Eine Liebe in Paris

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Die Liebe trifft Vanessa wie der Blitz, als sie in Paris dem umwerfend attraktiven Millionär Markos begegnet. Aber wird sie für ihn jemals mehr sein als nur die perfekte Geliebte?


  • Erscheinungstag 30.05.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529624
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Gemächlich schlenderte Markos Makarios über den Vorplatz von Notre-Dame. Die vielen Touristen, die die berühmte Kathedrale am südlichen Ende des Platzes besuchten, störten ihn nicht. Manchmal war es gut, sich unter Menschen zu begeben. Nicht, dass seine Leibwächter sonderlich glücklich darüber waren. Taki und Stelios folgten ihm in diskretem Abstand und würden sich erst entspannen, wenn er wieder sicher in der Limousine saß.

Aber der warme Septembertag war viel zu schön, um in einer Limousine zu sitzen, Paris durch getönte Scheiben zu betrachten und dabei die aktuellen Kommuniqués seiner Manager aus ganz Europa zu lesen. Es war richtig gewesen, auf der Île de la Cité auszusteigen. Außerdem war der Verkehr so dicht, dass er sein Ziel, die Île Saint-Louis, zu Fuß wahrscheinlich schneller erreichte.

Allerdings hatte er es auch nicht eilig, seinen Termin einzuhalten. Der Lunch mit dem Generaldirektor der französischen Firma, mit dem er im Moment in Verhandlungen stand, würde eine weitschweifige und ermüdende Angelegenheit werden.

Ein Gefühl von Langeweile stieg in ihm auf. Dieses Gefühl verspürte er in letzter Zeit immer häufiger, was ihn ebenso ärgerte wie das bevorstehende Essen. Gab es doch keinen Grund, sich zu langweilen. Überhaupt keinen. Er stand in der Blüte seines Lebens, war bei bester Gesundheit und führte mit seinen dreiunddreißig Jahren ein Leben, um das ihn jeder andere Mann beneidet hätte.

Markos besaß alles, was er sich wünschen konnte: Geld, Immobilien in allen Teilen der Welt, eine Yacht im Mittelmeer, eine weitere in der Karibik, einen eigenen Jet, Luxuswagen und natürlich so viele wunderschöne Frauen, wie er wollte. Nur auf eine Sache in seinem Leben hatte er frustrierenderweise keinen Einfluss: auf die konstanten Aufforderungen seines Vaters, endlich zu heiraten, Kinder zu zeugen und die Makarios-Dynastie fortzusetzen.

Trotzdem langweilte er sich.

Dieses Gefühl musste er vertreiben. Mit welchen Mitteln auch immer. Und sei es mit einem Spaziergang über einen der berühmtesten Plätze von Paris – wie ein ganz gewöhnlicher Tourist. Vor ihm erhoben sich die beiden Kirchtürme, darunter das Fenster mit der Rosette und die gotischen Bögen der Eingänge. Um ihn herum unterhielten sich Menschen in den verschiedensten Sprachen, Kameras blitzten, und Reiseführer machten die Runde.

„Lassen Sie mich jetzt endlich in Ruhe?!“

Die zornige Stimme rechts von ihm erweckte seine Aufmerksamkeit. Während er den Kopf wandte, bemerkte er zwei Dinge. Die Sprecherin hatte englisch gesprochen und nicht französisch, und sie war die atemberaubendste Frau, die er seit Langem gesehen hatte.

Zuerst fielen ihm ihre Haare auf. Wunderbare lange rotgoldene Locken – fast bis zur Hüfte. Einen Moment war er wie geblendet. Dann wanderte sein Blick zu ihrem Gesicht.

Sie hätte einem Gemälde von Raffael entstiegen sein können. Ein ovales Gesicht, helle Haut, glänzende Augen und ein sinnlicher Mund. Aber in ihren Zügen lag nicht die ruhige Gelassenheit eines Gemäldes. Markos’ Mundwinkel zuckten amüsiert – ruhig und gelassen waren die letzten Worte, die im Augenblick zu ihr passten.

Sie bebte vor Zorn, und ihre braunen Augen blitzten.

Und er wusste auch, warum.

Zwei junge Männer blockierten ihren Weg und blinzelten einander verschwörerisch zu. Einer von ihnen sprach in gebrochenem Englisch auf sie ein und versuchte, sie zu einem Drink zu überreden.

