Eine Liebesgeschichte wie im Film - Promis, Playboys und ein roter Teppich (2 Miniserien)

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FILM AB FÜR UNSERE LIEBE! von KIMBERLY LANG
"Die Hauptrolle in einem Hollywoodfilm!" Begeistert nimmt die schöne Schauspielerin Caitlyn das unerwartete Angebot an. Auch wenn der Produzent Finn Marshall heißt und ihr Ex ist. Doch seit der Trennung ist Caitlyn vernünftiger geworden und kann die Vergangenheit auf sich beruhen lassen, glaubt sie. Bis Finn tatsächlich vor ihr steht. Sofort sind die widerstreitenden Gefühle von damals wieder da: Schmerz, Wut, wilde Sehnsucht, überwältigendes Verlangen. Und auch wenn die Versuchung noch so groß ist: Für eine einzige Nacht darf Caitlyn nicht noch einmal alles riskieren!

SO SEXY KÜSST NUR DU von AMY ANDREWS
Der berühmte Anwalt Max Sherrington lächelt zufrieden, als er an seinen One-Night-Stand zurückdenkt – an die nackte, erwartungsvoll auf seinem Bett ausgestreckte Fremde. Außer ihrem Vornamen Ally weiß er nichts von ihr. Und das ist auch gut so. Die Nacht war für sie beide eine Ausnahme. Doch er muss aufhören, an Sex zu denken! Seine neue Klientin Dr. Gregory wartet auf ihn. Sie hat ihm den Rücken zugewandt. Aber beim Anblick ihrer karamellfarbenen Locken ahnt er es bereits. Und als sie sich umdreht und er ihren sexy Kussmund sieht, hat er ein ernsthaftes Problem!

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  • Erscheinungstag 17.11.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520690
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kimberly Lang

Film ab für unsere Liebe!

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
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Geschäftsführung: Thomas Beckmann
Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christel Borges
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Kimberly Kerr
Originaltitel: „Redemption Of A Hollywood Starlet“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 242012 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Kara Wiendieck

Fotos: Photomasi / Greer / Camera Press / Picture Press

Veröffentlicht im ePub Format im 11 / 2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 978-3-95446-146-2

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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1. KAPITEL

Drei Wochen. Er war nur drei Wochen weg. Bei seiner Abreise war mit seinem Film alles in Ordnung und einundzwanzig Tage später steuerte das gesamte Projekt geradewegs auf eine Katastrophe zu.

Finn Marshall saß in dem Wohnwagen, der ihnen während der Dreharbeiten in Maryland als Büro diente, und rieb sich die Augen. Er litt unter Jetlag und hatte gehofft, noch ein paar Stunden schlafen zu können, bevor er zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung nach D. C. musste. Doch seine Hoffnungen lösten sich zusehends in Luft auf. Zuerst musste er dieses Chaos entwirren.

Dolby Martin, sein Partner bei Dolfinn Pictures , wirkte recht fröhlich für jemanden, der gerade die Titanic gegen einen Eisberg gerammt hatte. „Wir drehen seit einer Woche und liegen fast wieder im Zeitplan.“

Finn atmete tief durch und ermahnte sich, dass Dolby zu verprügeln nichts an dem Dilemma ändern würde. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mich früher zu informieren?“

„Du hattest mit den Drehgenehmigungen genug zu tun. Und von Monaco aus hättest du sowieso nichts unternehmen können.“

„Ich hätte mit Cindy reden können.“

„Nachdem Farrell ihr gesagt hat, er habe bessere Schauspielerinnen in Low-Budget-Pornos gesehen? Tut mir leid, Finn, aber da hätte selbst dein Charme nichts ausgerichtet.“ Dolby zuckte die Schultern. „Ehrlich gesagt, ich bin nicht traurig, dass sie gegangen ist. Ich wette, Cindy checkt noch vor der Premiere in eine Entzugsklinik ein. Und diese Art Schlagzeilen können wir wirklich nicht gebrauchen.“

Dolby hatte recht, sowenig Finn das auch zugeben wollte. Cindy war die perfekte Besetzung für Rebecca: Ihr gutes Aussehen und ihr Talent, zusammen mit ihrem Namen, garantierten dem Film Aufmerksamkeit. Bei Vertragsunterzeichnung hatte sie geschworen, clean zu sein, aber wie oft hatte er diese Geschichte schon gehört?

Vielleicht war es besser so. Technisch gesehen hatten Dolby und der Regisseur das Richtige getan: einen Ersatz finden und sie ins nächste Flugzeug nach Baltimore verfrachten, damit die Dreharbeiten weitergingen. In professioneller Hinsicht sollte Finn sich freuen. Er sollte sogar gerührt sein, dass Dolby die Wichtigkeit des Projekts begriffen und so schnell Schadensbegrenzung betrieben hatte. Aber ausgerechnet Cait Reese? Er schüttelte den Kopf.

„Caitlyn ist unsere Rettung. Sie ist ein echter Profi. Warte, bis du die Aufnahmen siehst. Sie ist perfekt als Rebecca. Besser als Cindy.“

Finn war da vorsichtig. Die Cait, die er kannte, war wild und ungeschliffen. Überschäumende Charaktere waren ihre Stärke, wie sollte sie mit der stillen Strenge einer Rebecca zurechtkommen?

„Vertrau mir, Finn. Du wirst überrascht sein.“

„Wenn du das wirklich glaubst, hättest du sie nicht hinter meinem Rücken für Folly engagiert.“ Er griff nach seinem Handy und überflog die Liste mit Nachrichten. „Naomi kocht vor Wut. Willst du es hören?“

„Ich weiß Bescheid, danke. Naomi will das Rampenlicht mit niemandem teilen. Sie ist eine echte Diva.“

„Dieses Privileg hat sie sich verdient. Und wir tolerieren ihr Verhalten, damit sie glücklich ist.“

Naomi Harte war augenblicklich einer der größten Namen in Hollywood, deshalb brauchte sie sich auch keine Sorgen zu machen, jemand könne ihr einen Teil ihres Ruhmes streitig machen. Aber hier ging es um etwas Persönliches. Sie und Cait waren ungefähr zur gleichen Zeit ins Rampenlicht getreten, ihre Rivalität reichte bis zum Beginn ihrer Karrieren zurück, als sie noch Teenager in romantischen Highschool-Komödien oder Horror-Filmen gespielt hatten. Cait allerdings hatte es geschafft, sich stets eine Sprosse über Naomi auf der Karriereleiter zu halten. Ihr Erfolg schien unaufhaltsam, bis ihr Stern dann auf spektakuläre Weise erloschen war. Viele Leute glaubten – und hatten vermutlich recht damit –, Naomi wäre nicht dort, wo sie heute stand, wenn Cait nicht die Stadt verlassen hätte. Und Naomi wusste das.

„Du weißt, dass zwischen Naomi und Cait böses Blut herrscht? Willst du das Set in ein Schlachtfeld verwandeln?“

Dolby kicherte. „Eigentlich läuft es ganz gut. Naomis Probleme mit Caitlyn lassen die Feindseligkeit der beiden im Film noch realistischer erscheinen.“

„Und Cait?“ Sie gehörte nicht zu denen, die mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten.

„… geht sehr erwachsen mit der Situation um. Schon bei den Vorgesprächen hat sie uns von ihrem Wunsch erzählt, ihre Karriere wieder in Schwung zu bringen. Folly ist die perfekte Gelegenheit für ihr Comeback. Und sie ist nicht zu stolz, das zuzugeben.“

Folly mochte perfekt für Cait sein, aber Cait vielleicht nicht für Folly . Es war nicht seine Aufgabe, gefallenen Starlets eine zweite Chance zu geben. Vor allem nicht bei einem Projekt wie Folly . In beruflicher wie persönlicher Hinsicht hatte er zu viel investiert, um den Film zu einer Art Experiment verkommen zu lassen.

„Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob Cait eine gute Wahl ist.“

„Ich habe Farrell freie Hand gelassen, er hat sich für Caitlyn entschieden. Und solange sie den Vertrag nicht vorzeitig beenden will, sind wir an sie gebunden.“ Dolby schüttelte den Kopf. „Wenn du deine Ex nicht am Set haben willst, kannst du dich gerne mit ihren Eltern anlegen. Mir ist das zu heiß, besten Dank auch.“

Das Blatt hatte sich eindeutig gewendet. Sein ganzes Leben lang hatte sich niemand mit ihm anlegen wollen – aus Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen seiner Familie. Das war einer der Vorteile, ein Marshall zu sein. Aber die Marshalls beherrschten die Ostküste, in L. A. hingegen regierten John Reese und Margaret Fields-Reese. Mittlerweile hatte er sich einen gewissen Einfluss im Filmgeschäft erarbeitet, doch gegen die Macht von Caits Eltern kam er nicht an. Vielleicht eines Tages, aber nicht heute.

„Wie auch immer“, fuhr Dolby fort. „Alles deutet darauf hin, dass Caitlyn clean und stabil ist.“

Tatsächlich hatte Caitlyn in dieser Hinsicht nie ein Problem gehabt, sie feierte nur gern ziemlich wild. Um die Auflage zu steigern, hatte die Presse alles hochgespielt, bis es so aussah, als stünde Cait kurz vor der Aufnahme in eine Entzugsklinik. „Trotzdem wird es die Reporter nicht davon abhalten, die verrücktesten Geschichten zu erfinden.“

Dolbys Grinsen heiterte Finn ganz und gar nicht auf. „Die Aufregung ist unglaublich. Angefangen bei der Rückkehr der verbannten Prinzessin bis zu der Möglichkeit eines Zickenkrieges zwischen Caitlyn und Naomi, spricht bereits jetzt jeder über Folly .“

„Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du.“

Dolby lachte. „Du musst zugeben, allein die Aussicht auf eine neue Caitlyn-Finn-Affäre wird uns reichlich Schlagzeilen bescheren.“

„Genau aus diesem Grund hättest du mit mir sprechen sollen, bevor du sie engagierst.“

„Wenn wir einen Bogen um all deine Exfreundinnen machen müssen, bleiben bald keine Schauspielerinnen unter dreißig mehr übrig.“

Aber Cait war nicht einfach irgendeine Ex. Sie war die Ex, neben der alle anderen wie eine gute Wahl wirkten. Die Bitterkeit seiner Gedanken überraschte Finn. „Ich will nicht mehr über mein Privatleben in den Zeitungen lesen als über den Film.“

Endlich wurde Dolby ernst. „ Folly wird für sich sprechen.“

Manchmal führte Dolby sich zwar wie ein Idiot auf, doch auch er war stolz auf Dolfinns Ruf. The Folly of the Fury mochte Finns heiliges Projekt sein, aber Dolby stand hundertprozentig dahinter.

„Das weiß ich, aber da wir gerade Seifenopern-Terrain betreten haben, möchte ich, dass allen absolut klar ist, was gesagt werden darf und was nicht. Dramatische Szenen finden ausschließlich vor der Kamera statt.“

„Einverstanden.“

Finn hoffte inständig, es würde so einfach sein.

Caitlyn Reese sog die feuchte Nachtluft tief in ihre Lungen. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss, der Lärm der Party erstarb, als hätte sie einen Knopf gedrückt. Sie hatte sich dort drinnen gut geschlagen, das wusste sie, aber nun brauchte sie einen Moment Ruhe, um sich von dem Stress zu erholen. Erleichtert stellte sie fest, dass sie die Terrasse ganz für sich hatte. Sie trat an die Brüstung und lehnte sich dagegen.

Belustigt bemerkte sie, dass ihre Hände zitterten. Noch bevor sie laufen konnte, hatten ihre Eltern sie auf Wohltätigkeitspartys geschleppt. Es gab also keinen echten Grund, weshalb eine gewöhnliche Spendengala – ganz gleich, wie erlesen die Gästeliste auch sein mochte – ihr Angst machen sollte. Und die Gäste benahmen sich sogar recht freundlich ihr gegenüber. Was auch immer die Leute von ihr persönlich halten mochten, keiner war so dumm, irgendetwas zu tun, was ihm den Zugang zu ihren Eltern oder deren Freunden verbauen könnte. Es stand viel zu viel Geld auf dem Spiel, als dass jemand wagte, sie nicht respektvoll zu behandeln.

Vielleicht war eine Party in D. C. tatsächlich der richtige Ort, um sich erstmals wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen. Bislang funktionierte ihr Plan besser, als sie gehofft hatte. Am liebsten hätte sie jemanden angerufen und ihren Erfolg geteilt, aber es gab niemanden mehr auf diesem Kontinent, der ihr nahe stand – und in London war es mitten in der Nacht. Doch selbst wenn ihr jemand eingefallen wäre, was hätte sie sagen sollen? Meine Karriere ist vielleicht nicht mehr tot? Na ja. Sie zuckte die Schultern und lächelte. Trotzdem war sie stolz auf sich.

„Miss Reese?“

Sie wandte sich um. Ein groß gewachsener blonder Mann, mit dem sie sich vorhin kurz unterhalten hatte, näherte sich ihr. Er lächelte zaghaft. Sie zerbrach sich den Kopf, kam jedoch nicht auf seinen Namen. Er arbeitete für einen Kongressabgeordneten, bewunderte die Arbeit ihrer Eltern, kannte all ihre Filme … Teile ihres Gesprächs fielen ihr ein, aber kein Name. Er hatte etwas zu enthusiastisch gewirkt, fast ein wenig unheimlich. Und dass sie nun allein waren, behagte ihr nicht.

