Ein Wintermärchen für den Lord - Historisch-romantische Weihnachten

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DAS GEHEIMNIS DER WINTERROSEN von LOUISE ALLEN
Mysteriöse Geräusche in der Nacht, welkende Rosen im Schnee … In Miss Hester Lattimers Cottage scheint es zu spuken! Was weiß ihr Nachbar Guy Westrope, Earl of Buckland, darüber? Beharrlich, ja fast zärtlich, sucht der attraktive Lord ihre Nähe. Will er sie erobern – oder steckt etwa er hinter dem Geheimnis von Moon House?

MEIN ENGEL DER WEIHNACHT von JACQUIE D'ALESSANDRO
Zum Fest der Liebe werden Grace und Sebastian ihre Verlobung bekannt geben, glaubt Lady Adelaide verzweifelt. Denn Sebastian ist der Mann, den sie liebt – und Grace ihre jüngere Schwester! Aber Weihnachten ist nicht umsonst die Zeit der kleinen und großen Wunder ...

DER HAUCH VON WEIHRAUCH von MERLINE LOVELACE
Die bezaubernde Lady Margaret hat keine Wahl: Sie muss ihren Ehemann Sir Christopher schnellstens zu einer Liebesnacht verführen – auch wenn sie ihn jahrelang nicht gesehen hat. Sonst ist ihre Verbindung an Weihnachten null und nichtig. Und dann droht Margaret ein grausameres Schicksal, als mit dem schurkischen Kapitän der „Golden Gull“ verheiratet zu sein …

ZEIT DER HOFFNUNG, ZEIT DER LIEBE? von BETINA KRAHN
Claires Augen gleichen Sternen, ihr süßer Mund macht jede Begegnung unterm Mistelzweig zu einer Erfüllung – noch nie hat Ralph so ein bezauberndes Weihnachtsfest erlebt! Doch er ist nur kurz in London. Und unmöglich kann er die junge Frau mit der schmerzhaften Vergangenheit bitten, ihm zuliebe England aufzugeben und mit nach Indien zu kommen – oder doch?


  • Erscheinungstag 01.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520904
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Das Geheimnis der Winterrosen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2005 by Melanie Hilton
Originaltitel: „Moonlight And Mistletoe“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON , Band 2
Übersetzung: Eleni Nikolina

Umschlagsmotive: Ironika, Feaspb / shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2021

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751512466

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

4. Dezember 1814

Die Einwohner Winterbourne St. Swithins waren sehr stolz auf ihre kleine Gemeinde. Es war kein ländliches Provinznest, wie es so viele gab, kein verschlafenes Dörfchen, lediglich bevölkert von schlichten Bauern und kleinen Grundbesitzern, einem rotbäckigen Squire und einer Kirche und ein oder zwei Gaststätten als einzigen Vorzügen.

Nein, ihr Dorf, so rühmten sie sich, lag immerhin am Postweg nach Aylesbury. Nur die Gemeindewiese trennte es vom neuen Kanal, den der verrückte Duke of Bridgewater hatte anlegen lassen. Erwähnenswert war sicher auch das „Bird in Hand“, Herberge und Poststation in einem und Anlaufpunkt für den Kutschenverkehr, die Post und die Gigs und Karriolen der Gentlemen, die von hier nach London und Oxford reisten. Winterbourne Hall, ein prächtiges Herrenhaus, das seinesgleichen suchte, war der Sitz der Nugents, die zusammen mit einem weiteren halben Dutzend vornehmer Familien zum hiesigen Landadel gehörten.

Außer über eine graue Steinkirche und den uralten Friedhof verfügte man hier darüber hinaus sogar über ein Geschäft, ein ausgezeichnetes Geschäft, in dem man alle Arten von Kurzwaren, kostbare Stoffe, die Zeitungen aus London und Oxford mit nur einem Tag Verspätung, Schnupftabak, Tee und Parfüms erstehen konnte.

Das Leben der Einwohner spielte sich vor allem in der Nähe der Kirche ab sowie auch nahe der Poststation und der Gemeindewiese mit ihrem Ententeich, der ehrwürdigen alten Eiche und den schönen Herren- und Fachwerkhäusern.

An einem nasskalten Donnerstagmorgen überquerten drei achtbare Hausfrauen die Wiese, in ein fesselndes Gespräch vertieft. Wie es schien, gab es keinen Zweifel mehr darüber, dass der Gentleman, der das „Old Manor“ gemietet hatte – den einzigen architektonischen Schandfleck der Gegend –, doch tatsächlich ein Earl war.

„Oder vielleicht gar ein Duke“, vermutete Mrs. Thorne hoffnungsvoll und hob leicht ihren Rock an, während sie behutsam einer Pfütze auswich. „Wie dem auch sei, in jedem Fall ist es eine schöne Sache für Winterbourne. Er wird all seine vornehmen Freunde hierher einladen, denken Sie an meine Worte, meine Lieben. Und er wird Personal beschäftigen sowie Eier, Milch und Schinken brauchen.“

„Wenn er seine vornehmen Freunde bei sich haben will, was tut er dann mitten im Dezember in Winterbourne?“, entgegnete die Witwe Clare, ihre Busenfeindin, spitz. „Alle feinen Leute sind entweder auf Besuch in der Stadt oder auf ihren großen Landsitzen. Wieso mietet ein Earl ausgerechnet diesen alten Schuppen von einem Haus? Weil er vor seinen Gläubigern auf der Flucht ist, deswegen. Wenn dieser Herr, ob Earl oder nicht, auch nur ein Ei von meinen Hennen haben will, wird er in klingender Münze zahlen müssen, das sage ich Ihnen, meine Damen!“

„Oh, und keiner hat ihn bisher zu Gesicht bekommen“, warf Mrs. Johnson aufgeregt ein. Bei dem Gedanken, dass ein echter Earl sich im Dorf aufhielt – selbst wenn es nur einer war, der sich offensichtlich in einer Notlage befand –, quollen ihr fast die Augen aus dem Kopf. „Seinen Butler habe ich allerdings schon gesehen. Zunächst glaubte ich, es sei Seine Lordschaft selbst, so hochmütig wie er war. Er sprach mit dem armen Bill Willett. ‚Ich möchte Ihnen unbedingt deutlich machen, guter Mann‘, sagte er ganz kühl, ‚dass nur die frischeste Milch und der frischeste Rahm für den Tisch seiner Lordschaft infrage kommen. Dieser Rahm hier mag gerade für die Katze gut genug sein.‘ Und haben Sie die Pferde gesehen?“

Die anderen Damen nickten. Sie hatten die edlen Rösser vor drei Tagen bewundernd betrachtet, doch zu jedermanns Kummer schien der Earl selbst in genau jenem Zeitpunkt erschienen zu sein, als kein einziger neugieriger Blick auf die Gemeindewiese gerichtet war.

„Früher oder später wird er sich zeigen müssen“, tröstete sich Mrs. Thorne. „Selbst wenn die Konstabler hinter ihm her sein sollten.“

Erstaunt brach sie ab, da im nächsten Moment ein Gig vom Hauptweg abbog und in halsbrecherischem Tempo auf die andere Seite der Gemeindewiese gelenkt wurde. Es war ein bescheidenes und dennoch recht verwegenes Gefährt, gezogen von einem hübschen, eleganten Braunen.

Die drei Damen sahen ihm atemlos nach, während das Gig auf das reizende kleine Haus zuhielt, das sich genau gegenüber der roten Ziegelsteinfassade des „Old Manor“ befand.

„Haben Sie das gesehen?“, fragte Mrs. Clare unnötigerweise. „Saß nicht eine Frau auf dem Kutschbock?“

„Mit einem Reitknecht an ihrer Seite“, fügte Mrs. Thorne hinzu. „Und sie ist zum Moon House gefahren.“

„Also stimmen die Gerüchte“, folgerte Mrs. Johnson und reckte völlig schamlos den Hals. Doch das Gefährt war hinter dem Portal verschwunden, und alles sah wieder genauso verlassen und verwahrlost aus wie immer. „Sir Edward hat Moon House doch verkauft, bevor er starb. Aber wer ist die neue Besitzerin?“

Auf dem schlammigen Hof hinter dem Haus ergriff Miss Lattimer die Hand ihres Reitknechts und hüpfte leichtfüßig vom Gig, ohne auf die zahlreichen Pfützen zu achten. Sie schob den Schleier ihres Hutes nach oben und sah sich mit großem Interesse um. „Da sind wir also, Jethro. Moon House!“ Ein erfreutes Lächeln umspielte ihren Mund, trotz der offensichtlichen Verwahrlosung, die sich ihrem Blick bot. Sie hatte wieder ein Zuhause und die Hoffnung auf einen Neubeginn.

Der Reitknecht, ein schlaksiger, ernster Jüngling von kaum mehr als sechzehn Jahren, sah sich geringschätzig um und bemerkte: „Ja, da sind wir, Miss Hester. Und Ihr Haar hat sich schon wieder aus dem Knoten gelöst.“

„Ach, verflixt.“ Hester machte eine vage Bewegung, um die braunen Locken zu bändigen, gab es aber schnell auf. „Jethro, jetzt kümmerst du dich um Hector und siehst dir die Räume über den Ställen an. Der Makler gab mir zu verstehen, sie seien bewohnbar und verfügten auch über ein Bett und anderes Mobiliar. Allerdings bin ich sicher, dass alles gereinigt werden muss, bevor du dort schlafen kannst. Was ist?“

„Hector, Miss Hester?“

„Das Pferd. Ich dachte, ich gebe ihm besser einen Namen, und Hector erschien mir passend. Es ist doch ein guter Name, findest du nicht?“ Sie betrachtete den Hengst zufrieden. Bisher hatte sie noch nie selbst ein Pferd kaufen müssen, meinte aber, vor zwei Tagen mit Hector eine gute Wahl getroffen zu haben.

Das sommersprossige Gesicht des Jungen wurde noch ernster. „Kann ich nicht beurteilen, Miss Hester.“

Sie lächelte. „Hör auf, hier draußen deine Butlerstimme einzustudieren, Jethro. Im Haus kannst du vornehm tun, so viel du willst – das heißt, wenn du nicht gerade die Küchenhilfe, den Stiefeljungen oder den Lakaien abgeben musst. Hier draußen bist du Stalljunge und Gärtner. Falls es jemals aufhört zu nieseln. Wir werden wohl alle lernen müssen, viele Dinge zu tun. Ich meinerseits gehe jetzt hinein und versuche mich in der Rolle der Haushälterin.“

Sie wandte sich um und holte einen kleinen Koffer, ihr Retikül und einen Regenschirm aus dem Gig. „Kochen werde ich wohl auch müssen, wenn nicht ein Wunder geschieht und Miss Prudhome und Susan rechtzeitig vor dem Abendessen eintreffen.“

„Das bezweifle ich, Miss Hester“, bemerkte Jethro finster, während er schon dabei war, das Pferd auszuspannen und ihm das Geschirr abzunehmen. „Ich bringe gleich die Körbe hinein und mache das Feuer im Küchenherd an.“

Auch Hester ging davon aus, dass ihre Gefährtinnen noch auf sich warten lassen würden. Ihre Gesellschafterin litt so sehr an den Schaukelbewegungen der Chaise, dass der Kutscher gezwungen gewesen war, so langsam wie möglich weiterzureisen. Heute werde ich mich wohl selbst um das Mahl und das Feuer in den Kaminen kümmern müssen, dachte Hester nicht eben begeistert. Ebenso würde sie die Betten machen und die Räume von den übelsten Spinnweben befreien.