„Nein!“, entgegnete die Rothaarige wütend. „Lassen Sie mich in Ruhe.“

Stattdessen ergriff der andere Mann ihr Handgelenk. Als sie sich befreien wollte, lachte er nur und wiederholte die ungebetene Einladung.

Ganz automatisch ging Markos auf die Gruppe zu. Hart und autoritär stieß er einige Sätze auf Französisch aus, woraufhin die beiden jungen Männer erstarrten. Markos fügte ein weiteres einsilbiges Wort hinzu und lächelte. Ein völlig humorloses Lächeln.

Augenblicklich ließ der Mann das Handgelenk der Frau los. Ohne weitere Umstände verschwanden die zwei in der Menschenmenge.

Merci, monsieur.“

„Gern geschehen“, erwiderte Markos auf Englisch. Dank seiner britischen Mutter sprach er ohne Akzent, ein Umstand, der überhaupt nicht zu seinem südländischen Äußeren passte.

Dass die Frau diese Unstimmigkeit registrierte, war nicht zu übersehen.

Und er sah, dass sie noch etwas anderes wahrnahm. Etwas, bei dem er tiefe Befriedigung empfand. Er wartete einen Moment, dann murmelte er: „Ich fürchte, das waren nicht die Letzten, die Sie behelligen werden.“

„Warum können die mich nicht in Ruhe lassen?“, rief sie verärgert.

Markos lachte. Diesmal aufrichtig. „Weil dies Paris ist. Und hier verfolgen Männer wunderschöne Frauen nun einmal.“

„Das ist so lästig“, sagte sie. „Und dumm. Welcher Mann glaubt ernsthaft, eine Frau würde sich auf so ein Angebot einlassen?“

„Was Sie brauchen“, erwiderte er sanft, „ist ein Leibwächter.“

Ihr Blick ruhte auf ihm. In ihren Augen lag Unsicherheit, nicht Verärgerung. Und noch etwas anderes.

Die Unsicherheit gewann die Oberhand.

„Guten Tag, monsieur. Ich danke Ihnen für das, was Sie für mich getan haben.“ Damit wandte sie sich um und ging.

Markos sah ihr nach. Sie kam ungefähr zwanzig Meter weit, bevor ein hagerer Skandinavier mit einem Reiseführer in der Hand sie aufhielt, etwas fragte und dann einladend auf die Kathedrale deutete. Kopfschüttelnd ging sie um den Skandinavier herum und kreuzte den Weg eines Nordafrikaners, der nun seinerseits die Richtung änderte, neben ihr herging und ihre ablehnenden Gesten komplett ignorierte.

Ohne seinen gemächlichen Gang zu beschleunigen, schlenderte Markos ihr hinterher. Das Gefühl der Langeweile war verschwunden. Komplett.

Es war einfach unerträglich! Gleich an ihrem ersten Tag in Paris wurde sie ununterbrochen belästigt. Dabei wollte sie sich lediglich einen seit Jahren gehegten Traum erfüllen: die schönste Stadt Europas besichtigen.

„Verschwinden Sie“, fauchte sie denjenigen an, der sie gerade ansprach.

„Eenglische?“, fragte der Mann und grinste. „Ich zeige dir gute Zeit.“

Hinter ihr erklang eine neue Stimme. Auch wenn sie die Sprache nicht kannte, die Stimme erkannte sie sofort.

Es war wieder dieser Mann. Der die beiden Franzosen vertrieben hatte. Der gesagt hatte, dass sie in Paris sei und damit rechnen müsste, belästigt zu werden. Und dass sie einen Leibwächter bräuchte.

Groß und muskulös, bewegte er sich mit einer Eleganz, die etwas Sinnliches an sich hatte. Seine Haare waren dunkel, die Haut gebräunt. Welcher Nationalität er angehörte, konnte sie nicht sagen. Mit ihr hatte er englisch gesprochen, französisch mit den beiden Kerlen von vorhin und gerade wieder eine andere Sprache.

Wo auch immer er herkam, er raubte ihr den Atem. Nie zuvor hatte sie einen attraktiveren Mann gesehen.

Doch sie durfte nicht etwas so Dummes tun wie auf sein Äußeres reagieren. Einen Mann, selbst einen gut aussehenden Mann, auf irgendeine Art zu ermutigen, hätte fatale Folgen.

Der Nordafrikaner war mittlerweile verschwunden.

