Ein wenig Vino und viel Amore

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Empört erwartet Delanie den anonymen Finanzhai, der das Firmenimperium ihres Vaters übernommen hat - und ihre eigene kleine Agentur gleich mit. Da steht plötzlich Marco Vincienta vor ihr: der heißblütige Italiener, der einst ihre Liebe verriet! Delanie stockt der Atem. Marco wirkt noch umwerfender als in ihrer Erinnerung. Und er verlangt, dass sie mit ihm in seine Heimat fliegen soll! Delanie ist verzweifelt. Doch um ihre Firma zurückzugewinnen, sagt sie Ja - mit ungeahnt romantischen Folgen. Denn in Florenz überrascht Marco sie plötzlich mit ein wenig Vino und viel Amore …


  • Erscheinungstag 01.10.2013
  • Bandnummer 2095
  • ISBN / Artikelnummer 9783733700010
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Tja, das war’s.“ Mit einem geräuschvollen Klick legte Henry den Hörer auf das fast schon antik wirkende schwarze Telefon. Seine Miene war so ausdruckslos wie die der Marmorbüsten in David Tates Chefbüro im Londoner Zentrum. „Die Übernahme von Tate Unlimited ist abgeschlossen.“

Delanie saß ganz still und blickte über den Schreibtisch auf den leeren Chefsessel ihres Vaters. Die meisten Frauen in ihrer Lage wären jetzt in Tränen ausgebrochen. Aus Furcht. Angst. Wut. Doch sie fühlte sich seltsam benommen. Unbeteiligt. Es war, als durchlebte eine andere den Tod ihres Vaters, die Qualen der feindlichen Blitzübernahme seines Unternehmens und einer erschreckend ungewissen Zukunft.

Obwohl sie bei seiner Beerdigung keine Trauer zeigen konnte, hatte sie ihm zumindest die letzte Ehre erwiesen. Und selbst das hatte sie große Überwindung gekostet.

„Und was ist mit meinem Antrag, das Haus und das Privatvermögen meiner Familie davon auszunehmen?“ Insgeheim hoffte Delanie immer noch, etwas vom Firmenimperium ihres Vaters gerettet zu haben.

So lange sie denken konnte, war Henry der Anwalt ihres Vaters gewesen. Onkel Henry hatte sie ihn stets liebevoll genannt. Jetzt schüttelte er den Kopf und presste die dünnen Lippen zusammen. „Alles weg. Der neue Eigentümer hat auf dein Angebot, Elite Affair zu kaufen, mit einer Gegenofferte reagiert.“

„Was will er denn?“, fragte Delanie matt.

Als ob das jetzt noch wichtig wäre. Ihre einzige Möglichkeit, überhaupt ein Angebot machen zu können, war davon abhängig gewesen, ob sie die Oldtimer verkaufen konnte. Doch die waren nun ebenfalls weg, und sie besaß nichts, was sie anbieten oder verkaufen könnte.

„Dazu äußert sein Anwalt sich nicht“, erwiderte Henry. „Der neue Firmenchef würde uns nach seiner Ankunft über Einzelheiten unterrichten, sagt er.“

Natürlich. Also wieder warten. Weitere Dramatik bei diesem Meisterstück moderner Firmenpiraterie.

Delanie atmete tief aus, stand auf und strich sich den Rock glatt. Den Gegebenheiten entsprechend, trug sie ein schlichtes schwarzes Kleid, obwohl es sie blass und leblos erscheinen ließ. Und im Moment fühlte sie sich tatsächlich leblos. Gleichzeitig war sie zu wütend und aufgebracht, um klein beizugeben.

Der Zusammenbruch des Unternehmens ihres Vaters war letztlich unvermeidlich gewesen. Dennoch hatte sie gehofft, dass der Feuer speiende Finanzdrachen, der sie seit zwei Wochen unter Beschuss genommen hatte, so viel Anstand bewies, sich ihr Ersuchen wenigstens anzuhören. Dass der Unbekannte, der hinter der Gruppe Varsi Dynamics steckte, menschliche Züge zeigte und sich nicht als seelenloses Ungeheuer aufspielte.