Sie zog den großen Schlüssel aus ihrem Retikül und öffnete die Hintertür von Moon House. Beinahe ehrfürchtig schritt sie über die Schwelle und betrat einen finsteren, kühlen Raum. Vorfreude und innere Erregung nahmen ihr in diesem unendlich scheinenden Moment den Atem. Die Luft war stickig und voller Staub, roch nach kalter Asche und – bedauerlicherweise – nach Mäusen. Während Hester regungslos dastand und sich an die Dunkelheit zu gewöhnen versuchte, war ihr plötzlich, als würde ein zarter, warmer Hauch den Raum erfüllen, als wären lachende Stimmen zu vernehmen, der Duft nach Rosen und ein Gefühl innigsten Glücks – doch genauso plötzlich war die Ahnung wieder verschwunden.

Hester musste über ihre lebhafte Einbildungskraft lächeln. Wie es schien, konnte das Glück fast greifbare Formen annehmen. Die früheren Bewohner dieses Hauses mussten einmal sehr glücklich gewesen sein, das spürte sie. Und sie hatte es schon gespürt, als sie vor über einem Jahr an der Pforte gestanden und den mit Unkraut überwucherten Rosengarten und die efeubewachsene Fassade betrachtet hatte. Der unbeschreibliche Charme, den das verwahrloste kleine Haus ausstrahlte, war ihr schon damals zu Herzen gegangen. Danach war sie schnell wieder über die Gemeindewiese zurück zum „Bird in Hand“ gelaufen und zu John, ihrem Freund und Beschützer, der geduldig im Privatsalon auf sie gewartet hatte.

Diese Reise nach Oxford war ein Fehler gewesen. Von da ab verschlechterte seine Gesundheit sich drastisch, und vor drei Monaten war er verstorben. Insgesamt waren sie nur achtzehn Monate zusammen gewesen, und dennoch sehnte Hester sich nach seiner Gesellschaft, nach der Freundschaft und Vertrautheit, die sie verbunden hatten. Was wäre nach dem Tod ihres Vaters aus ihr geworden, hätte John sie nicht unter seinen Schutz genommen?

Sie schüttelte mühsam die traurigen Erinnerungen ab. Jener Abschnitt ihres Lebens war vorüber. Dank John hatte sie an Erfahrung gewonnen und konnte genügend Geld ihr eigen nennen, um unabhängig ein bescheidenes, aber respektables Leben zu führen.

Heute betrat sie das geheimnisvolle Moon House zum ersten Mal. Für die langwierigen Verhandlungen mit dessen Besitzer hatte sie einen Makler beauftragt. Tief durchatmend schloss sie jetzt die Tür hinter sich und stellte fest, dass sie sich in der Küche befand. Genau so hatte man sie ihr beschrieben – ein alter Herd und ein Tisch, einige Stühle, eine Anrichte. Das Licht, das schwach durch die Spinnweben am Fenster drang, fiel auf das unpolierte Kupfer der Küchenutensilien an der Wand. Jethros nächste Aufgabe würde sein, im Herd Feuer zu machen, wenn der Kamin dazu gebracht werden konnte durchzuziehen.

Nachdem sie den Koffer und den Regenschirm achtlos auf dem Tisch abgestellt hatte, nahm sie den Hut ab und warf ihren Mantel über einen Stuhl. Nach kurzem Wühlen in ihrem Koffer förderte sie ein Schultertuch zutage, das sie sich umlegte, eine viel zu große Schürze, die sie sich umband, und mehrere weiche Tücher, die zum Staubwischen und Entfernen der Spinnweben bestens geeignet waren.

Neugierig machte sie sich auf, das Haus näher zu erkunden. Sie öffnete eine mit grünem Stoff bezogene Tür und befand sich vor einer breiten Treppe, die mit elegantem Schwung in das erste Stockwerk führte. Der geschmackvolle Eindruck wurde lediglich von den offenbar unausweichlichen Spinnweben verdorben. Hester wischte einige davon mit einer ungeduldigen Geste fort, musste niesen und rieb sich mit dem Handrücken die Nase, wobei sie einen großen Schmutzfleck auf Nasenspitze und Wange hinterließ. Schließlich trat sie in die Vorhalle hinaus.

„Oh.“

Der Ausruf entfuhr ihr ganz gegen ihren Willen, und sie war sich auch gar nicht bewusst, dass sie ihn ausgestoßen hatte. Sie achtete nur auf die wundervollen Proportionen, die elegante Treppe, das Licht, das die Halle erfüllte, obwohl das Fenster über der Tür von wucherndem Efeu fast ganz verdeckt wurde.

Die Wände waren staubig. Überall hoben sich hellere Rechtecke und Ovale ab, an denen früher einmal Familienporträts oder Spiegel gehangen haben mochten. Der grauweiße Marmorfußboden starrte ebenfalls vor Schmutz, doch Hester bemerkte keinen dieser Makel. Das Gefühl, dass sie hier willkommen war, dass sie hierher gehörte, erfasste sie wieder, und sie ging langsam weiter und lehnte sich gedankenverloren an die verzierten Paneele der Eingangstür.

„Das alles gehört mir“, sagte sie, als könne sie es nicht ganz glauben, und fügte dann entschlossener hinzu: „Mir ganz allein.“

Das Pochen gegen die Tür genau hinter ihr kam so unerwartet, dass es ihr wie ein Donnerschlag erschien. Mit einem leisen Aufschrei zuckte sie zusammen und wandte sich schwer atmend um. Es vergingen einige Momente, bevor sie sich wieder gefasst hatte. Jemand hatte an die Tür geklopft, mehr war nicht geschehen. Wenn sie nicht mit offenen Augen geschlafen hätte, statt ein wenig Staub zu wischen, wie es sich gehörte, hätte sie sich nicht so erschreckt.

Hester suchte in ihrer Tasche nach den Schlüsseln und holte den größten hervor. Der musste eigentlich zur Eingangstür gehören. Hastig drehte sie ihn im Schloss, kämpfte einen Moment mit den schweren Riegeln und zog schließlich die massive Holztür auf.

Guy Westrope klopfte ungeduldig mit einem bestiefelten Fuß auf den Boden und schimpfte sich insgeheim einen sentimentalen Dummkopf. Was zum Teufel tat er hier? Wäre es nicht viel unterhaltsamer gewesen, Carews Abendgesellschaft in Rutland zu besuchen? Stattdessen saß er jetzt hier in einem kleinen Kuhdorf in Buckinghamshire fest, noch dazu in einem abscheulichen Haus, und musste es hinnehmen, dass jeder Bauerntrampel ihn sich zur Zielscheibe seiner Neugier erkor. Schon wollte er wieder den Klopfer heben, da wurde endlich die Tür geöffnet.

Die zerzauste junge Person, die in der halb offenen Tür erschien, betrachtete ihn stumm. Sie war von mittlerer Größe, besaß ein ovales, ebenmäßiges Gesicht, einen ernsten, ausdrucksvollen Mund und Unmengen brauner Locken, die unordentlich ihr Gesicht einrahmten. Der Schmutzfleck auf der Nase des erstaunlichen Wesens wie auch die Schürze gaben ihm zu verstehen, dass er es beim Staubwischen unterbrochen hatte. Seine Vermutung wurde bestätigt, als das junge Ding eine Handvoll Staubtücher hastig hinter dem Rücken verschwinden ließ.

Erst jetzt machte Guy sich klar, wie sehr er sie mit seinem finsteren Blick verunsichern musste. Dass er an einem ungewohnten Aufruhr der Gefühle litt, rechtfertigte nicht seine Unhöflichkeit einem armen Dienstmädchen gegenüber. Er schien es durch sein Erscheinen völlig eingeschüchtert zu haben, da es keinen Ton hervorbrachte.

„Guten Morgen. Ist deine Herrin zu Hause?“ Parrott hatte ihm berichtet, außer einem Reitknecht nur noch eine Frau gesehen zu haben.

Ein seltsam schelmischer Ausdruck erschien in den Augen des Dienstmädchens, doch gleich darauf senkte es den Blick, und Guy war sicher, dass er sich geirrt hatte. „Nein, Sir. Vielmehr, will sagen … sie empfängt noch nicht, Sir. Hätten Sie denn den Wunsch, eine Nachricht zu hinterlassen, Sir?“

Guy zog eine Karte aus der Jackentasche. Das Dienstmädchen streckte eine bemerkenswert zarte Hand aus und nahm die Karte. „Wird deine Herrin morgen zu Hause sein?“

„Nun … ja, Sir … Mylord, sollte ich wohl sagen.“

Das würde nicht leicht werden. Hatte diese braunäugige Magd Angst vor ihm, oder war sie einfach nur schüchtern? Er versuchte es mit einem freundlichen Lächeln und sah, dass sie ihn fasziniert betrachtete. „Um welche Zeit wird es ihr genehm sein, mich zu empfangen? Was meinst du?“

„Drei Uhr.“ Das kam in einem erstaunlich entschlossenen Tonfall.

„Nun gut. Bitte teile deiner Herrin mit, ich würde mir morgen die Ehre geben, um drei Uhr bei ihr vorzusprechen. Guten Tag.“

„Ja, Mylord. Äh … guten Tag, Mylord.“ Ein Anflug von einem Lächeln erschien um den ernsten Mund, sodass die Unterlippe noch voller erschien. Fast als würde sie schmollen, dachte Guy fasziniert.

Die Tür schloss sich hinter ihm, noch bevor er sich richtig abgewandt hatte. Nachdenklich ging er den von Unkraut überwucherten Weg weiter. Ein seltsames kleines Geschöpf, dieses Hausmädchen. Hübsche braune Augen und ein wirklich sinnlicher Mund, obwohl er so ernst war. Es wäre interessant, sie wieder zum Lächeln zu bringen. Guy rief sich scharf zur Ordnung und beschleunigte seine Schritte. Das ging wirklich nicht an. Kaum zwei Tage in der hintersten Provinz, und schon warf er ein Auge auf die Dienstmädchen. Er nahm sich vor, noch am selben Nachmittag mit der Karriole und den neuen Grauen eine Ausfahrt zu machen, um auf andere Gedanken zu kommen.

In der stillen Halle lehnte Hester wieder gegen die Eingangstür und las die Karte in ihrer Hand, während ihr Herz sich nur langsam wieder zu beruhigen begann.

Guy Westrope, Earl of Buckland. Und daneben eine sehr exklusive Londoner Adresse. Warum in aller Welt wollte ein Earl sie aufsuchen? Hester lief in den Raum zu ihrer Rechten und schaute aus dem Fenster. Gerade sah sie den Earl hinter der Mauer des schrecklichen Hauses auf der anderen Seite der Straße verschwinden.

Warum suchte ein Mann, der die Wintermonate sehr wohl auf seinem Landsitz oder denen seiner sicher zahllosen Freunde verbringen konnte, eine unbekannte Dame in einem kleinen Dorf in Buckinghamshire auf? Bei dem Gedanken an seine bemerkenswerten blauen Augen gab Hester sich einen Moment der Vorstellung hin, er könne ihr aus London gefolgt sein – ganz hingerissen von ihrer Schönheit und ihrem Charme, die ihm schon von Weitem aufgefallen waren. Dass ein so starker, eindrucksvoller Mann sie auf diese Weise verfolgen könnte, brachte ihr Herz wieder zum Klopfen.

Mit einem leisen Lachen über diese albernen Gedanken wischte Hester mit ihren Staubtüchern über das gesprungene Glas eines Spiegels, der neben dem Fenster hing, und schaute hinein. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, wurde sie sofort wieder ernst.

