Eine Affäre ist lange nicht genug

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Reiß dich zusammen! schimpft Allison mit sich, während sie sich Zachs Büro nähert. Nach zwei Monaten sollte sie sich an die unverschämt blauen Augen ihres Chefs und an das Kribbeln in ihrem Bauch bei seinem Anblick gewöhnt haben! Vor allem, weil Zach zwar deutlich gemacht hat, dass er nichts gegen eine Affäre mit ihr hätte, aber von einer gemeinsamen Zukunft nichts wissen will: Gefühle lenken ihn bloß von seiner Karriere ab! Auch wenn Allison in ihren Träumen die zärtlichsten Stunden mit Zach verbringt - ein Happy End mit diesem Mann kann es nicht geben! Oder etwa doch?


  • Erscheinungstag 26.05.2012
  • Bandnummer 1838
  • ISBN / Artikelnummer 9783864941528
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ungeduldig wartete Allison Warner darauf, dass ihre Schwester sich meldete, und zählte dabei, wie oft es am anderen Ende läutete. Nach dem vierten Mal schaltete sich der Anrufbeantworter ein – wie üblich. Bethanys Stimme bat sie, eine Nachricht zu hinterlassen.

Allison seufzte enttäuscht. Seit sie fünf Monate zuvor nach Arizona zurückgezogen war, hatte sie öfter Monologe auf dem Anrufbeantworter hinterlassen als mit ihrer Schwester gesprochen. Sie konnte nicht sagen, was sie mehr frustrierte – dass Bethany ihre Nachricht vermutlich ignorieren würde oder dass sie wusste, wer anrief, und trotzdem nicht abnahm. Trotzdem holte sie tief Luft und versuchte, unbeschwert zu klingen.

„Hi, Bethany. Hier ist Allison, deine Schwester“, scherzte sie, obwohl es gar nicht lustig war. „Es ist Donnerstagnachmittag, und ich fahre gleich zur Arbeit. Ich wollte fragen, ob du Lust hast, heute Abend essen zu gehen oder am Wochenende einen Shoppingbummel zu unternehmen. Wir könnten uns Möbel für das Kinderzimmer ansehen. Ich habe das ganze Wochenende frei. Aber wenn du lieber zu Hause bleiben möchtest, können wir das alles auch online regeln. Also ruf mich einfach an.“

Sie legte auf und verzog das Gesicht. Konnte man noch verzweifelter klingen? Und wusste sie nicht längst, dass es sinnlos war, Bethany zu bedrängen?

Du musst Geduld haben. Der Bruch in ihrer Beziehung war nicht über Nacht gekommen und auch nicht so schnell zu heilen. Sie braucht Zeit.

Davon hatte Allison zum Glück jede Menge. Sie schaltete den Computer aus und ordnete die Dinge auf ihrem Schreibtisch. Den schiefen Kaffeebecher, den sie im Töpferkurs zustande gebracht hatte. Den vertrockneten Flieder. Den selbst gebastelten Rahmen mit dem Foto, auf dem ihre Schwester und sie lächelnd die Köpfe zusammensteckten. Ein seltener Moment, von der Kamera festgehalten …

Gäbe es im Leben doch auch nur eine Taste, mit der man einen Augenblick einfrieren konnte, damit er nicht vorüberging … oder eine Rückspulfunktion, mit der man in die Vergangenheit zurückkehren konnte, um falsche Entscheidungen ungeschehen zu machen.

Das Foto war auf Bethanys Hochzeit gemacht worden. Damals hatten die beiden Schwestern einander so nahe gestanden wie nie wieder. Bittersüße Erinnerungen an die Feier und das letzte Zusammensein ihrer Familie gingen Allison durch den Kopf. Mit Tränen in den Augen hatte Bethany gelächelt, als ihr Vater sie zum Altar führte und Gage Armstrong übergab. Allison hatte neben ihr gestanden, als Brautjungfer und beste Freundin.