Falsch gedacht.

Wie leicht wäre es nun gewesen, das sprichwörtliche Handtuch zu werfen. Die Leute würden verstehen, dass es einfach zu viel für sie war, innerhalb kürzester Zeit beide Elternteile und ihren gesamten Besitz verloren zu haben. Doch sie war zu stolz, um sich bemitleiden zu lassen. Stolz war alles, was ihr blieb.

Delanie straffte die schmalen Schultern und ging zum verhangenen Fenster. Was blieb ihr anderes übrig, als sich für die Begegnung mit dem teuflischen Industriellen zu wappnen, der den gesamten Besitz ihres Vaters geschluckt hatte. Und alles, was sie selbst besessen und sich mühsam aufgebaut hatte.

Niedergeschlagen schob sie die Vorhänge beiseite und blickte durch die regennassen Sprossenfenster auf das trübe Stadtbild hinaus. Stahlgraue Wolken hinderten die Sonne daran, sich zu zeigen.

Das trostlose kalte Wetter passte zur Beerdigung ihres Vaters und seines verflixten Imperiums. Wenn sie sich wenigstens zurückholen könnte, was rechtmäßig ihr zustand …

Stirnrunzelnd drehte Delanie sich zum Anwalt ihres Vaters um. „Wissen wir denn wenigstens, wer hinter Varsi Dynamics steckt?“

„Nein.“ Henry blickte auf seine Baume & Mercier. Vor Jahren hatte sein Freund ihm die kostbare Uhr in Anerkennung treuer Dienste geschenkt. Inzwischen wirkte das braune Lederband viel zu wuchtig und männlich für sein knochiges Handgelenk. „Aber das werden wir bald erfahren. Er wollte um Viertel nach zwei hier sein.“

Also jeden Moment, dachte Delanie. „Gut. Ich möchte das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen und nach Hause fahren.“

Da gab es nur ein Problem: Sie hatte kein Zuhause mehr. Besaß nichts mehr. Wohin sollte sie sich wenden? Freunden zur Last fallen? Arbeitsagenturen nach einem Job abklappern?“

Mit bebenden Fingern versuchte sie, sich eine widerspenstige Strähne ihres langen Haars hinter ihr Ohr zu streifen. Seufzend gab sie auf, als die goldblonden Locken ihr wieder ins Gesicht fielen, wie schon vorher auf dem Friedhof.

Wenn sie zu Wutausbrüchen neigen würde, wäre dies der ideale Zeitpunkt. Nur ein Unmensch konnte darauf bestehen, das Treffen unmittelbar nach der Beerdigung ihres Vaters hinter verschlossenen Türen im Büro von Tate Unlimited abzuhalten.

Nur ein Teufel konnte sich so etwas einfallen lassen! Ein Mann ohne einen Hauch von Anstand oder Gewissen.

Der Unhold, der sich hinter Varsi Dynamics verbarg, hatte die Überraschungsattacke auf Tate Unlimited ausgerechnet während der letzten Lebensstunden ihres Vater vorgenommen. Noch vor der Beerdigung des Patriarchen im Familiengrab der Tates hatte der Firmenhai den gesamten Besitz ihres Vaters an sich gerissen – einschließlich des Herrenhauses mit allem, was dazugehörte – darunter auch die Rolls-Royce-Flotte in den Garagen.

„Ich könnte mir vorstellen, dass der neue Eigentümer sich das Vergnügen nicht entgehen lassen will, alle Mitarbeiter persönlich zu feuern.“ Kampfbereit stellte Delanie sich hinter dem weinroten Ledersessel auf, von dem aus ihr Vater sein Imperium geleitet hatte.