Sei nett, aber nicht zu nett. „Hallo.“

„Ich habe gesehen, wie Sie gegangen sind.“ Besorgt runzelte er die Stirn. „Geht es Ihnen gut?“

„Alles in Ordnung. Ich brauchte nur ein bisschen frische Luft. Es ist ziemlich voll da drinnen.“

Er nickte. „Dass so viele gekommen sind, ist gut für die Spenden. Aber es ist schwer, sich mit jemandem zu unterhalten.“ Der Mann machte einen Schritt nach vorne. Er stand nun näher bei ihr, als Caitlyn angenehm war. Unwillkürlich wich sie zurück. „Und ich habe es sehr genossen, mich mit Ihnen zu unterhalten.“

Sie nickte knapp, weil sie ihn nicht weiter ermutigen wollte.

„Ich würde Sie gerne zum Essen einladen, damit wir uns besser kennenlernen können.“

In ihrem Hinterkopf begannen Alarmglocken zu schrillen. Trotzdem bewahrte sie eine neutrale Miene. Keine Überreaktion. Im Zweifel für den Angeklagten. Sie machte noch einen Schritt rückwärts. „Ich fürchte, mein Terminkalender ist sehr voll.“

„Wie wäre es mit heute Abend? Ein paar Blocks von hier gibt es ein kleines Bistro …“

Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, ich kann nicht.“

Ihre Ablehnung schien ihn nicht zu stören. Die Alarmglocken schrillten lauter, als er sich vorbeugte. Sein Atem roch nach Alkohol.

„Dann unterhalten wir uns hier.“

„Eigentlich wollte ich gerade wieder hineingehen.“ Sie griff nach ihrer Handtasche und bedeutete ihm, sie zurück in den Saal zu begleiten. „Wollen wir?“

„Miss Reese …“ Er ignorierte ihre Geste, also marschierte sie an ihm vorbei. „Caitlyn warten Sie, verdammt!“

Er packte sie am Arm und hielt sie fest. In diesem Moment hatte er die Grenze überschritten. Ihr antrainiertes Verhalten übernahm die Kontrolle, und eine Sekunde später lag der Kerl wimmernd auf dem Boden, weil sie seinen Arm äußerst schmerzhaft nach hinten gebogen hatte. „Rühren Sie mich nicht an.“

„Ich wollte doch nur mit Ihnen reden.“

Sie verstärkte ihren Griff, damit er verstand, wie ernst es ihr war. „Sie gehen jetzt wieder hinein, sonst lasse ich Sie wegen tätlichen Angriffs verhaften.“

Auf sein Nicken hin ließ sie ihn los. Vorsichtig bewegte er den Arm. „Kein Grund, so zickig zu reagieren.“

„Gehen Sie jetzt. Unser Gespräch ist beendet.“ Sie bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick.

„Caitlyn …“

„Ich denke, Caits Anweisungen waren sehr deutlich. Ich schlage vor, Sie verhalten sich entsprechend.“

Der Klang der Stimme traf sie wie ein Faustschlag. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, gleichzeitig schoss ein elektrisches Kribbeln ihr Rückgrat hinauf. Verdammt, verdammt, verdammt. So hatte sie ihr Wiedersehen nicht geplant.

Vielleicht war er es ja gar nicht. Immerhin war es drei Jahre her. Vielleicht verwechselte sie seine Stimme mit der eines Fremden. Die Aussicht auf ein Wiedersehen hatte sie nervös gemacht, vielleicht spielten ihre Nerven ihr einen Streich. Alles andere wäre zu unfair! Sich an diesen Gedanken klammernd, schaute Caitlyn über die Schulter, als der Besitzer der Stimme sich aus dem Schatten löste.

Finn.

Na toll. Was hatte sie Furchtbares angestellt, um das zu verdienen? Finn schien sich immer in den Momenten in ihr Leben einzumischen, die sie am liebsten vergessen wollte.

Zumindest würde er über den Vorfall nicht mit der Presse plaudern. Das war der kleine Trost, an dem Caitlyn sich inmitten eines Sturms aus Gefühlen und Erinnerungen festhielt, den der Klang seiner Stimme in ihr ausgelöst hatte.

Sie sah, dass der Mann – sein Name wollte ihr immer noch nicht einfallen – Finn erkannte, was nicht weiter überraschend war. Finn bekam ebenso viel Presse wie die Stars in den Filmen, die er produzierte. Und natürlich wusste jeder auf diesem Planeten über ihre Vergangenheit mit Finn Bescheid. Doppeltes Pech für ihren Bewunderer war natürlich der Name Marshall: Kluge Menschen legten sich nicht mit den Marshalls an. Vor allem nicht, wenn sie irgendeine Zukunft in der Politik haben wollten. Sie besaßen einfach zu viel Einfluss, um sie zu verärgern.

Doch dieser Kerl reagierte aggressiv, womit er endgültig bewies, dass er nicht gerade der Hellste war. „Wir führen hier ein Privatgespräch, wenn Sie nichts dagegen haben.“

„Oh, das habe ich.“ Verachtung schwang in Finns Worten mit.

Die beiden Männer musterten einander. Und Caitlyn konnte nicht anders und betrachtete die beiden ebenfalls. Es war nicht so, dass sie Finn vergessen hatte – wie auch? –, aber die Realität traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Was fantastisches Aussehen anging, konnte Finn leicht mit jedem seiner Hauptdarsteller mithalten. Seine ausgeprägten aristokratischen Gesichtszüge wurden durch eine natürliche Bräune abgemildert, die von seiner Liebe zu allen Aktivitäten unter freiem Himmel kündete. Das dunkelblonde Haar, in das die Sonne helle Strähnen gezaubert hatte, sah herrlich windzerzaust aus – ein Look, für den andere Männer ihrem Friseur viel Geld bezahlen mussten. In dem schwachen Nachtlicht konnte sie seine Augen nicht sehen, aber Caitlyn wusste, dass ihr intensives Grün jede Frau den Verstand kosten konnte.

Finn überragte ihren Bewunderer um gute zehn Zentimeter. Beide Männer waren schlank, doch Finn wirkte selbst im Anzug noch stark und athletisch.

„Ich habe genau gehört, wie Cait gesagt hat, sie möchte nicht mehr mit Ihnen reden. Wollen Sie wirklich handgreiflich werden?“

Der Mann ohne Namen nahm eine drohende Haltung ein. Herrje, war er tatsächlich so dumm, die Gefahr nicht zu bemerken, die hinter Finns kontrolliertem Tonfall lauerte? Caitlyn jedoch wusste es besser und trat einen Schritt vor, um Schadensbegrenzung zu betreiben. „Das war nur ein …“

„Ich weiß, was es war, Cait“, fiel Finn ihr ins Wort. Er griff nach ihrem Arm und schob sich wie ein Bodyguard zwischen sie und den anderen Mann. Dann musterte er sie von oben bis unten. „Geht es dir gut?“

„Sie ist okay“, antwortete der Fremde gereizt. „Es war nur ein Missverständnis.“

Finn warf einen knappen Blick in seine Richtung. „Ich habe nicht Sie gefragt.“

Der Unbekannte plusterte sich auf, woraufhin Finn die Schultern straffte. Mit all dem Testosteron, das auf einmal in der Luft lag, drohte die Situation, hässlich zu werden.

Caitlyn räusperte sich. „Alles in Ordnung, Finn, danke. Und jetzt möchte ich, dass wir alle getrennte Wege gehen, sodass diese Angelegenheit unter uns dreien bleibt. Hier laufen jede Menge Reporter herum, die von der Sache nichts mitbekommen müssen.“

Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, musterte Finn sie eingehend. „Bist du dir sicher?“

Sie nickte. Finn ließ die Schultern ein wenig sinken, als er ihren Arm freigab. „Gut. Beenden wir diese Schmierenkomödie.“

Gott sei Dank. „Ich weiß das zu schätzen.“

Er wandte sich zu dem anderen Mann um, der mit jeder verstreichenden Sekunde jünger und schwächer wirkte. „Gehen Sie.“

Der Unbekannte bedachte sie mit einem finsteren Blick, dann stolzierte er davon. Kurz darauf ertönte Partylärm, als er die Tür zum Saal öffnete, dann herrschte wieder wohltuende Stille.

Caitlyn setzte sich auf eine Bank in der Nähe der Balustrade und strich sich seufzend die Haare aus dem Gesicht. Sie brauchte eine Minute, um sich zu sammeln. Erst dieser Kerl, dann Finn … Das war ein bisschen viel in so kurzer Zeit.

„Was, zur Hölle, hast du dir dabei gedacht, Cait?“

Der hitzige Tonfall traf sie völlig unvorbereitet. „Wie bitte?“

Mit vor der Brust verschränkten Armen baute Finn sich vor ihr auf. „Was hattest du hier draußen alleine zu suchen? Wo stecken die verdammten Sicherheitsleute?“

Wie konnte er es wagen, so über sie herzufallen? Sie biss die Zähne zusammen, um ihre Wut zu zügeln. „Wahrscheinlich drinnen, bei all den anderen. Und genau das ist der Punkt, ich wollte einen Augenblick alleine sein.“

„Hast du den Verstand verloren? An einem solchen Ort beschließt man nicht auf einmal, allein sein zu wollen.“

„An einem solchen Ort? Wir befinden uns auf einer Party, Finn, nicht in einer Drogenhöhle. Wo, wenn nicht hier, kann ich einen Moment alleine sein, ohne mir Sorgen um meine Sicherheit machen zu müssen?“

Finn schien ihr gar nicht zuzuhören. Er starrte sie einfach nur an. „Und wenn dich dann ein Kerl angreift, versuchst du, ihn selbst in den Schwitzkasten zu nehmen, anstatt um Hilfe zu rufen?“

„Als wenn mich da drinnen jemand gehört hätte.“ Finns Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Das reichte, ihr riss der Geduldsfaden. „Ich war nicht diejenige, die auf eine Szene aus war. Und du nimmst bitte zur Kenntnis, dass ich die Situation unter Kontrolle hatte.“ Trotzig hob sie das Kinn. „Wenn du den Helden spielen willst, solltest du an deinem Timing arbeiten.“

„Ist das dein Ernst?“

„Warum kümmert es dich überhaupt?“

Verwundert zog er die Augenbrauen hoch, doch bevor er antworten konnte, öffneten sich die Türen zum Saal und drei Leute traten auf die Terrasse hinaus. Wortlos gingen sie vorbei, aber Caitlyn errötete trotzdem. Sie konnte gut darauf verzichten, bei einer lautstarken Auseinandersetzung mit Finn beobachtet zu werden. Die Liste von Dingen, die sie partout nicht gebrauchen konnte, wuchs mit jedem Tag. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, bei diesem Film einzusteigen.

Nein , Folly ist perfekt. Es ist ein Geschenk, also vermassle es nicht . Und da Finn den Film produzierte, würde sie ihre Wut und ihren Stolz hinunterschlucken und sich wie eine professionelle Schauspielerin verhalten.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen. Und deine Warnung behalte ich im Gedächtnis.“

Na also. Die richtigen Worte im richtigen Tonfall, um ihre zukünftige Zusammenarbeit in die richtigen Bahnen zu lenken. Insgeheim war sie sehr zufrieden mit sich. Und der Ausdruck auf Finns Gesicht bedeutete einen zusätzlichen Bonus.

Fast glaubte sie, er wolle noch etwas sagen, doch dann zuckte er nur die Schultern – die für ihn typische Art mitzuteilen, dass ein Thema erledigt war. „Wer war der Kerl eigentlich?“

Sie schaute sich um. Mittlerweile waren mehr Menschen auf die Terrasse gekommen, aber niemand schenkte ihnen sonderliche Beachtung. Sie musste aufhören, sich Sorgen deswegen zu machen. An einer Unterhaltung mit Finn war absolut nichts Bemerkenswertes. Schließlich arbeiteten sie zusammen. Sich zu unterhalten beschwor noch keinen Skandal herauf.

Natürlich in gebührendem Abstand voneinander.

