Ein verwegenes Spiel in Weiß

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Ist das sein Ernst? Einen so verwegenen Kunden wie Gideon Falcon hatte Denise in ihrer Jobagentur noch nie. Der attraktive Manager will sie zu Weihnachten solange als Ehefrau buchen, bis er den Vertrag für ein Berghotel in der Tasche hat! Doch weil sein Auftrag sehr lukrativ ist, sagt Denise Ja. Das Wagnis ihres Lebens, denn das Hotel entpuppt sich als romantisches Idyll, in dem sie mit Gideon das glückliche Paar spielen muss …


  • Erscheinungstag 04.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757359
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Denise Watson bezweifelte, dass Gideon Falcon wirklich um drei Uhr erscheinen würde. Selbst überpünktlich und gewissenhaft, war sie noch keinem Mann begegnet, der es mit der Uhrzeit besonders genau nahm.

Angespannt beobachtete sie durch das Fenster ihres im dritten Stock liegenden Eckbüros die vielbefahrene Kreuzung darunter. Vor einem Jahr war sie mit ihrer erfolgreichen Zeitarbeitsagentur At Your Service in dieses angesagte Geschäftsviertel Sacramentos gezogen, und sie liebte den Blick auf die Skyline der City.

Unten bog gerade ein Motorrad in eine frei gewordene Parklücke. Das musste Gideon sein. Motorräder passten irgendwie zu ihm – schließlich war er ein Abenteurer, der Flugzeuge und Hubschrauber in abgelegene Regionen lenkte und Führungskräfte auf Exkursionen in die Wildnis führte. Konventionelle Fortbewegungsmittel waren bestimmt nicht sein Ding – nicht einmal Mitte Dezember.

Denise beobachtete, wie er etwas Langes und Schmales vom Rücksitz löste, seinen Helm abnahm und auf ihr Bürogebäude zusteuerte.

Sie warf das Haar über die Schultern zurück und drehte sich zu ihrem Schreibtisch um. Zu ihrer Überraschung konnte sie das Blut in ihren Ohren pulsieren hören. Sie hatte sich mehr als nur ein bisschen zu Gideon hingezogen gefühlt, als sie vor einem Monat auf der Hochzeit seines Bruders David stundenlang mit ihm getanzt hatte.

Aber war das ein Wunder? Er sah atemberaubend gut aus, mit dunklem Haar und durchdringenden blauen Augen, die einem bis auf den Grund der Seele zu blicken schienen. Und er war so verdammt gut gebaut … Charakterlich entsprachen sie einander leider gar nicht. Ein leichtsinniger Mann und eine vorsichtige Frau passten ungefähr so gut zusammen wie Feuer und Wasser.

Ganz zu schweigen von der winzigen Kleinigkeit, dass er sie seit der Hochzeit nicht ein einziges Mal angerufen hatte.

Um exakt drei Uhr verkündete Denises Empfangsdame seine Ankunft. Denise ging hinaus, um ihn zu begrüßen.

Er hat sich das Haar schneiden lassen, war das Erste, was ihr bei seinem Anblick einfiel. Nicht dass sein Haar wirklich lang gewesen war, aber immerhin lang genug, um sich im Nacken zu kräuseln – und um ihm beim Tanzen ins Gesicht zu fallen. Mit der jetzigen Frisur sah er aus wie … nun ja, wie ein Geschäftsmann, wenn auch mit einer verwegenen Note.

„Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben“, sagte Gideon, während sie einander zur Begrüßung die Hand gaben. Sein Blick machte deutlich, dass er sie genau durchschaute – oder sich zumindest im Klaren war, wie attraktiv sie ihn fand. Er trug Stiefel, Jeans, ein weißes Hemd und eine schwarze Lederjacke – in seinem Beruf vermutlich eine genauso angemessene Kombination wie ihr Kostüm für ihren.

„Zufällig hat gerade jemand abgesagt“, sagte Denise und führte ihn in ihr Büro. „Eigentlich ist um Weihnachten herum bei uns immer am meisten los.“

„Bei mir nicht.“

Gideon sagte das so locker, als ließe es ihn kalt. Aber vielleicht gefiel es ihm ja, wenig zu tun zu haben. Denise würde das vermutlich verrückt machen. Sie liebte ihren Job. „Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?“, fragte sie.