Henry zupfte sich die rotgolden gestreifte Krawatte zurecht, das erste Anzeichen, dass er nicht ganz so ruhig war, wie er sich gab. „Na ja … sein Anwalt hat mir zugesichert, dass alle Angestellten für sechs Monate auf Probe übernommen werden.“

Das hatte Delanie nicht erwartet. Der erste Sonnenstrahl an diesem schrecklichen Regentag. „Das überrascht mich.“

„Mich auch.“ Henry blickte erneut auf die Uhr. „Zeit für mich, nach unten zu gehen und den Mann heraufzubegleiten. Ich darf nicht riskieren, dass er im Gebäude herumirrt und sich verläuft. Geht es dir gut, Delanie? Kommst du einen Moment allein zurecht?“

Seine Fürsorge entlockte ihr ein schwaches Lächeln. „Ja. Natürlich.“

Henry nickte kurz und ging. Für einen Mann seines Alters bewegte er sich erstaunlich flott.

Schweigen erfüllte das Büro, mit dem Delanie nur bittere Erinnerungen verbanden. Nein, sie würde Tate Unlimited nicht vermissen. Elite Affair dafür umso mehr. Die Firma, die ihr Vater ihr aus den Händen gerissen hatte, bedeutete ihr alles. Sie war die Erfüllung ihrer Träume gewesen. Durch sie war sie frei und unabhängig geworden, hatte sich dem Beherrschungsdrang ihres Vaters endgültig entziehen können.

Es geht mir überhaupt nicht gut, dachte Delanie und presste die Finger in den weichen Lederrücken des Chefsessels.

Schwacher Gewürzduft erfüllte die Luft. Das Aftershave ihres Vaters. Es war, als hätte er das Büro gerade erst verlassen.

Der gewohnte Drang davonzulaufen, erfasste Delanie wie eisiger Regen, und sie erschauerte. Für ihren Vater hatte eine Frau zu heiraten und einen Erben zu liefern. Einen männlichen Erben, wie er ihrer Mutter vorgehalten hatte, nachdem sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen war.

In seinen Augen war Delanie nicht besser gewesen. Sie grub die Finger tiefer in das Leder, weil sie wieder an seine zynischen Vorhaltungen dachte: Eine Enttäuschung. Eine Belastung. Genau wie deine Mutter.

Wenn er sie nicht erpresst hätte, noch das eine Jahr zu bleiben, wäre Delanie gegangen. Rückblickend hätte sie genau das tun müssen. Jetzt blieb ihr nichts mehr – es sei denn, ein Wunder geschah, und der neue Firmeneigentümer machte ihr ein annehmbares Gegenangebot.

Das Klingeln des ankommenden Lifts hallte über den Korridor. Wie eine Armee rückten Männerschritte über den Marmorfußboden heran. Mit jedem Schritt beschleunigte sich Delanies Puls.

Das Warten war vorbei.

Er war da.

Eisige Schauer überliefen sie, doch sie zwang sich, aufrecht dazustehen, um die nächste Hürde zu nehmen. Tief einatmen. Langsam aus. Doch selbst das half nicht gegen ihr Herzjagen und das Zittern in den Knien.

Dennoch dachte Delanie nicht daran, dem Feind auch nur ein höfliches Lächeln zu schenken. Nur ein Dummkopf lächelte, wenn ihm ein Hai entgegenschwamm.

Henrys Stimme drang klar und deutlich zu ihr durch. „Miss Tate erwartet Sie im Büro ihres Vaters. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir.“

„Das wäre dann alles“, erwiderte eine dunkle Männerstimme, die Delanie jeden anderen Gedanken vergessen ließ.

Nein! Sie musste unter Wahnvorstellungen leiden.

Doch es war kein Irrtum. Das war der melodische italienische Akzent, der sie seit Jahren in ihren Träumen verfolgte. Den sie nie wieder hatte hören wollte.

„Sir“, widersprach Henry befremdet. „Ich muss darauf bestehen, dabei zu sein …“

„Lassen Sie uns allein!“ Der scharfe Ton weckte schmerzliche Erinnerungen, die Delanie seit Langem verdrängt hatte.