„Ich kenne seinen Namen nicht. Ich weiß nur, dass er ein Fan des gesamten Reese-Clans ist und für jemanden im Kongress arbeitet.“ Finns hochgezogene Augenbrauen verrieten ihr, dass er den Namen bald herausfinden würde. Beinahe empfand sie Mitleid mit dem jungen Mann. „Wir haben uns kurz im Saal unterhalten. Offensichtlich hat ihm das nicht gereicht.“

„Offensichtlich.“

„Ich glaube, er hat ein bisschen zu viel getrunken. Und nach ein paar Drinks tun wir alle manchmal dumme Dinge, weißt du.“ Finn deutete ein Nicken an, und Caitlyn seufzte erleichtert.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“

„Alles in Ordnung, Finn, wirklich. Wahrscheinlich habe ich nur überreagiert. Auf jeden Fall habe ich ihn bestimmt überzeugt, es nicht wieder zu versuchen.“

Finns Kichern weckte zärtliche Erinnerungen in ihr. „Wenn nicht, wäre er erstaunlich schwer von Begriff. Cooler Trick, übrigens.“

„Danke. Nach der Sache mit Moms Stalker vor zwei Jahren haben Dad und sie mich überredet, einen Kurs in Selbstverteidigung zu besuchen. Es war allerdings das erste Mal, dass ich mein Training anwenden musste. In London war vieles anders, dort kannten mich nur wenige. Vielleicht war der Zwischenfall der Weckruf, den ich brauchte.“

„Nicht gerade die feine Art zu sagen: Willkommen zu Hause.“

Caitlyn schluckte, als Finn sich neben sie setzte. Zwischen ihnen lag immer noch genügend Abstand, trotzdem vollführte ihr Herz einen kleinen Sprung. Willkommen zu Hause … Millionen Mal hatte sie über diesen Moment nachgedacht, sich tausend schlagfertige Bemerkungen einfallen lassen, um ihre gemeinsame Vergangenheit hinter sich zu lassen und ihm zu zeigen, dass sie sich weiterentwickelt und ihre Karriere fest im Griff hatte. Von all den smarten Antworten fiel ihr jetzt keine einzige mehr ein.

Sie schaute sich um. Wie die Flamme einer Kerze stand der Vollmond genau über der Spitze des Washington Monuments. „Herrliche Aussicht.“ Na, das war ja eine tolle Aussage.

Ein winziges Lächeln umspielte Finns Mundwinkel, als er ihr zustimmte. „In der Tat.“

„Ob du es glaubst oder nicht, ich bin zum ersten Mal in D. C. – ich hoffe, mir bleibt ein bisschen Zeit zum Sightseeing.“

„Wenn du das Kapitol oder das Weiße Haus besichtigen willst, gib Liz Bescheid. Sie kann im Büro meines Vaters anrufen und eine Tour arrangieren.“

Verwundert schaute Caitlyn auf. Finn sprach nur sehr selten von seinem Vater. Dass er Senator Marshall so beiläufig erwähnte, kam für sie völlig unerwartet. „Danke.“

Alles schien so normal zu sein. Zwei Menschen saßen auf einer Terrasse und plauderten. Aber es war nicht normal. Dies hier war Finn, und zwischen ihnen saß noch die sprichwörtliche Katze im Sack, was Caitlyn extrem nervös machte. Finn jedoch schien bereit, die Vergangenheit auf sich beruhen zu lassen. Und Caitlyn war erwachsen genug, dasselbe zu tun.

„Ich habe nicht damit gerechnet, dich heute Abend hier zu treffen.“ Das entsprach nur zur Hälfte der Wahrheit. Natürlich hatte sie von der Möglichkeit gewusst, dass er heute hier sein würde. Schließlich unterstützte Dolfinn Pictures die Veranstaltung, deshalb waren alle Schauspieler von Folly anwesend. Finn hingegen mied D. C. normalerweise wie der Teufel das Weihwasser und hatte außerdem die letzten drei Wochen in Monaco verbracht.

„Nun, manchmal muss ich mich bei diesen Veranstaltungen blicken lassen, um die Großeltern bei Laune zu halten.“

Sowohl Finns Großmutter als auch ihr Ehemann, der legendäre Senator Marshall, waren selbstverständlich anwesend. Porter Marshall hatte sein Amt jahrzehntelang inne, bevor er es an seinen Sohn, Finns Vater, weitergegeben hatte.

Der frühere Senator erwies sich als viel freundlicher und zugänglicher als Caitlyn erwartet hatte. Und als sie früher am Abend erfahren hatte, dass The Folly of the Fury sein Lieblingsbuch war, entspann sich ein angeregtes Gespräch über die Wichtigkeit des Buches und der Protagonistin Rebecca. Mrs Marshall hingegen … Die Begegnung verlief weniger angenehm. Obwohl sie sich in der Vergangenheit nie kennengelernt hatten, erinnerte Regina Marshall sich offensichtlich an Caitlyns Namen. Obgleich sie sich ausgesprochen höflich verhielt, wurde Caitlyn das Gefühl nicht los, von der Matriarchin der Familie auf die Probe gestellt zu werden.

Was in Ordnung ging, da Caitlyn absolut nicht vorhatte, die Sache in den Sand zu setzen.

Dafür stand zu viel auf dem Spiel.

2. KAPITEL

Cait verhielt sich sonderbar, was keinen Sinn ergab – geschweige denn etwas Gutes für die Arbeit an Folly verhieß.

Er hatte heute Abend nach ihr gesucht, um herauszufinden, wie es ihr ging und ob sie die Filmarbeiten zu einer persönlichen Hölle für ihn werden lassen würde.

Die Szene, die sich ihm auf der Terrasse geboten hatte, hatte er sofort richtig eingeschätzt. Aber erst als der Mann auf Knien liegend um Gnade bettelte, hatte er in der Frau über ihm Cait erkannt. Zunächst hörte er nur ihre Stimme, jenen knappen Befehlston, den sie ihm gegenüber so oft angeschlagen hatte. Dann bemerkte er all die anderen Details: das kupferblonde Haar, das unzähligen Friseuren Arbeit verschafft hatte, weil eine ganze Generation von Frauen diese Farbe tragen wollte, die langen Beine mit ihrem Markenzeichen, den hohen Stilettos, dazu die mittlerweile kurvigen Hüften, die anzeigten, dass sie nicht mehr hungerte, um wie all die anderen Starlets auszusehen.

Der Schock des Wiedersehens verlangsamte seine Reaktionszeit. Und als er sich endlich fasste, war eigentlich schon alles vorbei. Das allein war schon schlimm genug, aber dass er überhaupt körperlich auf ihren Anblick reagierte, quälte ihn zusätzlich. Deshalb richtete sich seine Wut ausschließlich auf Cait. Nur seinem Stolz verdankte er es, dass er sich zusammenreißen und ein zivilisiertes Gespräch führen konnte.

Denn er würde nicht zulassen, dass sie sein Leben noch einmal ins Chaos stürzte. Damals hatte er seine Lektion gelernt.

„Bist du bereit, wieder hineinzugehen?“

Cait schien sehr intensiv über diese einfache Frage nachzudenken. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich brauche noch eine Minute, um mich zu sammeln.“

„Es wäre bestimmt sehr lustig gewesen zu sehen, wie du ihm den Arm brichst.“

„Nein. Zu viele Zeugen, zu viele Kameras.“ Sie zuckte die Schulter, lächelte jedoch bedauernd. „Auf diese Art von Publicity kann ich verzichten. Außerdem ist es geschmacklos, einen Faustkampf auf einer Wohltätigkeitsparty anzuzetteln. Ob du es glaubst oder nicht, ich bin besser erzogen worden.“

Immerhin schien ihr Humor zurückzukehren. Es war ein alter Witz zwischen ihnen: Wurde von dem Kind eines Hollywood-Promi-Paares erwartet, dass es sich besser oder schlechter verhielt als das Kind eines Politiker-Promi-Paares? Mit den Klatschzeitungen als Jury hatten sie nie herausfinden können, wie hoch oder niedrig die Erwartungen tatsächlich waren.

Unwillkürlich musste er lächeln. „Ich könnte ihn für dich verprügeln.“

Cait zog die Nase kraus. „Das ist sehr nett von dir … und verführerisch dazu. Aber ich werde positiv denken und annehmen, er ist bereit, aus seinen Fehlern zu lernen. Komischerweise ging es mehr um meine Familie als um mich. Er schien sehr an ihren politischen Ansichten interessiert zu sein.“

Allmählich verstand Finn die Situation besser. Caits Beziehungen konnten sehr wertvoll für einen aufstrebenden Politiker sein – und dem Kerl stand „Möchtegern-Kongressabgeordneter“ ins Gesicht geschrieben. „Willkommen zurück im Showgeschäft.“

Sie bedachte ihn mit einem wütenden Blick. „Ich war in Europa, weißt du? Nur weil ich nicht in Hollywood gedreht habe, heißt das nicht, dass ich nicht gearbeitet habe.“

„Auf der Bühne. Das ist nicht dasselbe.“

Ihre Augen verengten sich. „Fang gar nicht erst an. Ich werde mich nicht auf einen Streit mit dir einlassen.“ Gleich darauf entspannten sich ihre Züge, und ein unschuldiges Lächeln vertrieb den wütenden Ausdruck. „Aber es schmeichelt mir, zu erfahren, dass du meine Karriere verfolgt hast. Das ist sehr süß von dir.“

Ihr Tonfall nagte an seinen Nerven. „Nur weil ich nicht gefragt worden bin, bevor man dich für das Projekt an Bord geholt hat, brauchst du nicht eine Sekunde zu glauben, ich hätte nicht überprüft, ob du die Rolle meistern kannst. Dieser Film fällt in meine Verantwortung. Und Rebecca gehört nicht zu deinem üblichen Rollenfach.“

Caits Miene verfinsterte sich. Oh, er hatte einen wunden Punkt getroffen.

Allerdings hatte sie sich rasch wieder im Griff. Sie stand auf und entfernte sich einige Schritte, dann wirbelte sie wieder zu ihm herum. „Wenn du mehr Zeit mit Arbeit verbringen und weniger Zeit mit Strandschönheiten in Europa vertändeln würdest, müsstest du dich bei deiner Rückkehr vielleicht nicht mit vollendeten Tatsachen abfinden.“

Die Verachtung in ihrer Stimme erstickte jeden Wunsch, fair zu spielen. Wie kam Cait dazu, sich so herablassend zu verhalten? „Du verfolgst also mein Liebesleben? Das ist irgendwie … traurig.“

„Ach, bitte. Hör auf, dich so wichtig zu nehmen. Das Letzte, was mich interessiert, ist, mit wem du im Moment ins Bett gehst. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier. Ich will meine Karriere zurück.“

Er setzte zu einer Antwort an, hielt dann aber inne, weil ihm ein Gedanke kam. Seit Jahren stand Cait nicht mehr im Rampenlicht; im Augenblick war sie nicht gerade ein hoch gehandelter Star – berühmte Eltern hin oder her. Folly war zwar die ideale Chance, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, aber er würde nicht ausreichen, ihren ehemaligen Ruhm und das Ansehen wiederherzustellen, die sie einmal, als ihr „Geburtsrecht“ bezeichnet hatte. Hatten Dolby und er nicht gerade heute über mögliche Schlagzeilen diskutiert? Gab es einen besseren Weg zurück auf die Titelblätter, als die alte Caitlyn-Finn-Geschichte wieder aufleben zu lassen, die er vor wenigen Stunden noch ausgeschlossen hatte?

„Oh, da bin ich mir nicht so sicher. Scheint mir ein verdammt guter Weg zu sein, ein glorreiches Comeback hinzulegen.“

Finn hätte es nicht für möglich gehalten, dass Cait sich noch weiter versteifen könnte, aber es passierte. Die Arme vor der Brust verschränkt, hob sie den Kopf so weit, dass sie ihn ganz von oben herab anschauen konnte – etwas, das ihr nur gelang, solange er saß.

„Was genau meinst du damit?“

„Meine Nähe garantiert dir jede Schlagzeile, die du dir wünschen kannst, oder?“ Mit einer Lässigkeit, die er nicht wirklich empfand, von der er aber wusste, dass sie an Caits Nerven zerren würde, lehnte er sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. „Es gab einmal eine Zeit, da hast du erklärt, ich sei gut für deinen Bekanntheitsgrad. Na, bist du scharf auf eine zweite Chance, Caity?“

Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Dein Ego ist einfach unglaublich, Finn. Ob du es glaubst oder nicht, hier geht es nicht um dich. Das Letzte, was ich brauche – oder will –, sind die Art Schlagzeilen, die du mir beschert hast. Ich bin erwachsen geworden, habe hart gearbeitet und mein Image aufpoliert. Ich nehme meinen Job sehr ernst.“ Sie musterte ihn mit etwas, das er nur als Abscheu bezeichnen konnte. „Da du nicht dasselbe von dir behaupten kannst, warum fliegst du nicht nach Monaco zurück und bleibst dort, bis der Film im Kasten ist? Das würde mir bei meinem Comeback wirklich helfen.“

Oh ja, er hatte definitiv einen Nerv getroffen. Ihre Wangen färbten sich rot vor Wut, und sie umklammerte ihre kleine Handtasche so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

„Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich muss morgen früh aufstehen und bis dahin ein bisschen schlafen.“ Damit wirbelte sie herum, marschierte mit hoch erhobenem Kopf auf die Terrassentür zu und verschwand im Partygetümmel.

Demnach gefiel es Cait immer noch, das letzte Wort zu haben. Ihm die Schuld geben und dann beleidigt abzurauschen entsprach ganz ihrem früheren Verhalten – daran hatte sich also nichts geändert.

Allerdings musste er über wichtigere Probleme nachdenken als Caits Gemütslage. Zu viele Leute waren an Folly beteiligt. Geld und Ansehen standen auf dem Spiel. Und er würde nicht zulassen, dass Caits Theatralik die Freude seines Großvaters über den Film trübte. Er würde sein Projekt durchziehen, und wenn er dafür morden musste.