Ein paar Wochen später war Allison ihrem Freund Kevin Hodges nach New York gefolgt. Das war jetzt drei Jahre her, und drei Jahre waren eine lange Zeit. Inzwischen war ihr Vater erkrankt, Bethanys Ehe war gescheitert, und Allison hatte sich so sehr in ihre Arbeit gestürzt, dass sie beides gar nicht richtig mitbekommen hatte.

Sie war nach Hause zurückgekehrt, aber die dreitausend Meilen waren leichter zu überbrücken als die emotionale Distanz zwischen ihr und ihrer Schwester. Zumal Bethany kein Blatt vor den Mund genommen hatte. Übernimmst keine Verantwortung … zu weit weg … zu spät …

Das schlechte Gewissen raubte Allison fast den Atem. Sie würde alles geben, um die Zeit zurückdrehen zu können. Wäre sie doch nur bei ihrer Familie gewesen, als sie am meisten gebraucht wurde. Aber die Chance hatte sie verpasst, und jetzt musste sie das Beste aus dem Hier und Jetzt machen.

„Du musst Bethany dazu bringen, sich zu öffnen und darüber zu sprechen, was zwischen ihr und Gage schiefgelaufen ist“, hatte ihre Mutter gesagt, bevor sie zu ihrer dreiwöchigen Kreuzfahrt durch die Karibik aufgebrochen war. Auf der Reise hatten ihre Eltern den fünfunddreißigsten Hochzeitstag begehen wollen. Nachdem ihr Vater sechs Monate zuvor gestorben war, hatte ihre Mutter entschieden, die Schiffsreise trotzdem zu unternehmen und seiner zu gedenken.

Allison vermisste ihren Vater schmerzlich. Sein Lachen, seine Liebe, seine Ermutigung, immer nach den Sternen zu greifen. Er hätte es schrecklich gefunden, dass sein Tod einen Keil zwischen seine Töchter trieb. Zwischen seine Mädchen, wie er Bethany, Allison und ihre Mutter stets genannt hatte. Es hätte ihm das Herz gebrochen. Und obwohl Bethany es nicht glaubte, brach es auch Allison das Herz.

Seufzend stellte sie den Bilderrahmen zurück. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern, aber sie war fest entschlossen, sich mit ihrer Schwester auszusöhnen. Im Moment brauchte Bethany ihre Familie mehr denn je, auch wenn sie es niemals zugeben würde.

Um halb sechs waren die Geschäftsräume von Knox Security fast menschenleer, und Allison ging den Flur entlang und löschte die Lichter. Sie hätte schon vor einer halben Stunde aufbrechen können, doch dies war ihre letzte Woche bei der Firma für Sicherheitssysteme, und sie wollte keine unerledigte Arbeit zurücklassen.

Am Montag würde Martha Scanlon nach einer Pause wegen ihrer Hüftoperation zurückkommen. Allison würde sie einen oder zwei Tage lang unterstützen und danach den nächsten Aushilfsjob antreten.

Der Einsatz als Empfangssekretärin bei Knox Security war ihr bisher längster gewesen. Normalerweise sprang sie höchstens zwei Wochen ein, in Notfällen oder als Urlaubsvertretung. Die Abwechslung gefiel ihr, und sie liebte neue Herausforderungen. Außerdem hatte sie feste Arbeitszeiten, ganz anders als bei Marton/Mills, der Werbeagentur in New York City, bei der eine Sechzigstundenwoche eher die Regel als die Ausnahme gewesen war.

Als Aushilfe geriet sie nicht in Versuchung, zu ehrgeizig zu werden und berufliche Ziele über private Beziehungen zu stellen.

Vor dem Bürofenster kündigte ein prächtiger Sonnenuntergang das Ende eines weiteren herrlichen Frühlingstages an – noch ein Grund, hier zu arbeiten. Der April war ideal für Shorts und T-Shirts. Selbst hier in Phoenix war business casual nicht zu casual, und obwohl Allison ihre maßgeschneiderten Kostüme in New York gelassen hatte, kleidete sie sich zwar individuell, aber stets so, wie der jeweilige Job es erforderte.

Wenn du vorankommen willst, musst du lernen, das passende Outfit zu wählen.