Der Mann aus ihrer Vergangenheit war zurück. Was wollte er? War das der anonyme Industriellenhai, der ihr rücksichtslos alles rauben wollte?

Gehetzt blickte sie sich im Raum nach einem Fluchtweg um. Ihr Puls raste, sie fühlte sich benommen. Die Wände schienen sie erdrücken zu wollen.

Nicht die Wände. Nur ihre Vergangenheit.

Die Vorzimmertür wurde zugeschlagen, vermutlich direkt vor Henrys Nase. Delanie zuckte zusammen. Eine Gänsehaut nach der anderen überlief sie, und ihr Herz flimmerte bei jedem Schritt, den Marco näherkam.

Vor der Tür zum Chefbüro hielt er inne. Angespannt lauschte sie. War er stehen geblieben, um sich die Krawatte zurechtzurücken wie so oft, weil er die „Dinger“ hasste?

Ein wilder Gedanke kam ihr, der zu ihrer Gefühlslage passte: Wetzte der Hai sich die Zähne, um dann tödlich zuzuschlagen?

Ihr Herz hämmerte, sie schwankte, Erinnerungen umwaberten sie wie ein erstickender Nebel. Jede weitere Sekunde fraß an ihr, nagte an ihrem Selbstvertrauen, um das sie verzweifelt rang.

Dann betrat der Mann das Büro, den Delanie niemals hatte wiedersehen wollen. Mit einem leisen Klicken, das in ihren Ohren wie eine Alarmanlage schrillte, schloss er die Tür. Unwillkürlich hielt sie den Atem an und betrachtete seine groß gewachsene, beherrschende Gestalt, seine breiten Schultern, die klassischen Züge …

Er war atemberaubend!

Und wie er sie ansah! So durchdringend, dass sie wie angewurzelt dastand.

Ciao, Delanie.“

Sie bohrte die Finger so tief in den Sesselrücken, dass sie sicher war, das Leder durchzustoßen. Doch er war der einzige Schutz gegen den Gegner.

Gegner …

Nicht einmal in ihren kühnsten Vorstellungen wäre sie auf den Gedanken gekommen, der geheimnisvolle Übernahmefeind von Varsi Dynamics könnte Marco Vincienta sein. Ihr Exverlobter. Der Mann, den sie geliebt hatte. Der ihr das Herz gebrochen hatte.

Es konnte nur einen Grund geben, warum er Tate Unlimited übernahm und sie zwang, sich eine Stunde nach der Beerdigung ihres Vaters mit ihm zu treffen.

Rache.

Delanies Kehle fühlte sich trocken an, sie schluckte, das geräumige Büro schien zu schrumpfen … die übermächtige Ausstrahlung des Mannes war einfach erdrückend.

Sie saß in der Falle.

„Marco“, brachte sie den Namen mühsam über die Lippen, den sie einst so hingebungsvoll geflüstert hatte – als sie dumm genug gewesen war zu glauben, den seelisch verwundeten Mann mit ihrer Liebe heilen zu können.

Jetzt wirkte er größer, kälter und durchtrainierter. Er war in Topform. Das dichte dunkle Haar, das sie so gern mit den Fingern verwuschelt hatte, trug er modisch kurz geschnitten, und nur eine widerspenstige Locke, die ihm kühn in sein sonnengebräuntes Gesicht fiel, zeugte von seiner rebellischen Natur.

Er wirkte noch umwerfender und männlicher als Delanie ihn in Erinnerung hatte. Sehr viel gefährlicher. Hungrig. Wie der Wolf im Käfig, den sie im Zoo beobachtet hatte, während er die Menge kühl taxierend nach leichter Beute überflog.

Nur blickte Marco ihr direkt in die Augen … mit dem lauernden Ausdruck des Jägers, der das Wild aufgespürt und in die Enge getrieben hat – um dann zum Sprung anzusetzen.

Kalter Schweiß brach Delanie aus. Es kostete sie alle Willenskraft, aufrecht und stolz erhobenen Kopfes stehen zu bleiben. Jetzt bloß keine Angst oder Schwäche zeigen!

