Eine Affäre aus Liebe?

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Nur weil die hinreißende Ivy dringend einen Job braucht, engagiert Milliardär Farrell Stone sie auf seinem Landsitz als Haushälterin. Doch auch wenn Ivys Sex-Appeal unwiderstehlich ist, kann er ihr nicht mehr als eine Affäre bieten. Sein Herz gehört noch immer seiner verstorbenen Frau, und den Gedanken an Liebe hat der attraktive Witwer aus seinem Leben gestrichen. Bis Farrell mitansehen muss, wie Ivy in höchste Gefahr gerät. Aber statt ihr zu sagen, was er fühlt, macht er einen verhängnisvollen Fehler …


  • Erscheinungstag 05.01.2021
  • Bandnummer 2167
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503488
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Farrell Stone bat nicht gern um Hilfe, weder im Geschäftsleben noch im Privaten. Er ging seinen eigenen Weg und kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten.

Leider mischte sich seine Assistentin Katie gern in alles ein, deshalb steckte er jetzt mitten in diesem merkwürdigen Bewerbungsgespräch mit Katies Schützling.

Die Frau, die ihm still an seinem Schreibtisch gegenübersaß, war dünn und nicht sehr groß. Ihr dichtes, glänzendes Haar hatte die Farbe von dunkler Schokolade. Der Kurzhaarschnitt betonte ihr leicht spitzes Kinn.

Die braunen, von langen Wimpern umrahmten Augen mit den goldenen und grünen Pünktchen schienen viel zu groß für ihr Gesicht. Ihre Miene drückte gleichermaßen Besorgnis wie auch Hoffnung aus.

Auch wenn sie nicht im klassischen Sinne schön war, hatte sie etwas Attraktives. Farrell fühlte sich von ihrer femininen Art und der Verletzlichkeit, die sie ausstrahlte, angezogen. Sie war genau die Art von Frau, die er sexuell attraktiv fand. Dass allein ihr Anblick ihn erregte, alarmierte ihn allerdings.

Er hatte sich angewöhnt, seine sexuellen Bedürfnisse zu ignorieren. Und jetzt war nicht der Zeitpunkt, um mit dieser Gewohnheit zu brechen.

Obwohl sie ursprünglich aus Maine kam, hatte Ivy Danby die letzten beiden Jahrzehnte in South Carolina verbracht. Der kurze Lebenslauf in Farrells Hand war mehr als dürftig. Highschool-Abschluss, ein paar Jobs. Heirat. Danach nichts mehr. Obwohl die Tatsache, dass die Frau ein schlafendes Baby im Arm hielt, darauf hindeutete, dass sie einige Details ausgelassen hatte.

Er legte den Lebenslauf zur Seite. „Ich weiß es zu schätzen, dass Sie zu diesem Bewerbungsgespräch gekommen sind, Ms. Danby, aber …“

Sie beugte sich vor und überraschte ihn, indem sie seine höfliche Ablehnung unterbrach. „Wofür auch immer Sie mich bauchen, ich kann es lernen“, sagte sie und starrte ihn geradeheraus an. Als ob pure Entschlossenheit ihn umstimmen könnte.

Ihm gefiel ihr Selbstvertrauen, aber mit jeder Minute, die verging, war er sich sicherer, dass es zu kompliziert wurde, wenn er sich zu einer Angestellten hingezogen fühlte.

Die Frau hatte eine äußerst sinnliche Stimme. Wofür auch immer Sie mich brauchen … Es war Farrells überraschend erwachte Libido, die den Worten einen sexuellen Beiklang verlieh.

Er seufzte. „Ich habe die Stelle noch gar nicht ausgeschrieben. Das wissen Sie, oder?“

Ivy nickte. „Ja, aber Ihre Assistentin weiß offenbar Bescheid. Und sie weiß auch, dass ich einen Job brauche. Ich wohne zurzeit mit ihrer Schwester zusammen.“

Farrell rieb sich die Schläfen, um den beginnenden Kopfschmerz zu vertreiben. „Meine Assistentin ist jetzt auch meine Schwägerin. Sie und mein Bruder Quin haben vor drei Monaten geheiratet.“

Die Frau hob eine Augenbraue. „Und trotzdem kommt sie noch jeden Tag zur Arbeit?“

