Eine Braut wider Willen

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Angelo lässt Natalie keine Wahl: Sie muss ihn heiraten, um ihren Bruder vorm Gefängnis zu bewahren. Auf ihrer Hochzeitsreise an die Amalfiküste ahnt der Tycoon, wie widerspenstig seine Braut sein kann. Können seine Küsse sie wie früher zum Schmelzen bringen?


  • Erscheinungstag 04.02.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521475
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du musst unbedingt zu ihm gehen.“

Die verzweifelt flehende Stimme ihrer Mutter Isla noch immer im Ohr, wartete Natalie nervös auf den Aufzug, der sie hinauf zu Angelo Bellandinis Londoner Büro befördern sollte. Seit achtundvierzig Stunden kreisten diese Worte unaufhörlich in ihrem Kopf und raubten ihr den Schlaf. Auf der Bahnfahrt von ihrer Heimatstadt Edinburgh hatte sie der Satz im Takt zum Rattern des Zuges verfolgt.

Persönlich hatte sie Angelo zuletzt vor fünf Jahren gesehen, aus Zeitschriften und Online-Blogs lächelte der Playboy und Erbe des Bellandini-Vermögens ihr ständig entgegen. Gerechterweise musste man dazusagen, dass Angelo die Hälfte seines sagenhaften Reichtums durch harte Arbeit selbst verdient hatte.

Nur wegen ihres jüngeren Bruders, der mal wieder erheblich über die Stränge geschlagen hatte, musste sie sich nun in die Höhle des Löwen wagen. Auf unsicheren Beinen stakste sie in den gläsernen Fahrstuhl und wählte die Etage. Lautlos setzte sich der Aufzug in Bewegung.

Vielleicht würde Angelo sie gar nicht empfangen. Immerhin hatte sie ihn vor fünf Jahren verlassen. Möglichweise hasste er sie jetzt so sehr, wie er sie damals geliebt hatte.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie oben am Empfang ankam. Das ausgesprochen vornehme und elegante Ambiente überwältigte sie, obwohl sie selbst aus sehr wohlhabendem Haus stammte. Als sie und Angelo sich kennengelernt hatten, hatte er mit keiner Silbe erwähnt, wie unglaublich reich seine Familie war. Für sie war er ein hart arbeitender, gutaussehender Italiener gewesen, der für seinen Magister in Betriebswirtschaft paukte. Er hatte sich sehr darum bemüht, seinen privilegierten Hintergrund zu verbergen – und sie selbst hatte ihm in nichts nachgestanden.

„Ich fürchte, Signore Bellandini ist nicht zu sprechen“, flötete die Empfangsdame. „Möchten Sie einen Termin vereinbaren?“

Natalie sah die hübsche Frau mit den Modelmaßen, dem perfekt gestylten blonden Haar und den klaren graublauen Augen an und verlor auch noch den letzten Rest an Selbstsicherheit. Sie selbst war furchtbar übernächtigt. Ihr sonst so frischer Teint wirkte eher grau, das lange braune Haar glanzlos. Wenigstens hatte sie im Fahrstuhl noch daran gedacht, etwas Lipgloss aufzulegen. Gegen die dunklen Schatten unter den Augen und die hohlen Wangen hatte sie nichts unternommen. Seit ihrem siebten Lebensjahr ging es ihr zu dieser Zeit des Jahres immer besonders schlecht.

Mit eiserner Selbstdisziplin straffte sie jetzt jedoch die Schultern. Es kam gar nicht infrage, das Gebäude unverrichteter Dinge wieder zu verlassen! „Richten Sie Signore Bellandini aus, ich sei nur bis morgen um diese Zeit in London.“ Sie reichte der Empfangsdame eine Visitenkarte und eine Karte des Hotels, in dem sie eine Übernachtung gebucht hatte. „Ich bin unter der Handynummer oder im Hotel zu erreichen.“

Nach einem kurzen Blick auf die Visitenkarte sah die Empfangsdame neugierig auf. „Sie sind Natalie Armitage? Die Innenarchitektin?“

„Genau die.“

„Ich liebe Ihre Bettwäsche und Handtücher aus der letzten Frühlingskollektion. Durch mich sind meine Freundinnen auch darauf aufmerksam geworden. Ihr Stil ist so feminin und dabei modern und originell“, schwärmte sie.