Gedanklich rief Finn sich zur Ordnung. Er musste vernünftig an die Sache rangehen. Letzten Endes mochte Cait sich als gute Wahl für Folly erweisen. Wenn sie die Rolle der Rebecca meisterte, konnten ihr Name und ihr potenzieller Starruhm dem Film zu grandiosen Einnahmen an den Kinokassen und vielleicht sogar zu einer Oscar-Nominierung verhelfen.

Das schloss jedoch nicht aus, dass die Dreharbeiten keine grauenhafte Zeit werden würden.

Caitlyn schloss die Tür hinter sich und empfing die angenehme Kühle in ihrem Trailer mit ausgebreiteten Armen. Gestern hatte sie vergessen, die Klimaanlage einzuschalten, weshalb es drinnen fast genauso heiß wie draußen gewesen war. Aber heute … Wonne, kühle Wonne .

Der Schweiß auf ihrer Haut trocknete. Sie streifte das Kleid ab und hängte es in den Schrank. Noch ein Detail, das sie an diesem Film liebte. Die Kleider der Vierziger waren unglaublich weiblich und schmeichelten der Figur. Das machte es ihr leicht, sich in Rebeccas Charakter einzufühlen.

Nur mit Unterwäsche bekleidet trat sie an den Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. Während sie trank, ließ sie die Tür geöffnet und genoss die ausströmende Kälte.

Sie war zu lange in London geblieben und hatte sich an das gewöhnt, was sie dort amüsanterweise „Sommer“ nannten. Sie hatte vergessen, wie heiß und feucht der Sommer in einigen Teilen Amerikas werden konnte.

Walter Farrell hatte lange Jahre unter ihrem Vater als Regieassistent gearbeitet. Er hatte seine Philosophie der Authentizität von einem Meister gelernt. Wie ihr Vater glaubte Walter, dass eine gewisse Umgebung – zum Beispiel kaum erträgliche Hitze und Luftfeuchtigkeit – den Schauspielern half, sich in ihre Rolle einzufinden. Allmählich empfand Cait Mitleid mit allen Schauspielern, die je mit ihrem Vater gedreht hatten. Vor allem mit denen, die bei diesem Dschungelfilm mitgespielt hatten …

Sie legte sich rücklings auf die schmale Couch und fächelte sich mit dem Skript Luft zu. Trotzdem war sie für genau dieses Leben geboren worden. Sie hatte nur eine Weile gebraucht, um ihren Weg zu finden. Sie hatte eine zweite Chance erhalten.

Der einzige Wermutstropen in ihrem Glück hieß Finn. Sie hatte sich eingeredet, sie sei eine erwachsene Frau und könne die Vergangenheit einfach auf sich beruhen lassen. Sinnloses Geschwafel, so dachte sie jetzt über den kläglichen Versuch, Vernunft walten zu lassen. Denn als Finn tatsächlich vor ihr stand, war davon nichts mehr übrig geblieben. Aber was hatte sie auch erwartet? Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, war sie wütend und verletzt gewesen und hatte ihm lächerliche Anschuldigungen an den Kopf geworden, weil sie nicht in der Lage gewesen war, ihre eigenen Gefühle zu begreifen.

Gähnend schloss Caitlyn die Augen. Die Visagistin hatte heute Morgen ganz schön Mühe gehabt, die dunklen Ringe unter ihren Augen zu überschminken. Eigentlich hatte sie in der Drehpause ihre Mutter anrufen wollen, doch nun schien ihr ein Nickerchen die klügere Alternative zu sein.

Ein Wecker um fünf Uhr morgens machte nie Spaß, aber sie hatte auch noch einen guten Teil der Nacht damit zugebracht, an die Decke zu starren und die widerstreitenden Emotionen zu analysieren, die das Wiedersehen mit Finn in ihr ausgelöst hatte. Und in den wenigen Stunden, die sie dann doch noch geschlafen hatte, war sie von wilden Träumen geplagt worden. Träumen von Finn.

Warum musste er auch so taktlos sein? Warum konnte er sich nicht wie ein normaler Mensch verhalten und manche Themen höflich auf sich beruhen lassen? Aber nein … Er musste ja gleich wieder persönlich werden.

Am liebsten hätte sie über den gesamten Planeten eine Amnesie verhängt, sodass sich niemand mehr an das erinnerte, was vor drei Jahren passiert war.

Schade, dass sie sich selbst nicht auch einen Gedächtnisverlust verpassen konnte.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten – sie waren nicht wirklich einzuordnen. Es waren einfach die „Finn-Zeiten“ – spaßig und aufregend, aber in der Rückschau nicht gerade die klügste Entscheidung ihres Lebens. Und wiederholen wollte sie diese Erfahrungen auf keinen Fall.

Das prickelnde Gefühl aus ihren Träumen der vergangenen Nacht strafte diese Gedanken Lügen, aber Caitlyn schob sie beherzt beiseite. Finn bedeutete eine Versuchung, eine große sogar, doch sie würde nicht alles aufs Spiel setzen, wofür sie so hart gearbeitet hatte. Konzentrier dich auf das Wesentliche!

Aber irgendein Übereinkommen würde sie mit Finn treffen müssen. Sie akzeptierte ihren Teil der Schuld, was jedoch nicht hieß, dass sie so einfach vergeben und vergessen konnte. Bis gestern Nacht hatte sie geglaubt, über ihn hinweg zu sein, aber es hatte nicht lange gedauert, bis die alten Wunden wieder aufgebrochen waren.

Es hatte genug gescheiterte Beziehungen in ihrem Leben gegeben – sowohl vor als auch nach Finn. Warum besaß allein Finn die Macht, sie immer und immer wieder zu verletzen?

In der Vergangenheit zu stöbern brachte überhaupt nichts. Sie musste sich auf das Jetzt konzentrieren. Sich zu ignorieren oder gar feindselig miteinander umzugehen brachte nur negative Aufmerksamkeit mit sich. Irgendwie würde sie alles überstehen …

Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre schläfrigen Gedanken. So viel zu ihrem Nickerchen. „Herein“, rief sie und griff nach der Wasserflasche.

„Umwerfendes Outfit, Cait.“

Überrascht riss sie die Augen auf. Tatsächlich, Finn stand in ihrem Trailer. Sie brauchte einen Moment, um die Bedeutung seiner Worte zu begreifen. Und dann … verdammt. Mit hochrotem Gesicht sprang Caitlyn von der Couch auf und schnappte sich ihren Bademantel. Ihm den Rücken zugewandt, schlüpfte sie hinein. Sicher, die altmodische Unterwäsche enthüllte nicht mehr als ein durchschnittlicher Badeanzug, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie nur Unterwäsche trug und Finn mitten in ihrem Wohnwagen stand. Könnte ich bitte jetzt sterben?

Um ihre Fassung wiederzugewinnen, verknotete sie den Gürtel extra langsam. „Ich habe dich nicht erwartet.“

„Ich fürchte mich zu fragen, wen du denn erwartet hast.“

Sie verweigerte eine Antwort. „Kann ich dir irgendwie helfen, Finn?“

„Ich dachte, wir sollten uns mal unterhalten.“ Er ließ einen Stapel Papiere auf den Tisch fallen, bevor er zum Kühlschrank ging und hineinspähte. Sein unverschämtes Benehmen brachte sie auf die Palme.

„Schön, wenn du bitte draußen warten würdest. Ich ziehe mir rasch etwas an …“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Kein Grund, so prüde zu reagieren.“ Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte … hing in der Luft. Und dieses Wissen machte die Situation alles andere als einfach. Andererseits hatte Finn in seinem Leben schon so viele Frauen nackt gesehen, vielleicht bereitete es ihm Schwierigkeiten, sich an ihren Körper zu erinnern.

Sie hingegen hatte absolut keine Probleme, sich an seinen zu erinnern. Ihr wurde warm. Oh, er war absolut anständig gekleidet, in Jeans und einem schwarzen T-Shirt, das sich eng an seine Brust schmiegte. Aber die Erinnerungen an das, was sich unter dem Stoff verbarg …

„Trotzdem wäre es mir lieber, du wartest draußen.“

Finn nahm eine Flasche aus dem Kühlschrank und bot sie ihr an. Als sie den Kopf schüttelte, drehte er den Verschluss auf und trank. Dann setzte er sich aufs Sofa. Insgeheim fragte sie sich, ob er die Dinge absichtlich verkomplizierte.

„Warum können wir nicht hier drinnen reden? Draußen ist es heiß.“

Caitlyn zog den Bademantel enger um sich und wünschte, er würde mehr von ihren Beinen bedecken. „Lieber nicht.“

Finns gereizter Gesichtsausdruck war fast lustig. „Was ist nur los mit dir, Caity?“

„Nichts. Ich halte es nur nicht für eine gute Idee, wenn man uns sieht, wie wir uns ganz privat in meinem Trailer treffen.“ Oh mein Gott, jetzt klang sie wirklich wie eine alte Jungfer!

Finns Miene besagte das Gleiche. „Meinst du das ernst?“

„Wie du gestern Abend so hilfreich festgestellt hast, drehen alle Paparazzi durch, wenn sie mich in deiner Nähe aufspüren. Ich würde ihnen lieber kein zusätzliches Futter liefern.“ Sie ging zum Schrank hinüber, zog Jeans und T-Shirt heraus und wartete, dass Finn den Wohnwagen verließ.

Er ignorierte den Hinweis. Sie bedachte ihn mit einem Stirnrunzeln, worauf er mit einem Blick antwortete, der ihre geistige Gesundheit infrage stellte. Also marschierte sie ins Bad und schloss die Tür hinter sich.

„Ich fürchte, so viel braucht es gar nicht!“, rief er.

„Genau“, erwiderte Caitlyn. „Sobald wir zusammen gesehen werden, wie unschuldig die Situation auch sein mag, werden all die alten peinlichen Fotos wieder aus der Versenkung geholt.“

Angemessen gekleidet trat sie aus dem Bad und zog alle Vorhänge zurück, sodass jeder mitbekam, was drinnen vor sich ging. Am liebsten hätte sie sogar die Tür geöffnet, aber dann würde auch die Hitze hereinströmen. So weit wollte sie dann doch nicht gehen.

Als sie sich ans andere Ende des Tisches setzte, schnaubte Finn verächtlich. „Meinst du nicht, du übertreibst ein bisschen?“

„Ich bin nur vorsichtig. Auch wenn du dich nicht im Mindesten um äußerliche Eindrücke scherst, ich schon.“

„Wie nett von dir, dich um mich zu sorgen.“ Sein Grinsen verriet ihr, dass er ihre Worte absichtlich falsch verstand.

„Nur insofern, als dass dein Ruf auch auf meinen abfärbt. Ich denke, wir wissen, dass du dich wie der letzte Idiot aufführen kannst, und die Menschen respektieren dich trotzdem. Aber bei mir sieht das anders aus. Ich hasse diese Doppelmoral. Ich musste sehr, sehr hart arbeiten, um meinen Ruf wiederherzustellen.“ Sie trank einen großen Schluck aus der Wasserflasche. „Also, was führt dich zu mir, Finn?“

Er kicherte, was sofort sämtliche Alarmglocken in ihrem Kopf schrillen ließ. „Genau das.“

„Dein Ruf?“

„Paparazzi, Gerüchte, Spekulationen …“

Seltsam. Normalerweise verschwendete Finn an diese drei Dinge keine fünf Minuten seiner Lebenszeit. Klatschmagazine interessierten ihn nicht.

Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren. „Okay.“

„Heute Morgen habe ich mich mit Dolby und Farrell getroffen. Wir haben entschieden, das Set für den Rest der Dreharbeiten abzuriegeln. Angesichts unserer Vergangenheit könnte es uns alle ablenken, wenn wir uns in den nächsten fünf Wochen ständig über wilde Spekulationen in den Medien Sorgen machen zu müssen.“

Caitlyn hob eine Hand. „Moment.“ Das Set zu schließen ergab doch nur einen Sinn, wenn … Verdammt! „Du gehst nicht zurück nach L. A.?“

„Nein. Dolby begleitet das zweite Team.“

Hinter ihrem rechten Auge setzte stechender Schmerz ein. „Warum?“

„Darum.“

Sie wartete, dass er fortfuhr, doch Finn schwieg beharrlich. Dieser Mann konnte einem so unglaublich auf die Nerven gehen. Sie massierte ihre Schläfen. „Also bleibst du bis zum Ende hier?“

„Ja. Hast du ein Problem damit?“

„Nein“, flunkerte sie. Tatsächlich hatte sie ein großes Problem damit. Viele große Probleme. Du bist Schauspielerin. Also tu so, als sei es kein Problem! „Du?“

Finn wirkte vollkommen unbeeindruckt. Es schien sogar, als müsse er sich ein Lachen verkneifen. „Ganz und gar nicht.“

„Prima.“ Sie atmete tief ein. Dieses Spiel konnte nicht nur er spielen. „Ich bin froh, dass du das Set geschlossen hast. Ich möchte mich gerne auf meine Arbeit konzentrieren. Sich nicht um die Medien sorgen zu müssen wird es leichter machen. Für uns alle“, fügte sie hinzu.

„Leider ist es dafür schon zu spät.“

Das warnende Kribbeln in ihrem Nacken verstärkte sich. Finn zog einige Papiere aus seinem Stapel und reichte sie ihr.