Farrell fand die Frage etwas merkwürdig. „Quin hat vielleicht vermutet, dass sie kündigt, aber Katie weiß sehr genau, was sie will. Es gefällt ihr, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu organisieren. Ehrlich gesagt wüsste ich nicht, was ich ohne sie tun sollte.“

Ivy nickte. „Ich habe sie nur einmal getroffen, aber wir haben uns großartig unterhalten. Sie ist eine erstaunliche Frau.“

„Das ist sie.“ Farrell zögerte. „Die Sache ist die, Ivy. Für den Job müssten Sie ans Ende der Welt ziehen, in den Norden von Maine.“

Sie blinzelte. „Oh.“

Farrell war Ingenieur. Ein Erfinder. Gewöhnlich arbeitete er in seinem hervorragend ausgestatteten Labor hier in Portland. Allerdings waren in den letzten zwei Jahren seine besten und neuesten Ideen auf dem Markt aufgetaucht, ehe er selbst die Chance gehabt hatte, sie dort zu platzieren.

Vielleicht war er paranoid, aber trotzdem konnte er Firmenspionage nicht ausschließen.

„Meine Brüder und ich besitzen Häuser an der Küste dort oben“, erklärte er. „Ich habe kürzlich ein kleines Labor und ein Gästehaus auf meinem Grundstück bauen lassen und werde so schnell wie möglich dorthin ziehen.“

„Darf ich fragen, warum?“

„Bestimmte Aspekte meiner Entwürfe sind streng vertraulich. Ich habe entschieden, dass ich meine Forschung besser schützen muss. Außerdem bin ich gern für mich und arbeite am besten alleine.“

„Wieso glaubt Katie dann, dass Sie jemanden einstellen müssen?“

Er verzog das Gesicht. „Ich bin sehr fokussiert, wenn ich in einem Projekt stecke. Es ist schon vorgekommen, dass ich sechsunddreißig Stunden durchgearbeitet habe. Ich brauche jemanden, der den Haushalt führt und Essen kocht. Einen Menschen, der diskret und vertrauenswürdig ist.“

Ein seltsamer Ausdruck erschien flüchtig in ihren Augen. Etwas Dunkles. Etwas, das ihn überraschte.

„Ich kann den Mund halten, Mr. Stone. Ich kann Geheimnisse für mich bewahren.“

„Warum wollen Sie diesen Job, Ivy? Wir haben da oben Internet und Fernsehen, aber das ist auch alles. Es ist nicht einmal ein Supermarkt in der Nähe.“

Bildete er es sich nur ein, oder umklammerte sie ihr Baby noch fester? Zum ersten Mal zeigte sie Emotionen. Angst.

„Ich will ehrlich zu Ihnen sein“, sagte sie.

Ihre sinnliche Stimme nahm ihn auf eine Art gefangen, die er nicht erklären konnte. „Bitte.“

Ihre Unterlippe zitterte ganz leicht, und in ihren Augen schwammen Tränen. „Ich bin verzweifelt, Mr. Stone. Mein Mann ist vor einigen Monaten gestorben und hat mir nichts hinterlassen. Keine Lebensversicherung. Nichts. Das Haus wurde verkauft, und das Geld ging an Dritte. Meine Eltern leben nicht mehr. Ich habe sonst keine Familie. Ich brauche einen Job, wo ich Dolly bei mir haben kann.“

„Dolly?“

Ivy streichelte über den Kopf des Babys. „Dorothy Alice Danby. Da das ein bisschen viel ist, wird sie Dolly genannt.“ Ivy hielt kurz inne. Und starrte ihn mit einer Intensität an, die ihn beinahe umwarf. „Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern. Wir waren auf derselben Grundschule. Aber jeder in Portland kennt Ihre Familie – Ihren Vater, Ihre Brüder, Zachary und Quinten. Stone River Outdoors bietet vielen Menschen hier gute Jobs. Ich bitte Sie nur um eine Chance. Ich kann hart arbeiten. Und das Baby schläft tagsüber noch viel. Außerdem kann ich sie in ein Tragetuch legen und bei mir haben, wenn ich koche oder putze. Wenn Sie mich einstellen, dann schwöre ich, werden Sie es nicht bereuen.“

Farrell bereute es schon jetzt. Er brauchte keine weiteren Komplikationen in seinem Leben. Und soweit er das beurteilen konnte, würde Ivy Danby mit ihrem natürlichen Sex-Appeal eine ganze Reihe von Komplikationen mit sich bringen.