Natalie lächelte höflich. „Freut mich, dass Ihnen meine Kollektion gefällt.“

Die Empfangsdame zwinkerte ihr vergnügt zu und beugte sich über die Gegensprechanlage. „Signore Bellandini? Miss Natalie Armitage ist hier und würde Sie gern sprechen. Möchten Sie sie vor dem nächsten Kundengespräch empfangen, oder soll ich für heute Nachmittag einen Termin machen?“

Natalie hielt kurz den Atem an. Wie würde Angelo reagieren? Erstaunt? Verärgert? Wütend?

„Nein“, antwortete Angelo mit seiner tiefen sexy Stimme, die Natalie immer wie eine Liebkosung empfunden hatte. „Sie kann gleich reinkommen.“

Die Empfangsdame führte Natalie den langen Korridor entlang und blieb vor einer Tür mit einem Messingschild stehen, das Angelos Namen trug. „Sie haben wirklich Glück, Miss Armitage. Eigentlich empfängt er niemanden ohne Termin. Aber vielleicht will er ja auch unter Ihre Bettwäsche schlüpfen“, fügte sie mit anzüglichem Lächeln hinzu, bevor sie klopfte und der Besucherin die Tür aufhielt.

Natalie lächelte gequält und betrat die Höhle des Löwen. Angelo saß an einem Mahagonischreibtisch und sah ihr entgegen. Hinter ihr schloss sich die Tür mit leisem Klicken. Nun gab es kein Zurück mehr! Vor Nervosität war ihre Kehle ganz trocken.

Angelo sah noch fantastischer aus als vor fünf Jahren. Sein schönes Gesicht hatte markantere Züge angenommen, das Haar trug er kürzer, aber nicht zu kurz. Die schwarzen Locken ringelten sich um den Kragen eines hellblauen Oberhemdes. Auf dem glattrasierten Gesicht lag ein bläulicher Schatten, der den starken Bartwuchs verriet. Das Kinn war energisch wie eh und je, die Wimpern dicht und lang, die Augen kaffeebraun.

Angelo erhob sich. Aus Höflichkeit oder wollte er Natalie mit seiner beeindruckenden Körperlänge von über einem Meter neunzig einschüchtern? Trotz ihrer High Heels musste sie zu ihm aufblicken.

Nervös befeuchtete sie sich die trockenen Lippen und bemühte sich um Gelassenheit. Eigentlich hatte sie ihre Gefühle immer gut im Griff. Und jetzt war bestimmt nicht der Zeitpunkt zu zeigen, wie besorgt sie um ihren Bruder war. Angelo würde das sofort ausnutzen. Sie war hier, um für den Schaden zu zahlen, den Lachlan angerichtet hatte. Und dann würde sie auf der Stelle wieder verschwinden! „Danke, dass du dir so kurzfristig Zeit genommen hast“, sagte sie. „Ich weiß, wie beschäftigt du bist, und werde es kurzmachen.“

Mit seinen unergründlichen braunen Augen sah er sie an, während er die Gegensprechanlage betätigte. „Fiona? Ich möchte während der nächsten Stunde unter keinen Umständen gestört werden. Verschieben Sie alle Termine!“

„Wird erledigt, Chef.“

Natalie blinzelte, als er sich wieder aufrichtete. „Das ist wirklich nicht nötig, Angelo.“

„Oh doch! Was dein Bruder in Rom im Zimmer eines meiner Hotels angerichtet hat, ist ein Straftatbestand.“

„Ich weiß“, antwortete sie verlegen. „Aber er macht gerade eine schwierige Phase durch, und ich …“

Sarkastisch zog er eine schwarze Augenbraue hoch. „Hat Daddy ihm etwa den Porsche weggenommen? Oder das Taschengeld gekürzt?“