Es waren ausgedruckte Bilder aus einem Internet-Blog. Oh nein. Caitlyns Magen krampfte sich zusammen. Im ersten Moment glaubte sie, irgendein Blogger habe eines der alten Bilder ausgegraben, auf dem sie auf dem Tisch tanzte oder von Finn aus einer Bar getragen wurde. Oder jenes, auf dem sie hinter Finn auf einem Motorrad saß, ihr Rock viel zu weit hochgeschoben und Finns Hand …

Diese Bilder kannte sie nicht, doch die Erleichterung währte nicht lange. Bei dem Vorfall gestern Abend hatte es doch Zeugen gegeben. Mist. Ein Foto zeigte Finn und den anderen Mann, wie sie einander anstarrten. Ein weiteres, wie sie und Finn nebeneinander auf der Bank saßen. Und das Letzte, wie sie davonrauschte, das Gesicht von Wut gezeichnet, während Finn ihr verwirrt nachschaute. Den Text brauchte sie gar nicht erst zu lesen, ihr war auch so schon übel genug.

„Schon? Du meine Güte.“

„Ich habe gesagt: ‚Willkommen zurück‘, aber …“

Caitlyn atmete tief durch. „Bist du sicher, dass du nicht mit Dolby tauschen und nach L. A. gehen, kannst? Damit ich einfach meine Arbeit machen kann und mich nicht um diesen Müll kümmern muss?“

„Nein. Außerdem würde es das Unvermeidbare nur hinauszögern.“ Er bedachte sie mit einem seltsamen Blick. „Ich meine, du hast doch vor, zurück nach L. A. zu ziehen, oder?“

„So sieht der Plan aus. Allerdings hatte ich gehofft, Folly schon abgedreht zu haben. Dann können die Leute über etwas anderes reden, als nur über meine Vergangenheit.“

Seine Augen weiteten sich. „Du bist wirklich nicht auf diese Art Publicity aus?“

„Gott, nein.“

„Damit hast du dir einen Namen gemacht!“

Die Erinnerung war wirklich unnötig. „Und es hat mich beinahe umgebracht … persönlich wie beruflich.“

Finn schüttelte den Kopf. „So schlimm war es nicht.“

Die Hitze machte sie mürrisch, Finn verursachte ihr Kopfschmerzen, sie hatte nicht geschlafen. Der ganze Tag entwickelte sich immer mehr zu einem schwarzen Loch, das sie zu verschlingen drohte.

Allmählich verlor sie die Beherrschung. „Nun, du bist nicht gerade für deine denkerischen Fähigkeiten bekannt, weißt du“, fuhr sie ihn an.

Finn ging nicht darauf ein, sondern lächelte nur übermütig. Am liebsten hätte sie ihn geschlagen. „Gib es zu. Wir hatten eine tolle Zeit.“

Nicht einmal unter der Folter würde sie das gestehen! Es spielte keine Rolle mehr. Sie zwang sich zu einem gleichgültigen Gesichtsausdruck. „Das ist lange her. Außerdem bin ich nicht mehr dieselbe Frau wie damals.“

„Wie schade.“

Ich werde diesen Köder nicht schlucken. Er versucht nur, mich zu provozieren. Warum, das wusste sie nicht genau, wahrscheinlich lag es an seinem verqueren Sinn für Humor. „Vielleicht hast du recht, ich muss mich der Vergangenheit stellen. Also kann ich gleich jetzt damit anfangen. Du machst deinen Job, ich meinen. Dann passiert rein gar nichts, auf das die Klatschzeitungen sich stürzen könnten, und ich werde als Schauspielerin ernst genommen.“

„Ich habe mir die Aufnahmen von gestern angesehen. Sie sind gut. Du spielst fantastisch.“

Das Kompliment kam aus dem Nichts. Es ließ sie verstummen und wärmte sie innerlich. Mehr als es sollte. Dann erwachte ihr Misstrauen.

„Danke. Rebecca ist eine wunderbare Rolle. Meine Mutter hat sogar gesagt, sie wünscht sich, dreißig Jahre jünger zu sein, damit sie den Part übernehmen könnte.“

Finn schaute ihr in die Augen. „Ich muss dir ehrlich sagen, wenn ich die Wahl hätte, dich oder deine Mutter als Rebecca zu besetzen, ich würde mich für dich entscheiden.“

Schock und Fassungslosigkeit rangen mit einem merkwürdigen Gefühl von Stolz in ihrer Brust. Nichts, was er hätte sagen können, bedeutete ihr mehr, und sie wusste, dass auch Finn das wusste. Ihr Misstrauen wuchs. Aber obwohl Finn sich manchmal sehr oberflächlich verhielt, zeigte er doch eine fast brutale Ehrlichkeit, wenn es um berufliche Angelegenheiten ging. Die Luft zwischen ihnen fühlte sich schwer an, das Schweigen wurde drückend.

Schließlich gelang Caitlyn ein Schulterzucken. „Nach Cindy Burke natürlich.“

Finns Lippen zuckten. Unvermittelt änderte sich sein Verhalten, wurde förmlich und geschäftsmäßig. „Wie du weißt, liegen wir im Zeitplan ein bisschen zurück. Es liegen ein paar lange Tage vor uns.“

Sie nickte.

„Wir möchten, dass du dich ein paar Mal in der Öffentlichkeit zeigst, um die richtige Art Aufmerksamkeit zu erregen.“

Sein vorsichtiger Tonfall ließ sie ihn scharf beobachten. „Mit dir?“

„Gott, nein. Ich sagte: die richtige Art.“

Hätte nicht dieser Unterton in Finns Stimme gelegen, Caitlyn hätte sich erleichtert zurückgelehnt. So viel zu den warmen und behaglichen Gefühlen, die er in ihr geweckt hatte. Sie blickte auf die Liste, die Finn ihr reichte.

Ein Name fehlte. „Und Naomi?“

„Naomi folgt ihrem eigenen Terminplan.“

Caitlyn seufzte. Jetzt verhielt Naomi sich wirklich wie ein alberner Teenager. „Mit anderen Worten: Sie will die Schlagzeilen nicht teilen. Vor allem nicht mit mir.“

„Naomi ist nicht dumm. Sie muss ihre Karriere beschützen.“

„Als ob ich ihr schaden könnte. Als ob ich das je getan hätte. Der einzige Mensch, den ich in den Schmutz gezogen habe, war ich selbst.“

„Aber es gelingt dir immer noch, sie in den Schatten zu stellen.“

„Aus den falschen Gründen, wie es scheint.“ Sie zuckte die Schultern.“ Aber letztlich bin ich abgestürzt, und sie hat bekommen, was sie wollte. Ich verstehe nicht, weshalb sie einen Groll gegen mich hegt.“

Wieder zog er eine Augenbraue hoch. „Und du nicht?“

Diese Frage ließ sich auf unterschiedliche Weise interpretieren, aber Caitlyn wollte sich nicht in eine Diskussion hineinziehen lassen. „Nein. Naomi hält es für ein Nullsummenspiel. Sie glaubt, in den Zeitschriften gibt es nicht genug Platz für uns beide. Ich weiß, dass das nicht stimmt.“ Dann schaute sie sich ihren Terminplan genauer an. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. „Worum, zur Hölle, geht es hier?“

Finn zuckte die Achseln. „Die PR-Leute wollen die Aufmerksamkeit von dir auf Jason und dich lenken. Vielleicht verfallen ja einige Journalisten auf die Idee, dass aus euch ein Liebespaar werden könnte. Damit wären wir aus der Schusslinie.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Und eine beginnende Romanze mit deinem Filmpartner ist der perfekte Weg, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.“

Na toll, jetzt sollte sie sich einen Namen nicht aufgrund ihrer Arbeit machen, sondern indem sie Gerüchte über ihren nächsten Bettpartner anfachte. Es war absolut demütigend! Und es hinterließ einen wirklich schlechten Geschmack im Mund. „Das ist ein ganz billiger Marketingtrick.“

Wenn Finn nicht bald aufhörte, auf diese Wen-interessiert’s-schon-Weise die Schultern zu zucken, würde sie ihn erwürgen.

„Aber er funktioniert.“

Ausgerechnet Jason Elkins? Er war ein guter Schauspieler, ein richtiger Kassenmagnet, und sie arbeiteten gut vor der Kamera zusammen. Doch sie mochte ihn nicht besonders. Er war ein bisschen zu selbstverliebt und nicht gerade eine geistige Leuchte.

Sie verbiss sich ein Dutzend Kommentare darüber, wo genau er sich seinen Plan hinstecken konnte. „Schön. Ich bin ein Teamplayer. Was auch immer das Beste für das Projekt ist.“

„Kluges Mädchen.“

Caitlyn stand auf und griff nach ihren Schuhen. „Du solltest mich nicht bevormunden, Finn.“

„Das habe ich nicht.“

Er wirkte aufrichtig, und Caitlyn kam sich ein bisschen mies vor. Seine Nähe machte sie viel zu nervös, immer war sie bereit, gleich das Schlimmste anzunehmen.

„Das waren die ehrlichen Worte eines Freundes.“

Ein kitschiges Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus, dem ein dumpfer Schmerz folgte. Ihre nächsten Worte wählte sie sehr sorgfältig. „Wir waren vieles füreinander, Finn, aber ich glaube nicht, dass wir jemals Freunde waren. Jetzt sind wir Kollegen. Und es gibt keinen Grund, weshalb wir Feinde werden müssen. Aber ich denke, Freunde werden wir auch nicht.“

Finns Miene blieb unbeweglich, aber sie erkannte den Ausdruck in seinen grünen Augen wieder. Mit ihren Worten hatte sie ihn nicht verletzt – die Erfahrungen der Vergangenheit hatten sie gelehrt, dass man ihn nicht verletzen konnte –, aber er war enttäuscht. Ob von ihrer Zurückweisung oder dass sein Charme versagt hatte, vermochte sie nicht einzuschätzen. Denselben Ausdruck hatte sie zum letzten Mal vor drei Jahren gesehen, als sie kochend vor Wut aus seiner Wohnung marschiert war.

„Ich werde noch etwas essen, bevor ich wieder in mein Kostüm schlüpfen muss. Wir sehen uns.“

Damit verließ sie ihren Trailer und zwang sich, langsam und fröhlich lächelnd über den Parkplatz zu gehen. Es gelang ihr sogar, ein wenig Small Talk mit einem der Crewmitglieder zu machen, während sie ein Sandwich aß. Caitlyn war stolz auf sich. Nicht auf die Art und Weise, wie die Dinge zwischen ihr und Finn liefen – tatsächlich hatte das Gespräch ein leeres Gefühl in ihrem Inneren zurückgelassen. Aber sie hatte sich nicht unterkriegen lassen und ihm seine Grenzen aufgezeigt.

Aber jetzt, da er nicht mehr vor ihr stand, wurden die alten Verletzungen und die Verwirrung von damals wieder lebendig. Und, zugegeben, dazu gesellten sich diffuse Sehnsüchte und Erinnerungen an die guten alten Zeiten.

Später, als sie in der Maske saß, schloss sie die Augen und versuchte, das Chaos der Gefühle in sinnvolle Bahnen zu lenken, um gleich den Charakter der Rebecca mit Leben zu füllen. Als Martha sich ihren Haaren widmete, schlug sie die Augen auf und konzentrierte sich auf ihre Arbeit, als sei alles wie immer. Normal. Wie gestern auch.

Martha plauderte und erzählte Witze, und Caitlyn lachte an den richtigen Stellen.

Vielleicht war sie also doch eine gute Schauspielerin.

3. KAPITEL

Finn musste sich die Dreharbeiten nicht ansehen – vielleicht sollte er es auch nicht, da Farrell es überhaupt nicht leiden konnte, wenn er sein Territorium vermeintlich verletzt sah. Aber irgendetwas zog ihn zum Drehort.

Caits Abschiedsworte nagten an ihm. Natürlich war ihm schon vorher klar gewesen, dass sie irgendeinen Groll gegen ihn hegte – völlig unverdient übrigens, denn nicht er war der Mistkerl in dieser Situation. Er war nicht derjenige, der weggegangen war.

Sie brauchte also jemanden, dem sie die Schuld geben konnte? Es hat mich beinahe umgebracht … persönlich wie beruflich. Zumindest erklärte es das Geschrei in jener Nacht, als sie schließlich Hals über Kopf abgehauen war.

Er hatte es für eine Überreaktion gehalten, weil sie eine Rolle in einem Film nicht bekommen hatte. Doch das Nächste, was er hörte, war, dass sie nach London geflogen war.

Sie hatte das Land verlassen, ohne sich auch nur zu verabschieden.

London hatte sie verändert. Sie war nicht mehr die spontane junge Frau, mit der man Spaß haben konnte. Hektisch schob er die Erinnerung an die Woge aus Hitze beiseite, die ihn durchströmt hatte, als er ihren Trailer betreten und sie nur in Unterwäsche dösend auf der Couch liegen gesehen hatte. Die neue Cait war reserviert, vorsichtig und zugeknöpfter als eine alte Jungfer. Hin und wieder war ihr eine Bemerkung entschlüpft, bei der er sich fragte, ob sie sich wirklich geändert hatte. Doch gleich darauf war die Maske der Distanziertheit an ihren Platz zurückgekehrt. Was war in London passiert? Was hatte ihr inneres Feuer zum Erlöschen gebracht, das ihn damals so angezogen hatte?