Mit einem stummen Seufzer gab er sich geschlagen. „Sie bieten überzeugende Argumente. Aber fürs Protokoll: Ich kann mich an Sie erinnern, Ivy. Wir waren beide in Mrs. Hansards Klasse. Sie trugen Zöpfe und saßen in der Reihe neben mir, zwei Plätze weiter hinten. In der dritten Klasse habe ich Ihnen eine Valentinskarte geschenkt, die ich selbst gebastelt hatte.“

Sie riss die Augen auf und errötete. „Oh“, meinte sie. „Sie erinnern sich.“

„Geben Sie mir einen Tag Zeit zum Nachdenken. Ich rufe Sie morgen an.“

Ihrem Gesicht konnte er ansehen, dass sie auf eine sofortige Zusage gehofft hatte. Aber sie schluckte ihren Protest herunter und brachte ein zaghaftes Lächeln zustande. „Ich verstehe. Danke für das Gespräch.“

Kaum war seine Bewerberin gegangen, drückte Farrell auf eine Taste der Gegensprechanlage und bellte einen Befehl. Im nächsten Moment stand Katie Duncan Stone in der Tür. Die blauäugige Blondine war so hübsch wie kompetent. Außerdem war sie stur und fest entschlossen, anderen Leuten zu helfen, ob sie es nun wollten oder nicht.

Farrell verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist nicht dein Ernst, Katie, oder? Eine frischgebackene Mutter mit Baby?“

„Sei nicht so sexistisch, Farrell.“ Sie setzte sich. „Auch Mütter können arbeiten.“

„Ja, wenn sie eine Krippe in der Nähe haben. Mein Haus liegt im Wald, hoch auf den Klippen am Meer.“ Er knirschte mit den Zähnen, als er an den flehentlichen Blick in Ivys haselnussfarbenen Augen dachte. Noch mehr allerdings beunruhigte ihn, dass er nur allzu gern Ja zu dieser Idee sagen wollte.

Katie wischte seinen Protest mit einer Handbewegung beiseite. „Vor hundert Jahren gab es keine Krippen, normale Frauen hatten auch keine Nannys. Aber sie haben geschuftet. Es funktioniert also.“

„Warum bist du so da hinterher?“

„Ivy ist mit nichts bei meiner Schwester eingezogen, Farrell. Keine Möbel. Keine Habseligkeiten. Sie hatte zwei Koffer, eine Baby-Tragetasche und eine Wickeltasche. Das war’s. Findest du das nicht ein bisschen seltsam?“

„Vielleicht.“

„Sie ist verletzt. Und allein. Du müsstest das doch am ehesten nachvollziehen können. Den Partner zu verlieren verändert das Leben komplett.“

Farrell nahm es stoisch hin. Nur Katie besaß den Mut, ihn auf seine Vergangenheit anzusprechen. Auch wenn es jetzt sieben Jahre her war, dass Sasha gestorben war, rührten nicht einmal seine Brüder an dem Thema. „Das war ein Schlag unter die Gürtellinie“, murmelte er.

Katie stand auf und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Wir beide sind jetzt Familie, da darf ich mich einmischen. Aber in diesem Fall bitte ich dich einfach, Farrell. Ivy braucht einen Neuanfang. Sie braucht ein Heim und Sicherheit. Sie braucht genau das, was du im Angebot hast. Bitte gib ihr eine Chance.“

Zehn Tage nach dem unangenehmen Bewerbungsgespräch in der Firmenzentrale von Stone River Outdoors in Portland saß Ivy in einem teuren Wagen und wurde von Katie Stone höchstpersönlich nach Norden gefahren.

Ivy war nervös, als Farrell Stone sie angerufen hatte. In einer angespannten vierminütigen Unterhaltung hatte ihr künftiger Chef ihr den Job mit einem Gehalt angeboten, bei dem ihr fast die Augen ausgefallen waren. Katie hatte sich kurz darauf gemeldet, um sie mit den Details vertraut zu machen. Als Assistentin von Farrell wusste Katie genau, was von Ivy erwartet wurde. Sie wusste außerdem, dass Ivy kein Auto besaß, keine Möbel und kein Geld.

Doch Katie hatte für jedes Problem eine Lösung. Sie bestand darauf, dass sie im Haus ihres Mannes, das seit der Hochzeit ja auch ihres war, nach dem Rechten schauen musste und es für sie keine Umstände bedeutete, wenn sie Ivy und Dolly in deren neues Heim brachte.