Natalie presste die Lippen zusammen, um ihre Emotionen im Zaum zu halten. Was fiel Angelo ein, sich über ihren Bruder lustig zu machen? Lachlan war eine tickende Zeitbombe. Nun war es an ihr, Natalie, ihn vor der Selbstzerstörung zu bewahren. Ihren anderen kleinen Bruder hatte sie damals nicht retten können, aber sie wollte alles in ihrer Macht Stehende tun, um Lachlan zu helfen. „Er ist doch noch ein Kind“, sagte sie leise. „Gerade erst hat er die Schule abgeschlossen und …“

„Er ist achtzehn Jahre alt, Natalie.“ Angelo unterbrach sie harsch. „Alt genug, um zu wählen, und meiner Ansicht nach auch alt genug, um die Konsequenzen seines Handelns selbst zu tragen. Er und seine betrunkenen Freunde haben in einem meiner renommiertesten Hotels einen Schaden von über hunderttausend Pfund angerichtet.“

Schockiert starrte sie ihn an. Er übertrieb maßlos, oder? Nach der Schilderung ihrer Mutter hatte Natalie damit gerechnet, dass der Teppich im Hotelzimmer eine gründliche Reinigung nötig hatte und eventuell die Wände neu gestrichen werden mussten. Mit einer so enormen Schadenssumme hatte sie nicht gerechnet.

Was war nur in Lachlan gefahren, ein Hotelzimmer derart zu verwüsten?

„Ich bin selbstverständlich bereit, dir den Schaden zu ersetzen, Angelo. Vorher würde ich mir allerdings gern selbst ein Bild davon machen.“

Herausfordernd sah er sie an. „Du kommst also persönlich dafür auf?“

Sie ließ sich nicht anmerken, dass ihr flau im Magen wurde, und hielt Angelos Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ja. Vorausgesetzt deine Forderung ist angemessen.“

„Du hast ja keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Oder weißt du, wie dein Bruder und seine Kumpels sich aufführen, wenn sie zu viel getrunken haben?“

Leider wusste Natalie das nur zu gut, und es raubte ihr seit Monaten den Schlaf. Sie kannte den Grund für Lachlans Verhalten, konnte jedoch nichts daran ändern: Lachlan war sozusagen als „Ersatz“ für den kleinen Liam zur Welt gekommen, der im Kleinkindalter gestorben war. Seit seiner Geburt lebte Lachlan nicht sein eigenes Leben, sondern das seines toten Bruders. Die Hoffnungen und Träume, die seine Eltern für Liam gehabt hatten, waren wie selbstverständlich auf Lachlan übergegangen. Irgendwann war er diesem Druck nicht mehr gewachsen gewesen. Natalie befürchtete seit Monaten das Schlimmste.

Sie war schon für Liams Tod verantwortlich. Die Vorstellung, auch noch Lachlan zu verlieren, war unerträglich.

„Bist du sicher, dass Lachlan für den Schaden verantwortlich ist und nicht einer seiner Freunde?“

Angelo musterte sie scharf. „Das Zimmer war auf seinen Namen gebucht. Beim Einchecken hat Lachlan seine Kreditkarte vorgelegt. Auch wenn er nicht einmal ein Sofakissen verrückt hat, ist er – rechtlich gesehen – für alle Schäden verantwortlich.“

Leider wusste Natalie, dass ihr Bruder nicht gerade ein Unschuldslamm war. Sie selbst hatte mehr als einmal seine Zerstörungswut erlebt, nachdem er zu viel getrunken hatte. Wenn er wieder nüchtern war, konnte er sich meist an nichts mehr erinnern.

Bisher war er immer mit einem blauen Auge davongekommen – aber nur, weil ihr einflussreicher, wohlhabender Vater seine guten Beziehungen zur britischen Staatsanwaltschaft hatte spielen lassen.

Doch Lachlans jüngster Anfall blinder Zerstörungswut hatte sich in Italien abgespielt. Deshalb wollte sie jetzt an Angelos Verständnis appellieren. Dass ihr Bruder sich aber auch ausgerechnet in einem Hotel von Angelo Bellandini hatte austoben müssen!

