus verkaufte, statt selbst hier einzuziehen.

Er hätte fast gelacht, als er sich hinter das Steuer ihres Kleinwagens zwängte. Frauen! Wie kamen sie bloß immer auf solche hirnrissigen Ideen? Tugs Erbin musste blind sein, um nicht zu sehen, dass die Instandsetzung dieser alten Bruchbude etwa ebenso so viel kosten würde wie ein Neubau.

Er steckte den Schlüssel in die Zündung und drehte ihn herum. Das dumpfe Klicken, das folgte, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Er warf einen Blick auf das Armaturenbrett. Kein einziges Licht ging an. Er schloss entsetzt die Augen und hätte beinahe mit der Faust aufs Armaturenbrett geschlagen. Die Batterie war genauso tot wie der arme alte Tug.

Während er ausstieg und die Motorhaube öffnete, stieß Morgan eine Reihe von derben Flüchen aus, die einem Seemann alle Ehre gemacht hätten. Die Batteriepole waren total mit Rost überzogen – gut möglich, dass der Rost sich sogar durch die Kabel gefressen hatte. Morgan sah sich nach etwas um, mit dem er die Oxidation abschlagen könnte, gab die Idee aber sofort auf. Selbst wenn er das meiste Zeug abbekam, ohne die Kontakte zu zerstören, gab es keine Möglichkeit, das verflixte Ding wieder aufzuladen. Er schlug die Motorhaube mit unnötiger Wucht wieder zu.

Als ihm der Ernst der Lage klar wurde, krampfte sich sein Magen zusammen. Der einzige Weg, Hilfe zu holen, wäre, wenn er im strömenden Regen zurück zur Lonetree Ranch ritte und mit seinem Pick-up zurückkäme. Dafür würde er insgesamt über eine Stunde brauchen.

Morgan schüttelte den Kopf. Ein Ritt durch den Regen machte ihm nichts aus. Das hatte er öfter getan, als er zählen konnte. Aber der Bach zwischen seiner Ranch und dieser hier trat bei starken Regenfällen immer über die Ufer, und es würde unmöglich sein, ihn zu überqueren. Er könnte die Straße benutzen, doch das hieße, dass er bis zu zwei Stunden brauchen würde, bis er wieder hier war. Und der Gedanke, ganz eine schwangere Frau allein zu lassen, behagte ihm ganz und gar nicht – noch dazu eine Frau, die ihre Wehen hatte. Er würde außerdem seinen letzten Penny wetten, dass sie auch nicht allzu begeistert von der Idee sein würde.

Zum ersten Mal seit seiner Begegnung mit Samantha Peterson erlaubte er sich, über seinen ersten Eindruck von ihr nachzudenken. Ihr goldbraunes Haar umrahmte ein zweifellos sehr schönes Gesicht. Vor allem ihre Augen hatten ihn sehr beeindruckt. Sie waren bernsteinfarben mit goldenen Sprenkeln und hatten ihn sofort an erotische Nächte und stundenlangen leidenschaftlichen Sex denken lassen.

Morgan atmete tief ein. Wie zum Teufel war er denn auf so was gekommen?

Er fluchte gereizt vor sich hin. Es war eine ganze Weile her, dass er die Wärme eines weiblichen Körpers neben seinem gespürt hatte, und die lange Durststrecke setzte ihm allmählich zu. Was er brauchte, war ein Abstecher zum „Buffalo Gals Saloon“ in Bear Creek, um endlich mal wieder einen draufzumachen. Er würde sicher eine willige kleine Lady finden, die ihm helfen würde, sein Problem zu lösen und zu vergessen, wie einsam der lange Winter hier in Wyoming gewesen war.

Eins nach dem anderen, sagte er sich und konzentrierte sich auf ein drängenderes Problem. Es war wohl kaum der passende Zeitpunkt, sich über sein nicht vorhandenes Liebesleben zu beschweren. Samantha Peterson und er standen in diesem Moment einer viel wichtigeren Aufgabe gegenüber.

Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit überkam ihn, als er die Möglichkeiten bedachte, die ihnen blieben. Er konnte genauso gut das Unvermeidliche akzeptieren und sich darauf vorbereiten, was getan werden musste. Irgendwann in den nächsten Stunden würde er die Entbindung eines Babys zu der Liste seiner ärztlichen Fähigkeiten hinzufügen müssen – wenn nicht ein Wunder geschah.

Morgan seufzte tief auf, öffnete den Kofferraum und suchte, bis er gefunden hatte, was er brauchte. Er nahm Kissen, Laken, Decken und Handtücher und lief zum Haus zurück.

Als er hereinkam, saß Samantha vor dem Kamin, den Blick starr auf eines der vergilbten Bilder an der Wand geheftet. Sie sah aus, als wäre sie in einer Art Trance, und Morgan fragte sich unruhig, ob sie in einen Schockzustand gefallen war.