Bisher war die Fahrt sehr angenehm gewesen. Dolly saß hinten und brabbelte vor sich hin. Als sie unruhig wurde, steuerte Katie den nächsten Parkplatz an, damit Ivy die Kleine füttern konnte.

Sie hatten die Fenster heruntergelassen und genossen die frische Brise, als Katie ein wenig sehnsüchtig sagte: „Ich möchte auch Kinder haben. Allerdings weiß ich nicht, ob mein Mann schon so weit ist.“

„Ihr habt doch gerade erst geheiratet und noch viel Zeit“, meinte Ivy und strich ihrer Tochter über die Wange.

„Ich weiß“, erwiderte Katie. „Aber die sprichwörtliche biologische Uhr tickt auch bei mir. Woher wusstest du, dass du Kinder wolltest?“

Ivy versteifte sich. „Wusste ich eigentlich gar nicht. Es ist einfach passiert.“

„Ach, dann warst du wohl eine von den Glücklichen.“

„Mag sein.“ Ivys Kehle war wie zugeschnürt. Es kostete sie Kraft, sich zu beherrschen. Wenn sie jetzt anfing, wegen ihrer Vergangenheit zu weinen, gefährdete sie vielleicht diesen kostbaren Job. „Sie ist satt“, sagte sie und entzog dem Baby sacht die Flasche. „Wir können weiterfahren.“

Katie grinste. „Ach, noch einmal so jung und unschuldig zu sein …“

Kurz darauf waren sie wieder unterwegs, und Ivy hing ihren Gedanken nach. So lange hatte sie ihre Gefühle unter Verschluss gehalten. Aber heute hatte sie Grund zum Lächeln. Sie war auf dem Weg zu einem Job, zu einem neuen Heim und würde genug verdienen, um ihre winzige Familie ernähren zu können. An diesem warmen, sonnigen Herbsttag keimte Hoffnung in ihr auf. Hoffnung, die ihr zusammen mit ihren Träumen abhandengekommen war. Doch jetzt baute sie sich ein neues Leben auf und würde auch sich selbst neu erschaffen. Alles war möglich, wenn sie an sich selbst glaubte.

Farrell Stone hatte das möglich gemacht. Sie mochte ihn. Sehr sogar. Er war ein ehrlicher, gut aussehender Mann. Und obendrein sexy, wenn auch auf eine leicht unwirsche Art und Weise.

Er hatte Gefühle in ihr wachgerufen, die sie seit vielen Jahren nicht verspürt hatte. Sie musste wirklich aufpassen, dass sie sich nicht zum Narren machte.

„Jetzt ist es nicht mehr weit“, unterbrach Katie ihre Gedanken. „Spürst du auch schon, dass wir uns dem Meer nähern?“

„Oh ja. Ich habe lange in Charleston gelebt. Ich weiß, wie das Meer riecht und wie die Luft sich anfühlt, wenn man in der Nähe der Küste ist. Es ist hier zwar nicht so warm und feucht, aber ich erinnere mich an das Meer hier im Norden.“

„Es liegt direkt hinter diesen Bäumen dort. In der anderen Richtung, also nördlich und westlich, befindet sich das Naturschutzgebiet Moosehorn. Im Nordosten geht’s nach Kanada.“

Ivy war nie so weit nördlich in Maine gewesen, aber in Farrells Büro hatte sie Luftaufnahmen von drei spektakulären Häusern direkt auf den Klippen gesehen, die jedes auf seine Art die Charaktere ihrer Besitzer widerspiegelten.

Vor nahezu zwei Jahrhunderten hatte einer der Vorfahren der Stones ein riesiges Stück Land in dieser Wildnis erstanden. Den kleinen Fluss, der durch sein Grundstück mäanderte, benannte er nach sich selbst. Darauf folgende Generationen hatten große Teile des Grundstücks verkauft, aber die Stone-Brüder der jüngsten Generation besaßen noch immer mehrere Hundert Quadratmeilen Land. Sie schätzten ihre Privatsphäre. Die Firma, die sie alle unglaublich reich gemacht hatte, hatte ihren Ursprung in diesem waldigen Paradies.

Isolation und Abgeschiedenheit machten Ivy nichts aus. Für sie bedeutete es Sicherheit. Eine Chance, endlich sie selbst zu sein.