„Vielen Dank“, sagte sie so steif sie konnte zu ihrem Retter.

Aber ihre Reserviertheit beeindruckte ihn nicht im Geringsten. „Sie brauchen wirklich einen Leibwächter“, stellte er fest. „Diese ausländischen Strolche sind wahre Teufel.“ Dabei funkelten seine Augen belustigt.

Sie lächelte. „Möchten Sie damit sagen, Sie wären kein ‚ausländischer Strolch‘?“

„Ich bin wahrscheinlich mehr Engländer als Sie“, erwiderte er.

„Wie bitte?“, fragte sie überrascht.

„Nur Kelten haben rote Haare.“

„Meine Großmutter stammt aus Schottland“, gestand Vanessa.

Irgendetwas an ihrer Stimme war falsch. Sie klang atemlos, mit einem höheren Tonfall als sonst. Selbst wenn der Fremde sie zweimal vor ungewollten Bewunderern gerettet hatte, durfte sie nicht hier stehen und sich mit ihm unterhalten.

„Wissen Sie“, fuhr er fort, als hätte er ihre Gedanken gelesen, „es gibt keinen Grund, misstrauisch zu sein. Ich bin wirklich sehr anständig. Und falls Sie es mir erlauben“, in seine Stimme hatte sich wieder diese sanfte Note geschlichen, die ein seltsames Kribbeln in ihrem Magen auslöste, „wäre ich mehr als glücklich, mit Ihnen Notre-Dame zu besichtigen und Sie zu beschützen.“

In seinem Lächeln konnte Vanessa außer Höflichkeit nichts entdecken. Einen Augenblick war sie enttäuscht.

Sie biss sich auf die Lippen und wandte den Blick ab. Deshalb sah sie nicht, wie seine grauen Augen aufblitzten. Als sie ihn wieder ansah, war seine Miene gleichmütig.

Er ist ein Geschäftsmann, dachte sie. Er trägt einen Anzug. Sehr elegant. Sehr formell. Sehr anständig.

Er hat mir nur einen Spaziergang angeboten. Das ist alles. Er hat nicht um eine leidenschaftliche Nacht gebeten! Und er hat bewiesen, dass er zudringliche Kerle von dir fernhalten kann …

Nach einem tiefen Luftzug hob sie das Kinn.

„Vielen Dank“, sagte sie. „Das wäre sehr freundlich.“

Markos beobachtete, wie sich die Rothaarige von ihm abwandte und auf das konzentrierte, was die Stimme aus dem Kopfhörer ihr beschrieb. Mit etwas anderem um die Aufmerksamkeit einer Frau konkurrieren zu müssen, war neu für ihn. Doch andererseits erlaubte ihm ihre Versunkenheit, sich auf ihre Schönheit zu konzentrieren.

Und die war bemerkenswert.

Alles an ihr – von den fantastischen roten Haaren über ihren zierlichen Hals, die hohen Wangenknochen und die helle Haut bis zu der Anmut ihres schlanken, aber wohlproportionierten Körpers – war außergewöhnlich. Und dass sie sich ihrer Attraktivität nicht bewusst zu sein schien, machte sie noch verführerischer. Ein kleines Lächeln umspielte Markos’ Lippen.

Bewundernd betrachtete er ihren schlanken Körper, die Rundungen ihrer Brüste, die schmale Taille und die langen Beine. Selbst in dem nichtssagenden Kleid, das sie trug, sah sie hervorragend aus. Markos ließ seiner Fantasie freien Lauf und stellte sich vor, wie ihre Schönheit durch Haute-Couture-Mode erst richtig zur Geltung käme.

Und natürlich Schmuck. In Paris gab es einige der besten Juweliere der Welt. Doch wenn er etwas wirklich Besonderes für sie haben wollte, wusste er, an wen er sich wenden musste. Seinem Cousin Leo Makarios war es gerade gelungen, die berühmte, aber lange verschollene Levantsky-Kollektion der russischen Zarenfamilie zu erwerben.

Was ihr wohl besser stehen würde? Saphire oder Smaragde? Oder beides?

So oder so wäre es ein großes Vergnügen, das herauszufinden.

Von dem Vergnügen, ihre Schönheit in seinem Bett zu erforschen, gar nicht erst zu sprechen.

Befriedigung und Vorfreude durchströmten ihn. Plötzlich war das Leben viel interessanter geworden.