Während er sich verzweifelt zu erinnern versuchte, was er über die Behandlung von unter Schock stehenden Menschen wusste, atmete sie durch. Dann sah sie ihn erwartungsvoll an. „Können wir gehen?“, fragte sie und stand auf, als wäre alles in bester Ordnung.

Erleichtert, dass es ihr gut zu gehen schien, lächelte er kurz und überlegte, wie er ihr die Neuigkeit möglichst schonend beibringen konnte. Er seufzte bedrückt. Es gab nun einmal Situationen, die man nicht beschönigen konnte. „Die Batterie ist leer. Ich fürchte, wir stecken hier fest.“

Sie starrte ihn fassungslos an und sah sich mit wachsender Panik im Raum um. „Aber ich muss ins Krankenhaus. Es gibt hier keine Ärzte. Was ist, wenn … Ich meine, das Baby wird offenbar zu früh kommen. Ich brauche …“

Morgan ging hastig zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Das Letzte, was er jetzt wollte, war ein hysterischer Ausbruch von ihr. „Atmen Sie tief durch und hören Sie mir zu, Samantha. Sie sind nicht allein. Ich bin bei Ihnen.“

„Sind Sie Arzt?“ Sie sah ihn mit ihren ausdrucksvollen Augen flehend an.

In diesem Moment hätte Morgan alles für einen Medizinabschluss gegeben. „Nein, das bin ich nicht“, antwortete er ehrlich. „Aber wir werden es schaffen. Ich gebe Ihnen mein Wort.“ Er hoffe nur, dass er sein Versprechen auch einhalten konnte.

„Was ist mit Ihrem Wagen oder womit Sie auch immer gekommen sind?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Können wir den nicht benutzen?“

Er rieb sich den Nacken, um die langsam wachsende Anspannung zu mildern. „Ich bin mit dem Pferd gekommen. Bis ich zu meiner Ranch zurückgeritten bin und dann mit dem Pick-up zurückkehre, kann einige Zeit vergehen.“

„Mit Ihrem Pferd“, wiederholte sie verängstigt.

„Ich habe es im Stall angebunden, als ich ankam“, sagte er und betete im Stillen, dass Samantha nicht ausrastete.

Plötzlich hellte sich ihre Miene auf, als hätte sie die Lösung für ihr Problem gefunden. „Was ist mit einem Handy? Jeder besitzt heutzutage eins.“

„Ich habe eins, aber einige Bereiche in dieser Gegend befinden sich im Funkschatten“, erklärte er. „Dieser hier gehört leider dazu. Selbst wenn ich mein Handy dabeihätte, wäre es hier nutzlos.“

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber statt irgendwelcher Worte stieß sie nur ein leises Stöhnen aus. Morgan sträubten sich die Nackenhaare. Als sie sich wieder zusammenkrümmte, zog er Samantha an sich und stützte sie, solange der Schmerz sie in der Gewalt hatte.

Morgan trat der Schweiß auf die Stirn. Das würde nicht leicht werden. Er hasste es, ein Geschöpf leiden zu sehen, und würde lieber nackt über einen Stachelzaun klettern, als eine Frau Schmerzen erdulden zu sehen.

Wie sollte er damit fertig werden, wenn Samantha stundenlang in den Wehen lag und er nicht viel mehr tun konnte, als ihr dabei zuzuschauen? Und wenn nun Komplikationen eintraten?

Er schluckte nervös. Er wusste nur allzu gut, was passieren konnte, wenn bei einer Geburt etwas schief ging. Im Alter von sieben Jahren hatte er seine Mutter verloren – sie war bei der Geburt seines jüngsten Bruders Curtis gestorben. Und das, obwohl sie im Krankenhaus gewesen war.

Der Schmerz ließ nach, und Samantha atmete tief durch. „Ich muss versuchen, mich zu konzentrieren“, sagte sie mit entschlossener Stimme. „Wenn ich das schaffe, wird es leichter für uns.“

Morgan war nicht sicher, ob sie das sagte, um ihn davon zu überzeugen oder sich selbst. Aber im Augenblick war das nicht wichtig. Seine größte Sorge war, es ihr so bequem wie möglich zu machen und dann alles herbeizuholen, was er brauchen würde.

„Warum setzen Sie sich nicht ans Feuer, während ich das Sofa hier herüberschiebe? Dann können Sie sich darauf legen.“

„Sie haben das nicht zufällig schon mal gemacht?“, fragte sie. Ihr hoffnungsvoller Ton verursachte Morgan ein flaues Gefühl im Magen.