„Du bist also der Mann hinter Varsi Dynamics“, sagte sie.

Ein raubtierhaftes Lächeln überflog Marcos Lippen, die sie einst so leidenschaftlich geküsst und die nie gekannte Empfindungen in ihr geweckt hatten – ihr selbst jetzt noch Magenflattern verursachten.

Doch solche Regungen konnte sie sich nicht mehr leisten. Sie hasste Marco so tief wie sie ihn einst geliebt hatte. Vor allem, nachdem sie wusste, was er ihr angetan hatte.

„Es gehört zu meinen unbedeutenden Übernahmen.“

Delanie konnte ihre Verblüffung nicht verbergen. „Unbedeutend?“

Wieder dieses Raubtierlächeln. „Kaum zu fassen, dass der junge Kerl, dem du und dein Vater die Firma abgenommen haben, so vermögend geworden ist, dass er die Macht besitzt, einen Titan vom Thron zu stoßen.“

„Mit den Machenschaften meines Vaters hatte ich nichts zu tun“, wehrte sie sich empört. „Ich habe dich wirklich geliebt.“

Marco lächelte abschätzig. „Ja genau. Ich denke da an deine tränenreiche Schilderung eurer Familienverhältnisse, nachdem ich euch beide mit der Wahrheit konfrontiert hatte und mit dir fertig war.“ Seine dunklen Augen zeigten keine Regung. „Zu wenig, zu spät, kann ich da nur sagen. Wenn du mir deine Geschichte wenigstens aufgetischt hättest, ehe du mich hintergangen hast …“

„Ich habe dich nicht hintergangen!“, wehrte sie sich empört. „Warum willst du die Wahrheit nicht sehen? Weshalb musstest du gleich das Schlimmste annehmen …?“

Mit einer scharfen Handbewegung schnitt Marco ihr das Wort ab. „Das ist Vergangenheit, Delanie. Was damals war, hat nichts damit zu tun, warum ich jetzt hier bin.“

Sein maßgeschneiderter Anzug schlug keine Falten, als er die Arme vor der Brust verschränkte und sie unbeteiligt ansah. Wie ein Fremder. Welten entfernt von dem jungen, unschuldigen Italiener, dem sie einst ihr Herz geschenkt hatte. Vor ihr stand ein erwachsener, sehr viel härterer Mann. Das war nicht mehr der romantische Liebhaber, in den sie sich unrettbar verliebt hatte.

„Ich benötige deine Dienste“, erklärte er ihr sachlich.

Im ersten Moment war Delanie sprachlos. Als Hochzeitsplanerin? Als Geliebte? Beides konnte Marco unmöglich von ihr verlangen! „Soll das ein Scherz sein?“

„Ganz und gar nicht“, erwiderte er ungerührt. „Ich möchte, dass du noch heute mit mir nach Italien fliegst.“

Sie musste sich verhört haben. Das Gleiche hatte er vor langer Zeit von ihr gefordert: Komm mit mir nach Italien …

Aber das hätte bedeutet, dass sie ihr altes Leben hinter sich zurückgelassen und ihre Mutter auf Gedeih und Verderb ihrem tyrannischen Mann ausgeliefert hätte …

Schon damals hatte Delanie diesen Schritt nicht über sich gebracht. Und heute schon gar nicht.

„Kommt nicht infrage, Marco“, erwiderte sie kühl. „Ich bin nur hergekommen, um mir dein Gegenangebot für Elite Affair anzuhören.“

Er zog eine Braue hoch. „Das ist mein Gegenangebot. Komm mit nach Italien. Als Hochzeitsplanerin. Wenn die Braut und ich mit dir zufrieden sind, gehört Elite Affair dir.“

Sollte es wirklich so einfach sein? Nichts, was mit diesem Mann zusammenhing, war einfach. Erst recht nicht, wenn sie mit ansehen sollte, wie er die Braut küsste.

Das wäre die Hölle. Folter pur!

Andererseits ….