Unwillkürlich dachte sie an die mahnenden Worte ihres Exfreunds. Und daran, wie sie ihre Persönlichkeit verleugnet hatte, um ja nicht unangenehm aufzufallen. Sie hatte sich große Mühe gegeben, nicht nur die perfekte Freundin, sondern auch die strebsame Mitarbeiterin mit besten Aufstiegschancen zu sein.

Kevin wurde angestellt, weil sein Vater mit dem Chef von Barton/Mills befreundet war. Er hatte Allison einfach in die Firma mitgenommen, und sie hatte hart gearbeitet und keine Überstunden gescheut, um Karriere zu machen. Aber nie im Leben hatte sie damit gerechnet, welch hohen Preis sie dafür bezahlen musste.

Nie wieder würde sie sich für einen Job oder einen Mann so sehr aufgeben, und um das nicht zu vergessen, zog sie sich jeden Tag so an, wie sie es tat.

Heute trug sie einen schwarzen Rock mit Nadelstreifen und ein schlichtes schwarzes Oberteil – eine durchaus respektable Kombination, der die pinkfarbene Spitze am Rocksaum nicht zu viel Pep verlieh. Sie hatte die Sachen erst kürzlich gekauft und sich darauf gefreut, sie an diesem Tag anzuziehen. Nicht, dass es dafür einen besonderen Grund gab. Das Outfit betonte zwar ihr kurzes blondes Haar und die grünen Augen, aber sie hatte es eigentlich ausgewählt, weil es zu ihrer Persönlichkeit passte …

Als Allison sich Zach Wilders Büro näherte, wurden ihre Schritte wie von selbst langsamer, und der Puls beschleunigte sich. Nach zwei Monaten sollten sein dunkles Haar, die lebhaften blauen Augen und die markanten Gesichtszüge ein gewohnter Anblick sein. Selbst die breiten Schultern, die schmale Taille und die langen, muskulösen Beine hätten ihr längst nicht mehr auffallen dürfen.

Trotzdem hatte der Topverkäufer der Firma noch immer etwas, das sie schneller atmen ließ, sobald sie einander über den Weg liefen. Dass Zach ein Mann war, wie er für sie nicht falscher sein konnte, änderte leider nichts daran, dass sie ihn attraktiv fand.

Man bekam nie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen. Der Spruch stimmte, und Allisons erster Eindruck von Zach war … vielversprechend gewesen. Sie waren einander an ihrem ersten Tag im Fahrstuhl begegnet. Sein Arm hatte ihren kurz gestreift, und sie hatte die zufällige Berührung bis zu den Sohlen ihrer modischen Pumps gespürt.

Selbst Wochen später erinnerte sie sich daran. Es war, als hätte der kurze Moment sie aus dem emotionalen Gleichgewicht gebracht. Als wäre ihr Leben von einer Sekunde zur anderen aus der Spur geraten.

Dass ein Mann für sie so viel Bedeutung bekam, war verrückt. Aber Allison wusste, dass sie sich den Moment nicht eingebildet hatte. Und auch nicht das, was sie in Zachs blauen Augen wahrgenommen hatte. Er hatte es ebenfalls gemerkt, da war sie ganz sicher. Jetzt brauchte sie nur seine tiefe Stimme zu hören, schon fühlte sie ein verräterisches Kribbeln im Bauch.

Doch sie durfte nicht vergessen, dass er sie seitdem nie wieder angeschaut hatte – dazu konzentrierte er sich zu sehr auf seine Arbeit. Ihr dagegen fiel es nicht so leicht, ihn zu ignorieren. Im Gegenteil, wenn sie an seinem Büro vorbeikam, riskierte sie einen Blick und sah, wie er mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm seines Computers starrte. Wie an seiner Wange ein Muskel zuckte, wenn etwas nicht klappte, und ein Lächeln die Mundwinkel umspielte, wenn etwas gut lief.

Aber vor allem fiel ihr auf, wie erschöpft er manchmal aussah. Dann rieb er sich die müden Augen und drehte den Kopf hin und her, um den verspannten Nacken zu lockern. Allison ahnte, wie schwer der Erfolgsdruck auf ihm lastete.