Er antwortete nicht, sondern zog den Überwurf von dem schäbigen grünen Sofa, warf ihn auf einen Stuhl und schob das schwere Möbelstück näher an den warmen Kamin heran. Er hatte in seinem Leben Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Babys auf die Welt gebracht. Aber keins davon war menschlich gewesen. Und irgendwie glaubte er nicht, dass Samantha Peterson allzu beeindruckt sein würde von seinen Fachkenntnissen als Geburtshelfer bei Rindern. Wenn er Glück hatte, würde sie ihn nicht wieder fragen, und er würde es ihr nicht zu sagen brauchen.

„Was ist? Haben Sie oder haben Sie nicht?“, beharrte sie.

Morgan hätte fast lauf aufgestöhnt. Warum konnte sie nicht einfach Ruhe geben und das Unvermeidliche akzeptieren? Er war die beste und einzige Hilfe, die sie kriegen würde. „Ja und nein.“ Er breitete eins der Laken aus, die er aus ihrem Wagen genommen hatte, und legte es zusammen mit einigen Kissen auf das durchgesackte Sofa. „Wenn Sie die Kälber und Fohlen zählen, bei deren Geburt ich geholfen habe, dann habe ich es schon oft genug gemacht.“ Er half ihr beim Aufstehen und führte sie zum Sofa. „Wenn nicht, dann ist meine Antwort leider negativ.“

Samantha setzte sich abrupt und verfiel wieder in den tranceartigen Zustand, in dem er sie vorhin vorgefunden hatte. Fasziniert sah er ihr dabei zu, wie sie tief und regelmäßig einatmete und leicht ihren dicken Bauch massierte, während sie die Krempe seines Huts anstarrte. Ihre zarten Wangen färbten sich tief rosa, aber ihre feste Entschlossenheit, den Schmerz auszuhalten, zeigte sich in der Haltung ihres eigensinnigen kleinen Kinns und ihrer unerschütterlichen Konzentration.

Als sie wieder aus ihrer Trance herauskam, sah sie zu ihm auf und fuhr fort zu reden, als wäre nichts geschehen. Es war das Unglaublichste, was er je gesehen hatte.

„Ich habe ein Buch über Schwangerschaften in meiner Tasche. Ich glaube, dort gibt es Anweisungen für den Notfall und was für Dinge man dafür braucht.“ Sie biss sich nervös auf die Unterlippe. „Ich hoffe, Sie haben ein schnelles Auffassungsvermögen.“

Wenn es etwas gab, das einem eindeutig verriet, aus welchem Stoff ein Mensch gemacht war, dann war das seine Art, auf eine schwierige Situation zu reagieren. Morgan musste zugeben, dass die zierliche Person, die es sich gerade in den Kissen auf dem alten Sofa bequem zu machen versuchte, wirklich eine große Portion Mut besaß.

Ihr Blick verriet ihm, dass sie außer sich vor Angst war. Aber sie presste ihre schönen Lippen zusammen, fest entschlossen, nicht in Panik zu geraten. Was auch passieren mochte, sie würde damit fertig werden.

Er schenkte ihr das beruhigendste Lächeln, das er unter den Umständen zustande bringen konnte, und reichte ihr ihre riesige Tasche. „Holen Sie das Buch heraus. Ich kümmere mich schon um alles andere.“

Sie kramte das Buch heraus, legte es in seine Hand und fiel wieder in einen tranceartigen Zustand, so wie bei der letzten Wehe. Morgan überflog inzwischen hastig das Inhaltsverzeichnis des Buchs und suchte nach Anweisungen zu Heimgeburten.

Dann las er den ersten Eintrag. Einen Krankenwagen zu rufen kam nur leider nicht infrage für sie. Er ging schnell zum zweiten Eintrag über, der ihm riet, um Hilfe zu rufen, wenn möglich.

Morgan wurde langsam ungeduldig. Als er den dritten Hinweis las, musste er schlucken und warf Samantha einen Blick zu, als sie wieder zurück war, von wo immer sie hinging, um dem Schmerz zu entfliehen.

„Was ist?“, fragte sie, als er sie nur stumm ansah.

Er räusperte sich. Es gab keine schonende Art, diese Art von Neuigkeiten einer Frau beizubringen, die er gerade mal – er sah auf die Uhr – vor knapp einer Stunde kennengelernt hatte.

„Hier steht, Sie müssen sich von der Taille abwärts ausziehen“, erklärte er schließlich und achtete darauf, ruhig und unbeteiligt zu wirken.

„Ist das jetzt sofort nötig?“, fragte sie genauso gelassen. Er war nicht sicher, aber er hatte den Eindruck, als wären ihre Wangen etwas röter geworden.

Morgan zuckte die Schultern, reichte ihr das Buch und ging in die Küche, um noch einen Topf zu holen. Er brauchte etwas, worin er Wasser kochen konnte, um ein paar Dinge zu sterilisieren, die er während der Geburt brauchen würde. Und Samantha musste sich erst einmal mit den Gegebenheiten anfreunden.