„Was für eine Vogelscheuche!“ Ein dunkler Schmutzfleck bedeckte die Nase und eine Wange, das Haar hatte sich aus dem Knoten gelöst und fiel ihr teilweise auf die Schultern. All das und die unförmige Schürze vervollständigten das Bild eines liederlichen Hausmädchens. „Ach, du meine Güte“, sagte sie mit einem Stöhnen. Das würde sie lehren, sich wilden Hoffnungen hinzugeben, was den ansehnlichen Gentleman anging.

Entsetzt sah sie sich in dem Raum um, der früher einmal ein zweifellos sehr hübscher Empfangssalon gewesen sein musste. Ihr Vorschlag, den Earl schon am folgenden Tag um drei Uhr zu empfangen, hatte auf dem Glauben beruht, dass es leicht sein würde, dafür einen annähernd zivilisierten Raum zu finden.

Jetzt wurde ihr bewusst, dass sie den ganzen Tag daran arbeiten mussten, dieses Zimmer und die Halle herzurichten. Und daran, was der Earl von der schlampigen Person gehalten haben musste, die ihm die Tür geöffnet hatte, wollte sie lieber nicht denken.

„Was macht es schon aus?“, sagte sie sich forsch und durchquerte die Halle, um zu erkunden, ob der andere Salon sich in einem besseren Zustand befand. Leider nicht. „Er ist wahrscheinlich nur einer von Johns Bekannten.“ Die Vorstellung tröstete sie nicht besonders. Denn sollte das der Fall sein, betrachtete der gut aussehende Earl Miss Hester Lattimer gewiss als gefallene Frau.

„Ich muss aufhören, ständig Selbstgespräche zu führen“, schalt sie sich, gleichzeitig ihren eigenen Ratschlag missachtend, während sie zur Treppe zurückging. „Als Nächstes die Schlafräume.“ Es war besser, das Schlimmste zu erfahren, bevor der Tag sich seinem Ende zuneigte. Die Behauptung des Maklers, das Haus sei „teilweise möbliert“, erwies sich zunehmend als übertrieben zuversichtlich.

„Und was macht es dir aus, was irgendein dahergelaufener Earl von dir hält, Hester Lattimer?“ Im Allgemeinen nicht viel, sagte sie sich insgeheim, aber bei diesem bestimmten Mann …

Im ersten Schlafgemach stand ein Bett, dessen mit einem Tuch abgedeckte Matratze trocken und zu ihrer Erleichterung frei von Mäusen zu sein schien. Sie schaute noch in drei weitere Zimmer, jedes mit Bett und Matratze ausgestattet, und öffnete dann die Tür zu dem Raum, von dem man auf den Garten vor dem Haus blickte.

„Oh, wie wunderschön!“ Zwei große Fenster ließen großzügig das Tageslicht ein. Wer mochte, konnte auf den breiten Fensterbänken die Aussicht auf den Garten genießen. Völlig verstaubte Seidenvorhänge rahmten die Fenster ein, und dazwischen standen eine Chaiselongue und ein kleiner Beistelltisch. Das zierliche Himmelbett war zweifellos das schönste Möbelstück. Hester berührte die Seide behutsam, zog die Hand jedoch hastig zurück, als der zarte Stoff unter ihren Fingern zerfiel. Auch hier hatte man sich allerdings Mühe gegeben, die Matratze zu bewahren, und das Gemach schien zumindest bewohnbar zu sein, wenn auch sehr schmutzig und eiskalt.

Sofort erkor sie dieses Zimmer zu ihrem eigenen. Maria und Susan konnten sich eins von den anderen aussuchen. In einer Ecke des Raums gab es eine zweite Tür. Hester ging darauf zu und hielt nur kurz inne, um zu dem hässlichen Haus gegenüber zu schauen. Im Sommer würde es größtenteils von einer riesigen Ulme verdeckt werden, doch jetzt konnte man seine finstere Fassade deutlich zwischen den kahlen Ästen ausmachen. Über der hohen Mauer waren mehrere Fenster im ersten Stock zu sehen, aber nichts schien sich dahinter zu regen. Wer lebte dort? Würden es angenehme Nachbarn sein? Hester kämpfte einen Moment mit dem Riegel des Fensters, doch dann schaffte sie es, den unteren Fensterrahmen nach oben zu schieben. Kühle, frische Luft strömte in den stickigen Raum, und sie atmete sie tief ein.

Stimmen drangen von gegenüber zu ihr. Ein Tor in der hohen Mauer wurde geöffnet, und eine Karriole, gezogen von zwei dunkelgrauen Pferden, erschien. Unverkennbar war es der Earl, der die Zügel führte.

Vorhin war sie viel zu aufgeregt gewesen, um mehr als einen verschwommenen Eindruck von ihm gewonnen zu haben. Die Farbe seines Haars hätte sie nicht nennen können. Sie erinnerte sich nur an die faszinierenden Augen und daran, wie groß er ihr erschienen war – so hochgewachsen, breitschultrig und kräftig. Jetzt fiel ihr noch das feste, markante Kinn auf. Er sah nicht aus wie ein Mann, der mit sich spaßen ließ. Wenn sie an die finstere Miene dachte, mit der er sie begrüßt hatte, und an den kühlen, höflichen Ton, machte sie sich ein wenig Sorgen, wie er auf ihre kleine Täuschung reagieren würde.

Zumindest wusste sie jetzt, wer ihr Nachbar war, obwohl angenehm nicht das erste Wort wäre, das sie benutzen würde, um ihn zu beschreiben. Andererseits gab es jetzt ein neues Rätsel. Sie hätte sich noch vorstellen können, dass er im „Bird in Hand“ abstieg, um eine seiner Angelegenheiten zu erledigen. Doch warum hatte er sich hier einen festen Wohnsitz genommen?

Seufzend drehte Hester sich um und öffnete die letzte Tür des Raums. Sie führte in ein Ankleidezimmer und bot ein Bild bestürzender Gewalttätigkeit. Entsetzt hielt sie auf der Schwelle inne. Ein Spiegel, der auf der Frisierkommode gestanden haben musste, lag jetzt zerschmettert auf dem Boden. Die Türen des Wäscheschranks standen offen, und jemand hatte die leeren Fächer herausgerissen und den Stuhl vor der leeren Frisierkommode zur Seite geschleudert. Ein Teil der Vorhänge wurde nur noch von zwei Ringen gehalten, der Rest war offenbar in einem Wutanfall heruntergerissen worden.

Zu ihren Füßen lag ein zarter Stoff. Ohne zu überlegen, bückte Hester sich, hob ihn auf und schüttelte ihn aus. Es war ein wunderschönes Nachtkleid aus indischem Musselin, das einen langen Riss vom Hals bis zum Saum aufwies. Unwillkürlich wich sie zurück und wäre fast ausgerutscht. Der Boden war übersät mit schimmernden Perlen.

Was war hier nur vorgefallen? Entführung, Vergewaltigung oder gar Mord? Die glückliche Atmosphäre des Hauses schien hier in Furcht und Wut erstarrt. Die Vorhänge bauschten sich, als jemand die Tür zum Zimmer öffnete, und die Tür zum Ankleideraum fiel gleichzeitig mit solcher Wucht ins Schloss, dass sie Hester in den verwüsteten Raum stolpern ließ. Sie wirbelte ängstlich herum und wäre fast gefallen, weil sie überall auf Perlen zu treten schien. Jemand war hereingekommen.

2. KAPITEL

Jethro! Du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt!“

„Tut mir leid, Miss Hester, aber ich habe die Körbe gebracht und konnte Sie nirgends finden.“ Er sah sich um und wurde blass. „Gütiger Himmel, Miss Hester, was ist denn hier passiert?“

Sie zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht, Jethro, aber sicherlich nichts Gutes.“ Schnell knüllte sie das Nachthemd in ihrer Hand zusammen. Jethro war immerhin noch sehr jung, so erwachsen und erfahren er sich auch zu geben versuchte, und sie wollte nicht, dass er dieses entwürdigte Kleidungsstück sah.

„Das ist Blut, Miss Hester.“ Er hatte das Zimmer betreten. Das zerbrochene Glas knirschte unter seinen Schuhen.

„Nein, nein.“ Hester folgte ihm vorsichtig und besah sich bestürzt die braunen Spritzer an der Wand. „Vielleicht ist es Rotwein, oder wer immer den Spiegel zerbrach, hat sich dabei in den Finger geschnitten.“

„Ja, das wird es zweifellos sein, Miss Hester“, gab Jethro freundlich nach. „Es waren wohl Einbrecher“, fuhr er fort. „Als sie nichts in den Schränken vorfanden, haben sie in ihrer Wut einfach mit Dingen um sich geworfen. So wird es gewesen sein. Soll das Ihr Zimmer werden, Miss Hester?“

„Ja …“ Hester wurde sich bewusst, wie unsicher sie klang, und fügte entschlossen hinzu: „Ja. Susan kann das Zimmer rechts neben der Treppe im ersten Stock bekommen. Und ich denke, Miss Prudhome gefällt gewiss einer der Schlafräume im hinteren Teil.“

Der flüchtige Blick, den sie auf die Tür zum Ankleidezimmer warf, entging dem Jungen nicht. „Dann fege ich die Zimmer also am besten gleich nach dem Mittagessen, ja? Danach mache ich Feuer in den Kaminen und bringe das Gepäck.“

In den Ställen hatte sie einen Topf Schlämmkreide gesehen. Damit könnte Jethro die Flecken an der Wand übermalen. Wenn das erst mal getan und die Scherben entfernt worden waren, würde sie sich viel besser fühlen.

„Die Räume über den Ställen sind sehr gemütlich, Miss Hester“, fuhr Jethro fort und ging ihr voraus die Treppe hinunter. „Es gibt da auch einen alten Kanonenofen, also werde ich es richtig warm haben.“

„Das sind gute Neuigkeiten, Jethro“, erwiderte Hester und fasste neuen Mut.

„Ich wollte zum Gasthaus laufen und einen Krug Ale bestellen, Miss Hester.“

„Das ist eine gute Idee, und du kannst genauso gut jetzt schon aufbrechen. Wer weiß, wie lange sie noch brauchen werden, wenn Miss Prudhome den Kutscher dazu überreden konnte, den ganzen Weg über langsam zu fahren.“

Er nahm die Münzen, die sie ihm reichte, und ging hinaus.

Jeder weitere Gedanke an mögliche Gewalttaten oder gar unheimliche Gespenster, die sie vielleicht hätte beunruhigen können, wurde von ihrem knurrenden Magen vertrieben. Wie spät mochte es sein? Die hohe Standuhr in der Küche musste vor Jahren zum letzten Mal aufgezogen worden sein, doch ihre Taschenuhr verriet ihr, dass es zwei Uhr war. Seit dem Frühstück im Wirtshaus in King’s Langley waren viele Stunden vergangen.

Jethro hatte zu ihrer Erleichterung bereits einen Eimer Wasser vom Brunnen geholt und ihn in das mit Schieferplatten ausgelegte Spülbecken gestellt. Hester füllte eine kleine Schüssel mit Wasser, fand eine uralte Bürste auf der Fensterbank und fing an, damit den Küchentisch zu bearbeiten. Es würde Stunden brauchen, bevor sie den richtig sauber bekam, aber zumindest war es ihnen dann möglich, ihr Mahl einzunehmen.

Als sie fertig war, breitete sie ein Tuch über den Tisch aus und stellte Brot, Käse, ein Glas Pickles und etwas Butter darauf. Danach schaute sie, was es in den Küchenschränken zu finden gab.

Jethro kam eine halbe Stunde später mit einem riesigen Tonkrug Ale zurück, den er erleichtert aufseufzend auf den Tisch in der Küche stellte.