In diesen Momenten war sie sicher, den wahren Zach Wilder vor sich zu sehen. Fast erschien er ihr … menschlich. Verletzbar.

Zum Glück passierte das nicht oft. Und wenn, dann nur kurz, bevor Zach wieder umschaltete und zu dem Mann wurde, der keine Schwächen zeigte.

Auch an diesem Abend schaute Allison durch die schmale Glasscheibe neben seiner Bürotür. Der Schreibtischsessel war zurückgeschoben, als wäre Zach nur kurz aufgestanden. Doch das Büro war ganz leer, der Schreibtisch aufgeräumt. Offenbar hatte Zach das Gebäude schon verlassen.

Das überraschte sie, denn seit sie bei Knox angefangen hatte, hörte sie immer wieder, wie hart und lange er jeden Tag arbeitete, welche großen Aufträge er hereinholte und wie zielstrebig er seine Karriere verfolgte. Jedes Wort über ihn war wie eine Warnung vor jemandem, dem der berufliche Erfolg wichtiger war als alles andere. Aber zugleich hörte Allison den tiefen Respekt heraus, den ihre Kollegen vor einem Mann hatten, der ganz unten angefangen und sich beharrlich nach oben gearbeitet hatte.

Das allein war Welten von den Beziehungen entfernt, die Kevin schamlos ausnutzte, um auf der Karriereleiter so manche Stufe zu überspringen.

Dennoch waren Zach und ihr Exfreund einander so ähnlich, dass Allison auf der Hut sein musste … auch wenn er so toll aussah, dass sie sich immer wieder gern an die Szene im Fahrstuhl erinnerte.

Gut, dass ihr nur noch wenige Tage bei Knox blieben. Danach würde sie den nächsten Job annehmen und Zach vergessen. Sie strich über das Namensschild an seiner Tür, bis ihr bewusst wurde, was sie tat. Hastig eilte sie weiter, verlegen und erleichtert darüber, dass niemand sie gesehen hatte.

Hoffentlich ist bald Dienstag, dachte sie, als sie den Fahrstuhl betrat und auf den Knopf für die Tiefgarage drückte.

Die Türen hatten sich fast geschlossen, da schob sich eine kräftige Männerhand dazwischen. Ein Blick auf die langen, schmalen Finger, die blütenweiße Manschette und die teure Armbanduhr reichte, um Allison einen Schauer über den Rücken zu jagen. Sie erkannte die Uhr, denn sie hatte sie selbst ausgesucht. Im Auftrag ihres Vorgesetzten, als Geschenk für den Mitarbeiter, der zum fünften Mal hintereinander Verkäufer des Jahres geworden war.

Allison wappnete sich für das, was kam. Dennoch stockte ihr der Atem, als Zach Wilder den Aufzug betrat.

Die dunklen Stoppeln an den Wangen passten zu den Ringen unter seinen Augen. Eine schwarze Locke fiel ihm in die Stirn, und die schwarz-rote Krawatte hing schief.

„Zach, ist alles in Ordnung?“, fragte sie, ohne zu überlegen. Er sah aus wie ein Mann, der … gerade geküsst worden war. Denn welche Frau könnte der Versuchung widerstehen, die Finger in das dichte Haar zu schieben? Oder ihn an der sonst immer perfekt geknoteten Krawatte zu sich zu ziehen? Und wäre es nicht herrlich, für den verzweifelten Ausdruck in seinen Augen verantwortlich zu sein?

Allison schämte sich ihrer außer Kontrolle geratenen Fantasie so sehr, dass ihre Wangen sich erhitzten. Als würde Zach Wilder sich jemals mit einer Kollegin einlassen! Noch dazu am Arbeitsplatz! Sie riss sich zusammen. Er durfte auf keinen Fall merken, was allein sein Anblick in ihr auslöste.