„Danke.“ Er lehnte eine Papprolle gegen ihren Schreibtisch, zog seine Jacke aus und gab sie ihr. Denise unterdrückte den Impuls, sie an sich zu drücken, um seine Körperwärme zu spüren.

Warum hast du mich nicht angerufen? dachte sie, fragte jedoch: „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich brauche eine Frau.“

Denise war tief enttäuscht. Als Gideon den Termin mit ihr vereinbart hatte, hatte sie insgeheim gehofft, er suche nur nach einem Vorwand, um sie wiederzusehen. Aber offensichtlich war sein Besuch rein geschäftlich. Es sah ganz so aus, als hätte er längst nicht so viel an sie gedacht wie sie an ihn.

„Eine Frau? Gut“, antwortete sie sachlich, zog ihre Computertastatur zu sich heran und öffnete das Anmeldeformular auf dem Bildschirm. „Was für Anforderungen soll die Dame denn erfüllen?“

„Eheliche.“

Denise lächelte kühl. „Können Sie das vielleicht ein bisschen genauer erläutern? Meine Angestellten machen zum Beispiel Besorgungen, bereiten Partys vor, putzen und betreuen Kinder.“

„Dafür habe ich keinen Bedarf. Ich suche eine Ehefrau.“

Sie nahm die Hände von der Tastatur. „Ich fürchte, Sie verwechseln mich mit einer Partnervermittlungsagentur.“

„Meinen Brüdern haben Sie doch auch Ehefrauen besorgt.“

Meinte er das etwa im Ernst? „Das war nicht beabsichtigt.“

Gideon lehnte sich lässig zurück und legte ein Bein über das andere. „David hält Ihre Fähigkeit, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzubringen, für geradezu unheimlich. Es war Ihnen sogar gelungen, eine Lehrerin für Noahs Kinder aufzutreiben. Das ist doch eigentlich gar nicht Ihr Gebiet, oder?“

„Reine Glückssache. Tricia kam zufällig bei uns vorbei, und sie hatte die nötigen Qualifikationen.“

„Und jetzt stehen sie und Noah kurz vor der Hochzeit, während David bereits verheiratet ist“, sagte Gideon. „Nennt man Ihre Firma nicht auch ‚Wives for Hire‘?“

„Das ist nur ein Spitzname – und ein ziemlich unpassender, wie ich finde. Wahrscheinlich kommt er daher, weil unsere Angestellten viele Aufgaben einer Ehefrau übernehmen.“

„Bis auf den Sex natürlich.“

Denises Herz klopfte schneller. „Selbstverständlich, aber auch vom Sex abgesehen, gehen die Aufgaben einer Ehefrau vermutlich weit über das hinaus, was meine Angestellten bieten.“

„Ich brauche trotzdem eine Ehefrau“, beharrte Gideon. „Ohne den Sex natürlich“, fügte er hinzu.

„Sie meinen zum Schein?“

„Ganz genau.“

„Wozu?“

„Für ein neues Hotelprojekt.“

Denise horchte auf. Gleichzeitig war sie irritiert. „Und dafür müssen Sie verheiratet sein?“

„Ja.“

„Also, diesen Wunsch höre ich zum ersten Mal. Wollen Sie auch gleich zweieinhalb Kinder mitbuchen?“

Gideon grinste jungenhaft. „Nicht nötig. Obwohl ein kleines Schwangerschaftsbäuchlein ganz hilfreich sein könnte.“ Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an. „Ich brauche eine Frau, die intelligent und eloquent ist und sich nicht von gestandenen Männern einschüchtern lässt. Jemanden, der sich in der Geschäftswelt und auf dem gesellschaftlichen Parkett souverän bewegt. Ich brauche eine Frau, die gleichzeitig Präsenz und Stabilität vermittelt.“

„Ich verstehe. Und was wären Sie bereit, für diese Idealvorstellung zu zahlen?“

„Was ist denn in solchen Fällen so üblich?“

„Ich hatte solche Fälle noch nicht. Wir sollten erst einmal die passende Frau finden und dann gemeinsam mit ihr über das Honorar entscheiden.“

„Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden, Denise. Sie sind diejenige, die ich will.“

All ihre Sinne reagierten sofort auf diese direkten Worte. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen. „Ich stehe nicht zur Disposition.“