Resigniert zog sie ihr Scheckheft aus der Handtasche und suchte nach einem Kugelschreiber. „Also gut, ich glaube dir und werde den Schaden begleichen.“

Angelo lachte höhnisch. „Und du denkst allen Ernstes, damit wäre die Sache erledigt?“

Sie behielt die Nerven. „Forderst du mehr als hunderttausend Pfund?“, fragte sie mit unnatürlich hoher Stimme.

Das blieb ihm natürlich nicht verborgen. Intensiv blickte er Natalie in die Augen. Langsam wurde die Spannung unerträglich. Sie kroch förmlich über Natalies Körper und machte auch zwischen ihren Schenkeln nicht Halt – als hätte er sie dort mit seinen schönen, kundigen Händen berührt …

Angelo sagte kein Wort. Das musste er auch nicht, sein zufriedenes Lächeln verriet alles. Natürlich. Ihm ging es gar nicht ums Geld. Davon hatte er selbst mehr als genug. Hier ging es einzig und allein um sie.

Er wollte sie!

„Mach damit, was du willst“, sagte sie wütend und knallte den Scheck auf den Tisch.

Angelo nahm ihn auf und riss ihn betont langsam in kleine Schnipsel, die wie Konfetti auf den Schreibtisch regneten, während er Natalie unentwegt in die Augen sah. „Sobald du mein Büro verlässt, wende ich mich an die Behörden in Rom, um Anzeige zu erstatten. Ich werde dafür sorgen, dass dein Bruder im Gefängnis landet.“

Natalie blieb fast das Herz stehen. Wie lange würde Lachlan in einem ausländischen Gefängnis überleben? Unter all den Mördern, Dieben, Vergewaltigern. Bis zur Gerichtsverhandlung konnten Monate vergehen. Lachlan war doch fast noch ein Kind! Okay, er hatte eine Dummheit gemacht, aber eigentlich war das gar nicht seine Schuld. Was er brauchte, war Hilfe, keine Gefängnisstrafe.

„Was willst du damit bezwecken?“, fragte sie leise.

Angelo lächelte humorlos. „Kannst du dir das nicht denken, piccola mia?“

Sie atmete tief durch. „Findest du es nicht unfair, dich an meinem Bruder zu rächen, weil ich dich verlassen habe?“

Seine Augen glitzerten gefährlich. „Ich weiß bis heute nicht, warum eigentlich“, stieß er schließlich hervor. „Warum hast du mich wegen eines Mannes verlassen, den du in einer Bar angemacht hast wie eine Hure?“

Natalie wich seinem Blick aus. Auf diese Notlüge war sie nicht besonders stolz. Doch damals war ihr keine andere Lösung eingefallen. Hätte sie Angelo nicht diese Geschichte aufgetischt, hätte er sie niemals gehen lassen. Er hatte sich in sie verliebt, von Heirat und Kindern gesprochen. Sogar einen Verlobungsring hatte er schon gekauft. Sie hatte ihn zufällig gefunden, als sie Angelos Socken in die Schublade gelegt hatte. Der Brillant hatte sie angefunkelt und sie an ihre Träume erinnert, die sich niemals erfüllen würden.

Da war sie in Panik geraten.

„Ich war nicht in dich verliebt“, behauptete sie. Wenigstens war das nicht gelogen, denn sie hatte sich derartige Emotionen verboten. Sie wollte sich nicht auf Gefühle einlassen, über die sie keine Kontrolle hatte.

Wenn man liebt, erleidet man Verluste.

Wenn man jemandem Gefühle entgegenbringt, wird man von ihm verletzt.

Und wenn du jemandem dein Herz öffnest, wird derjenige es dir brechen!

Die körperliche Liebe stand auf einem anderen Blatt. Der hatte sie sich hingegeben. Angelo hatte ihr gar keine andere Wahl gelassen. Seit dem ersten Kuss war sie ihm praktisch verfallen gewesen. Er war ein wunderbarer Liebhaber. Sie brauchte nur an Sex mit ihm zu denken, schon wurde ihr heiß. Dagegen war sie machtlos.

„Es war also nur Sex?“, fragte Angelo.