Morgan stellte zwei Töpfe nach draußen, um Regenwasser zu sammeln, und ging ins Wohnzimmer zurück. Samantha hatte eine der Decken genommen und sie sich über den Bauch und die Beine gelegt. Er blickte ans Ende des Sofas und sah, dass ihre Jeans ordentlich gefaltet über der Armlehne lag. Ihre Socken lagen neben den Tennisschuhen, die sie auf den Boden gestellt hatte.

„Würden Sie sich nicht besser fühlen, wenn Sie liegen?“, fragte er.

Samantha schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht.“

Schweiß stand ihr auf der Stirn, als sie ihm das Buch zurückgab und sich wieder darauf konzentrierte, die nächste Wehe zu überstehen. Morgan war sich in seinem ganzen Leben nicht so nutzlos vorgekommen. Er wollte ihr helfen, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er das tun sollte.

Aber irgendetwas musste er unternehmen, und so drehte er sich zum Holzstapel neben dem Kamin um, nahm einige Scheite herunter und legte sie auf das schwächer gewordene Feuer im Kamin. Obwohl es schon Anfang Mai und recht warm war, hing eine feuchte Kälte im Raum, und Morgan dachte, er würde so viel Licht wie möglich gebrauchen, wenn die Zeit gekommen war für den großen Auftritt des Babys. Außerdem musste er sich mit etwas beschäftigen, um sich ablenken zu können von dem, was Samantha durchmachte.

Das trockene Holz fing sofort Feuer und verjagte die nahenden Schatten des Spätnachmittags. Morgan zog seinen Mantel aus und warf ihn auf den Stuhl, auf den er schon den Schonbezug des Sofas gelegt hatte, und machte sich dann auf die Suche nach einer möglichen Lichtquelle. Zu seiner Erleichterung fand er zwei Kerosinlampen in der Speisekammer, deren Brennstoffbehälter gefüllt waren. Er ging ins Wohnzimmer zurück, stellte die Lampen auf den Kaminsims und zündete die Dochte mit Streichhölzern an, die er in der Küche gefunden hatte. Dann setzte er sich auf die Kaminsohle und nahm wieder das Buch in die Hand. Nachdem er die Liste mit den nötigen Vorbereitungen durchgegangen war, sah er auf. Woher zum Teufel sollte er zwei kräftige Schnüre herbeizaubern, um die Nabelschnur abzubinden?

Er sah sich um, und sein Blick fiel auf Samanthas Tennisschuhe. Er würde sich mit ihren Schnürbändern zufriedengeben müssen. Das Buch sagte nichts darüber, ob sie sterilisiert werden mussten, aber er dachte sich, es könnte nichts schaden. Um sicherzugehen, würde er sie einfach zusammen mit seinem Taschenmesser ins kochende Wasser werfen. Selbst wenn die Schnürbänder im heißen Wasser einlaufen sollten, würden sie immer noch lang genug sein, um ihren Zweck zu erfüllen.

Er legte das Buch in Reichweite auf den Boden und stand dann auf und rollte die Ärmel seines Hemdes hoch. Er wartete ab, bis Samantha sich von der letzten Schmerzwelle erholt hatte.

„Das Buch sagt, wir müssen anfangen, die Abstände, in denen Ihre Wehen kommen, zu messen. Sagen Sie mir, wenn die nächste kommt.“

Samantha nickte. „Sie folgen schon viel schneller aufeinander.“

Und die Schmerzen wurden stärker, das erkannte er, weil Samantha jedes Mal heftiger die Lippen zusammenpresste. Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie sanft und beruhigend. „Sie werden es schon schaffen, Samantha.“

Sie erwiderte seinen Händedruck. „Erinnern Sie mich in ein paar Stunden daran.“

„Mach ich“, sagte er. Er wusste nicht, warum das Vertrauen, das sie ihm entgegenbrachte, ihn mit Stolz erfüllte, aber trotzdem war es so. Er sagte sich, dass er das später immer noch analysieren könnte, ließ ihre Hand los und ging zur Tür. „Ich komme sofort zurück. Ich hole nur die Töpfe mit dem Regenwasser herein, um sie aufs Feuer zu stellen.“

Autor

Kathie De Nosky
<p>Kathie DeNosky stellt ihren Wecker oft auf 2 Uhr morgens, um wenigstens einige Stunden in Ruhe arbeiten zu können, bevor der Rest der Familie erwacht. Während dann in ihrem Büro leise Countrymusik erklingt, schreibt sie an ihren Romances, denen eine ganz besondere Mischung aus Sinnlichkeit und Humor zeigen ist. Sie...
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