„Warum nicht?“

„Das hier ist meine Firma, und ich bin die Geschäftsführerin. Das ist mehr als ein Vollzeitjob.“

„Ich würde mich nach Ihrem Terminkalender richten. Wochenenden und Abende reichen völlig aus.“

„Ausgeschlossen, Gideon.“

„Warum? Gehen Sie doch heute mit mir essen, dann können wir in Ruhe über alles reden. Ich habe ein paar Entwürfe mitgebracht, die ich Ihnen gern zeigen würde.“

„Glauben Sie etwa, dass Sie mich mit einem Abendessen rumkriegen?“

Gideon lächelte breit. „Einen Versuch ist es zumindest wert.“

„Kein Mensch würde uns abnehmen, dass wir verheiratet sind“, argumentierte sie. „Wir kennen uns schließlich kaum.“

„Kein Problem. Wir erzählen den Leuten einfach, dass wir uns auf Davids Junggesellenparty kennengelernt und uns sofort unwiderstehlich zueinander hingezogen gefühlt haben. Bis zur Hochzeit sind wir uns dann eine ganze Woche lang aus dem Weg gegangen, da wir beide noch nie zuvor Ähnliches erlebt und zunächst unseren Gefühlen misstraut haben.“

Gideon sah sie eindringlich an und fuhr mit sanfter Stimme fort: „Auf der Hochzeit haben wir dann stundenlang getanzt und uns unterhalten. Wir sahen uns in die Augen, berührten einander und wussten irgendwann einfach, dass wir zusammengehören. Wir haben akzeptiert, dass es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gibt, und beschlossen, keinen Tag mehr ohne einander leben zu wollen. Also sind wir spontan nach Reno gefahren und haben geheiratet. Glauben Sie mir, das wird die Liebesgeschichte des Jahrhunderts. Selbst die größten Zyniker werden uns darum beneiden.“

Denise hatte Mühe, sich wieder auf die Realität zu konzentrieren, so gebannt hatte sie seinen Worten gelauscht. Verdammt, wenn er sie damit überzeugt hatte, dann würden andere ihm bestimmt auch glauben. Wer hätte gedacht, dass ein Romantiker in ihm steckte? Denise hatte ihn eher für eine Art Hemingway-Helden gehalten. Einen Überlebenskämpfer. Den idealen Begleiter bei einem Flugzeugabsturz.

Trotzdem … „Ich halte diese Geschichte für ziemlich unglaubwürdig, Gideon“, sagte sie. „Warum hätten Sie die Hochzeit einen ganzen Monat lang vor Ihrer Familie verheimlichen sollen?“

„Meine Brüder brauchen ja nichts von unserem Deal zu erfahren, nur diejenigen, die ich für mein Projekt interessieren will. Diese Geschichte habe ich mir bloß für den Notfall ausgedacht, falls jemand nachhakt. Warum sehen Sie sich meine Pläne nicht einfach mal an? Wenn Sie dann nicht überzeugt sind, lasse ich Sie in Ruhe, versprochen. Also, was ist? Gehen Sie mit mir essen?“

Okay, er war immerhin Noahs und Davids Bruder. Mit ihm essen zu gehen, konnte nicht schaden. Aber sie würde auf keinen Fall seine Frau spielen!

Denise verschränkte die Hände auf der Schreibtischplatte. „Ich habe um vier und um halb fünf noch Termine.“

„Dann hole ich Sie um fünf Uhr hier ab, wenn das okay ist.“ Er nahm die Papprolle und legte sie auf den Schreibtisch. „Darf ich die hier solange hierlassen?“

„Klar.“ Denise begleitete ihn hinaus. „Sollten wir uns nicht lieber chinesisches Essen bestellen? Wir könnten uns damit in den Konferenzraum setzen.“

Gideon hielt sie am Ellenbogen fest und sah sie auf seine typische Art eindringlich an. „Ich möchte aber lieber mit Ihnen ausgehen, Denise. Bitte.“

Das hättest du schon vor einem Monat tun können! „Na schön.“

Er ließ die Hand zu ihrer Schulter gleiten und drückte sie kurz, eine simple Geste, die Denises Hormone sofort wieder in Wallung versetzte. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Hoffentlich merkte er ihr nichts an.

„Also bis fünf“, sagte er und ging.