Widerstrebend sah sie zu ihm auf und wünschte sofort, sie hätte es nicht getan, denn in Angelos dunklen Augen spiegelte sich Hass. „Ich war damals erst einundzwanzig“, rechtfertigte sie sich. „Ich wusste noch nicht, was ich wollte.“

„Weißt du es jetzt?“

Sie biss sich auf die Lippe. „Immerhin weiß ich, was ich nicht will.“

„Und was ist das?“

„Könnten wir bitte wieder zum Grund meines Besuchs zurückkommen, Angelo? Ich bin hier, um für den Schaden aufzukommen, den mein Bruder angeblich verursacht hat. Eine finanzielle Entschädigung lehnst du offensichtlich ab. Was willst du dann?“

Natürlich war das eine gefährliche Frage. Am liebsten hätte Natalie sie sofort zurückgezogen. Gegen Angelo und seine enorme Anziehungskraft war sie noch nie immun gewesen.

Sie hatte nur so getan als ob, um zu verbergen, wie sehr sie sich gewünscht hätte, ihn lieben zu können. Doch die Fesseln der Vergangenheit hatten sie fest im Griff, damals wie heute. Sie durfte niemanden lieben, weder Angelo noch irgendeinen anderen Menschen.

Angelos harter Blick war unerbittlich. „Komm, setz dich, dann können wir alles in Ruhe besprechen.“ Auffordernd zeigte Angelo auf einen Sessel.

Natalie nahm Platz. Wahrscheinlich hätten ihre Beine sowieso gleich nachgegeben. Beklommen sah sie zu, wie Angelo sich wieder an den Schreibtisch setzte. Für einen Mann seiner Größe bewegte er sich ausgesprochen geschmeidig. Er war schlank und durchtrainiert. Unter dem eisblauen Hemd, das seinen mediterranen Teint gut zur Geltung brachte, zeichneten sich muskulöse Oberarme ab. Auch im edlen Businessanzug machte Angelo, den sie damals nur in legerer Kleidung gesehen hatte, eine ausgezeichnete Figur und strahlte die Unnahbarkeit eines erfolgreichen Hoteliers und Investors aus. Mit Mund und Händen hatte sie jeden Zentimeter dieses sexy Körpers erforscht. Sie erinnerte sich noch genau an den salzigen Geschmack auf der Zunge, an Angelos ganz eigenen, mit Moschus und Zitrusnote vermischten Duft, der ihren Körper auch noch Stunden nach dem Liebesspiel umhüllt hatte. Sie erinnerte sich, wie kraftvoll er in sie eingedrungen war. Es war magisch gewesen, wie er sie geschickt in die höchsten Höhen katapultiert hatte.

Energisch rief Natalie sich zur Ordnung und sah Angelo mit einer ablehnenden Entschlossenheit an, die sie nun wirklich nicht empfand.

Gelassen erwiderte er ihren Blick und bemerkte dann anzüglich: „Ich habe gehört, dass alle Leute, die es sich leisten können, in deiner Bettwäsche schlafen.“

Ohne mit der Wimper zu zucken, entgegnete sie: „Zu denen zählst du wohl nicht.“

Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Noch nicht.“

Heißes Verlangen durchzuckte Natalie bei der Erinnerung an die leidenschaftlichen Nächte mit Angelo. Der Versuch, es sofort zu unterdrücken, misslang. Seit sie das Büro betreten hatte, schien ihr Körper verrücktzuspielen – wie immer, wenn sie in Angelos Nähe war. Ein Blick, ein Wort, eine Berührung – schon schmolz sie förmlich dahin.

Sie konnte es sich aber nicht leisten, ihrer Sehnsucht nachzugeben. Hier ging es einzig und allein um Lachlan. Seine Zukunft lag in ihren Händen. Wenn die Presse Wind von seiner letzten Eskapade bekäme, wäre Lachlan geliefert. Sein Traum von einem Studium in Harvard würde wie eine Seifenblase zerplatzen. Als Vorbestrafter hätte er nirgends eine Chance.

Ihr Vater würde toben und sie und Lachlan fertigmachen.