Damit sie das in allen Regenbogenfarben schillernde Licht, das durch die Zwischenräume des Rosenfensters in die Kathedrale drang, besser sehen konnte, legte Vanessa den Kopf zurück. Die Stimme aus dem Kopfhörer informierte sie über Daten, Könige und die Techniken, mit denen im Mittelalter Glas hergestellt wurde. Trotz all seiner interessanten Details musste der Audioführer mit einer sehr ernst zu nehmenden Ablenkung konkurrieren.

Einer Ablenkung, die ihre Blicke wie magisch anzog. Doch so groß die Versuchung auch war, sie zwang sich zu widerstehen. Sie war hier, um Paris zu sehen, und nichts anderes.

Als ihr Großvater im Frühling gestorben war, hatte sie sich diese Reise geradezu verordnet. Drei Jahre zuvor war seine Frau ganz unerwartet verstorben, und seitdem war es mit seiner Gesundheit bergab gegangen.

Nach dem tödlichen Verkehrsunfall ihrer Eltern hatten ihre Großeltern sie großgezogen. An ihre richtigen Eltern hatte sie keine Erinnerungen mehr. Ihre Großeltern hatten sich liebevoll, jedoch auch überfürsorglich um sie gekümmert. Als Kind hatten ihre Großeltern ihr Leben und ihre Sicherheit bedeutet. Doch als sie älter geworden war, hatte sich das Verhältnis umgekehrt und sie plötzlich für ihre Großeltern gesorgt.

Deshalb hatte sie auch leichten Herzens auf das verzichtet, was die meisten Mädchen in ihrem Alter sich wünschten. Sie war zufrieden damit, am örtlichen College Bibliothekswissenschaften zu studieren anstatt Kunst oder Sprachen an einer Universität im Ausland. So konnte sie zusammen mit ihren Großeltern in dem gemütlichen viktorianischen Haus in der netten Kleinstadt im Süden Englands wohnen bleiben. Und anstatt in den Ferien die Welt mit Zelt und Rucksack zu erkunden, arbeitete sie in der öffentlichen Bibliothek und las in Büchern von fernen Ländern. Statt auf Partys zu gehen und sich zu verlieben, besuchte sie mit ihren Großeltern Theater und Konzerte für klassische Musik.

Lange führte sie ein Leben, das nicht unbedingt zu ihrem Alter passte, ruhig und eingeschränkt, aber sie hatte es nie bedauert. War sie sich doch immer schmerzhaft bewusst, dass es nicht von Dauer sein würde.

Und nun waren ihre Großeltern tot. Vanessa hatte alle Zeit der Welt für sich. Sie empfand ein Gefühl von Freiheit, gemischt mit Traurigkeit, weil sie keine Familie mehr hatte und niemand irgendwo auf sie wartete.

Aber trotz aller Traurigkeit war sie seit ihrer Ankunft am Pariser Flughafen vor wenigen Stunden auch aufgeregt. Alles erschien ihr wunderbar, bezaubernd und spannend – mit der Metro zu fahren, ihre Französischkenntnisse an echten Franzosen auszuprobieren, mit vor Staunen offenem Mund und dem Koffer in der Hand durch die Straßen zu der kleinen Pension, in der sie ein Zimmer reserviert hatte, zu schlendern. Sie wollte sich so viel wie nur möglich ansehen.

Notre-Dame war ihr erstes Ziel. Schon aus der Ferne hatte sie die große Kathedrale, die wie ein Schiff auf der Île de la Cité in der Seine lag, gesehen und sich auf dem kürzesten Weg dorthin gemacht.

So wie jeder Mann in Paris sich offensichtlich auf dem kürzesten Weg zu ihr gemacht hatte.

Warum können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen, dachte sie verärgert. Auch wenn sie nicht im Geringsten interessiert war, ließen sich die Männer nicht abschütteln!

Ihr Blick löste sich von den Deckenschnitzereien, über die der Audioführer gerade sprach.

Jetzt wurde sie nicht belästigt. Der Mann an ihrer Seite kümmerte sich darum. Und er selbst belästigte sie glücklicherweise auch nicht.

Und wenn er es täte, wäre es dann eine Belästigung?

Frech wanderte dieser Gedanke in ihrem Kopf herum. Vanessa drängte ihn zurück, aber der Schaden war bereits angerichtet.

Aus welchem Land mag er wohl kommen?