Ein teuflischer Köder, den Marco ihr da anbot. Wenn sie mitspielte, würde sie Elite Affair bekommen. Aber konnte sie ihm trauen? Würde er seinen Teil der Abmachung halten?

Delanie blickte ihm fest die Augen. Es war ein gefährliches Spiel … Andererseits hatte sie nichts mehr zu verlieren – aber alles zu gewinnen.

„Na gut. Aber ich plane die Hochzeit von London aus und schicke dir eine meiner besten Mitarbeiterinnen. Sie wird dafür sorgen, dass alles wie am Schnürchen läuft.“

Marco schüttelte den Kopf. „Nein. Wenn du nicht von Anfang bis Ende dabei bist, gibt es keinen Deal.“

Delanie schob den Sessel ihres Vaters beiseite und ging um den Schreibtisch zu Marco herum. „Warum? Was macht es schon, ob ich dabei bin oder nicht? Wichtig ist doch nur, dass die Braut mit dem Ergebnis glücklich ist.“

Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und sah sie so durchdringend an, dass sie sich Halt suchend an den Schreibtisch lehnte. „Weil die Braut darauf besteht, dass du dort bist, um auch die kleinste Einzelheit zu organisieren.“

„Und für die Braut würdest du alles tun.“

Si. Es soll der schönste Tag ihres Lebens werden.“

Sicher, das würde jeder Bräutigam wollen. Nur hatte Marco damals sie heiraten wollen. Er war der Mann, der geschworen hatte, ihr zur Seite zu stehen. An sie zu glauben. Sie zu beschützen.

Und in allen drei Punkten hatte Marco sie jämmerlich enttäuscht. Was könnte ihn jetzt davon abhalten, sie zu erpressen mitzukommen?

„Versprechungen genügen mir nicht“, beharrte Delanie. „Du musst mir schriftlich garantieren, dass ich meine Firma zurückbekomme, wenn meine Arbeit getan ist.“

„Nein. Du bekommst deine Firma zurück, wenn die Braut mit deiner Arbeit zufrieden ist.“

„Und wenn sie etwas daran auszusetzen hat?“

„Dir eilt der Ruf voraus, die anspruchsvollsten Kunden zufriedenzustellen.“

„Auch da gibt es Grenzen“, begehrte sie auf.

Fast lächelte er jetzt. „Für deine Arbeit wirst du großzügig belohnt.“

Entschlossen schüttelte Delanie den Kopf. Genug, dass sie Marco einmal vertraut hatte. Ein zweites Mal würde es nicht geben. Niemals!

„Vergiss es. Ich denke nicht daran.“

Mit steinerner Miene sah er sie an, der Mann, der sie einst so verlangend in den Armen gehalten hatte.

In grauer Vorzeit …

Ihre Beziehung war aufgeflammt wie eine Nova am Sternenhimmel. Sie waren sich begegnet und vor Leidenschaft förmlich explodiert … um wieder in kalter Dunkelheit zu versinken, als es zu Ende war. Der Bruch hatte Delanie tiefer getroffen, als sie für möglich gehalten hatte. Selbst jetzt war sie noch nicht darüber hinweg, musste sie sich eingestehen.

„Ich habe dich nie wirklich gekannt, Marco. Aber du wolltest es ja so.“ Sollte er ruhig wissen, wie sehr er ihr wehgetan hatte. „Du hast Mauern um dich errichtet und mich kaum je an deiner Vergangenheit, deinen Ängsten und Träumen teilhaben lassen. Nie hast du dich näher dazu geäußert, wie du dir unsere Zukunft vorstellst.“

„Trotzdem wolltest du mich heiraten“, gab er zu bedenken.

Delanie kämpfte mit sich. Das konnte sie nicht abstreiten. „Damals war ich noch sehr jung und naiv. Ich habe dir vertraut.“

Schweigend wandte Marco sich ab und ballte die Hände zu Fäusten.

Na ja … Ein Geständnis hatte sie von ihm sowieso nicht erwartet. Das hätte nicht zu ihm gepasst. Wieso war sie auf einmal den Tränen nahe?