Katie bog von der Straße ab, hielt vor einem Tor, gab einen Geheimcode ein und musste dann noch mehrere Meilen fahren, ehe sie endlich am Ziel waren.

Dolly wachte gerade auf, als sie Farrells Haus erreichten. Auf dem Weg dorthin waren sie an den Abzweigungen zu Zacharys und Quins Häusern vorbeigefahren. „Ich zeige dir unser Haus bei anderer Gelegenheit“, meinte Katie. „Jetzt willst du bestimmt erst einmal dein neues Heim sehen. Wollen wir erst zu Farrell ins Haupthaus oder zum Gästehaus?“

„Zum Gästehaus, bitte.“

Sie fuhren an dem beeindruckenden Haupthaus vorbei, und Ivy reckte den Hals, um es in Augenschein zu nehmen. Es war ein riesiges Gebäude, erbaut im traditionellen New-England-Stil, mit blauen Dachschindeln, weißen Verkleidungen und vielen Fenstern mit Meerblick.

Hinter Farrells Haus, in Waldnähe, stand ein bezauberndes Holzhaus, das Ivy an ein Puppenhaus erinnerte. Es war in jeder Hinsicht perfekt.

„Das ist es“, meinte Katie und blickte über das Autodach zu Ivy, die inzwischen auch ausgestiegen war. „Meinst du, ihr werdet euch hier wohlfühlen?“

Fast hätte Ivy ungläubig gelacht. Das alles kam ihr wie ein Wunder vor. „Wer würde das nicht?“, erwiderte sie ruhig. „Es sieht perfekt aus.“

Drinnen war es sogar noch besser: ein kleines Haus mit zwei Schlafzimmern und einem Bad dazwischen, einer kompakten Küche mit modernen Geräten und einem gemütlichen Wohnzimmer, in dem sich eine Couch, zwei Sessel und ein Kamin befanden.

Tränen brannten in Ivys Augen, die sie nur mit Mühe zurückhalten konnte. Katie würde es nicht verstehen, und Ivy konnte das Gefühl nicht erklären. Nicht jetzt. Nicht heute. Vielleicht nie.

„Wer hat das Babybett besorgt? Warst du das?“, fragte sie.

Katie schüttelte den Kopf. „Nein. Das war Farrells Idee. Er dachte, du könntest das Reisebettchen bei ihm im Haus aufstellen, damit Dolly hier wie dort schlafen kann. Der Mann ist Ingenieur, immer am Denken und Planen.“

„Sehr aufmerksam von ihm.“ Und machte einmal mehr deutlich, was für ein Mann Farrell war. Ivy war überwältigt und bemühte sich, es nicht zu zeigen.

Ivy holte tief Luft, um sich wieder zu fassen. „Ich will dich nicht länger aufhalten“, sagte sie. „Du hast schon so viel für mich getan. Wenn es für dich okay ist, lass uns zum Haupthaus gehen, damit Farrell mir die Arbeitsroutinen erklären kann.“

2. KAPITEL

Farrell war nervös. Dieses Gefühl war ihm so unvertraut, dass er überlegte, ob es nicht doch Hunger oder Müdigkeit war.

Nein. Er war tatsächlich nervös.

Vielleicht lag es daran, dass er sein Berufsleben gerade auf den Kopf stellte. Oder er hatte Angst, dass die neue Umgebung für seine Kreativität nicht so förderlich war wie sein altes Labor in Portland.

Oder vielleicht lag es immer noch an der Angst vor Firmenspionage. Angst davor, einen weiteren Entwurf zu verlieren.

Nachdem er all diese Möglichkeiten in Betracht gezogen und verworfen hatte, blieb nur eine Schlussfolgerung übrig.

Er war nervös, weil Ivy Danby bei ihm einzog.

Ach, verdammt. Sie zog ja nicht wirklich bei ihm ein. Ivy würde für ihn kochen und sein Haus in Ordnung halten, aber sie und ihre Tochter würden im Gästehaus wohnen. Dorthin hatte Katie sie wohl gerade gebracht. Farrell hatte den Wagen vorbeifahren sehen. Nun würden sie bald hier sein.

Als es schließlich klingelte, fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar, öffnete die Tür und hoffte, dass er nicht so durcheinander aussah, wie er sich fühlte. „Hallo, Katie“, sagte er. „Hallo, Ivy. Kommt rein.“

Dolly starrte ihn an, als hätte er plötzlich einen zweiten Kopf bekommen. Was wusste Farrell schon von Kindern? Nichts. Absolut nichts.