Nicht, dass er das noch einmal erleben wollte.

Trotzdem stand er jetzt hier, obwohl sich auf seinem Schreibtisch Tonnen von Papierkram stapelten. Er konnte sich ein Dutzend Dinge vorstellen, die er eigentlich tun sollte, anstatt Cait zu beobachteten, wie sie sich auf eine Liebesszene mit Jason Elkins vorbereitete.

Sein Kompliment von vorhin war keiner bloßen Schmeichelei entsprungen. Es erstaunte ihn wirklich, wie gut sie als Rebecca war. Dennoch fiel es ihm schwer, die Cait, die er kannte, und die Rollen, die sie gespielt hatte, mit der Frau in Einklang zu bringen, die jetzt jede Szene mit ruhiger Stärke dominierte. Kein Wunder, dass Naomi Gift und Galle spuckte. Cait beherrschte den Film. Sie würde jede Menge Preise gewinnen.

Obschon er wusste, dass sie nur eine Rolle spielte, während die Kamera filmte und dreißig Menschen zusahen, wurde Finn von dem seltsamen Hieb in den Magen überrascht, als Elkins sie küsste.

Und das flaue Gefühl breitete sich noch weiter aus, als Cait den Kuss erwiderte. Die leidenschaftliche Umarmung schien Ewigkeiten anzudauern.

Endlich rief Farrell: „Cut“, woraufhin Cait sich sofort unter Elkins hervorrollte. Zwei Frauen eilten zu ihr, widmeten sich Make-up und Haaren, während die Crew sich auf die nächste Szene vorbereitete.

„Eifersüchtig?“, meldete Dolby sich hinter ihm.

„Warum sollte ich?“, fragte er leichthin zurück.

„Weiß nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass du, seit Elkins sie berührt hat, aussiehst, als würdest du ihn am liebsten zusammenschlagen.“

„Ich mag ihn einfach nicht.“

„Aber jede Frau zwischen fünfzehn und fünfzig steht auf ihn.“

Und das bedeutete sichere Einnahmen an den Kinokassen. Finn schüttelte den Kopf. Er wusste genau, dass persönliche Sympathien nichts mit beruflicher Leistung zu tun hatten. Sein Vater war das Paradebeispiel eines unsympathischen Menschen, der fantastische Arbeit leistete. Finns Abneigung gegen Elkins ergab also wenig Sinn. Sein Leben lang hatte er gelernt, persönliche Vorlieben von professionellen Bedürfnissen zu trennen. Es machte die Dinge einfacher. Es bedurfte ein bisschen Übung, alles in die richtigen Schubladen zu verpacken, aber es funktionierte … bis jemand, wie Cait kam und alles durcheinanderwirbelte.

Sein älterer Bruder Brady würde sagen, er dürfe das große Ganze nicht aus den Augen verlieren. Hier ging es um Folly , und nur darauf musste er sich konzentrieren. „Mir gefällt die Idee immer noch nicht, ihn und Cait als Köder für die Paparazzi auszuschicken. Er ist ein Schürzenjäger.“

„Und das aus deinem Munde!“

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen wollte Finn Dolby ernsthaft schlagen. Es war das dritte Mal in den ganzen sieben Jahren ihrer Partnerschaft, dass Dolby ihn so provoziert hatte – und immer war es um Cait gegangen.

„Der Unterschied ist, dass ich Frauen mag. Elkins hingegen nutzt sie nur aus. Und ich komme mir wie ein Zuhälter vor, wenn ich die ganze Sache anleiere.“

Dolby hob die Hände und trat einen Schritt zurück. „Ganz ruhig. Wie hat Cait denn reagiert, als du ihr unsere Idee unterbreitet hast?“

„Sie sagte, sie ist ein Teamplayer. Sie wird es tun, aber ich glaube nicht, dass es ihr gefällt. Verdenken kann ich es ihr nicht.“

„Tja, sie braucht einen großen Namen, um deinen auszulöschen und die Kameras in eine andere Richtung zu lenken. Jason Elkins ist der Einzige, mit dem die Rechnung aufgeht. Aber wir können immer noch zu Plan A zurückkehren und euch beide den Medien vorsetzen …“

„Und ich habe schon gesagt, dass das nicht infrage kommt.“ Selbst wenn Cait bereit war, dabei mitzumachen, er ganz bestimmt nicht.

„In dieser Hinsicht bist du echt empfindlich. Vor drei Wochen hättest du mich Kätzchen am Set opfern lassen, wenn es Folly genutzt hätte.“

„Vor drei Wochen haben wir auch einfach nur einen Film gedreht. Jetzt bildet das Projekt die Kulisse für eine verdammte Seifenoper.“

„Mann, du solltest wirklich über eine Therapie nachdenken.“

In diesem Moment bat der Regisseur um Ruhe und gab den Kameras ein Zeichen. Cait lag neben Elkins, den Kopf an seinen Hals gekuschelt. Verliebt hielten sie einander an den Händen. Das Bild war wunderschön, kraftvoll … und machte ihn krank. Langsam setzte Cait sich auf, die kupferblonden Haare fielen wie ein Vorhang über ihr Gesicht. Als sie sie zurückwarf, kam ein verführerisches Lächeln zum Vorschein, das sich wie ein Pfeil in seine Brust bohrte. Vertraute Hitze und Verlangen loderten in seinem Unterleib empor. Er kannte dieses Lächeln, hatte es damals oft gesehen, als sie … Angewidert wandte Finn sich ab und ging.

Dolby folgte ihm. „Wenn die Sache mit Caitlyn zu einem Problem wird, kann ich bleiben, und du fliegst nach L. A.“

Warum konnte Dolby es nicht einfach gut sein lassen? „Da ist keine ‚Sache‘ mit Cait, also gibt es auch kein Problem. Das Set ist geschlossen, Cait wird mit Elkins ausgehen und so tun, als sei sie an ihm interessiert, und ich werde diesen Film produzieren. Solange alle ihren verdammten Job tun, ist alles in Ordnung.“

Kapitulierend hob Dolby die Hände. „Fein. Folly ist dein Baby.“

„Vielen Dank.“

Der Regieassistent winkte ihnen zu, und Dolby eilte zu ihm, um sich zu erkundigen, was jetzt wieder benötigt wurde. Finn wandte sich dem Trailer zu, in dem das Produktionsbüro untergebracht war. Langsam wurde es Zeit, dass er sich um die schier endlose Anzahl E-Mails kümmerte, die über seinen Monitor flimmerten. Ungefähr zwanzig Minuten später erregte eine Betreffzeile seine Aufmerksamkeit: Kommentar zur Rückkehr von Caitlyn Reese?

Finn seufzte. Auf die unwahrscheinliche Chance hin, dass der Inhalt von Bedeutung war, öffnete er die Mail. Nein, keine Fragen zu Folly oder der Rolle der Rebecca oder irgendetwas jenseits des Niveaus von Klatschzeitungen.

Vor seinem Ausflug nach Monaco berichteten die Medien über Folly , weil es ein wichtiger Film war. Das Buch besaß Kultcharakter und gehörte zur Pflichtlektüre an vielen Universitäten. Seit Jahrzehnten versuchten Filmfirmen bereits, die Rechte zu erwerben. Dolfinns Erfolg wurde als Coup des Jahres gefeiert.

Hätte sich die Aufmerksamkeit von dem Projekt auf einen der Schauspieler oder den Regisseur verlagert, es wäre ihm egal gewesen. Aber seit Cait an Bord war und allgemein bekannt war, dass er am Set bleiben würde, grenzte die Berichterstattung ans Geschmacklose.

Finn löschte die Mail, ohne sie gelesen zu haben. Die Übergriffe auf sein Privatleben kümmerten ihn nicht – er besaß ohnehin keines. Über die Familie Marshall stand immer etwas in der Zeitung; reich zu sein und Verbindungen in die Politik zu haben brachte nun mal eine gewisse Berühmtheit mit sich. Dabei ging es gar nicht um ihn als Mensch – und wenn es doch persönlich wurde, hatte er gelernt, sich nichts anmerken zu lassen.

In L. A. hatte er sich einen eigenen Ruf erarbeitet, hatte bewiesen, dass die DNA der Marshalls nicht über das Schicksal des Trägers bestimmte. Er lebte sein Leben genau so, wie er es wollte. Und was der Rest der Welt davon hielt, war ihm egal. Das war die einzige wertvolle Lektion, die sein Vater ihn gelehrt hatte. Ruhm, Geld und Macht hatten ihn zum Gegenstand unzähliger Blogs gemacht, aber sie brachten auch einen unschlagbaren Vorteil mit sich: Er brauchte sich gegenüber nichts und niemandem zu rechtfertigen.

Warum ärgerte er sich dann so über das plötzliche Interesse der Medien an Cait? Es gab nichts aus ihrer früheren Beziehung, was nicht schon in der Presse gelandet war. Daran hatte er nie auch nur einen Gedanken verschwendet.

Bis heute. Und er stellte fest, dass er gar nicht wirklich darüber nachdenken wollte.

Denn es ergab überhaupt keinen Sinn.

„Wundervoll, Caitlyn. Absolut wundervoll. Zwischen dir und Jason existiert pure Magie.“

Caitlyn akzeptierte das Kompliment, während sie darauf wartete, dass alles für die nächste Szene vorbereitet wurde. Sie griff nach ihrer Wasserflasche und trank einen großen Schluck. Am liebsten hätte sie mit dem Wasser gegurgelt und Jasons Geschmack aus dem Mund gespült, aber das würde vermutlich nicht sonderlich gut ankommen.

Sie unterdrückte ein Lachen. Er sah gut aus, roch gut und Frauen auf der ganzen Welt würden morden, um an ihrer Stelle zu sein. Wenn nur die ganzen Teenager-Magazine wüssten, dass ihrem aktuellen Titelliebling und Gewinner in der Kategorie „Beste Lippen“ auch der Preis als „Schlechtester Küsser“ gebührte. Nicht, dass ein Filmkuss einem echten Kuss gleichkam, aber trotzdem … Bei Nahaufnahmen reichten gespielte Küsse nun mal nicht aus. Bei der letzten Probe hatte Walter Farrell ihnen eine Standpauke zum Thema Authentizität gehalten. Sie hatte wirklich ihr Bestes gegeben. Aber wenn das das Beste war, was Jason geben konnte … Nun, sie empfand ein bisschen Mitleid mit der Frau, mit der er gerade ausging.

Aus dem Augenwinkel heraus erspähte sie Finn und erstarrte. Was zum Teufel? Es war ja nicht so, dass er nicht hierhergehörte. Er besaß jedes Recht, hier zu sein und die Dreharbeiten zu beaufsichtigen. Dennoch lief es ihr bei dem Gedanken, dass er sie bei ihrer Kussszene beobachtete, kalt den Rücken hinunter.

Es kam ihr einfach … eklig vor. Als ob es falsch wäre – was natürlich lächerlich war. Sie waren kein Paar mehr. Sie küsste aus beruflichen Gründen, nicht weil sie es persönlich wollte. Warum fühlte sie sich dann plötzlich als …?

Jemand rief ihren Namen und riss sie aus ihrer Erstarrung. Die gesamte Crew wartete bereits. Sie schob alle Gedanken beiseite, legte sich neben Jason und überließ es Walter, sie in die richtige Position zu dirigieren. Caitlyn schloss die Augen und atmete tief ein. In diesem Moment wurde ihr klar, weshalb Jason so gut duftete.

Er benutzte dasselbe Aftershave wie Finn damals.

Erinnerungen stiegen in ihr auf, so rasch und intensiv, dass es ihr nicht mehr gelang, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Verdammt! Jetzt war nicht die richtige Zeit, diesen Pfad zu beschreiten. Doch als Jason seine Hände über ihren Rücken wandern ließ, war es nur zu verführerisch, so zu tun, als gehöre auch das zu ihren Erinnerungen. Dass es Finns Hände waren, die sie streichelten, dass sie seinen Atem an ihrem Hals spürte, seine Lippen … Ein Schauer überlief sie.

Langsam setzte sie sich auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Finns Gesicht, seine Augen dunkel und glühend vor Verlangen. Sie überließ sich ihren Erinnerungen, erlaubte ihnen, die Führung zu übernehmen. Mit zitternden Fingern griff sie nach den Knöpfen ihrer Bluse. Nur mit einem sehr kleinen Teil ihres Verstandes registrierte sie, dass die gesamte Crew sie beobachtete.

Schließlich drang das Wort „Cut!“ zu ihr durch, unvermittelt befand sie sich wieder in der Realität. Als sie sich umschaute, fielen ihr das breite Grinsen des Regisseurs und die verwunderten Blicke bei einigen der Crewmitglieder auf.

Jason richtete sich zu einer sitzenden Position auf und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Sein Mund war ganz verschmiert mit ihrem Lippenstift. „Wow, Caitlyn. Verdammt guter Take.“

Gott sei Dank war das eine professionelle Crew, Realitätsnähe wurde erwartet. Sie war die Einzige, die wissen musste, was da gerade passiert war. Und als abermals Komplimente zum Thema Magie aufkamen, machte sie sich nicht die Mühe, diese zu korrigieren.