Er schaute ihr in die Augen, als die Fahrstuhltür zuglitt. Seine Stimme klang ein wenig atemlos. „Ich habe Sie gesucht. Ich hatte schon Angst, ich verpasse Sie.“

„Mich verpassen?“ Sie wollte zurückweichen, weg von seinem verführerischen Duft, doch die Kabine war zu eng. Und vielleicht war es höchste Zeit, sich ihrer albernen Schwärmerei zu stellen. Und dem Objekt ihrer Begierde. „Sie haben mich nicht verpasst. Ich bin hier. Brauchen Sie etwas?“

„Ich brauche Sie.“

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Und dass flaue Gefühl im Bauch hatte nichts damit zu tun, dass der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte. Sie schluckte. „Ich … Was haben Sie gesagt?“

„Ich brauche Ihre Hilfe bei einem Kunden.“

„Oh. Natürlich. Bei einem Kunden.“

Verlegen senkte sie den Blick. Was hatte sie denn gedacht? Dass er ein tiefes emotionales Bedürfnis gestehen wollte? Bitte! Der Mann lebte nur für seine Arbeit. Das wusste sie doch. Wie kam sie bloß dazu, sich etwas anderes einzubilden?

„Kann es nicht bis morgen warten?“, fuhr sie hilflos fort. „Ich bin ein wenig in Eile.“

Noch bevor sie verstummte, schüttelte er den Kopf. „Nein, es handelt sich um einen Notfall“, sagte er, als die Tür sich öffnete. Dann nahm er ihre Hand und eilte mit ihr durch die Tiefgarage. „Sie müssen mich begleiten.“

Allison fühlte sich wie in einem Spionagethriller. Jede Sekunde konnte ein Bösewicht aus dem Schatten auftauchen und auf sie beide schießen. So albern es war, sie atmete auf, als sie seinen schwarzen BMW unbeschadet erreichten.

Fast unbeschadet. Denn sie fühlte seine Hand selbst dann noch, als er sie losließ.

„Ein Notfall?“, wiederholte sie. „Es gibt medizinische oder technische Notfälle, aber doch keine, bei denen eine Empfangssekretärin gebraucht wird! Davon habe ich noch nie …“

„Ich bezahle Ihnen die Überstunden. Doppelt … dreifach. Was immer Sie verlangen.“

„Es ist nach halb sechs. Ich möchte nach Hause.“ Wo sie allein sein würde, denn ihre Schwester rief bestimmt nicht zurück. Aber sie war kein Workaholic. Nicht mehr. Geld und Erfolg waren nicht alles.

Zach blieb neben der Beifahrertür stehen und drehte sich um. „Bitte.“

Das Wort, das er mit Sicherheit nicht oft von sich gab, ließ sie zögern. Es war ein Riss in seiner polierten Fassade, durch den sie etwas sah, das er sonst verbarg. Das war der Mann, der ihr aufgefallen war. Der Mann, den nur wenige kannten. Und dies war vielleicht ihre letzte Chance, mehr von ihm zu erfahren.

Sie ignorierte das Warnsignal in ihrem Kopf. „Na gut, ich helfe Ihnen. Was soll ich tun?“

„Das erkläre ich Ihnen unterwegs.“

„Unterwegs wohin?“

„Warten Sie es ab“, erwiderte er und öffnete die Tür für sie.

Seine Arroganz hätte sie ärgern sollen. Schließlich half sie ihm, nicht umgekehrt. Doch als sie sich in den Ledersitz fallen ließ, stellte sie verblüfft fest, dass sie kein bisschen verärgert, sondern einfach nur neugierig war. Gespannt darauf, was sie erwartete.

Zach schwieg, während er den Wagen durch den dichten Verkehr nach Scottsdale lenkte. Allison spielte mit dem Riemen ihrer Handtasche, bis sie die Stille nicht mehr aushielt. „Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir schon sagen, was Sie brauchen“, platzte sie heraus.

Er hielt an einer roten Ampel und warf Allison einen Blick zu. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er vielleicht sie brauchte. Sie wusste, dass es vermutlich nur am rötlichen Licht der untergehenden Sonne lag, aber was sie in seinen blauen Augen wahrnahm, konnte durchaus so etwas wie Verlangen sein …

Der Fahrer hinter ihnen hupte, und Zach schaute wieder nach vorn. Nur mit Mühe unterdrückte Allison einen Seufzer der Erleichterung. Sie konnte nicht wissen, was der Rest des Abends noch bringen würde, aber sie würde ihn nur durchstehen, wenn sie ihre Fantasie zügelte.