Natalie machte sich Vorwürfe, nicht eher erkannt zu haben, wie ihr Bruder immer mehr auf die schiefe Bahn geraten war. Warum hatte sich sein Zorn gegen Angelo gerichtet? Gab Lachlan ihm die Schuld an ihrem unglücklichen Liebesleben? Wahrscheinlich hatte er zwei und zwei zusammengezählt. Dabei hatte sie sich doch nie etwas anmerken lassen, sondern sich voll und ganz auf ihre Karriere konzentriert. Zwei kurze Affären hatten sie völlig kaltgelassen. Die Leidenschaft, die Angelo in ihr entfacht hatte, war einzigartig gewesen. Aber sie hatte einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Noch einmal würde sie das nicht überstehen.

Also blieb sie lieber allein.

„Ich kann verstehen, dass du dich sehr über meinen Bruder geärgert hast“, sagte sie. „Trotzdem möchte ich dich herzlich bitten, von einer Anzeige abzusehen.“

Angelo blinzelte spöttisch. „Du bittest mich herzlich?“

Natalie presste die Lippen zusammen, um die Fassung zu wahren. Typisch Angelo, sie so zu provozieren! Er hatte sie in der Hand und würde erst ruhen, wenn er sie da hatte, wo er sie haben wollte. „Ich bitte dich lediglich um Nachsicht.“

„Du kriechst zu Kreuze.“

Natalie straffte sich. „Ich möchte, dass du von einer Anzeige absiehst, Angelo. Ich komme für den Schaden auf. Wenn du darauf bestehst, bezahle ich sogar die doppelte Summe.“

Er sah sie scharf an. „Du willst die Geschichte aus der Welt schaffen, bevor die Presse davon Wind bekommt, oder?“

Verzweifelt versuchte Natalie, die aufsteigende Panik in Schach zu halten. Das jahrelange Training zahlte sich auch jetzt aus: Sie verstand es meisterhaft, ihre wahren Gefühle hinter einer ausdruckslosen Miene zu verbergen. Nur so hatte sie sich als Kind vor den Wutausbrüchen ihres Vaters schützen können. Angelo hatte allerdings schon immer einen sechsten Sinn dafür gehabt, was sich hinter der Maske abspielte.

„Selbstverständlich möchte ich die Presse heraushalten. Das muss doch auch in deinem Interesse sein, oder? Schließlich spricht es ja nicht gerade für dein Sicherheitspersonal, wenn ein Gast sich so austoben kann, wie mein Bruder es angeblich getan haben soll. Gerade die Zielgruppe deiner Hotels legt ja sehr hohen Wert auf Sicherheit. Auch du hast also einen Ruf zu verlieren.“ Herausfordernd musterte sie ihn.

Ein leichtes Zucken neben Angelos Mund verriet, dass sie einen Nerv getroffen hatte. „Ich habe Grund zu der Annahme, dass dein Bruder es speziell auf mein Hotel abgesehen hatte.“

„Wie kommst du darauf?“

Angelo zog ein Blatt Papier aus einer Schreibtischschublade und schob es Natalie wortlos zu.

Entsetzt erkannte sie Lachlans Handschrift. Das Schreiben war an Angelo adressiert und lautete: ‚Für das, was du meiner Schwester angetan hast.‘

Mit bebender Hand gab sie Angelo das Blatt zurück. „Mir fehlen die Worte“, gestand sie. „Ich habe Lachlan nie von uns erzählt. Als wir uns die Wohnung in Notting Hill geteilt haben, war er dreizehn und im Internat. Er hat dich nie kennengelernt.“

Gleiches galt für den Rest ihrer Familie. Natalie war sorgfältig darauf bedacht gewesen, Angelo vor der Bigotterie ihres Vaters und der beschämenden Untertänigkeit ihrer Mutter zu bewahren.