„Das ist eine Kanne, wie sie immer die Pflüger gekriegt haben“, sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Hester stellte den Stapel Teller ab, den sie in kaltem Wasser gewaschen hatte, und fragte neugierig: „Woher weißt du das?“

„Kann mich nicht erinnern“, antwortete er leichthin, öffnete den zweiten Korb und holte diverse Dinge heraus. „Sie schicken uns später das ganze Fässchen, aber ich dachte, jetzt brauchen wir auch schon etwas Bier.“

Hester seufzte. Sie hatte den Jungen vor über einem Jahr bewusstlos in einer Gasse von Old Holborn gefunden. Er war dem Verhungern nahe gewesen, und unzählige Narben hatten seinen dürren Rücken bedeckt. Nachdem sie ihn zu sich nach Hause in die Mount Street gebracht hatte, wollte er bis auf seinen Namen nichts über sich oder seine Vergangenheit verraten. Hester vermutete, dass er vom Lande stammte, denn kein echter Londoner sprach wie Jethro. Und diese kleine Geschichte über die Feldarbeiter schien ihre Annahme zu bestätigen.

„Hier ist Besteck.“ Sie schob es ihm zu und beschloss, ihn nicht weiter zu drängen. Ihre eigenen bösen Erinnerungen genügten ihr, und sie konnte verstehen, warum er seine Geheimnisse lieber für sich behielt.

Schließlich setzten sie sich zu Tisch, den sie dicht vor den Herd geschoben hatten, um sich zu erwärmen. Hester nahm einen Schluck Ale aus einem Becher. „Ich hoffe, das Glasgeschirr kommt sicher mit Susan an. Wir bekommen morgen Besuch von einem Gentleman, dem ich Wein anbieten muss.“

„Wenigstens haben wir guten Wein“, erwiderte Jethro zufrieden. Die verstörende Erinnerung von eben schien vergessen zu sein. Er war wieder gelassen und guter Dinge.

„Ja. Und glücklicherweise habe ich einige Flaschen vom Madeira und dem Portwein in unsere Kutsche geladen. Der Rest kommt mit dem Fuhrwagen nach.“

John war so großzügig gewesen, ihr seinen Weinkeller zu hinterlassen, weil sie so oft gemeinsam ein Glas genossen hatten. Noch ein Grund mehr für seine Verwandten, in ihr eine verächtliche, ruchlose Frau zu sehen. Denn wer würde schon einer anständigen Frau ausgerechnet seinen Weinkeller vermachen?

Jethro riss sie aus ihrem schmerzhaften Tagtraum. „Was für ein Gentleman kommt denn, Miss Hester?“

„Nicht nur ein schlichter Gentleman, sondern sogar ein Earl, man höre und staune.“ Hester schob ihm die Visitenkarte zu, und Jethro riss die Augen auf.

„Sie werden doch Susan nicht die Tür öffnen lassen, Miss Hester, oder? Nicht am Nachmittag, meine ich.“

„Aber nein, Jethro. Ein weiblicher Dienstbote am Nachmittag? Wo denkst du hin?“ Hester unterdrückte ein Lächeln. „Ich werde mich darauf verlassen, dass du deinen besten Anzug anziehst und meinen Butler abgibst.“

Jethro strahlte vor Begeisterung, die selbst davon nicht getrübt wurde, dass sie heute und morgen den ganzen Tag hart würden arbeiten müssen, um wenigstens die Halle und einen der Salons herzurichten, bevor ihr hoher Gast erschien.

„Wir werden alle Möbel, die wir finden können, in einen der Salons tragen müssen.“ Hester kaute nachdenklich auf der Unterlippe. „Der Fuhrwagendienst wird morgen noch nicht angekommen sein, und hier im Haus ist das vorhandene Mobiliar eher spärlich, um es milde auszudrücken.“

„Und altmodisch.“ Da Jethro den Ehrgeiz besaß, es weit im Leben zu bringen, fielen ihm dergleichen Einzelheiten sofort auf.

„Aber von guter Qualität und von einer Frau ausgesucht. Vielleicht war die letzte Besitzerin eine ältere, allein lebende Dame oder Witwe.“

Das Gespräch wurde an diesem Punkt von der Ankunft der Postkutsche vor dem Haus unterbrochen. Susan Wilmott – rundlich, gutmütig und in diesem Moment mehr als erleichtert, endlich am Ziel ihrer Reise angekommen zu sein – sprang heraus und half einer Dame beim Aussteigen. Miss Prudhome, seit zwei Wochen ihre Gesellschafterin, sah entschieden unwohl aus. Sie wankte auf Hester zu.

„Nie wieder, meine Liebe. Lieber gehe ich hundert Meilen zu Fuß! Nie wieder setze ich mich in eine dieser fürchterlichen Höllenkutschen.“

„Schon gut, schon gut.“ Hester tätschelte ihr beruhigend den Rücken und achtete nicht auf das leidgeprüfte Gesicht des Kutschers. „Sie sind schnell gekommen, wenn man den langen Weg bedenkt“, lobte sie ihn allerdings, um ihn versöhnlich zu stimmen. „Jethro, zeig ihm, wo er die Pferde tränken kann, während wir das Gepäck abladen.“

In der Küche brachte Hester Miss Prudhome ein Glas Wasser und kümmerte sich dann zusammen mit den beiden anderen um das Gepäck.

Susan stellte mehrere Schachteln und Pakete auf den Tisch und sah sich voller Interesse um. „Hübsches Haus, Miss Hester. Aber doch ziemlich groß für nur zwei Diener, oder? Vielleicht können Sie hier in der Gegend noch mehr Personal finden.“

„Ich hoffe, Susan.“ Hester stellte einen Korb auf den Boden. „Zuerst muss ich allerdings sehen, wie viel ich ausgeben werde, um das Haus in Ordnung zu bringen. Dann weiß ich erst, ob ich mir eine größere Dienerschaft überhaupt leisten kann. Bis dahin werden wir nur das Erdgeschoss und die drei Schlafzimmer bewohnen.“ Sie fasste Miss Prudhome skeptisch ins Auge. „Glauben Sie, Sie könnten eine kleine Mahlzeit zu sich nehmen, Maria?“

Ein mitleiderregendes Stöhnen war die einzige Antwort. Miss Prudhome war sehr dünn, achtundvierzig Jahre alt und ähnelte mit ihrer spitzen Nase und den kleinen Knopfaugen, wie Jethro frech bemerkt hatte, auf fatale Weise einer Henne. Eigentlich hatte sie immer als Gouvernante gearbeitet, doch da sie die einzige Kandidatin gewesen war, die Hester sich leisten konnte, wurde sie auch engagiert. Außerdem erweckte sie Hesters Mitleid, denn die arme Frau war nach zehn Jahren aus einer Anstellung entlassen worden, weil der jüngste Sohn der Familie aufs Internat kam und kein Bedarf mehr für eine Gouvernante bestand.

Jethro kam mit Besen, Putzlappen und Eimer bewaffnet lärmend herein. „Ich beseitige erst mal den ärgsten Schmutz oben, Miss Hester, und zünde Feuer im Kamin an.“

Als es sieben Uhr schlug, saßen alle vier völlig erschöpft in einem Halbkreis um den Ofen herum, in dem Jethro zwar Feuer hatte anzünden können, der allerdings bedenklich zu qualmen begann. „Wahrscheinlich voller Nester der Rauchabzug“, bemerkte Jethro finster. „Am besten bringe ich morgen einen Kaminfeger her. Der kann sich dann um alle Kamine kümmern.“

„Nicht so schlimm“, sagte Hester zufrieden. „Wir alle haben ein gemütliches Bett für die Nacht und eine saubere Küche für unsere Mahlzeiten. Morgen bringen wir noch die Halle und den vorderen Salon in Ordnung.“

Susan seufzte tief, und auch Jethro schien von der Arbeit, die sie erwartete, ein wenig eingeschüchtert zu sein – nicht nur das Haus, auch der Garten, die Ställe und Anbauten waren nicht im besten Zustand. Trotz allem empfand Hester nur tiefen Frieden und war überzeugt davon, endlich ihr Zuhause gefunden zu haben. Entschlossen erhob sie sich, krempelte die Ärmel hoch und griff nach einem Kochtopf.

„Abendessen und dann zu Bett“, sagte sie ermunternd. „Du schälst die Kartoffeln, Jethro. Susan, du übernimmst den Kohl und die Zwiebeln. Ich brate inzwischen das Fleisch. Maria, bitte decken Sie den Tisch, und legen Sie ein paar Ziegel in den unteren Ofen, damit sie später für die Betten warm genug sind.“

Das Mahl war gut, sättigend und schmackhaft. Bald schon fielen ihren Begleitern die Augen zu. Hester schickte Maria und Susan je mit einem angewärmten Ziegelstein, der in eine Decke gewickelt war, zu Bett und versicherte ihnen, dass sie sie wirklich nicht mehr brauchte. Und am Ende ließ auch Jethro sich davon überzeugen, er könne sich getrost mit einer Lampe zu seinem Zimmer über den Ställen zurückziehen. Doch erst, nachdem er persönlich Haustür und Fenster überprüft hatte.

Hester schloss die Hintertür ab, sobald er draußen war, schob die Riegel vor und schürte ein letztes Mal das Feuer im Ofen, bevor sie nach einem Kerzenhalter griff und sich durch das jetzt so stille Haus zu ihrem Zimmer aufmachte.

Auf der Schwelle zögerte sie kurz, den Blick auf die Tür zum Ankleidezimmer gerichtet. Im Schein des flackernden Lichts schien sie sich zu bewegen.

Plötzlich erschien ihr die Stille gar nicht mehr freundlich und friedlich. „Nein“, sagte sie laut und entschieden. „Es ist mein Zimmer, und ich werde mich nicht von einigen Scherben und einem Fleck an der Wand verängstigen lassen.“

Sie ging zu dem Tisch neben der Chaiselongue und zündete die drei Kerzen im Leuchter an. In der Fensterscheibe spiegelte sich ihr eigenes Gesicht wider. Kein Mond schien. Nur die Lichter der Häuser um die Gemeindewiese herum durchbrachen die Finsternis.

Als Hester versuchte, die Vorhänge zu schließen, zerfielen sie in ihren Händen, so brüchig waren sie vom Alter. Die eine Hälfte des Fensterladens ließ sich leicht lösen und schließen, doch die andere vermochte sie nicht von der Stelle zu bewegen. Also gab sie den Versuch auf.

Sobald sie in ihr Nachthemd geschlüpft war und sich ein Schultertuch umgelegt hatte, beugte sie sich vor und blies die Kerzen aus. Unwillkürlich ging ihr Blick noch ein letztes Mal zu der Ankleidezimmertür. Würde sie schlafen können, oder würde sie die ganze Nacht in der Dunkelheit in diese Richtung schauen und sich die fürchterlichsten Dinge ausmalen?

Mit der einzelnen Kerze in der Hand ging sie auf die Tür zu und öffnete sie. „Oh, der liebe Junge!“, sagte sie unwillkürlich. Jethro hatte gefegt und den ärgsten Staub entfernt. Keine Scherben lagen mehr herum, und die Wand war an der bestimmten Stelle weiß übermalt worden. Offenbar hatte Jethro auch die Perlen aufgesammelt, denn sie lagen alle in einer Schale auf der Frisierkommode. Sogar das Fenster war einen Spaltbreit geöffnet worden, und die kühle Luft hatte den stickigen Geruch vertrieben. Jetzt bot sich ihrem Blick wieder nur ein leeres, unbedrohliches Zimmer. Was für ein guter Junge er doch ist, und so feinfühlig für sein Alter, dachte Hester lächelnd.

Beruhigt kehrte sie zum Bett zurück. Plötzlich war sie viel zu müde, um noch Erinnerungen nachzuhängen. Stattdessen musste sie an den morgigen Besuch denken. Was wohl der Earl von mir hält, überlegte sie, während sie unter die Decke schlüpfte.