„Ich bin in einer halben Stunde zum Essen verabredet“, verkündete er mit grimmiger Miene.

„Okay. Ihre goldene Uhr verrät mir, dass Sie sich sonst mehr auf Kunden freuen.“ Der Mann war ein Jäger, der es kaum abwarten konnte, seine Beute zu erlegen. Wahrscheinlich schnitzte er für den Auftrag, den er abschloss, eine Kerbe in seinen Schreibtisch. Doch jetzt spürte sie bei ihm nichts als Verzweiflung. Der Mann zeigte Schwäche. Dies war eine Gelegenheit, die sie sich nicht entgehen lassen durfte.

„Ein schwieriger Kunde ist doch nichts Neues. Was macht Sie an diesem Essen so nervös?“

Zach zog eine Grimasse. „Eigentlich darf ich mir das nicht anmerken lassen.“

„Oh, keine Sorge. Sie sind mir ein Rätsel“, entgegnete sie trocken. Einerseits war er ein offenes Buch. Genauer gesagt, ein aufgeschlagenes Managermagazin. Andererseits benahm er sich wie ein Teenager vor dem ersten Date. „Warum freuen Sie sich nicht auf dieses Arbeitsessen?“

„Ich freue mich darauf“, widersprach er und straffte die Schultern. „Dies sollte mein zweites Treffen mit James und Riana Collins sein. Die renommierten Juweliere. James ist kürzlich nach Scottsdale gezogen und wollte sich zur Ruhe setzen. Aber jetzt hat er beschlossen, Filialen im Südwesten zu eröffnen und braucht jemanden, der sich um die Sicherheitsmaßnahmen kümmert. In Las Vegas und hier. Ich habe gute Chancen, den Auftrag für Knox an Land zu ziehen.“

„Klingt großartig. Wo ist der Haken?“

Er legte die Hände fester ums Lenkrad. „Riana hat eine Nachricht hinterlassen, dass James nicht kommt.“

„Aber Sie können sich doch mit ihr treffen.“

Er runzelte die Stirn. „Genau das ist das Problem.“

Plötzlich begriff sie. „Aha.“ Allison konnte gut nachfühlen, dass eine Frau Zach attraktiv fand, aber sie hatte kein Verständnis dafür, dass jemand seinen Ehepartner betrog. Die Ehe ihrer Eltern hatte ihr gezeigt, wie wichtig Liebe und Vertrauen waren, und daran hatte sie sich in der kurzen Beziehung mit Kevin stets gehalten. Auch wenn er es nicht verdient hatte.

Sie schob die Erinnerung an ihren Ex beiseite. „Ich bin sicher, Mrs Collins …“

„Miss Collins. Riana ist James’ Tochter.“

„Oh.“ Aus dem betrogenen Ehemann wurde ein fürsorglicher Vater. Und aus einer Tigerin ein Kätzchen. „Trotzdem. Miss Collins dürfte kaum Ihre erste Verehrerin sein. Bestimmt haben Sie Übung darin, ein Mädchen auf die sanfte Tour abblitzen zu lassen.“

Oder etwa nicht? War Zach der Typ, der Blumen schickte? Mit einer Karte, auf der stand, dass es „nicht an dir, sondern an mir liegt“? Oder rief er einfach nicht mehr an? Egal. Sie hoffte nicht auf eine Beziehung mit ihm. Jedenfalls nicht ernsthaft.

„Das kann man nicht vergleichen. Ich habe Riana Collins nicht in einer Bar kennengelernt. Das hier ist rein geschäftlich.“ Er betonte das letzte Wort, als wäre es das Wichtigste auf der Welt. „Ich will sie nicht kränken. Ich darf es nicht. Es könnte mich den Auftrag kosten. Das will ich nicht.“

„Na ja …“ Allison tat, als würde sie überlegen. „Sie könnten mit ihr schlafen.“

„Auch das will ich nicht.“

Weil es langfristig riskanter war, mit der Tochter des Kunden zu schlafen? Geschäftlich und beruflich riskanter? Oder weil seine moralischen Maßstäbe es nicht zuließen, eine Frau auszunutzen? Allison wollte glauben, dass er ehrenwerte Gründe hatte. Dass sein Ehrgeiz nicht grenzenlos war. Aber sicher konnte sie nicht sein.