Besser so, als die Wahrheit zu sagen. Sie hatte das Gefühl, „Method Acting“ auf ein ganz neues – und sehr verstörendes – Level gehoben zu haben.

Irgendetwas brannte tief in ihrem Inneren. Ein Blick auf ihren Co-Star reichte, um sicher zu sein, dass er dieses Feuer nicht entzündet hatte. Wiederholt schaute sie sich um, doch Finn war nicht mehr da. Sie hätte nicht sagen können, ob sie sich deswegen erleichtert fühlte oder nicht.

Und dann musste sie es wieder tun. Und noch einmal. Bis sie endlich die wirklich magischen Worte hörte und wusste, dass die Szene im Kasten war. Sie war fertig.

Auf wackligen Beinen legte sie die Entfernung zu ihrem Wohnwagen in Rekordzeit zurück und ließ sich auf die Couch fallen. Wie verrückt war das denn?

Als viel schlimmer empfand sie jedoch das Gefühl, dass irgendetwas in ihrem Inneren befreit worden war – als sei die Büchse der Pandora, in die sie alles, was mit Finn zusammenhing, hineingestopft hatte, geöffnet worden und ließe sich nun nicht wieder schließen. Früher waren ihr die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit wie alte Stummfilme in Schwarz-Weiß vorgekommen, jetzt fielen sie wie reißerische Blockbuster in 3D und Dolby Surround Sound über sie her. Was vorher eine kleine Flamme gewesen war, hatte sich zu einem gigantischen Buschbrand ausgeweitet.

Und das war überhaupt nicht gut.

Finn war nicht gut für sie. Oh, man konnte jede Menge Spaß mit ihm haben. Damals war seine „Liebt-mich-oder-schert-euch-zum-Teufel“-Philosophie genau das, was sie gebraucht hatte. Das Problem war nur, dass sie in ihrem Bedürfnis, sich weiterzuentwickeln, eines übersehen hatte: Finn war nicht so einfach zu vergessen.

Oder zu ignorieren.

„Keinen Hunger, Caitlyn?“ Jason senkte die Zeitung und stibitzte eine Erdbeere von ihrem Teller. Kauend lächelte er ihr zu. Caitlyn sah schon die Schlagzeilen in den Klatschmagazinen vor sich, darunter das Bild, wie er ihren Teller leerte.

Sie hatten sich für ein entspanntes spätes Frühstück an einem sonnigen Samstagmorgen in einem kleinen Café im Herzen von Baltimore verabredet. Es war eine angesagte Location, sorgsam ausgewählt, um die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Und es funktionierte – Jasons Popularität würde dafür sorgen, dass die unzähligen Fotos, die vorbeischlendernde Passanten geknipst hatten, ihren Weg in die einschlägigen Blogs fanden. Nach drei Drehtagen mit Liebesszenen machten bereits erste Gerüchte über ihre fantastische Chemie … die Runde. Vielleicht, so der Tenor, „bedeute das ja mehr“. Das gemeinsame Frühstück würde die Gerüchte weiter anheizen, aber nur Caitlyn kannte die Wahrheit hinter der sogenannten Chemie.

Ohne zu fragen, streckte Jason die Hand nach einer weiteren Erdbeere aus. Sie schob den Teller in seine Richtung. „Ich mag es nicht besonders, vor Kameras zu essen. Die erwischen mich immer im falschen Moment. Ich hole mir später etwas.“

Jason hielt das offensichtlich für lustig. Grinsend machte er sich über ihren Joghurt und die restlichen Erdbeeren her. Dann widmete er sich wieder seiner Zeitung.

Auf Außenstehende mussten sie wie ein ganz normales Paar beim Frühstück wirken. Sie hatte sich vehement geweigert, öffentlich Zärtlichkeiten auszutauschen, deshalb hatten sie sich für die Freundschafts-Schiene entschieden. So konnte sich jeder seine eigenen Gedanken machen und hinzuerfinden, was auch immer er wollte.

Trotzdem hasste sie das gesamte Arrangement. Es war schlichtweg falsch, eine Beziehung vorzutäuschen, um einen Film zu pushen. Und trotzdem war es besser, als allein zu essen – nicht viel besser, aber ein bisschen. Täglich den ganzen Tag arbeiten und abends allein in die Mietwohnung zurückkehren hatte seinen anfangs so verheißungsvollen Glanz längst verloren. Außer dem Filmteam kannte sie niemanden in Baltimore. Und da deren Arbeitstage genauso hart wie ihre waren, hatten die meisten keine Lust mehr, anschließend noch auszugehen.

Es war nicht so, dass sie sich langweilte, aber sie fühlte sich ein bisschen einsam. Jason entsprach nicht unbedingt ihrer Vorstellung von interessanter Gesellschaft, aber immerhin war er ein atmendes menschliches Wesen.

Er reichte ihr die Zeitung. „Gutes Interview.“

„Danke.“ Die Journalistin hatte ihr die Möglichkeit eingeräumt, einen Teil ihrer Vergangenheit in einem anderen schmeichelhafteren Licht darzustellen. Das war zumindest ein Anfang.

„Hier steht, du bist nach London gegangen und hast Schauspielunterricht genommen.“

„Ja, an ein paar Workshops habe ich auch teilgenommen.“

„Gerüchten zufolge warst du in einer Entzugsklinik.“

„Deshalb nennt man sie Gerüchte. Sie entsprechen nur selten der Wahrheit.“

„Warum?“

Jason sah wirklich gut aus, aber sich mit ihm zu unterhalten, bereitete ihr Kopfschmerzen. „Warum was?“

„Warum hast du Unterricht genommen?“

War er wirklich so schwer von Begriff? „Um meine Fähigkeiten zu verbessern.“

„Du weißt doch, wie man schauspielert.“

„Schon, aber es gibt immer etwas Neues zu lernen, oder?“

„Wenn du meinst.“

Damit war eigentlich schon alles über Jason gesagt. Caitlyn ging jede Wette ein, dass seine Karriere in nicht allzu ferner Zukunft enden würde. Sie besaß das Talent und die richtigen Beziehungen, um im Filmgeschäft Fuß zu fassen, aber sie hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass das nicht ausreichte.

In den vergangenen Jahren hatte sie viel Zeit gehabt zu analysieren, wie und wann alles schiefgelaufen war. In vielerlei Hinsicht war Finn die perfekte Wahl für Caitlyn Reese, Schauspielerin, gewesen. Er entstammte einer mächtigen Politikerfamilie, gab sich jedoch nicht mit der Rolle des Sohns zufrieden, sondern erarbeitete sich seinen eigenen Ruf durch einige erfolgreiche Filmproduktionen. Sie hingegen war die Tochter eines der meistrespektierten Regisseure und der beliebtesten Schauspielerin Amerikas. Ihre Beziehung war ein gefundenes Fressen für die Boulevardmedien.

Aufgewachsen im Schatten ihrer berühmten Eltern, kam die Entwicklung sozialer Kompetenzen zu kurz, was in ihrem späteren Leben zu Gerüchten über Arroganz und Egoismus führte. Mit dreiundzwanzig wurde sie zwar als talentierte Schauspielerin gehandelt, besaß aber keine Freunde und fand nur wenig Beachtung außerhalb der hermetischen Welt des Films.

Und dann traf sie Finn. Es war Liebe auf den ersten Blick. Über Nacht änderte sich ihr Ruf komplett und schleuderte sie ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit.

Finn verstand sie … zumindest glaubte sie das. Aber schon bald hatte sie die Kontrolle verloren. Und als sie das endlich begriff, war es längst zu spät, um umzukehren. Innerhalb von sechs Monaten fiel sie ebenso rasch, wie sie aufgestiegen war. Sie wurde zu einem abschreckenden Beispiel der jungen, berühmten und reichen Garde Hollywoods. Es war absolut demütigend – für sie und ihre Eltern.

Dann war sie nach London geflohen. Ohne Finn an ihrer Seite gelang es ihr, ein ruhigeres Leben zu führen. Dank der Entfernung fand sie eine neue Perspektive für ihre Zukunft. Und nach langen Diskussionen mit ihrem Agenten und ihren Eltern entwickelte sie einen Plan. Ihr Name garantierte ihr zwar die Aufnahme in den richtigen Zirkeln, aber sie machte keinen Gebrauch davon. Stattdessen erfand sie sich neu, nahm Schauspielunterricht und besuchte Workshops. Ausgestattet mit einem neuen Selbstbewusstsein, fand sie neue Freunde und baute sich ein neues Leben auf. Sie spielte kleine Rollen, die außerhalb ihres bisherigen Spektrums lagen, für die sie viel Anerkennung erntete, und stieg langsam die Leiter der Theaterszene am West End auf.

Der beständige Transfer zwischen dem Londoner West End und dem Broadway in New York bedeutete, dass sie bereits viele Leute dort kannte, als sie vor sechs Monaten nach New York gezogen war. In mentaler, emotionaler und beruflicher Hinsicht hatte sie es geschafft.

Die Geschichte einer echten Verwandlung – bereit, erzählt zu werden.

Doch nun … Caitlyn begann, sich rastlos und allein zu fühlen. Das Gefühl war ihr vertraut, gefiel ihr jedoch ganz und gar nicht. Und sie spürte bereits jetzt den Druck: Sie sollte da draußen sein, Magazine sollten über sie berichten, ihr Name musste wieder in den Köpfen der Menschen präsent sein.

„Bist du fertig?“ Jasons Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Ja.“ Endlich, fügte sie im Stillen hinzu, als Jason die Rechnung bezahlte. Dass er beim Hinausgehen seine Hand um ihre Schultern legte, hatte wildes Geflüster unter den anderen Gästen zur Folge.

„Ich bin nicht sicher, ob mir die Idee gefällt, so zu tun, als seien wir zusammen“, grummelte Jason.

Vor Überraschung geriet sie ins Stolpern. Jason liebte die Medien. Vielleicht hatte sie ihn falsch eingeschätzt und er besaß doch ein Gewissen. „Wirklich? Ich …“

Er schüttelte den Kopf. „Du und Finn, ihr wart ein so prominentes Paar. Ich will nicht, dass es so aussieht, als sei ich nur dein Plan B.“

Ihre Abneigung gegen ihren Kollegen wuchs mit jeder Sekunde. „Oder die Menschen denken, dass ich, vor die Wahl zwischen Finn und dich gestellt, mich für dich entschieden habe.“

„So hatte ich das noch nicht gesehen … Gefällt mir.“

Natürlich gefällt dir das. „Ehrlich gesagt will ich das Thema nicht größer machen, als es ist. Ich möchte nicht, dass später jemand auf die Idee kommt, wir hätten die Leute absichtlich hinters Licht geführt.“

„Aber das tun wir doch!“

Herrje, eine Leuchte war er wirklich nicht. „Nein, tun wir nicht. Wir korrigieren nur ihre falschen Annahmen nicht. Wir haben zusammen gefrühstückt, als Kollegen. Vielleicht essen wir sogar zusammen zu Abend. Menschen tun das die ganze Zeit, weißt du. Ich will ehrlich sagen können, wir sind Freunde.“

„Und was soll das dann alles?“

Jetzt blieb ihr nur noch ein Ausweg: Sie musste an sein Ego appellieren. „Du willst doch nicht bei Folly hinter Finn zurückstecken, oder? Der Produzent sollte nicht mehr Aufmerksamkeit bekommen als der Hauptdarsteller, richtig?“

„Richtig.“

„Wir sorgen nur dafür, dass die Aufmerksamkeit da bleibt, wo sie hingehört, und Finn sie uns nicht stiehlt.“

„Gutes Argument.“ Sie blieben vor Jasons Mietwagen stehen. „Lust auf eine Spritztour?“

Ich hatte genug von dir heute Morgen. Sie schüttelte den Kopf.

„Gut, dann sehen wir uns später.“

Erst als Jason weggefahren war, wurde ihr klar, dass sie mit ihrer Einschätzung tatsächlich richtig lag. Sie sorgten dafür, dass die Aufmerksamkeit der Medien dort blieb, wo sie hingehörte, nämlich bei Folly . Aber auch ihr wurde geholfen. Je weniger Zeit sie mit Nachdenken über Finn verbrachte, desto mehr gelang es ihr, sich auf den Film zu konzentrieren. Vielleicht war der Plan doch nicht so schlecht.

Vorausgesetzt, er funktionierte.

In der halben Stunde, die die Fahrt von Baltimore zum Set am Patapso River dauerte, wiederholte Caitlyn ihren Gedanken von vorhin so lange, bis sie am Ende ernsthaft vom Funktionieren des Plans überzeugt war. Ihre Laune besserte sich, nur um sich schlagartig wieder zu verfinstern, als der erste Mensch, dem sie am Drehort begegnete, ausgerechnet Finn war.

Warum scharwenzelt er dauernd wie ein Anfänger am Set herum, der kein Vertrauen in die Crew besitzt?