Wie seltsam, dass nicht seine Frau den ersten Anstandsbesuch gemacht hatte. Aber vielleicht besaß er ja keine …

Auf der anderen Seite der Straße im roten Backsteinhaus stand Guy Westrope in seinem Schlafgemach und hielt erwartungsvoll inne. Vielleicht würde die schlanke Gestalt in Weiß wieder am Fenster des Nachbarhauses vorbeikommen. Doch kurz darauf wurde es im Zimmer gegenüber dunkel, als eine einzelne Kerze gelöscht wurde.

Wer war diese Frau? Sicher nicht die seltsame Magd, denn was hätte sie im wohl besten Schlafgemach des Hauses zu suchen? Dann also ihre Herrin? Oder nur ein Hirngespinst? Allerdings müsste der Geist, den Guy in diesem Fall erwartete, eigentlich blondes Haar besitzen und keine dunklen Locken wie diese geheimnisvolle Erscheinung.

Nicht zum ersten Mal an diesem Tag schimpfte er sich einen Dummkopf und begab sich zu einem einsamen Mahl nach unten.

Kurz vor drei Uhr am folgenden Nachmittag versammelte Hester ihren gesamten Haushalt im neu eingerichteten Salon und betrachtete kritisch sowohl den Raum als auch die Dienerschaft. Alles blitzte vor Sauberkeit, und Möbel waren aus dem ganzen Haus herangeschafft worden – die Chaiselongue aus ihrem Schlafgemach, eine Kommode aus dem anderen Salon und Beistelltische von überall sonst schmückten jetzt diesen Salon. Auch das Feuer im Kamin verlieh dem Raum etwas Gemütlichkeit. Die beiden großen Sessel, die bereits hier gestanden hatten, ließ Hester jetzt zu beiden Seiten des Kamins aufstellen, einen weiteren bequemen Sessel daneben, damit Maria in ihrer Nähe Platz nehmen konnte. Ein wenig zufällig zusammengewürfelt sah die Einrichtung schon aus, aber zunächst würde man sich damit begnügen müssen.

Zumindest waren Hester und ihre Dienerschaft passend gekleidet, um ihren Besuch zu empfangen. Jethro trug seinen besten Anzug mit einer gestreiften Weste und hatte sich das Haar ordentlich im Nacken zusammengebunden. Susan sah in ihrer Schürze sehr adrett aus, und Maria bot das Bild einer achtbaren Gouvernante in einem grauen Kleid und mit einem schwarzen Schultertuch. Für sich selbst hatte Hester ein Kleid aus honiggelber Wolle in bester Qualität gewählt. Ihren Schal aus Kaschmir hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Das Haar trug sie heute ordentlich hochgesteckt. Kaum einer Strähne gelang es, sich aus dem festen Knoten zu befreien, bis auf einige Locken an den Schläfen und der Stirn.

Ein letztes Mal zupfte Hester noch an ihrem Kleid. „Ich meine, wir sehen sehr respektabel aus“, sagte sie bestimmt. Und genau das war der Eindruck, den sie erzielen wollte und musste, wenn sie im Dorf am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollte. Es war schon seltsam genug, dass eine vierundzwanzigjährige Frau ganz allein einen Haushalt eröffnete, selbst wenn sie von ihrer Gesellschafterin begleitet wurde. Sie durfte darüber hinaus nicht den kleinsten Zweifel an ihrer Person wecken.

Der Earl war pünktlich, das musste man ihm lassen. Hester hatte kaum vor dem Kamin Platz genommen, eine Stickarbeit in den Händen, da wurde schon der Klopfer betätigt. Jethro zupfte seinen Rock zurecht, setzte eine würdevolle Miene auf und schritt hinaus.

Stimmen erklangen in der Halle, dann erschien Jethro an der Tür des Salons. „Der Earl of Buckland, Miss Lattimer.“

Hester erhob sich ruhig, legte ihre Handarbeit zur Seite, sah auf und spürte, wie ihr der Atem stockte. Nur mit größter Mühe blieb sie gelassen und streckte die Hand aus. „Guten Tag, Mylord. Ich bin Hester Lattimer.“

Wie hatte sie es gestern nur übersehen können? Hatte sein plötzliches Klopfen sie so erschreckt? Der Mann vor ihr war nicht nur überaus anziehend – er war der Mann ihrer Träume. Sein Blick ruhte mit offener Bewunderung auf ihr. Sie brauchte nur in seine klugen dunkelblauen Augen mit den feinen Lachfältchen zu schauen, und schon stieg eine seltsame Hitze in ihr auf.

Er nahm ihre Hand, und ihr Herz begann so heftig zu klopfen, dass Hester fürchtete, er müsse es bemerken. Hastig entzog sie ihm die Hand. „Mylord, darf ich Ihnen meine Gesellschafterin Miss Prudhome vorstellen.“

Der Earl neigte leicht den Kopf. Hester wies auf den freien Sessel. „Bitte, Sir, möchten Sie sich nicht setzen?“

Lieber Himmel, was für ein hochgewachsener Mann er doch war, und wie breitschultrig und eindrucksvoll. Auf den zweiten Blick erkannte man, dass er nicht vollkommen war, denn irgendwann einmal musste er sich die Nase gebrochen haben. Seine Züge waren eher markant als schön und die dunkelblonden Haare etwas zu lang …

Jemand räusperte sich.

Hester zuckte leicht zusammen. Wie lange hatte sie ihren Besucher schon angestarrt? Wohl nicht zu lange, denn er schien nicht sonderlich in Verlegenheit geraten zu sein. Jethro jedoch stand an der Tür und schien kurz davor, die Fassung zu verlieren. Das leise Räuspern eines diskreten Butlers, das er sicher beabsichtigt hatte, war nur leider zu einem Schnauben missraten.

„Ackland, bitte bringen Sie uns einige Erfrischungen.“ Sie tat ihm den Gefallen, ihn vor dem hohen Besuch zu siezen und so seiner Stellung größeren Wert zuzumessen. „Möchten Sie Tee, Mylord? Oder vielleicht ein Glas Madeira?“

„Tee wäre sehr erfreulich, Miss Lattimer, vielen Dank.“

Sie nickte Jethro zu, der sich geräuschlos zurückzog.

Seine Stimme passt zu ihm, fand Hester. Sehr oft war die Stimme eines Mannes eine herbe Enttäuschung, doch die des Earls klang tief und angenehm. Er betrachtete sie mit äußerster Gemütsruhe und gab kein Zeichen, ob er in ihr das Dienstmädchen von gestern erkannte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich in seinen Augen lächerlich zu machen, wenn sie dieser Begegnung zu viel Bedeutung beimaß.

„Es tut mir leid, dass ich Sie gestern nicht empfangen konnte“, begann sie. „Wir waren gerade erst angekommen, und sehr viel Arbeit erwartete uns.“

„Meine Schwester beschwert sich oft, wie schwierig es doch sei, gute Dienstmädchen zu bekommen“, erwiderte er höflich und mit einem unübersehbaren Zwinkern.

Kein Zweifel, er hatte sie als das zerzauste Dienstmädchen von gestern erkannt. Hester erwiderte sein Lächeln unwillkürlich. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie würde ehrlich zu ihm sein und darauf hoffen, dass er Verständnis zeigte.

„In der Tat. Es war natürlich sehr unklug von mir und gedankenlos, die Tür zu öffnen. Der Himmel weiß, was Sie von mir gedacht haben müssen.“

„Ich dachte, die neue Nachbarin beweise sehr guten Geschmack, was ihre Dienerschaft anging.“ Was meinte er denn damit? Doch wohl nicht, dass er sie für ansehnlich hielt? Zwar hatte sie nicht wirklich etwas dagegen, dass der Earl diese Meinung hegte, doch das bedeutete nicht, dass er diese Meinung auch laut kundtun durfte.

„Ich hätte meinen Butler rufen sollen“, sagte sie distanziert.

„Ihren Butler? Sie meinen doch sicher nicht den Jüngling, der mich hereingeführt hat?“

„Doch, selbstverständlich, Mylord. Ackland hat, müssen Sie wissen, die Absicht, der beste Butler in ganz England zu werden“, antwortete Hester, als die Tür sich öffnete. „Oh, Ackland, vielen Dank. Stellen Sie das Tablett bitte hierher. Ich sagte gerade zu Seiner Lordschaft, dass Sie den Wunsch haben, es in Ihrem Beruf weit zu bringen.“

„Und zwar zum besten Butler in ganz England aufzusteigen, wie ich höre.“ Der Earl betrachtete den schlaksigen Jüngling, ohne sich anmerken zu lassen, ob er sich der Sommersprossen und der Pickel bewusst war oder der Tatsache, dass die Ärmel des Jungen um einige Zentimeter zu kurz waren.

„Ja, Mylord.“ Jethro errötete, bewahrte sonst aber seine Würde.

„Nun, Ackland, ich muss Ihnen sagen, dass Mr. Parrott der beste Butler Englands ist und in meinen Diensten steht.“

„Hier, Mylord? In diesem Dorf?“

„Sicherlich ist er hier. Ich werde Sie ihm gegenüber erwähnen. Vielleicht wird er eines Tages, wenn er nicht allzu beschäftigt ist, sich genügend herablassen, Ihnen einige Ratschläge zu erteilen.“

Jethro war sekundenlang sprachlos. Und so kam Hester ihm zu Hilfe. „Das ist sehr freundlich von Seiner Lordschaft, Ackland. Sie können jetzt gehen.“ Sie unterdrückte ein Schmunzeln. Wahrscheinlich würde er sich eine ganze Woche lang wie im siebten Himmel fühlen.

„Das war sehr aufmerksam von Ihnen, Mylord“, sagte sie, nachdem Jethro die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Es ist ihm sehr ernst mit seinem Beruf trotz seines jugendlichen Alters. Der Haushalt einer alleinstehenden Dame ist nicht die geeignete Schulung für einen angehenden Butler.“

„Aber Sie brauchen ihn hier“, sagte der Earl mit einem Lächeln. „Warten wir ab, was Parrott empfiehlt.“ Er sah die Frage in ihren Augen und nickte. „Ja, ich werde dafür sorgen, dass er ein wenig Zeit mit dem Jungen verbringt.“

Hester schenkte den Tee ein und fragte sich, wann ihr Gast den Grund für seinen Besuch nennen würde. „Weilt die Countess bei Ihnen, Mylord?“, erkundigte sie sich höflich und reichte ihm seine Tasse.

„Meine Mutter starb vor einigen Monaten.“ Offenbar bemerkte er den Blick, den Hester über seine dunkelblaue Jacke gleiten ließ, denn er fügte hinzu: „Sie verabscheute Trauerkleidung, also legten wir sie nach dem ersten Monat ab. Meiner Meinung nach trägt sie nicht dazu bei, den Verstorbenen liebevoller in Erinnerung zu behalten.“

„Nein, in der Tat“, stimmte Hester zu. „Ich selbst …“ Sie brach ab. Es gab Dinge, die sie mit niemandem besprechen wollte.

„Sie haben kürzlich auch einen Verlust erlitten?“ Seine Stimme klang mitfühlend, und Hester geriet einen Moment lang in Versuchung, mehr zu sagen als vernünftig gewesen wäre.

„Ja. Ich war fast zwei Jahre lang Gesellschafterin einer sehr kranken Person. Das Ende kam nicht unerwartet.“ Falls sie so den falschen Eindruck vermittelte, sie sei Gesellschafterin einer älteren Dame gewesen, dann umso besser.