Sie kehrte in ihr Büro zurück und spähte aus dem Fenster. Statt auf sein Motorrad zu steigen, ging Gideon Richtung Einkaufszentrum. Er wirkte eigentlich nicht wie jemand, der gern einkaufen ging, aber es war fast Weihnachten, und er hatte Nichten und Neffen.

„Hallo-o!“

Die Stimme ihrer Assistentin Stacy riss Denise aus ihren Gedanken. Sie hatte sie offensichtlich schon mehrfach angesprochen, Sie stand direkt neben ihr, offensichtlich bemüht, Denises Aufmerksamkeit zu erregen. „Was ist?“, fragte Denise leicht unwirsch.

„Ich sagte gerade, wie süß er ist.“ Stacy zeigte aus dem Fenster. „Dein Mr Falcon. Ich nehme an, er ist Davids und Noahs Bruder?“

„Ja. Der mittlere.“

„Möchte er etwa auch jemanden engagieren? Wäre doch zu lustig, wenn er hier genau wie seine Brüder die Liebe seines Lebens finden würde.“

„Das bezweifle ich sehr.“

Stacy zuckte die Achseln. Mit ihren achtundzwanzig Jahren war sie ein Jahr jünger als Denise. Sie war Denises erste Angestellte gewesen und würde die Leitung der Firma übernehmen, sobald Denise ihre Franchise-Pläne umsetzte.

„Was wollte er denn?“, fragte Stacy.

„Mich.“

„Aha! Dann war sein Besuch also nicht geschäftlich, sondern privat?“

„Wir sind uns bei Davids Hochzeit begegnet“, antwortete Denise.

„Du könntest es schlimmer treffen.“

„Schon passiert.“

Stacy lachte. „Und? Gehst du mit ihm aus?“

„Ja, heute Abend.“

„Ich wette, er küsst gut.“ Stacy seufzte sehnsüchtig.

Dazu konnte Denise nichts sagen, leider – auch wenn es auf der Hochzeit ein paar Gelegenheiten gegeben hätte, ihn zu küssen, vor allem, als er sie nach der Feier zum Auto gebracht hatte. Irgendwie hatte sie damals das Gefühl gehabt, dass er ein sehr aufmerksamer und leidenschaftlicher Liebhaber sein musste – ein Eindruck, der sich eben noch verstärkt hatte.

„Du musst mir danach unbedingt alles erzählen“, rief Stacy ihr über die Schulter zu, als sie das Büro verließ.

Anderthalb Stunden später trank Gideon einen Block von Denises Büro entfernt ein Bier, während er darauf wartete, dass Denise seinen Businessplan zu Ende las. In dem schwarzen, aus Seidenbluse, Rock und hochhackigen Schuhen bestehenden Outfit gefiel sie ihm gut. Sie sah genauso aus wie in seiner Erinnerung: 1,77 Meter groß, perfekt proportioniert, mit tiefgrünen Augen, die meistens etwas zu ernst blickten, und glänzendem braunen, schulterlangen Haar …

Ihrem Haaransatz nach zu urteilen, war sie allerdings in Wirklichkeit blond. Gideon hatte zwar versucht, nicht an sie zu denken, aber die Frage, warum sie sich die Haare färbte, hatte ihm einfach keine Ruhe gelassen. Hatte sie etwas zu verbergen? Wenn ja, was?

Als die Bedienung den Salat brachte, legte Denise die Unterlagen beiseite. „Sie wollen also einen Wintersportort kaufen“, stellte sie fest.

„Ja, The Trails. Das Gelände liegt auf der Nevada-Seite des Lake Tahoe.“ Gideon spießte ein Stück Tomate auf. „Wie Sie sehen, ist das Potenzial bisher noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Außerhalb der Skisaison wird das Gebiet nur als Weideland benutzt. Die Besitzer, Ed und Joanne Baker, haben Mitte der Sechzigerjahre 15 Skihütten darauf gebaut. Ich will sie abreißen lassen und eine ganzjährig zu nutzende Anlage hinsetzen. Man soll dort nicht mehr nur Langlaufski fahren können, sondern auch wandern, Mountainbike fahren und reiten. Ich will ein Spa bauen und vielleicht ein paar Konferenzräume. Und natürlich ein großes Hotel mit Restaurant.“

Gideon sah Interesse in Denises Augen aufflackern, aber sie senkte den Blick rasch auf ihren Salat.