Verstohlen sah sie noch einmal zu ihm hinüber. Gerade betrachtete er die Kanzel vor dem Altar und bemerkte nicht, dass sie ihn ansah.

Ihr heimlicher Blick gab ihr keine weiteren Informationen als den Mittelmeerraum preis. Nun, seine Herkunft ging sie aber auch gar nichts an, denn bald wäre die Führung beendet, sie würde sich höflich bei ihm bedanken, und er würde gehen, da seine gute Tat des Tages getan war.

Sie würde ihn nie wiedersehen.

„Fertig?“

Vanessa nahm die Kopfhörer ab, schaltete den Audioführer aus und nickte.

„Ja. Ist Notre-Dame nicht ein fantastisches Bauwerk?“ Ihre Stimme klang atemlos, und ihre Augen funkelten. Wie zwei goldene Seen, dachte er.

„Dabei hatte ich Angst, es wäre gar nicht so wundervoll, wie alle behaupten“, fuhr Vanessa fort, „aber das ist es! Das Rosenfenster ist einfach unglaublich! Und die Deckengemälde! Aber bestimmt haben Sie das schon oft gesehen …“

Beschämt über ihren Redeschwall, hielt sie inne.

„Seit vielen Jahren nicht mehr. Und was ich noch nie getan habe“, meinte er, und sein Tonfall bekam einen nachdenklichen Klang, „ist, die Türme zu besichtigen. Ich hatte es immer vor.“ Ganz kurz trafen sich ihre Blicke, auf ihrem Gesicht zeichnete sich Überraschung ab. Markos lächelte. „Hatten Sie vor hinaufzusteigen?“

„Ja“, erwiderte sie zögernd.

Wieder durchströmte Markos Befriedigung. Mochte sie auch die letzte halbe Stunde in ihren Audioführer vertieft gewesen sein, jetzt galt ihre Aufmerksamkeit allein ihm.

„Gut“, sagte er sanft. „Worauf warten wir noch? Der Eingang zu den Türmen ist draußen, auf der anderen Seite, glaube ich.“

Kaum waren sie wieder im warmen Sonnenschein, blieb sie stehen und wandte sich zu ihm um. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, würde sie jetzt gleich etwas sehr Britisches sagen, sehr höflich, sehr ablehnend.

Also gab er ihr gar nicht erst die Chance dazu.

„Hier entlang“, meinte er und lächelte. Das höfliche Lächeln, das er für ältere Damen reserviert hatte.

Es hatte den beabsichtigten Effekt. Ihr Widerstand schmolz.

Vor dem Eingang zu den Türmen auf der Nordseite der Kathedrale stand bereits eine kleine Schlange. Markos führte Vanessa auf den letzten Platz und stellte sich hinter sie.

„Das sollte nicht allzu lange dauern“, sagte er und schenkte ihr ein weiteres höfliches Lächeln. „Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.“

Aus den Augenwinkeln sah er Taki und Stelios, die ihm in der Kathedrale wie Schatten gefolgt waren. Er holte sein Mobiltelefon aus der Jacketttasche, wählte Takis Nummer und befahl ihm auf Griechisch, seinen Lunchtermin mit einer mustergültigen Entschuldigung abzusagen. Dann unterbrach er die Verbindung und steckte das Telefon wieder ein.

Neugierig sah Vanessa ihn an.

„Griechisch“, erklärte Markos.

„Ich habe mich schon gefragt, was Ihre andere Hälfte ist.“

Er lächelte. Diesmal war es nicht das Lächeln für ältere Damen.

„Griechischer Vater, englische Mutter“, verkündete er.

„Sie sehen überhaupt nicht britisch aus. Aus welchem Teil Griechenlands kommen Sie?“

Markos dachte an die vielen Orte, an denen er als Kind gelebt hatte. Die Hälfte davon in England und die andere über das restliche Europa verstreut. Bis er neun Jahre geworden war, hatte er bei seiner Mutter gelebt, danach, als der hässliche Scheidungskrieg seiner Eltern beendet war, in Griechenland und der Schweiz. Zu Hause hatte er sich nirgends gefühlt.

Deshalb gab er die Antwort, die er immer gab.

„Ursprünglich stammt meine Familie aus der Türkei, aus einer der vielen griechischen Siedlungen dort. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich mein Großvater in Athen niedergelassen. Aber ich bin heimatlos. Ah, die Schlange bewegt sich.“

Er war froh, das Thema wechseln zu können. Zu Hause war kein Wort, das eine Bedeutung für ihn hatte.