Finn wirkte überrascht, sie zu sehen. „Ich dachte, du frühstückst mit Jason?“

Auch dir einen guten Morgen, Finn. In seiner Stimme lag ein genervter Unterton, der sie ihre Bemerkung hinunterschlucken ließ. „Das habe ich auch.“

„Und wo steckt er dann?“

„Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht seine Aufpasserin.“

„Aber es ist gut gelaufen?“

Definiere gut. „Das Café war hinreißend, viele Menschen haben uns gesehen. Genau das wolltest du doch, oder?“

„So lautete der Plan, ja.“

Ihr Gespräch verlief steif, unbeholfen, grenzte an Feindseligkeit. Sie wusste, was Finns angespannte Miene zu bedeuten hatte. Es gelang ihm kaum, seinen Ärger zu unterdrücken. Doch sie konnte unmöglich der Grund sein. Schließlich war sie gerade erst eingetroffen. „Jason kommt bestimmt gleich. Wenn ich ihn sehe, sage ich ihm, dass du auf der Suche nach ihm bist.“

Finn zuckte die Schultern. „Nicht nötig.“

Okay, jetzt weiß ich auch nicht weiter. „Dann warte ich einfach in meinem Trailer, falls mich jemand braucht.“

Er nickte knapp und ging. Caitlyn blieb zurück und fühlte sich albern und dumm.

Und auch dieses Gefühl kam ihr bekannt vor.

4. KAPITEL

Trotz Jetlag war Finn am Sonntagmorgen schon vor Sonnenaufgang auf den Beinen – und den Sonnenaufgang sah er nicht besonders häufig. Zumindest nicht nach dem Aufstehen. Oft ging die Sonne auf, während er sich auf dem Weg ins Bett befand. Und dass er nun die ersten Sonnenstrahlen sah, steigerte seine schlechte Laune. Er brauchte dringend Schlaf.

In seinem alten Kinderzimmer in Hill Chase schlief er normalerweise wie ein Toter, doch Caits unerwartete Rückkehr bescherte ihm unruhige Träume. Ein seltsames Verlangen zerrte an seinen Nerven. Eigentlich ließen verflossene Liebschaften ihn kalt, doch auch hier schien Cait die Ausnahme von der Regel zu sein.

Irgendwann hatte er die Versuche aufgegeben, wieder einzuschlafen, und war zu den Ställen gegangen. Ein langer Ausritt mit Duke würde ihm helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Er hatte Duke vermisst, und wie die Angestellten ihm berichteten, vermisste Duke auch ihn. Aber er konnte sein Pferd schlecht mit nach Malibu nehmen. Allerdings musste er anfangen, mehr Besuche zu Hause in seinen Zeitplan einzukalkulieren – und das nicht nur wegen Duke. Seine Großeltern wurden nicht jünger. Sie waren agil und gesund, aber wie lange noch?

Dolby und er hatten mit der Idee gespielt, ins Fernsehgeschäft zu expandieren. Viele Shows wurden in New York produziert. Die Stadt lag weit genug von D. C. entfernt, um nicht den Verstand zu verlieren, war aber mit dem Zug innerhalb kürzester Zeit zu erreichen.

Als Finn nun den kleinen Hügel zum Haus emporschlenderte, sah er seine Großeltern auf der Terrasse sitzend ihren Morgenkaffee genießen.

„Guten Morgen, mein Liebling. Hattest du Spaß bei deinem Ausritt?“ Nana winkte ihn zu sich heran.

„Ja. Ich ziehe mich schnell um, dann leiste ich euch beim Frühstück Gesellschaft.“

„Beeil dich“, grummelte sein Großvater.

„Und bring die anderen mit“, rief Nana ihm nach.

Finn steckte den Kopf unter den Wasserhahn und schlüpfte in saubere Kleider. Aus jugendlichem Übermut hätte er gern mit den Fäusten gegen die Türen seiner Brüder gehämmert, aber Ethan verdarb ihm den Spaß, indem er gerade aus seinem Zimmer trat.

„Du bist früh wach“, begrüßte Ethan ihn. Sein Haar war noch feucht, also war er auch eben erst aufgestanden.

„Ich habe keine liebreizende Frau, die mich die ganze Nacht wach hält.“

Ethans Grinsen bestätigte seine Anspielung, doch bevor Finn noch etwas erwidern konnte, kam auch Lily aus dem Zimmer. Sie lächelte und ihre Wangen waren auf bezaubernde Weise gerötet. Scheint, als sei Ethan doch schon eine Weile auf.

„Morgen, Finn.“

„Morgen. Sie warten schon mit dem Frühstück auf uns.“

„Dann sollten wir uns besser beeilen. Außerdem bin ich am Verhungern.“

Finn grinste. „Kann mir gar nicht vorstellen, warum.“

Lily wurde knallrot, Ethan versetzte ihm einen deftigen Knuff.

In diesem Moment ertönte ein leises Klingeln vom anderen Ende des Flures und kündigte Aspyns und Bradys Kommen an. Aspyn war ein modernes Blumenkind, dessen Knöchel ein schmales Band mit goldenen Glöckchen – der Ursprung des Klingelns – zierte. Wie sie es schaffte, mit seinem ältesten, immer ein wenig steifen Bruder zusammen zu sein, blieb ihm ein ewiges Rätsel.

„Wenn du schon bei Sonnenaufgang aufstehst“, meldete Brady sich, „musst du dann das ganze Haus wecken?“

Abschätzig musterte Finn seinen Bruder. „Deinen Schönheitsschlaf habe ich offensichtlich gestört.“

Tadelnd schüttelte Aspyn den Kopf, lächelte jedoch gleichzeitig. „Wenn ihr noch vor dem Frühstück streitet, verliere ich meinen Appetit.“ Sie hakte sich bei Lily unter. „Gehen wir, bevor sie sich richtig in die Haare kriegen.“

Die beiden Frauen eilten die Treppe hinunter und überließen Finn seinen murrenden Brüdern. Die drei Männer folgten ihnen und erreichten die Terrasse, als gerade das Frühstück aufgetragen wurde.

Misstrauisch beäugte Ethan den Tisch. „Wieder nur Finns Lieblingsessen, wie ich sehe.“

Die Haushälterin Gloria scheuchte Ethan beiseite und küsste Finn auf die Stirn, als sei er ein kleines Kind. Schon gestern Abend hatte es seine Leibspeisen gegeben, so gut hatte er seit Monaten nicht mehr gegessen.

„Du, Ethan Marshall, bist jeden Tag hier und fällst wie eine Heuschrecke über meine Küche her. Aber ich bekomme nicht so oft die Gelegenheit, für Finn zu kochen.“

„Das halte ich für einen Segen“, knurrte Ethan und zog einen Stuhl für seine Frau zurück.

Aspyn setzte sich ihm gegenüber, womit für Finn nur noch der Platz zwischen seinen Brüdern frei blieb.

„Esst einfach“, schimpfte Gloria. „Vor allem du, Lily. Aspyn, das ist die vegetarische Wurst, die du so gerne magst.“ Einige Minuten wuselte sie noch um den Tisch herum, dann tätschelte sie Finn zärtlich und verschwand wieder in der Küche.

„Es ist also wahr, die Liebe wächst mit der Entfernung.“ Finn legte etliche von Glorias „Armen Rittern“ auf seinen Teller – die Brote waren so berühmt, dass der Küchenchef des Weißen Hauses nach dem Rezept gefragt, jedoch eine höfliche Absage kassiert hatte. „Das und ein Autogramm von Pierce Brosnan beschert mir dieses köstliche Frühstück.“

„Ich schätze“, mischte Lily sich ein, „wir können froh sein, dass sie kein Kalb geschlachtet hat.“

„Vielleicht gibt es das zum Abendessen“, sagte Brady.

„So lange kann ich nicht bleiben. Gleich nach dem Frühstück breche ich wieder auf.“ Als Nana zu einem Protest ansetzen wollte, schüttelte Finn den Kopf. „Es tut mir leid, aber ich stecke bis zum Hals in Arbeit. Wenn der Film abgedreht ist, bleibe ich ein paar Tage, bevor ich wieder nach Hause fliege.“

„Du bist auch hier zu Hause“, erwiderte Nana spitz.

Schuldgefühle stiegen in ihm auf, genau, wie seine Großmutter beabsichtigt hatte. „Ich weiß.“

„Die Sache ist die, Finn. Irgendwann muss jeder Mensch erwachsen und sesshaft werden.“ Sie bedachte ihn mit einem wohlüberlegten Blick. „Du bist jetzt fast dreißig. Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist?“

Hilfe suchend schaute Finn zu seinem Großvater hinüber, aber der interessierte sich gerade sehr für sein Frühstück. Brady lächelte süffisant und Aspyn untersuchte ihre Serviette. Und Lily und Ethan, diese Verräter, nickten zustimmend. Nicht, dass Nana Unterstützung gebraucht hätte, doch nachdem seine Brüder innerhalb eines Jahres geheiratet hatten, war sie nun auf einen Hattrick aus.

Finn lehnte sich zurück und musterte Ethan und Brady. „Wollt ihr wirklich dieses Fass aufmachen?“

Simultan hoben beide ihre linke Hand, um ihre Eheringe vorzuzeigen.

„Netter Versuch. Aber vor eurem dreißigsten Geburtstag habt ihr einen großen Bogen um jeden Altar gemacht. Mir bleibt also noch ein bisschen Zeit.“

„Du übersiehst das Wesentliche, mein Schatz. Natürlich würden dein Großvater und ich uns freuen, wenn du eines Tages ein nettes Mädchen heiratest. Im Augenblick bereitet mir deine momentane Situation mehr Sorgen.“

Oh, bitte nicht. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung. „Und die wäre …?“, fragte er unschuldig.

„Caitlyn Reese.“

Nana besaß das seltene Geschick, Dinge anzusprechen, über die er überhaupt nicht reden wollte. Wenn er jetzt ausweichend antwortete, würde das nur Öl in ihre Flammen gießen. Sich dumm zu stellen, schien ihm die beste Möglichkeit zu sein. „Was ist mit Cait?“

Die verärgert hochgezogene Augenbraue verriet ihm, dass sie ihm seine Ahnungslosigkeit nicht abkaufte. „Ich habe Miss Reese gestern Abend bei der Benefizveranstaltung getroffen. Sie entspricht nicht dem, was ich aufgrund ihres früheren Verhaltens erwartet habe.“

„Wir waren jung und wollten so viel Spaß wie möglich haben. Ich bin ja nicht der erste Marshall, der es auf die Titelseite einer Klatschzeitung geschafft hat.“

Brady räusperte sich. „Es war nicht nur eine Titelseite. Wir können uns noch gut an die anderen erinnern, auch wenn sie für dich in einem Nebel aus Wodka verschwimmen.“

Oh, mit seinen Erinnerungen war alles in Ordnung. Tatsächlich machten sie gerade Überstunden.

„Selbst ich weiß über alles Bescheid“, sagte Aspyn. „Und den damaligen Sommer habe ich hauptsächlich an einen Baum gekettet in Oregon verbracht.“

Überrascht wandte Brady sich an seine Frau. „Was?“

„Nichts. Mehr Kaffee?“ Aspyn schenkte ihm ein engelsgleiches Lächeln. „Ich will nur sagen, Finn, ihr beiden wart die Sensation des Sommers. Und das hat niemand vergessen. Caitlyn mag einige Jahre von der Bildfläche verschwunden sein, du jedoch nicht. Erst kürzlich habe ich ein Interview mit ihrer Mutter gelesen, in dem sie sagt, wie sehr sie sich darüber freut, dass ihre Tochter ins Filmgeschäft zurückkehrt. Nimm all das zusammen, und dir ist die Aufmerksamkeit der Leute gewiss, ob du das willst oder nicht.“

„Stimmt“, fügte Nana hinzu. „Trotz eures damaligen betrüblichen Verhaltens scheint Miss Reese eine bezaubernde und sehr charmante junge Frau zu sein.“

Irgendwo in diesen Worten lauerte eine Falle, aber Finn kam einfach nicht dahinter, wo. „Ich werde es ihr ausrichten.“

„Und ich möchte dasselbe über dich sagen können. Dein Bild ist schon wieder in den Zeitungen …“

„Da steckt nichts dahinter, Nana. Du weißt doch, wie es ist. Und ich kann dir versichern, dass mein Interesse an Cait rein beruflicher Natur ist. Tatsächlich …“ Er konnte nicht fassen, was er da sagte. „Es kursieren Gerüchte, dass Cait und Jason Elkins mehr als nur Kollegen sind.“

„Das freut mich zu hören. Ich wünsche den beiden alles Gute.“ Sie widmete sich wieder ihrem Frühstück. „Es tut mir leid, dass ich ein so unangenehmes Thema ausgerechnet bei Tisch angesprochen habe, aber ich bin froh, alles geklärt zu haben.“

„Cooles Ablenkungsmanöver“, flüsterte Ethan hinter seiner Kaffeetasse. „Beinahe hätte ich dir geglaubt.“

„Halt den Mund, bevor ich Lily zu einer hübschen Witwe mache.“

Nana räusperte sich. „Wir sind alt, nicht taub.“

Autor

Kimberly Lang
Schon in der Highschool versteckte Kimberly Lang Liebesromane hinter ihren Schulbüchern. Statt sich mit Theorien und Zahlen herumzuschlagen, schmökerte sie lieber in den neuesten Romances. Auch das Studium ernster englischer Literatur konnte ihre Leidenschaft für aufregende Helden und Happy Ends nicht ändern. Kimberly war nach der Ausbildung zunächst Balletttänzerin und...
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