Also konzentrierte er sich auf die Frauen. „War die Fahrt okay?“

„Kein Problem“, meinte Katie. „Die Baustelle auf der I-95 ist weg, wir sind gut durchgekommen. Ach, übrigens, ich habe noch zwei Kisten mit Unterlagen im Auto. Dann müsstest du eigentlich alles haben, was du brauchst.“

„Sehr schön.“

Während der vergangenen Tage hatten seine Brüder und Katie ihm geholfen, seine Sachen im Labor zu verpacken. Außer seiner Familie wusste niemand, warum er diesen Ortswechsel vollzog. Noch immer fragte er sich, ob der Aufwand wirklich nötig war, aber das würde wohl nur die Zeit zeigen.

Wie immer nahm Katie das Heft in die Hand. „Warum spiele ich nicht ein wenig mit diesem kleinen Wonneproppen, während ihr zwei miteinander redet?“

Als sie aus dem Zimmer ging, starrte Ivy Farrell mit großen Augen an. Er räusperte sich. „Ich denke, wir sollten vielleicht in der Küche anfangen.“

Ivy nickte. „Natürlich.“

Er zeigte ihr die Schränke, Kühlschrank und die Speisekammer. „Ich bin leicht zufriedenzustellen. Ich bereite den Kaffeeautomaten schon abends vor, darum brauchen Sie sich also nicht zu kümmern. Normalerweise arbeite ich morgens von sechs bis acht, ehe ich eine Frühstückspause mache. Ich mag alles, außer Haferflocken.“

Zum ersten Mal erschien ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. „Haferflocken sind gut fürs Herz.“

Er runzelte die Stirn. „Meinem Herzen geht es gut. Keine Haferflocken.“

Sie salutierte. „Verstanden, Mr. Stone.“

„Ich denke, wir können auf die Förmlichkeiten verzichten. Nenn mich bitte Farrell.“

Jetzt runzelte sie die Stirn. „Warum?“

Ihre Sturheit frustrierte ihn. „Weil nur wir beide hier leben werden, und außerdem kennen wir uns seit Kindertagen, verdammt.“

Ivy musterte ihn missbilligend. „Wir sind zu dritt“, erinnerte sie ihn brüsk. „Und ich möchte nicht, dass du in Anwesenheit meiner Tochter fluchst. Wenn das ein Problem darstellt, kannst du mich gleich wieder feuern.“

Entgeistert starrte er sie an. „Ernsthaft? Verdammt, du bist aber verspannt.“

„Schon wieder ein Fluch“, ermahnte sie ihn.

Mist, das war ihm gar nicht aufgefallen. Er errötete. „Ich werde mich in Gegenwart deiner Tochter vorsehen.“

Ivy kaute auf ihrer Unterlippe. „Bist du ein unberechenbarer Mann, Farrell?“

„Unberechenbar?“ Wieder war er fassungslos. Noch nie hatte ihn jemand als unberechenbar beschrieben. Stur, sicher. Zu sehr auf eine Sache fixiert, wenn er arbeitete. Emotional sehr zurückhaltend. Aber niemals unberechenbar.

Farrell unterdrückte seinen Frust und bemühte sich, ruhig zu sprechen. „Ich verspreche dir, Ivy, die meisten Leute halten mich für gelassen. Manchmal verliere ich mich in meinen Projekten. Kann sein, dass ich vergesse, dass du hier bist. Aber wir werden eine ausgeglichene Arbeitsbeziehung führen. Das schwöre ich.“ Solange ich so tue, als wäre sie nicht die faszinierendste Frau, die ich seit Jahren getroffen habe. „Ich muss noch mal mit meiner Schwägerin reden. Nimm dir Zeit, dich mit der Küche vertraut zu machen.“

Er fand Katie auf der Veranda, wo sie Dolly die Eichhörnchen im Garten zeigte. Als sie Farrell entdeckte, lächelte sie. „Wir bleiben im Schatten. Ich bezweifle, dass Miss Dolly eingecremt ist.“

Farrell senkte die Stimme. „Was ist mit Ivy los, Katie? Wie lange ist es her, dass ihr Mann gestorben ist? Hat er das Kind noch gesehen? Was ist passiert?“