Sie wusste, warum sie das Gute in ihm sehen wollte. Nie wieder würde sie auf einen Mann wie Kevin Hodges hereinfallen. Und wenn Zach anders war als ihr gerissener, vom Ehrgeiz zerfressener Ex? Durfte sie ihn dann ohne schlechtes Gewissen attraktiv finden, sämtliche Warnsignale missachten und nur auf ihr Verlangen hören?

Wenn er wirklich anders war, konnte dieser Abend ihre Chance sein, ihn auf die Probe zu stellen.

„Sie trennen also Arbeit von Vergnügen“, stellte sie fest.

Und genau das sollte sie auch tun. Denn die warme Brise wehte ihr den Duft der Ledersitze und seines Aftershave in die Nase, und es wäre allzu leicht, sich vorzustellen, dass dies ein Date war. Dass Zach sie in ein romantisches Restaurant ausführte. Ihr Atem ging schneller, als sie sich ausmalte, wie er den Auftrag vergaß und sich stattdessen ganz auf sie konzentrierte … Das wäre einfach himmlisch …

„Ja.“

Zachs kurze Antwort verscheuchte den Tagtraum. „Wie bitte?“, fragte sie so beiläufig wie möglich.

Er warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Ich habe Ihnen gerade zugestimmt. Strikte Trennung von Arbeit und Vergnügen.“

„Richtig. Natürlich. Rein professionell.“ So professionell, wie ihre geheimen Sehnsüchte es zuließen. „Und ich bin … was? Die Anstandsdame?“

„So ähnlich“, murmelte er.

Hatte er es sich anders vorgestellt? Und wenn schon. Sie hatte zugesagt, und es war nur ein einziger Abend … „Sie wissen ja, was man sagt: Drei sind einer zu viel.“

„Ja“, erwiderte er und zog das Wort in die Länge.

Allison lächelte. „Dann bin ich heute Abend die Dritte.“

Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte Zach gewusst, dass ihm Allison Warner Probleme machen würde. Dabei hatte er nicht mal geahnt, dass sie als Vertretung für die erkrankte Empfangssekretärin eingestellt worden war.

Woher hätte er das auch wissen sollen? Sie sah absolut nicht aus wie ein Ersatz für die mütterliche Martha Scanlon. Ihr Outfit – hellblauer Pullover, farblich darauf abgestimmter Rock – war ihm nicht aufgefallen. Aber dafür die Art, wie sie in der Tiefgarage augenzwinkernd und mit einem kurzen Winken an seinem Wagen vorbeischlenderte. Selbst im Halbdunkel war ihm ihr kurzes Haar aufgefallen. Mit sämtlichen Blondtönen unter der Sonne passte es zu dem gebräunten Teint und den fein geschnittenen Gesichtszügen.

Sie als süß oder sexy zu bezeichnen wäre zu einfach, denn etwas in ihrem Blick verriet Zach, dass sie ein Engel war, dem ein Teufel auf der Schulter saß.

Er parkte hastiger als sonst und redete sich ein, dass er heute besonders schnell ins Büro wollte. Er holte sie vor dem Fahrstuhl ein, und ihr Lächeln schien zu signalisieren, dass sie auf ihn gewartet hatte. „Nach oben?“, fragte sie, obwohl es nur eine Richtung gab.

Fasziniert starrte er auf das einzelne Grübchen an ihrer rechten Wange, wollte antworten, schaute erneut in ihr leicht spöttisches Lächeln, und fast verschlug es ihm die Sprache. „Ich … ja.“

Natürlich willst du nach oben. Du bist in einer Tiefgarage, du Idiot!

Ihre Augen funkelten. Amüsierte sie sich etwa über ihn?