„Bis wann müssen Sie den Bakers ein Angebot machen?“, fragte sie.

„In zehn Tagen, also bis Heiligabend. Wie Sie sehen, ist bis auf die Finanzierung alles vorbereitet. Aber seit Max Beauregards Tod vor zwei Monaten habe ich ein Problem. Max sollte eigentlich mein Partner werden. Ich wollte das Land kaufen und die Pisten und Routen anlegen und er das Hotel bauen. Kannten Sie Max?“

„Nicht persönlich. Er war noch ziemlich jung, oder?“

„Siebenunddreißig. Mit Softwaretechnologie hat er ein Vermögen verdient. Er war einer meiner ersten Kunden und hat mich und meine Firma seinen Freunden und Geschäftspartnern weiterempfohlen. Außerdem hat er mir im Laufe der Jahre immer wieder unglaubliche finanzielle Tipps gegeben. Ohne sie könnte ich dieses Projekt nie realisieren.“

„Was ist passiert? Ist er gestorben, bevor Sie die Verträge unterzeichnet haben?“

„Nein, das war schon alles unter Dach und Fach. Aber Ann, seine Witwe, kann den Vertrag allein nicht erfüllen.“

„Warum?“

„Die Bakers stellen ganz besondere Anforderungen: Sie verkaufen das Land nur an ein junges Ehepaar, das den Namen The Trails und den familienfreundlichen Charakter des Orts bewahrt. Die Beauregards haben ihre Voraussetzungen erfüllt, obwohl das Projekt in Wirklichkeit meins war. Ich habe versucht, ein anderes Paar aufzutreiben, doch das ist nicht so leicht. Wäre ich verheiratet, müsste ich nur noch einen neuen Investor für das Hotel finden. Das ist zwar schon schwierig genug, aber immerhin machbar.“

„Warum bleibt Ann nicht Ihre Investorin?“

„Max war derjenige, dem das Projekt am Herzen lag, nicht Ann. Ich will sie nicht dazu zwingen, einen Vertrag zu erfüllen, an dem ihr nichts liegt.“

„Kann ich verstehen. Dann wollen Sie die Bakers also belügen?“

„Ich will The Trails. Das, was ich daraus machen will, entspricht genau ihren Wünschen: ein Urlaubsort, an dem Familien mit Kindern jedes Alters auf vielfältige Art Spaß haben können. Wenn ich dafür so tun muss, als sei ich verheiratet, dann werde ich es eben tun.“

„Und was ist, wenn die Bakers die Wahrheit herausfinden?“

„Wie sollten sie? Nur Sie und ich kennen die Wahrheit. Wir brauchen sonst niemandem davon zu erzählen.“

Denise brach sich ein Stück von ihrem Brötchen ab und bestrich es nachdenklich mit Butter. „Okay, ich verstehe. Wie viele Investoren suchen Sie denn?“

„Bloß einen.“

„Im Ernst?“

„Ja. Bei mehreren Investoren bliebe mir nur noch ein geringer Anteil am Ganzen, aber das ist nicht das, was ich will und wofür ich so hart gearbeitet habe.“

„Sie suchen also einen gleichberechtigten Partner?“

„Ideal wäre jemand, der einen Anteil von neunundvierzig Prozent akzeptiert, sodass ich letztlich die Entscheidungen treffe. Aber die Chancen, jemanden zu finden, der damit einverstanden ist, sind gering.“

Denise legte ihre Gabel auf den leer gegessenen Teller und trank einen Schluck Wein. Gideon konnte sehen, wie es in ihr arbeitete.

Schließlich hob sie ihr Weinglas. „Also, das Projekt macht auf mich einen sehr vielversprechenden Eindruck. In großen Teilen zumindest.“

Gideon lächelte. „Soll heißen?“

Sie zuckte die Achseln. „Der Hotelentwurf gefällt mir nicht besonders.“

„Max und ich hatten uns extra für James Madigan als Architekten entschieden“, erklärte er. „Er ist auf Hotels spezialisiert.“

„Ja, ich weiß“, antwortete Denise ausweichend.