Katie wurde ernst. „Ihr Privatleben geht uns nichts an. Sie wird auch nicht über deine Arbeit reden. Sie steckt in einer schwierigen Lage, und du hast ihr die Chance zu einem Neubeginn gegeben. Delanna meinte, es klang so, als wäre Ivys Situation nicht gerade rosig gewesen, sie kennt aber auch keine Einzelheiten. So verstört, wie Ivy anfangs war, hat sie kaum geredet.“

„War deine Schwester nicht sauer, dass du ihr die Mitbewohnerin entführt hast?“

„Ein wenig. Sie wird’s überleben und eine neue Mitbewohnerin finden.“ Katie strich dem Baby über den Kopf. „Hier, willst du sie auch mal halten? Sie ist echt eine Süße.“

Automatisch nahm Farrell ihr das Baby ab und merkte erstaunt, dass es viel weniger wog, als er erwartet hatte. Der kleine Körper war warm und pummelig. Er verspürte einen Stich im Herzen. Es hatte ihn nie sonderlich geschmerzt, dass er niemals Vater werden würde. Es sollte einfach nicht sein. Aber für einen Augenblick empfand er Mitleid mit dem armen Kerl, der seine eigene Tochter nicht aufwachsen sah.

Geistesabwesend rieb er dem Baby den Rücken und meinte dann: „Danke, Katie.“ Er schenkte seiner Schwägerin ein dankbares Lächeln.

„Wofür?“

„Dass du Ivy hergebracht und ihr geholfen hast, aber vor allem dafür, dass du Quin glücklich machst.“

Auch Katies Lächeln war glücklich und vielleicht ein wenig selbstzufrieden. „Hat er dir erzählt, dass wir im Dezember zum Skilaufen fahren wollen? Nichts Spektakuläres, nur ein paar Abfahrten in Aspen. Und gemütliche Abende vor dem Kamin mit heißem Grog und …“

Erschrocken hob Farrell die Hand. „Ich will nichts über deine sexuellen Eskapaden mit meinem Bruder hören.“

„Woher willst du wissen, dass ich das sagen wollte?“ Sie grinste.

Farrell lachte. „Weißt du was, Katie? Ich freue mich jetzt tatsächlich auf dieses unorthodoxe Experiment hier. Ein nagelneues Labor … Da fallen mir bestimmt ein paar brillante neue Sachen ein.“

„Das hoffe ich. Stone River Outdoors braucht mal wieder Auftrieb. Die letzte Zeit war hart.“

„Stimmt.“ Er gab ihr das Kind zurück.

Seine Schwägerin schenkte ihm einen vielsagenden Blick, als wüsste sie genau, dass er nicht willig war, eine Beziehung zu der Kleinen aufzubauen. „Wo steckt Ivy?“

„Sie schaut sich in der Küche um. Ich bin sicher, dass sie gleich zu uns kommt.“

Ivy öffnete den Einbaukühlschrank und starrte hinein. Jemand hatte ihn gut gefüllt. Wie weit sie wohl fahren musste, um Lebensmittel zu kaufen? Doch dann entdeckte sie auf der grau-silbernen Arbeitsplatte aus Quarz die Quittung eines Lieferservices. Offenbar bekam Farrell Lieferungen, wann immer er es wünschte.

Die Küche war ein Traum. Da Ivy während der Jahre mit einem anspruchsvollen Ehemann reichlich Erfahrung gesammelt hatte, war sie eine gute Köchin. Das Kochen hier würde sicherlich das reinste Vergnügen. Sie hatte ja gewusst, dass die Stones reich waren, aber erst jetzt wurde ihr klar, wie reich.

Denn dies hier war ja Farrells Zweithaus. In Portland besaß er außerdem eine große Eigentumswohnung, die vermutlich noch eleganter war als das Haus hier. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es war, so viel Geld zu besitzen.

Ivy genügte es, wenn sie ausreichend Geld hatte, um ihre Tochter und sich zu ernähren und ihnen beiden ein Dach über dem Kopf zu sichern. Solange Farrell Stone in einem geheimen Labor im Wald arbeitete, war sie entschlossen, sich unentbehrlich zu machen.

Die Küchentür schwang auf, und das Objekt ihrer Überlegungen kam hereinspaziert. Ein typisches Alphatier. Maskulin. Dominierend. Fantastisch. Direkt hinter ihm war Katie.

Autor

Janice Maynard
Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
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