Verflixt! Während der gesamten Beerdigung hatte sie würdevoll Haltung bewahrt. Jetzt würde sie ihm nicht die Genugtuung geben zu sehen, wie tief er sie erneut verletzt hatte. Wie nahe sie daran war, die Fassung zu verlieren.

Mit stolz erhobenem Kopf ging Delanie zur Tür. Es war sinnlos, noch länger zu bleiben, um mit ihm zu verhandeln. Das würde sie Henry überlassen.

Kein Zuhause. Keine Arbeit. Nur der Stolz war ihr geblieben.

„Ich bin noch nicht fertig mit dir“, erklärte Marco.

„Dein Pech.“ Delanie war dankbar, dass die Stimme ihr gehorchte und ihre Beine sie trugen. „Aber ich mit dir.“

Noch wenige Schritte, und sie würde die Tür mit dem gleichen schicksalhaften Klicken hinter sich zufallen lassen wie er.

Tränen drohten sie zu überwältigen, doch sie schaffte es, sich zusammenzureißen, während sie durchs Vorzimmer einer ungewissen Zukunft entgegenschritt.

2. KAPITEL

Marco riss die Tür zum Vorzimmer so heftig wieder auf, dass das schwere Eichenpaneel aus den Angeln flog. Nicht zu fassen! Nur wenige Minuten mit Delanie, und er bekam einen dieser Wutanfälle, gegen die er sein Leben lang angekämpft hatte.

Sie war die einzige Frau, bei der er so die Kontrolle über sich verlor. Und eins war klar nach diesem Gefühlsausbruch: Er begehrte sie immer noch. Kalte Angst wallte in ihm auf. Nackte, kalte Angst, die er sich erst hatte erklären können, als er vor zehn Jahren nach Italien zurückgekehrt war und den dunklen Schleier gelüftet hatte, der über seiner Vergangenheit hing.

Er sollte Delanie gehen lassen! Den Schaden so gut es ging begrenzen und nach Hause fliegen. Doch während er ihre schlanke Gestalt ins Vorzimmer flüchten sah, wurde ihm bewusst, dass er sie nicht gehen lassen konnte. Nicht jetzt. Schließlich hatte er seiner Schwester versprochen, mit Delanie nach Italien zurückzukehren.

Aber sie würde nicht mitspielen, wenn er die Klingen mit ihr kreuzte. Und sie um Hilfe zu bitten, kam schon gar nicht infrage.

Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Immerhin besaß er das, was sie sich am meisten wünschte.

„Wie viel bedeutet dir Elite Affair, Delanie?“, rief er ihr nach, bevor sie die Tür erreichte.

Sie blieb so unvermittelt stehen, dass sie sich am Türpfosten abstützen musste. Selbst in schwarzer Trauerkleidung wirkte sie höllisch sexy. Und diese Beine in den teuflisch hochhackigen Pumps …

Erinnerungen wurden in ihm wach. Damals hatte sie ähnlich aufregende Killerheels getragen und sonst nichts …

Sein Körper regte sich, ihm wurde heiß.

„Nun?“, drängte Marco, obwohl Delanie ihn kalt, fast feindselig ansah.

„Genießt du deinen Sieg auf meine Kosten?“, fragte sie ironisch.

„Bilde dir nur nichts ein.“ Ganz ruhig bleiben. „Ich habe es darauf angelegt, das Imperium deines Vaters zu zerstören.“

„Was du blendend geschafft hast. Erwartest du jetzt, dass ich dir dazu gratuliere?“

Marco verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Türpfosten. Die neue Seite an Delanie gefiel ihm. Als er sie kennengelernt hatte, war sie verspielt und sanft gewesen, hatte ganz im Schatten ihres Vaters gestanden.

Doch im Laufe der Jahre hatte sie Biss und Schwung bekommen. Faszinierend, wie sie sich behauptete und ihre Gefühle überspielte. Aber natürlich konnte sie ihm nichts vormachen.