„Was gefällt Ihnen denn nicht daran?“

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Madigan baut gute Hotels, aber was Design angeht, hat er keine Ahnung. Dieser Entwurf hier ist ganz okay, passt aber nicht in die Umgebung. Und die Innenausstattung … na ja, die ist wie überall. Nichts Besonderes.“

„Muss es denn etwas Besonderes sein?“ Gideon war selbst überrascht, wie sehr Denises Geschäftssinn ihm gefiel. Normalerweise bevorzugte er Frauen, die genauso unternehmungs- und abenteuerlustig waren wie er. Eine solche Frau hatte er sogar geheiratet, doch die Ehe war gescheitert. Denise war zwar eigentlich nicht sein Typ – aber sie war verdammt sexy. So sexy, dass sie ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen war. Trotzdem hatte er sie nicht kontaktiert. Schließlich brauchte er gerade jetzt seine ganze Energie für das Projekt.

„Außerdem ist die Aussicht doch bestimmt spektakulär. Man sollte sie viel besser nutzen.“ Sie tippte auf die Unterlagen. „Die Gästezimmer werden diesem Anspruch ganz gut gerecht, aber die Gemeinschaftsräume …“ Sie verstummte und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, ich benehme mich ja fast so, als sei das mein Projekt.“

Gideon beobachtete sie intensiv. So viel Enthusiasmus hätte er ihr gar nicht zugetraut, aber es gefiel ihm. „Leider habe ich keine Zeit mehr, noch etwas an den Plänen zu ändern“, sagte er. „In zehn Tagen …“

„Doch, haben Sie. Die Entwürfe müssen ja nicht perfekt sein. Das Wichtigste ist doch die Kostenkalkulation, oder?“

„Stimmt.“ Die Bedienung entfernte ihre Salatteller und servierte den Hauptgang: Lachs für Denise und Steak für ihn. „Aber wenn ich keinen perfekten Entwurf vorlegen kann, wird sich doch kein Mensch für das Projekt interessieren.“

„Doch.“

„Wie denn?“

Denise zögerte einen Augenblick. „Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, oder?“, fragte sie schließlich.

Gideon sah sie verwirrt an. „Sollte ich das denn?“

„Hilft es Ihnen weiter, wenn ich Ihnen sage, dass die meisten mich früher Deni genannt haben?“

Gideon brauchte ein paar Sekunden, bis der Groschen fiel. Deni Watson? Er sah die Zeitungsfotos förmlich vor sich: kurzes, wildes blondes Haar, zierliche Figur. Die beste Freundin von Dani Sowieso – „Deni und Dani“ hatte die Klatschpresse sie immer genannt. Folglich war Denise also die Tochter des Hotelmagnaten Lionel Watson, Eigentümer der luxuriösen Watson-Hotelkette. Deni Watson, jung, eigenwillig und schön. Und ein echtes Partyluder.

2. KAPITEL

Denise spürte seinen verblüfften Blick, aß jedoch unbeirrt ihren Lachs weiter.

„Ach, deshalb kennen Sie sich so gut mit Hotels aus“, sagte Gideon. „Ich lese ja normalerweise keine Klatschmagazine, aber ich erinnere mich noch, dass es jede Menge Spekulationen gab, als Sie plötzlich von der Szenerie verschwunden sind. Wie lange ist das noch mal her?“

„Fünf Jahre.“ Denise hob ihr Glas Chardonnay, um auf den Erfindungsreichtum der Presse anzustoßen. „Ich hatte wahlweise einen entstellenden Autounfall oder ein Baby von einem geheimnisvollen Prinzen.“

„Oder sind in einer Entzugsklinik abgetaucht.“

„Meine Lieblingsversion. Ich habe zwar jede Menge Partys gefeiert, mich aber nie öffentlich zum Narren gemacht. Nur ein einziges Mal. Und das wird mir wahrscheinlich mein ganzes Leben lang nachhängen.“

„Warum haben Sie sich damals so plötzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen?“, fragte Gideon. „Und sich die blonden Haare dunkel gefärbt? Damit niemand Sie erkennt?“

„Ich wollte etwas beweisen, und zwar ohne den mächtigen Namen meines Vaters im Hintergrund.“ Denise stellte ihr Weinglas ab. „Ich erzähle Ihnen das nur, damit Ihnen eins klar ist: Anstatt Ihnen zu nützen, könnte ich Ihnen vielleicht sogar schaden. Es gibt genug Menschen, die mich wegen meiner wilden Zeiten ablehnen. Also sollten Sie Ihre Entscheidung vielleicht noch mal überdenken. Ich helfe Ihnen auch gern dabei, eine passendere Scheinehefrau für Sie zu finden.“

Doch im Grunde genommen wollte sie das gar nicht mehr. Nachdem sie Gideons Pläne gesehen hatte, war sie Feuer und Flamme für das Projekt. Es war absolut faszinierend.