„Das mindert den Schmerz nicht.“ Er stellte Tasse und Untertasse ab und schlug ein langes Bein über das andere. „Miss Lattimer, ich kann nicht vorgeben, dass es sich hier um einen reinen Höflichkeitsbesuch handelt. Vielmehr möchte ich eine geschäftliche Angelegenheit mit Ihnen besprechen.“

„Eine geschäftliche Angelegenheit?“ Hester konnte ihr Erstaunen nicht verhehlen.

„Ja. Ich möchte Ihr Haus kaufen.“

3. KAPITEL

Sie möchten mein Haus kaufen?“, wiederholte Hester verblüfft. „Welches Haus?“

„Nun, das hier natürlich. Besitzen Sie denn noch eins?“ Er lächelte wieder verhalten, doch Hester verspürte dieses Mal nicht den geringsten Wunsch, sein Lächeln zu erwidern.

„Nein. Und ich beabsichtige bestimmt nicht, Moon House zu verkaufen. Ich habe es doch selbst gerade eben erst erworben, Mylord.“

„Dessen bin ich mir bewusst. Deswegen wende ich mich ja schon so bald nach Ihrer Ankunft an Sie. Sie werden noch keine Zeit gehabt haben, Ihr Herz an das Haus zu hängen.“ Er lehnte sich zwanglos in seinem Sessel zurück.

Hesters anfängliches Erstaunen verwandelte sich allmählich in Ärger. „Ich habe mein Herz bereits an dieses Haus gehängt, Sir. Deswegen habe ich es ja gekauft.“

„Es ist natürlich sehr hübsch“, räumte er wohlwollend ein. „Sie beweisen großartigen Geschmack mit Ihrer Wahl, Miss Lattimer.“

Hester betrachtete ihn missbilligend. Auf keinen Fall würde sie sich aus dem Haus treiben lassen, ob nun durch Schmeichelei, gönnerhafte Herablassung oder Täuschung. Es war lächerlich, dass er es überhaupt versuchte.

„Ich werde Ihnen ein anderes Haus zur Verfügung stellen“, fuhr er fort, „bis Sie entschieden haben, wo Sie leben möchten. Ich besitze Häuser in London …“

„Aus London bin ich gerade weggezogen. Und weder habe ich das Bedürfnis noch den Wunsch und ganz bestimmt nicht die Absicht, wieder auszuziehen.“ Hester nahm einen Schluck Tee, um sich zu stärken, und stellte die Tasse mit Nachdruck ab. Die Anziehungskraft, die der Earl vom ersten Moment auf sie ausgeübt hatte, war für den Moment vergessen.

„Ich werde Ihnen selbstverständlich einen Preis zahlen, der Ihre Auslagen übersteigen wird.“

Lord Buckland betrachtete sie ruhig, als hege er nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie am Ende nachgeben würde. Wenn man ein reicher, gut aussehender Adliger von hohem Ansehen war, erreichte man wohl gemeinhin jedes gewünschte Ziel, ohne besonderen Schwierigkeiten zu begegnen. Es wurde Zeit, Seiner Lordschaft klarzumachen, dass das keinesfalls ein unabänderliches Naturgesetz darstellte.

„Mylord, ich sagte Nein, und ich meinte auch Nein.“ Damit schien sie keinen Eindruck bei ihm zu machen. „Warum wollen Sie das Moon House so unbedingt erstehen?“, fragte sie heftig und bemerkte für einen Moment ein leidenschaftliches Funkeln in seinen Augen.

„Es steht mir leider nicht frei, Ihnen zu antworten, Miss Lattimer. Darf ich meinerseits wissen, warum Sie so sehr an einem Haus hängen, das Sie kaum kennen?“

„Mir steht es schon frei, Ihnen zu antworten, Mylord“, erwiderte Hester im gleichen kühlen Ton wie er. „Allerdings habe ich nicht die Absicht, es zu tun.“

Dieses Mal zeigte seine Miene Belustigung und, wie Hester meinte, einen gewissen widerstrebenden Respekt. „Touché. Dann werde ich wohl einfach versuchen müssen, Ihre Meinung zu ändern, Miss Lattimer. Zweifellos werden Sie in den nächsten Tagen einige Nachteile feststellen, wenn der Reiz des Neuen erst einmal abgeklungen ist. Alle alten Häuser besitzen gewisse … Eigentümlichkeiten.“

Hester erschauderte leicht. Könnte das Ankleidezimmer eine dieser Eigentümlichkeiten sein? „Und während Sie versuchen, mich zu zermürben, werden Sie in jenem abscheulichen Bauwerk gegenüber Ihr Lager aufschlagen?“

„Woher wollen Sie wissen, dass es sich nicht um einen geliebten Familiensitz handelt?“ Er legte die Finger aneinander und betrachtete Hester ruhig.

„Weil ich Ihre Karte gelesen und im Adelsregister nachgeschlagen habe“, antwortete sie ungerührt.

Er nickte anerkennend. „Sehr weise. Aber mein abscheuliches Bauwerk hat einen großen Vorteil.“

„Und der wäre?“

„Die Aussicht ist sehr viel besser als Ihre.“ Er erhob sich geschmeidig. „Ich danke Ihnen für den Tee, Ma’am. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“

Unausstehlicher Mann, dachte Hester. Wie hatte sie ihn je für anziehend halten können? Sie zog heftig am Klingelzug, der sich unter einem leichten Regen von Mauerputz und toten Fliegen von der Wand löste. Maria stieß einen leisen Schrei aus, während Hester regungslos dastand und der Versuchung widerstand, sich den Staub vom Kleid zu klopfen.

Der Earl trat heran, ein makellos sauberes weißes Taschentuch in der Hand. „Bitte gestatten Sie mir, Miss Lattimer. Sie haben Gipsstaub auf Ihren Wimpern. Es könnte sehr schmerzhaft werden, sollte er Ihnen in die Augen geraten.“

Mit einem unterdrückten Seufzer senkte Hester die Lider und erlaubte ihm, ihr sanft über die Augen zu wischen. Dann öffnete sie sie wieder und sah, dass der Earl immer noch sehr dicht vor ihr stand.

„Ihre Augen ändern die Farbe, wenn Sie verärgert sind. Wussten Sie das?“, fragte er leichthin. „Muss an den goldenen Sprenkeln liegen.“

Leicht aus der Fassung gebracht, erwiderte Hester unüberlegt: „Sie ändern sie auch, wenn ich glücklich bin.“

„Sicher spiegeln sie jede Ihrer Empfindungen wider. Ein wirklich faszinierendes Phänomen. Ich muss weiterhin darauf Acht geben. Und zwar aufmerksam.“

Mehrere mögliche Erwiderungen gingen Hester durch den Kopf, aber ihre guten Manieren verboten jede einzelne von ihnen. Sie war entschlossen, das Betragen einer vornehmen jungen Dame beizubehalten, und wenn es das Letzte war, was sie in diesem Leben tat. „Ich bin davon überzeugt, dass Sie es sehr bald leid wären, Mylord. Heute Nachmittag habe ich bereits jede Empfindung zum Ausdruck gebracht, derer ich fähig bin.“

„Glauben Sie wirklich, Miss Lattimer?“ Er betrachtete sie belustigt. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie sich irren. Noch einen schönen Nachmittag. Miss Prudhome.“

Jethro musste die ganze Zeit das Ohr an die Tür gepresst haben, denn er öffnete sie, bevor der Earl sie ganz erreicht hatte. „Ihr Hut, Mylord.“

Die Tür schloss sich hinter ihm, und Hester ließ sich in den Sessel fallen, dass der Staub nur so flog. „Ein wirklich unerträglicher Mann!“

„Ach, du meine Güte!“, rief Susan, die gerade in den Salon eilte. Hinter ihr hörte man die Haustür ins Schloss fallen. „Wie sehen Sie nur aus, Miss Hester!“

Miss Prudhome schüttelte den Kopf und blickte Hester betroffen durch den Kneifer an, der ein wenig schief auf ihrer Nase balancierte. „Ich hätte verhindern müssen, dass er mit Ihnen flirtet. Meine erste Pflicht als Anstandsdame, und ich habe versagt!“

„So eine Frechheit von dem Mann. Und so etwas nennt sich Earl. Ist er einer von diesen Londoner Wüstlingen, von denen man sich erzählt, Miss Hester?“

„Wahrscheinlich“, antwortete sie unbestimmt. „Bringe mir bitte die Kleiderbürste, Susan.“

Das Hausmädchen beeilte sich, den Auftrag zu erfüllen, und Hester betrachtete nachdenklich ihre ineinander verschränkten Hände. Zuerst sein höfliches, fast kühles Betragen und dann der Moment von nahezu empörender Nähe, als er ihr in die Augen gesehen hatte. Seine Worte und der Ton seiner Stimme hatten keinen Zweifel daran gelassen, wie gern er ihr noch näher gekommen wäre. Hester riss sich mühsam zusammen. Er hatte sie aus der Fassung bringen wollen, und leider war es ihm auch gelungen.

Jethro erschien wieder im Salon, offensichtlich sehr zufrieden mit sich. Gleich hinter ihm kam Susan herein.

„Oh, vielen Dank, Susan. Ich bin sicher, es lässt sich leicht abbürsten.“

Susan und Jethro unterhielten sich flüsternd, und erst als ihnen bewusst wurde, dass Hester sie ansah, wurden sie still. Schließlich machte Jethro seinen Gefühlen Luft. „Werden Sie das Haus an ihn verkaufen, Miss Hester?“

„Selbstverständlich nicht. Es ist unser Zuhause, und ich lasse mich nicht von einem vornehmen Stutzer daraus vertreiben, weil ihn zufällig die Laune gepackt hat, es zu besitzen.“ Sie fasste einen schnellen Entschluss. „Wir nehmen uns den Rest des Tages frei von der Hausarbeit. Die Möbel sollten morgen ankommen, also lasst uns nach draußen gehen und den Garten erkunden. Etwas frische Luft wird uns allen guttun.“

Susan lief hinaus, um Häubchen und Mäntel zu holen, und Jethro wickelte sich in eine riesige Flanellschürze, um seine guten Sachen zu schützen. Gemeinsam machten sie sich auf, den Garten und die Außengebäude zu erkunden. In der Scheune fanden sie einen Kohleneimer, woanders einen Blumenkorb und eine große Tasche voller Wäscheklammern, in denen leider schon der Wurm war.

„Wir müssen unbedingt einen Mann für die harte Arbeit und den Garten finden“, sagte Hester, nachdem sie den letzten Anbau erforscht hatten. „Und vielleicht zwei Frauen, die im Haus für Sauberkeit sorgen. Sollten sie sich dann als fähig erweisen, könnten wir ja eine als Köchin behalten. Ich wünschte, der Vikar würde vorbeischauen, dann könnte ich seine Frau bitten, mir jemanden zu empfehlen.“

Jethro räusperte sich bedeutungsvoll, und als Hester sich umdrehte, fand sie sich einem beleibten Mann in der Kleidung eines Geistlichen gegenüber, der sie wohlwollend anlächelte. Er lüpfte seinen Hut. „Guten Tag, Madam. Ich hoffe, Sie vergeben mir meinen so späten Besuch, aber meine Pflichten haben mich heute sehr in Anspruch genommen. Trotzdem konnte ich den Tag nicht vergehen lassen, ohne das neue Gemeindemitglied in Winterbourne St. Swithin willkommen zu heißen. Mein Name ist Reverend Bunting, Charles Bunting.“

Hester reichte dem Vikar die Hand. „Guten Tag, Mr. Bunting. Wie freundlich von Ihnen, uns zu besuchen. Ich bin Hester Lattimer, und dies ist meine Gesellschafterin Miss Prudhome.“

Sie bemerkte seinen flüchtigen Blick zu ihrer unberingten linken Hand, bevor er ihre Rechte nahm.