Einmal hatte sie ihn ausgetrickst. Ein zweites Mal würde es ihr nicht gelingen.

Beim Gedanken an ihren Verrat verspürte Marco einen vertrauten Stich in der Brust. „Beantworte meine Frage.“

„Elite Affair bedeutet mir sehr viel, wie du weißt“, erwiderte sie steif.

„Dann überleg dir gut, was du tust, Delanie. Wenn du durch diese Tür gehst, verspielst du die letzte Chance, deine Firma zurückzubekommen.“

Sie wurde blass. Oder spielte das Licht ihm einen Streich? „Wie soll ich dir vertrauen – nach allem, was du mir angetan hast?“

„Hier geht es um etwas rein Geschäftliches.“ Siegessicher fuhr Marco fort: „Ich habe bereits einen Vertrag aufsetzen lassen. Entweder du nimmst die Bedingungen an, oder ich feuere deine Mitarbeiter und liquidiere Elite Affair.“

„Das würdest du einem gewinnträchtigen Unternehmen antun?“

„Ohne mit der Wimper zu zucken.“

Delanie stemmte die Hände in die Hüften und verzog abschätzig die Lippen, die Marco am liebsten geküsst hätte.

Teufel noch mal, was war mit ihm los?

Auf sein großzügiges Angebot, ihr die Firma wieder zu überschreiben und sie für die Organisation der Hochzeit seiner Schwester mit einem großzügigen Scheck zu belohnen, hatte er erwartet, Delanie würde ihm tränenreich gestehen, mit ihrem Vater gegen ihn intrigiert zu haben.

Doch sie ließ nicht mit sich reden, widersetzte sich ihm – was ihn nur noch mehr herausforderte und erregte.

Aber natürlich dachte er nicht daran, von seiner Forderung abzuweichen, ganz gleich, was sie tat.

„Keine Zugeständnisse?“, fragte sie.

Nun beobachtete er sie scharf. Sie wirkte verunsichert. Diesen Willenskampf musste er gewinnen. Er besaß, was sie sich mehr als alles wünschte: Elite Affair.

„Also gut. Reden wir“, sagte sie, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

Sie gab nach. Wie erwartet. Aus diesem Kampf würde er als Sieger hervorgehen.

Geräuschvoll warf Delanie die Tür zu und ging erhobenen Hauptes an Marco vorbei ins Büro zurück.

Zufrieden lächelte er. Süß, wie ihr knackiger Po in dem strengen schwarzen Kleid bei jeder Bewegung wippte! Er betrachtete ihre langen schlanken Beine, mit denen sie seine Hüften im Rausch der Leidenschaft umklammert hatte …

Wenn er wollte, könnte er sie wieder ins Bett bekommen …

Aber derartige Komplikationen dürfte er sich nicht leisten. Dafür stand zu viel auf dem Spiel. Egal, wie groß die Versuchung war!

Jetzt verband sie keine Leidenschaft mehr. Nur Wut. Glühender Hass. Doch selbst das brachte seinen Puls zum Jagen.

Er begehrte Delanie mehr als jede andere Frau. Dabei wäre es klüger, sie ein für alle Mal aus seinem Leben zu streichen.

Marco zupfte sich die Manschetten des Designerhemds zurecht und folgte Delanie.

„Beruhige dich“, sagte er, als sie stehen blieb, ohne ihn anzusehen. „Ich habe nicht vor, über dich herzufallen.“

„Ich traue dir nicht.“ Beharrlich kehrte sie ihm weiter den Rücken zu.

Autor

Janette Kenny
Solange Janette sich erinnern kann, prägten fiktive Geschichten und Charaktere ihre Welt. Die Liebe zur Literatur entdeckte sie bereits als kleines Mädchen, da ihre Eltern ihr rund um die Uhr vorlasen. Ermutigt durch ihre Mutter, begann Janette schon früh zu schreiben. Anfänglich begnügte sie sich damit, ihren Lieblingssendungen neue, nach...
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