Genauso faszinierend wie Gideon selbst, und das konnte ganz schön riskant werden – für ihr Herz nämlich.

„Heißt das, Sie sind im Prinzip einverstanden?“, fragte er.

Denise versuchte, sich ihre Begeisterung nicht anmerken zu lassen. Schließlich musste sie sich das selbst alles noch mal gründlich durch den Kopf gehen lassen. „Ich würde Ihre Pläne gern mit nach Hause nehmen und etwas genauer studieren, bevor ich eine Entscheidung treffe. Außerdem möchte ich das maßstabsgetreue Modell sehen, das in den Plänen erwähnt wird. Und das Areal selbst auch.“

Gideon lächelte schwach. „Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Schließlich sind Sie keine potenzielle Investorin.“

„Ich kann nicht für ein Projekt einstehen, von dem ich nicht voll und ganz überzeugt bin.“

„Okay, das kann ich nachvollziehen.“

Die Serviererin kam an ihren Tisch, um abzuräumen und ihnen ein Dessert anzubieten, doch sie lehnten dankend ab.

Als sie das Restaurant verließen, verabredeten sie, sich am nächsten Tag gemeinsam das Areal anzusehen. Denise zog ihren Regenschirm aus der Tasche.

„Wozu der Regenschirm?“ Gideon blickte zum Himmel. „Es regnet bestimmt nicht. Zumindest nicht in den nächsten zwei Stunden.“

„Können Sie das etwa riechen, Mountain Man?“

Er lächelte. „Ich kann eben nichts riechen.“

„Sie sind bestimmt ziemlich gut in Ihrem Job.“

Sein Achselzucken konnte alles Mögliche bedeuten.

„Wo steht eigentlich Ihr Auto?“, fragte er.

„Ich bin zu Fuß hier. Ich wohne nicht weit entfernt.“

„Ich würde Ihnen ja gern anbieten, Sie auf Hilda nach Hause zu bringen, habe aber leider keinen zweiten Helm dabei. Und mit Ihrem Rock …“ Er beugte sich näher zu ihr, als wollte er ihr etwas ins Ohr flüstern, entschied sich dann jedoch offenbar anders. „Ich begleite Sie zu Fuß.“

Denise hätte zu gern gewusst, welche Worte ihm gerade auf der Zunge gelegen hatten. „Das ist wirklich nicht nötig, Gideon, trotzdem danke. Fahren Sie lieber los, bevor der Regen einsetzt. Nur für den Fall, dass Ihre Nase Sie trügt“, fügte sie hinzu, obwohl sie seinem Instinkt durchaus traute. „Sie brauchen doch noch ungefähr eine Stunde, oder?“

„Müssen Sie eigentlich immer alles bestimmen?“, protestierte er scherzhaft. „Ich will doch nur, dass Sie sicher nach Hause kommen. Bitte tun Sie mir den Gefallen.“

„Wer will denn hier jetzt bestimmen?“

Statt ihr zu antworten, legte Gideon ihr die Hand auf den Rücken und schob sie vorwärts. Prompt begannen sämtliche Nervenenden in ihrem Körper zu prickeln.

„Laufen Sie eigentlich immer auf so hohen Stelzen?“, fragte er und zeigte auf ihre Pumps.

„Ich habe meine Straßenschuhe im Büro vergessen.“ Das war glatt gelogen. In Wirklichkeit war sie nämlich zu eitel gewesen, um sie anzuziehen. Gideons bewundernder Blick war ihr nicht entgangen.

„Hilda ist Ihr Motorrad, nehme ich an?“, fragte sie, um das Gespräch wieder auf neutraleres Terrain zu lenken.

„Stimmt. Wollen Sie eigentlich lieber Denise oder Deni genannt werden?“

„Denise ist unauffälliger.“

„Wäre es nicht doch besser, wenn die Menschen wüssten, wer Sie wirklich sind?“

Sie zog die Brauen zusammen. „Vergessen Sie nicht meinen schlechten Ruf!“

„War er denn berechtigt?“

Autor

Susan Crosby
Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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