Die Fahrstuhltür glitt auf, und Zach ließ der Frau den Vortritt – fest entschlossen, sich nicht länger verunsichern zu lassen. Seine Mutter Caroline forderte ihn dauernd auf, an sein Privatleben zu denken. Damit meinte sie, dass er endlich eine Familie gründen sollte. Das kam natürlich nicht infrage, aber er musste zugeben, dass er seine Arbeit viel zu wichtig nahm. Offenbar so wichtig, dass er verlernt hatte, wie man mit einer hübschen Frau plauderte.

Als er die Kabine betrat, stieg ihm ihr Duft in die Nase. Erdbeere? Dann beugte er sich vor, um auf den Knopf zu drücken. Da sie es gleichzeitig tat, berührten sich ihre Finger. Zach hätte schwören können, dass die Ziffer auf dem Knopf heller als sonst aufleuchtete und der Fahrstuhl schneller als gewöhnlich nach oben sauste.

Ihre Augen schienen aufzublitzen – hatte auch sie es wahrgenommen? Sofort war er versucht, mit dieser ungewöhnlich reizvollen Frau zu flirten und keinen Gedanken an das Duzend Projekte auf seinem Schreibtisch oder seine bevorstehende Beförderung zu verschwenden.

Doch dann registrierte er, auf welchen Knopf sie gedrückt hatte. Ein mulmiges Gefühl regte sich in Zach. Bildete er es sich nur ein, oder wurde der Fahrstuhl tatsächlich langsamer? „Sie wollen in den vierten Stock?“, fragte er. „Zu Knox Security?“

„Ja, heute ist mein erster Tag.“ Ihre grünen Augen leuchteten. „Heißt das etwa, wir sind Kollegen?“

Genau das hieß es. Schade. Zach hatte sich noch nie auf eine Beziehung am Arbeitsplatz eingelassen und würde es auch nie tun. Zu viele Fallstricke, zu viele Komplikationen und das Risiko, bei den Chefs unangenehm aufzufallen.

Aber seitdem ließ Zach der Gedanke an das erste Lächeln und die erste Berührung nicht mehr los.

Sie ist einfach absolut faszinierend, dachte er mit einem fast vorwurfsvollen Blick auf die Frau auf seinem Beifahrersitz.

Er brauchte nur ihr Lachen zu hören, schon musste er an die Begegnung im Fahrstuhl denken. Und jedes Mal, wenn sie ihn anlächelte, erinnerte das Grübchen ihn an seine Schwäche. Die Frau schaffte, was noch keiner gelungen war: Sie lenkte ihn von seiner Arbeit ab. Das durfte nicht passieren. Seine Kindheit hatte ihm gezeigt, was aus einem Mann wurde, der sich durch eine Frau, durch die Liebe vom Kurs abbringen ließ.

Warum um alles auf der Welt hatte er ausgerechnet Allison um Hilfe gebeten?

Weil sie die Einzige ist, der ich es zutraue. Und solange er dieses Abendessen als Teil seines Jobs ansah, würde er es vielleicht überstehen.

„Wann kommt Martha wieder?“, fragte Zach. Je früher Alli­son die Firma verließ, desto besser. Spätestens dann würde er sie vergessen können.

„Am Montag. Aber ich bleibe noch ein, zwei Tage, damit die Übergabe klappt.“

„Gut. Dass es ihr besser geht, meine ich.“

„Ja.“

Freute sie sich etwa nicht, den Job zu wechseln? Wäre sie lieber geblieben? „Haben Sie je daran gedacht, eine feste Stelle anzunehmen? Nicht bei Knox …“ Auf keinen Fall bei Knox! „sondern in irgendeiner anderen Firma, in der Sie sich nach oben arbeiten …?“

Autor

Stacy Connelly
Als Stacy Connelly ihr erstes Buch veröffentlichte, schenkte ihr eine Freundin ein Armband mit zwei Anhängern: Eine Eins als Symbol für den ersten Verkauf, und einen Brief, symbolisch für den Vertrag. Stacy Connelly beschloss kurzerhand, diese Tradition beizubehalten, und wirklich kommen seitdem regelmäßig neue Anhänger dazu. Denn Stacys Passion ist...
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