„Seien Sie willkommen in St. Swithin, meine Damen. Ich hoffe, Sie werden sich am Sonntag in der Kirche zu uns gesellen, und war so frei, Ihnen die Zeiten des Gottesdienstes aufzuschreiben.“

Hester nahm die Papiere mit der angemessenen Dankbarkeit an und versicherte, dass ihr ganzer Haushalt den Gottesdienst besuchen werde.

„Gibt es noch etwas, wobei ich Ihnen behilflich sein kann, Madam?“

„Nun, das können Sie in der Tat. Aber bitte bleiben Sie nicht hier draußen stehen. Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten? Vielleicht eine Tasse Tee?“

„Nein, nein, Miss Lattimer, vielen Dank. Heute muss ich Ihr freundliches Angebot ablehnen, da noch ein Krankenbesuch ansteht. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich hegte die Hoffnung, Mrs. Bunting könne mir einige verlässliche Frauen empfehlen, die das Haus für mich reinigen. Und vielleicht auch einen Mann für den Garten und die Anbauten.“

„Aber selbstverständlich. Es gibt viele bedürftige Familien in der Gegend, die sich über die Arbeit freuen würden. Was die Gartenarbeit angeht, wäre keiner geeigneter als Ben Aston. Ich schicke ihn zu Ihnen. Noch einen schönen Tag, meine Damen.“ Und mit einem letzten Lüpfen des Hutes machte er sich mit überraschender Behändigkeit für einen Mann seiner rundlichen Statur auf den Weg.

Am Tor angekommen, hielt er inne und kehrte noch einmal zurück. „Vergeben Sie, wenn ich frage, Miss Lattimer, fühlen Sie sich auch ganz wohl im Moon House? Da Sie nach Dienerschaft suchen, nehme ich an, dass Sie bleiben möchten. Ich frage nur, weil das Haus so lange leer gestanden hat und, nun …“ Er brach unsicher ab. „Ich hätte nichts sagen dürfen. Es gibt so viel Tratsch im Dorf. Guten Tag, Miss Lattimer.“

„Nun ja“, meinte Susan ohne Umschweife, als er nicht mehr in Hörweite war, „damit hat er jedenfalls nicht erreicht, dass wir uns wohler fühlen.“

„Aber wir bleiben doch, Miss Hester?“, drängte Jethro aufgeregt. „Auch wenn wir uns kein weiteres Personal leisten können?“

„Natürlich.“ Hester ging auf die Hintertür des Hauses zu. „Es ist mir gleichgültig, ob ich mir die Aushilfen leisten kann oder nicht. Seine Lordschaft soll ruhig mit eigenen Augen feststellen, dass ich entschlossen bin zu bleiben.“

4. KAPITEL

Es geht nicht, Miss Hester. Dieses verflixte Zeug gibt einfach nicht nach. Ich brauche eine längere Leiter und eine starke Schere.“

Jethro sprang von der kurzen Leiter herunter, die etwas schief auf den Steinfliesen vor der Eingangstür stand, und sah finster zu dem wahren Dickicht von Efeu hinauf, das die Hälfte der Hausfassade verdeckte. „Warum warten wir nicht auf den Burschen, von dem der Vikar gesprochen hat? Der hat bestimmt eine eigene Leiter.“

Hester stand, die Hände auf die Hüften gestützt, neben ihm und sah nach oben. „Ben Aston? Ja, er kann den Rest der vorderen Fassade übernehmen. Ich möchte nur sehen, was sich über der Tür befindet. Irgendetwas ist dort eingemeißelt.“

Heute Morgen war sie mit dem Verlangen aufgewacht, ihr Recht auf das neue Haus für jeden sichtbar zu machen. Maria hatte sich, wenn auch nur zaghaft, mit einer ellenlangen Einkaufsliste ins Dorf gewagt. Susan war eifrig dabei, den Messingtürklopfer und die Klinke zu polieren. Jethros Aufgabe war es, das Laubwerk zusammenzukehren, das den ganzen Weg bis zur Haustür bedeckte. Sobald er das getan hatte, störte sie der wuchernde Efeu über der Tür sogar noch mehr als vorher.

„Soll ich also eine Heckenschere oder so was suchen gehen, Miss Hester?“, fragte Jethro, der immer noch geduldig wartete, obwohl seine Nase in der Kälte ganz rot geworden war.

„Ja, bitte.“

„Es wird eine Weile dauern.“ Jethro ging um das Haus herum, während Hester sich der Tür näherte. Im Mauerwerk war eindeutig etwas eingemeißelt worden.

Ohne zu zögern, raffte sie ihre Röcke und kletterte die ersten beiden Sprossen der Leiter hinauf. Mit ausgestreckten Händen erreichte sie nur einige Efeuranken, und als sie an ihnen zog, rissen sie sofort ab. Verärgert stieg sie auf die nächste Sprosse und streckte wieder die Arme aus. Jetzt konnte sie richtig zupacken. Hester zerrte heftig, und plötzlich löste sich ein großes Stück von der Wand. Die Sprossenleiter geriet auf dem unebenen Boden ins Wanken, und Hester hielt sich erschrocken an einer Ranke fest. Doch sie spürte, wie diese unter ihrem Griff nachzugeben begann.

Was sollte sie tun? Springen? Ihre Balance wiederfinden? Doch der Efeu hielt sie nicht länger, und Hester fiel herunter – direkt in die starken Arme eines Mannes, der sie geschickt auffing und behutsam auf den Boden stellte.

Hester stand mit dem Rücken zu ihrem Retter, dessen Hände noch immer fest und doch sanft auf ihrer Taille lagen, und konnte sich nicht rühren. Sie spürte, wie der Mann sie stützte, sie fühlte seine Schenkel und die Wärme seines Körpers. Sich loszureißen, wäre zweifellos sehr würdelos. Und zu ihrer eigenen Verblüffung wusste sie genau, wer sie gerettet hatte. Gleich würde er sie wieder loslassen, doch in diesem kurzen Moment war es wundervoll, so gehalten zu werden. Sie geriet außer Atem – sicherlich nur von dem Schrecken.

„Mylord!“

Er gab sie frei, und sie wandte sich zu ihm um, hin und her gerissen zwischen Ärger und Verlegenheit. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihm so lange zu erlauben, sie zu berühren?

Ein kastanienbrauner, riesiger Hengst stand an ihrer Gartenpforte, seine Zügel waren achtlos über die Pfosten geworfen. Der Earl war in Reitkleidung – helle Reithose, Stiefel und eine offene dunkle Jacke. Hut, Handschuhe und Reitpeitsche lagen auf dem Weg, wo er sie wohl hatte fallen lassen, um ihr zu Hilfe zu eilen.

Im Freien sah er sogar noch anziehender aus. Hester suchte nach den passenden Worten, um ihm zu danken und doch gleichzeitig klarzumachen, er müsse seine guten Manieren vergessen haben. Jedoch fiel ihr jetzt nur auf, dass sein Haar vom Wind zerzaust und seine Haut sonnengebräunt war und wie gut der Reitanzug seine breiten Schultern und die langen Beine zur Geltung brachte.

„Ich danke Ihnen, Mylord, aber ich muss wirklich sagen …“

„Dass Sie es vorgezogen hätten, sich den Kopf auf den Steinfliesen aufzuschlagen? Guten Morgen, Miss Lattimer. Es freut mich natürlich, Sie im Garten vorzufinden. Wäre es allerdings nicht besser, Ihren jungen Diener mit derlei Aufgaben zu betrauen?“

„Ich weiß“, gab Hester mit einem Achselzucken zu. Sie hatte sich sehr dumm und würdelos benommen und gar nicht wie die feine Dame, als die sie so gern erscheinen wollte. „Jethro ist auf die Suche nach einer Heckenschere gegangen. Ich habe entdeckt, dass über der Tür etwas eingemeißelt ist, und wollte es mir ansehen.“

Lord Buckland ging an ihr vorbei und blickte nach oben. „Das stimmt. Aber war es denn so dringend?“

„Wenn ich etwas möchte, werde ich für gewöhnlich recht ungestüm, fürchte ich.“

Er hob eine Augenbraue, und Hester hatte das ungute Gefühl, ihre Antwort hätte ihn in irgendeiner Weise provoziert. „Schön. Dann lassen Sie mich sehen, was ich tun kann.“ Bevor sie ihn aufhalten konnte, überließ er ihr seinen Rock, erklomm die oberste Sprosse.

Sein Gleichgewichtssinn muss ausgesprochen ausgeprägt sein, dachte Hester. Fasziniert ruhte ihr Blick auf dem Muskelspiel seiner Schenkel. Als ihr bewusst wurde, was sie tat, errötete sie heftig und heftete den Blick stattdessen auf die Hände des Earls. Mit einem einzigen kräftigen Ruck entfernte er ein ganzes Stück vom Efeu und brachte den nackten Stein darunter zum Vorschein.

Trotz der Überreste des Efeus war unverkennbar ein ovales Steinpaneel auszumachen, auf dem eine Mondsichel und ein einzelner Stern eingemeißelt waren.

„Moon House! Ein Mond, wie reizend“, rief Hester entzückt. Das Paneel war sehr schlicht, doch gleichzeitig elegant und feminin, wie das Haus und dessen Einrichtung.

„Ja, die Arbeit eines sehr guten Steinmetzen.“ Etwas im Ton seiner Stimme ließ Hester aufhorchen. „Jemand hat sich mit diesem Haus sehr viel Mühe gegeben.“

„Es fühlt sich auch so an, als wäre es sehr geliebt worden“, bemerkte Hester, sobald er wieder unten war und das Gestrüpp beiseitewarf. „Du liebe Güte, wie sehen Sie aus, Mylord. Ich hole schnell eine Kleiderbürste. Es dauert nur einen Moment.“

Sie hatte ihm den Rock gegeben und war im Haus verschwunden, bevor Guy Einwände erheben konnte – und ließ ihn einfach auf der Türschwelle stehen. Recht ungestüm, dachte er lächelnd. Ja, das traf sicherlich auf Miss Lattimer zu. Und sehr entschlossen musste man sie auch nennen. Allerdings konnte er ihr das kaum zum Vorwurf machen, da es ja auch bei ihm sein Ungestüm gewesen war, das ihn hergeführt hatte, und eigensinnige Entschlossenheit, die ihn bleiben ließ. Das und vielleicht auch ein Paar bernsteinfarbener Augen.

Der glänzend polierte Türklopfer erregte seine Aufmerksamkeit, und er hob die Hand, um ihn zu berühren. Seine Form war ungewöhnlich – ein Bogen, der beim Klopfen auf einen Köcher mit Pfeilen traf.

Eine Mondsichel und ein Jagdbogen, die Symbole der Göttin Diana.

Ein Schrei riss Guy aus seinen Gedanken. Er machte einen Schritt nach hinten, um hinaufzuschauen. Die Stille, die folgte, entsetzte ihn fast ebenso wie der Schrei. Guy stürmte ins Haus und eilte hastig die Stufen hinauf und in den Raum, aus dem der Schrei gekommen war.

Zu seiner unendlichen Erleichterung fand er Hester unversehrt darin wieder. Sie stand wie erstarrt, den Blick auf eine offene Tür geheftet, die Hände auf den Mund gepresst, als hatte sie jeden weiteren Laut ersticken wollen.

Im Nu war Guy an ihrer Seite und folgte ihrem Blick in einen, wie es schien, völlig gewöhnlichen Ankleideraum. „Miss Lattimer? Hester, was ist geschehen? Was hat Sie erschreckt?“

Sie löste die Hände von ihrem Mund. „Die Perlen“, sagte sie mühsam und wies auf den Boden, der mit kleinen weißen Perlen übersät war.