„Irgendwas musst du ja zu ihm gesagt haben“, meinte Angelo. „Wie wäre er sonst dazu gekommen, mir das zu schreiben?“

Natalie dachte nach. Sie hatte niemandem die ganze Wahrheit gesagt, sondern lediglich erwähnt, dass sie die kurze Affäre mit Angelo beendet hatte, um sich voll und ganz ihrer Karriere zu widmen. Nicht einmal ihrer besten Freundin Isabel Astonberry hatte sie anvertraut, wie sehr sie unter der Trennung von Angelo litt. Sie hatte behauptet, von Angstzuständen geplagt zu sein. Selbst ihr Arzt hatte den Gewichtsverlust und die Schlaflosigkeit darauf geschoben. Irgendwann hatte Natalie es fast selbst geglaubt und sogar die vom Arzt verschriebenen Medikamente eingenommen. Das Zeug hatte dazu geführt, dass sie ihre Umgebung wie durch Watte wahrgenommen und sich wie ein Zombie gefühlt hatte.

Irgendwann hatte sie sich selbst aus dem Tief befreit und ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Harte Arbeit war noch immer die beste Therapie. Gleich nach dem Examen als Innenarchitektin hatte der Erfolg sich eingestellt. Ihr Onlineshop boomte. Sie plante sogar, Filialen in ganz Europa zu eröffnen. Inzwischen hatte sie genug Personal einstellen können, um sich ganz auf ihre Lieblingsbeschäftigung zu konzentrieren: das Entwerfen von Bettwäsche, Handtüchern und anderen Accessoires aus Stoff.

Sie hatte es ganz allein geschafft, ohne das Geld ihres Vaters und ohne ihre gesellschaftliche Stellung auszunutzen. Genau wie Angelo, der auch von dem Ehrgeiz getrieben war, sich ohne Hilfe ein Imperium aufzubauen.

„Natalie?“ Angelos tiefe Stimme schreckte sie aus dem Tagtraum. „Hast du eine Erklärung für dieses Schreiben?“

Sie senkte den Blick und schob sich eine Strähne hinters Ohr. „Nein, ich bin völlig ratlos.“

„Dein Bruder muss gewusst haben, dass er dich damit in Schwierigkeiten bringt.“

Natalie sah wieder auf. „Hunderttausend Pfund sind viel Geld. Aber nicht, wenn es um die Freiheit eines Menschen geht.“

Angelo lächelte rätselhaft. „Fragt sich nur, um wessen Freiheit es hier geht.“

Neue Panik durchzuckte sie. „Könntest du bitte aufhören mit deinen Spielchen? Warum sagst du nicht einfach, was du wirklich willst.“

Seine dunklen Augen glitzerten hart. „Du weißt genau, was ich will, Natalie: dasselbe wie vor fünf Jahren.“

Ihr stockte der Atem. „So kaltblütig bist du nicht, Angelo, auf eine Affäre aus zu sein mit einer Frau, die du hasst.“

Er lächelte kühl. „Wer hat was von einer Affäre gesagt?“

Ihr brach der Angstschweiß aus. „Du machst Witze“, stieß sie schließlich heiser hervor und konnte den Blick nicht von Angelos dunklen Augen abwenden. Ein erotisches Prickeln überlief sie. Das Knistern zwischen Angelo und ihr war deutlich spürbar. Wieder hatte nur ein Blick genügt, heißes Verlangen in ihr zu entfesseln. Doch das musste sie vor Angelo verbergen.

„Ich wünsche mir eine Ehefrau“, erklärte er so beiläufig, als würde er eine Tasse Kaffee bestellen.

„Viel Glück bei der Suche“, sagte Natalie betont kühl.

„Ich habe sie bereits gefunden.“

„Was soll das, Angelo? Willst du mich erpressen?“

Lässig zuckte er die Schultern. „Bis zur Gerichtsverhandlung wird dein Bruder vermutlich Monate in Untersuchungshaft schmoren, vielleicht ein Jahr. In Italien dauert das nun mal so lange. Und glaub ja nicht, er käme ungeschoren davon. Ich habe genug Beweismaterial, um ihn für Jahre hinter Gitter zu bringen.“

Aufgebracht sprang Natalie auf. „Du Mistkerl!“, rief sie wütend. „Das tust du nur, um dich an mir zu rächen, weil ich die einzige Frau bin, die dich je verlassen hat. Dein Stolz ist verletzt, das ist alles!“

Autor

Melanie Milburne
<p>Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der Romances....
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