„Noch einen Kaffee?“

Vanessa schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank. Ich sollte jetzt wirklich gehen.“

In der Nähe von Notre-Dame saß sie unter einem Sonnenschirm auf der Terrasse eines Restaurants. Wie sie hierhergekommen war, wusste sie immer noch nicht genau. Es scheint einfach passiert zu sein, dachte sie verwirrt.

Markos Makarios. So lautete sein Name. Auf der Spitze des Turms, Paris zu ihren Füßen, hatte er sich vorgestellt.

„Jetzt werden Sie mich immer mit dem Glöckner von Notre-Dame assoziieren“, hatte er lächelnd gesagt, und in seinen grauen Augen war ein heller Schimmer erschienen. Diese Augen … in denen sie so gern versinken wollte, aber genau wusste, dass sie es nicht durfte.

Genauso wenig, wie sie ihm ihren Namen hätte verraten oder seine Hand mit spöttischer Feierlichkeit auf dem Dach von Notre-Dame, im warmen Sonnenschein des Septembertags, hätte schütteln sollen.

Und ganz bestimmt hätte sie nicht zulassen dürfen, dass er auf dem Weg nach unten ihren Ellenbogen ergriff, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. Vor der Kathedrale hatte er sie über den Platz geführt und verkündet, es sei Zeit für den Lunch.

Doch irgendwie hatte sie all das zugelassen.

„Auf Paris und darauf, dass Ihnen die Stadt gefällt!“ Markos hob sein Glas, und sie erwiderte sein Lächeln. Einen Augenblick funkelte etwas in seinen Augen, und ein Schauer durchlief sie, der nichts mit dem Wunder zu tun hatte, dass sie tatsächlich endlich in Paris war.

Aber dann war das Funkeln verschwunden, und ihr Erschauern entsprang nur noch dem Wunder, in Paris zu sein.

Es hatte nichts mit dem Mann zu tun, der aus irgendeinem Grund, den sie sich nicht erklären konnte, mit ihr zu Mittag aß.

Es ist nur Lunch. Er ist nur höflich. Nett. Freundlich. Und hat Mitleid mit einer englischen Touristin, die zum ersten Mal in Paris ist.

Und die noch einen vollen Tagesplan vor sich hat, dachte sie energisch, nahm ihren Rucksack auf den Schoß und kramte nach ihrem Portemonnaie.

„Könnten Sie um getrennte Rechnungen bitten?“, fragte sie.

Markos starrte sie an. Hatte er sich nicht etwas Neues, Unbekanntes gewünscht? Jetzt hatte er es bekommen. Bisher hatte keine Frau jemals auch nur die geringsten Einwände erhoben, wenn er ihr Essen bezahlt hatte … oder andere Dinge.

„Ich werde mich darum kümmern“, sagte er und winkte dem Kellner. Normalerweise hätte er so weltliche Dinge wie Restaurantrechnungen Taki oder Stelios überlassen, aber die waren in ihre Zeitungen vertieft. Vanessa hatte die beiden noch gar nicht bemerkt.

Vanessa. Insgeheim flüsterte er ihren Namen. Sie hatte ihn nennen müssen, nachdem er sich vorgestellt hatte. Auch das war etwas Neues. Normalerweise waren Frauen stets sehr darauf bedacht, ihm so schnell wie möglich ihre Vornamen zu nennen – in der Hoffnung auf mehr. Aber die Schönheit ihm gegenüber hatte gezögert, ihm ihren Namen zu sagen.

Und doch war sie mit ihm in dieses Restaurant gegangen. Ihre Miene spiegelte die ganze Zeit über eine gewisse Verwirrung wider, als sei sie nicht sicher, wie es dazu hatte kommen können. Das amüsierte ihn und gefiel ihm gleichermaßen.

Vanessa Ovington war in der Tat eine Rarität.

Eine, die er genießen würde.

Als der Kellner an ihren Tisch trat, reichte Markos ihm eine seiner Kreditkarten. Hastig zog Vanessa einige Geldscheine hervor und legte sie auf den Tisch.

„Ich denke, das sollte für meinen Anteil reichen“, meinte sie.

Verblüfft sah Markos sie an. Ein Funkeln lag in ihren goldenen Augen. Er musste lächeln.

„Vielen Dank“, sagte er und nahm die Geldscheine. „Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um besser springen zu können.“

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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