„Ihre Halskette ist gerissen. Machen Sie sich keine Sorgen. Die Perlen lassen sich leicht wieder aufreihen. Ich rufe Ihr Hausmädchen. Das kann sie aufsammeln.“

„Sie ist zur nächsten Farm gegangen, um Eier zu besorgen“, erwiderte Hester ungeduldig. „Es ist nicht meine Halskette. Ich fand die Perlen an unserem ersten Abend hier auf dem Boden zerstreut. Wir sammelten sie auf und legten sie in jene Schale dort.“ Sie wies auf eine zierliche Porzellanschale auf der Frisierkommode. „Die Schale befindet sich immer noch an ihrem Platz. Wie kommen die Perlen also wieder auf den Boden?“

„Vielleicht verstreute Ihr Hausmädchen sie heute Morgen und hat es versäumt, sie wieder aufzuheben.“ Guy sah, dass Hester zitterte, und berührte voller Besorgnis ihre Schulter.

„Nein, sie kam gemeinsam mit mir herunter und ist seitdem nicht wieder im Haus gewesen.“

„Und wie ist es mit dem jungen Ackland? Oder Ihrer Gesellschafterin?“

„Jethro würde mein Schlafgemach nicht betreten, ohne mich vorher um Erlaubnis zu bitten, und ich weiß, dass Miss Prudhome seit dem Frühstück nicht oben war.“

Guy blickte zum Fenster hinüber. Es war fast ganz geschlossen. Kein Lufthauch bewegte die schweren Vorhänge. Und welcher Windstoß hätte die Perlen auf den Boden wehen und gleichzeitig die Schale unversehrt lassen können?

„Haben Sie eine Katze?“

„Nein.“ Er spürte, wie sie die Schulter unter seiner Hand anspannte, als wolle sie sich für etwas wappnen. „Ich muss sie aufheben.“ Sie machte einen Schritt, blieb dann aber regungslos auf der Schwelle stehen.

Guy kümmerte sich nicht darum, ob es sich schickte oder nicht. Er hob Hester kurzerhand hoch, schlug die Tür zum Ankleidezimmer mit dem Absatz zu und setzte sich mit Hester auf dem Schoß in einen Sessel. Streng verlangte er zu wissen: „Was hat das alles zu bedeuten?“

Die einzige Antwort, die er bekam, war ein erstickter Laut. „Ich weine nicht. Ich bin einfach nur wütend auf mich, dass ich so ein Dummkopf sein kann.“

„Nein, natürlich weinen Sie nicht.“ Guy zeigte die Geistesgegenwart, ihr nicht zu widersprechen.

„Ich bin so ein Feigling“, fuhr Hester etwas deutlicher fort. „Ich war entschlossen, mir davon nicht die Ruhe nehmen zu lassen, und beim ersten kleinen Zwischenfall verliere ich die Fassung.“

Was sollte er darauf erwidern? Wenn er die Sache mit den Perlen herunterspielte, war es, als stimme er ihrer vernichtenden Selbsteinschätzung zu. Räumte er hingegen ein, dass hier etwas nicht stimmte, würde er ihr Angst machen. Zwar käme es ihm sehr entgegen, sollte sie eine Abneigung gegen das Haus fassen, aber er wollte es keinesfalls auf diese Weise erreichen. Guy begnügte sich damit, ihr sanft die Schulter zu tätscheln.

Es war seltsam angenehm, das zu tun. Hester Lattimer schmiegte sich vorzüglich an ihn, als sei sie dafür geschaffen. Sie war nicht schwer, aber auch nicht zerbrechlich. Ihr schlanker, doch fester Körper ließ darauf schließen, dass sie entweder oft ausritt oder viel spazieren ging. An den harten Muskeln seiner Schenkel und Brust fühlte sie sich entzückend weich an, und ihr Haar, das seine Nase kitzelte, duftete nach Rosmarin.

Mit einem plötzlichen Ruck setzte sie sich auf und sah ihm in die Augen. „Verzeihen Sie, Mylord, Sie müssen mich in der Tat für sehr erbärmlich halten und dumm noch dazu, dass ich vor jedem Schatten zurückschrecke.“

„Wissen Sie, Hester, wenn Sie einmal dazu übergegangen sind, sich auf die Knie eines Gentleman zu setzen, scheint es mir unangebracht, noch auf Formalitäten zu bestehen. Wollen Sie mich nicht Guy nennen?“

Sie sah ihn befremdet an, und der Goldton ihrer faszinierenden Augen wurde etwas dunkler. „Das kann ich nicht!“

„Nun, aber Sie sitzen doch auf meinem Schoß. Im Vergleich dazu ist es wirklich nicht schwer, mich beim Vornamen zu nennen.“

„Das kann man wohl sagen! Mylord … Guy … bitte lassen Sie mich los.“

„Selbstverständlich.“ Er breitete die Arme aus und fügte schmunzelnd hinzu: „Sehr schade, denn ich muss zugeben, ich habe Vergnügen daran gefunden.“

Hester war gerade dabei, eher hastig als anmutig auf die Beine zu kommen, erwiderte jedoch sein Zwinkern. „Ich auch. Es ist ein wirklich schockierendes Eingeständnis, aber wissen Sie, es fühlte sich so schön an, sich endlich einmal wieder beschützt zu fühlen.“

Guy stellte fest, dass er lächelte, während sie sich artig neben ihn setzte und die Röcke schicklich um ihre Beine drapierte. Sie war bezaubernd – diese Offenheit, der schelmische Blick. Und dennoch würde er tausend Sovereigns darauf wetten, dass sie nicht mit ihm flirten wollte. Sie war lediglich ehrlich und ungestüm, und der Schreck steckte ihr noch in den Gliedern.

Sie verschränkte die Hände fest im Schoß. „Ich muss Ihnen danken, dass Sie heute Morgen gleich zwei Mal zu meiner Rettung herbeigeeilt sind, Mylord. Guy.“

„Es war mir ein Vergnügen. Wollen Sie mir nicht verraten, was Sie so sehr an jenem Zimmer erschreckt?“

Sie zögerte nur kurz. „Ich beginne vielleicht besser mit einer kleinen Geschichte.“

„Sie kennen die Geschichte des Hauses?“, fragte Guy in scharfem Ton. Als er die Überraschung in Hesters Augen sah, verwünschte er innerlich seine Dummheit.

„Nein, überhaupt nicht. Ich wollte nur erklären, dass es seit fünfzig Jahren leer steht. Trotzdem ist es im Wesentlichen gut erhalten – das Dach ist intakt, die Fenster sind von Zeit zu Zeit gereinigt worden, und in den Kaminen muss regelmäßig ein Feuer entzündet worden sein, um die Feuchtigkeit fernzuhalten. Allerdings hat niemand hier gewohnt. Und das verstehe ich nicht.“

„Hat man Ihnen keine Erklärung dafür gegeben?“

„Keine.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sir Edward Nugent war bereits kränklich, als er beschloss, es zu verkaufen, und mein Verwalter hat ausschließlich mit seinem Makler verhandelt. Wir haben natürlich gefragt, bekamen aber nur die Antwort, dass er in all der Zeit keinen passenden Käufer gefunden hatte. In jedem Fall wollte ich das Haus so sehr, dass mich nichts abgehalten hätte – nicht einmal die Verhandlungen, die sich unendlich in die Länge zogen.“

Guy unterdrückte einen Fluch. Offenbar hatte er die Gelegenheit, das Haus zu kaufen, nur knapp verpasst. „Erzählen Sie weiter“, drängte er sie und genoss es trotz seiner Verärgerung, ihr ernstes Gesicht zu betrachten.

„Also waren wir nicht sehr überrascht, das Haus in einem solchen Zustand vorzufinden. Überall lag Staub, und die Einrichtung besteht aus einem sehr seltsamen Sammelsurium altmodischer Möbel.“

„Würde mich nicht wundern, wenn ich den größten Teil davon gestern bereits gesehen hätte.“

„In der Tat“, gestand Hester zerknirscht. „Es ist mir offenbar doch nicht gelungen, einen respektablen Eindruck auf meinen ersten Besucher zu machen. Wie auch immer, das Haus erstickte vielleicht im Staub, aber alles war an seinem Platz. Nur in diesem Zimmer nicht.“ Sie sah zaghaft zum Ankleideraum hinüber.

„Was fanden Sie dort?“ Behutsam nahm er ihre Hand und spürte ihren Puls rasen.

„Jemand hatte es durchwühlt. Der Schrank stand offen, die Schubladen waren herausgerissen. Einen Stuhl hatte man umgeworfen und der Spiegel lag zerbrochen auf dem Boden. Und einer der Vorhänge hing halb herunter, als hätte jemand sich daran geklammert. Die Perlen waren überall verstreut. Dann entdeckte ich noch ein zerrissenes Nachtkleid. Und …“ Sie brach ab.

„Und?“, drängte Guy sie sanft.

„Die Wand war mit Blut beschmiert.“

Erst als seine Finger sich heftig um ihr Handgelenk schlossen, bemerkte Hester, dass Guy ihre Hand hielt. Eigentlich hatte sie erwartet, er werde sie beruhigen und behaupten, es müsse sich um einen Weinfleck gehandelt haben. Sie war nicht darauf vorbereitet, ihn erblassen zu sehen.

„Mylord?“

„Vergeben Sie mir. Das muss in der Tat eine sehr unerfreuliche Entdeckung gewesen sein. Wo ist das Blut?“ Er gab sie frei und erhob sich. Keine Gefühlsregung heftigerer Art war ihm mehr anzumerken.

„Jethro hat es übermalt. Wir haben aufgeräumt, und ich schlafe seit zwei Nächten in diesem Zimmer. Bisher glaubte ich an eine harmlose Erklärung für alles. Aber jetzt …“

„Ich bin sicher, es gibt eine harmlose Erklärung.“ Guy Westrope lächelte zwar, Hester hingegen hatte das Gefühl, dass sein Blick kühl blieb. „Sind Sie sicher, es geht Ihnen besser?“

Hester nickte und ging mit ihm in den Flur hinaus. „Jethro ist wahrscheinlich schon wieder da und fragt sich, was in aller Welt das fremde Pferd an unserer Pforte zu suchen hat und was der Hut und die Handschuhe eines Gentleman vor unserer Haustür zu bedeuten haben.“

„Ein scheinbares Rätsel, für das es jedoch eine vollkommen logische Erklärung gibt. Genau wie für die Perlen, da bin ich sicher“, erwiderte Guy gelassen und folgte ihr die Treppe hinunter und zur Tür hinaus. „Nein, keine Spur von Ihrem allzu jungen Butler. Ich kann also unentdeckt bleiben. Einen schönen Tag noch, Miss Lattimer.“

Er bückte sich, um Hut und Handschuhe aufzuheben, und führte sein geduldiges Pferd über die Straße zu seinem Haus. Hester suchte nach Ablenkung von ihren beunruhigenden Gedanken. Im Moment hatte sie nicht den geringsten Wunsch, sich mit ihnen zu befassen.

Autor

Louise Allen
<p>Louise Allen lebt mit ihrem Mann – für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden – in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.</p>
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Jacquie D'Alessandro wuchs in Long Island auf und verliebte sich schon in jungen Jahren in Liebesromane. Sie träumte immer davon, von einem schneidigen Schurken auf einem lebhaften Hengst entführt zu werden. Als jedoch Joe, ihr zukünftiger Ehemann, zum erste Mal auftauchte, hatte sein Erscheinungsbild nur wenig mit ihren Träumen zu...
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