Eine Mommy wie keine andere - 4-teilige Miniserie

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KLEINE HÄNDE, GROSSES HERZ von SUSAN MEIER
„Drillinge?“ Wyatts heimliche Jugendliebe Missy ist schön wie damals – und dreifache Singlemom. Daran, dass er sich nach ihren Küssen sehnt, hat sich nichts geändert. Doch dass sein Herz schmilzt, wenn eine kleine Kinderhand nach seiner greift: Das ist neu …

WENN DIE LIEBE ZURÜCKKEHRT von CARA COLTER

Mac ist wieder da! Der Selfmade-Millionär ist zurückgekehrt, um seine geliebte Pflegemutter zu besuchen. Doch für Lucy, die in den Rebellen von einst verliebt war, wird das Wiedersehen mit Mac eine Reise in die Vergangenheit. Voller Schmerz – aber da ist noch etwas anderes. Hoffnung?

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LIEBE GESUCHT – FAMILIE GEFUNDEN von MICHELLE DOUGLAS
Jetzt oder nie! Meg wünscht sich ein Baby - und wer käme eher für die Rolle als Vater ohne Pflichten in Frage, als ihr bester Freund Ben? Sie konnte ja nicht ahnen, dass der attraktive Weltenbummler sich plötzlich nach dem größten aller Abenteuer sehnt: einer Familie.


  • Erscheinungstag 18.04.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529396
  • Seitenanzahl 468
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Kleine Hände, großes Herz erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Linda Susan Meier
Originaltitel: „A Father for Her Triplets“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 380 - 2014 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Edigna Hackelsberger

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 4/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751529297

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Das Beste am Reichsein war, dass man sich alles leisten konnte, was das Herz begehrte. Wyatt McKenzie musste auf nichts verzichten.

Als er an diesem warmen Aprilmorgen die kurvige Straße nach Newland, Maryland, entlangfuhr, ließ er grinsend den Motor seiner großen schwarzen Harley aufheulen. Er liebte dieses Spielzeug.

Das Zweitbeste daran, über viel Geld zu verfügen, war die Macht, die der Reichtum mit sich brachte. Nicht, dass er einen Krieg anzetteln oder Kontrolle über das Leben der Menschen, die bei ihm in Lohn und Brot standen, ausüben wollte. Was er liebte und in vollen Zügen genoss, war die Freiheit, sich seine Zeit frei einteilen zu können.

Zum Beispiel gerade jetzt. Seine Großmutter war einen Monat zuvor gestorben, und ihr Haus sollte für den Verkauf leer geräumt werden. Die Familie hätte jemanden damit beauftragen können, aber Grandma McKenzie hatte dazu geneigt, überall Bargeld und Schmuck zu verstecken. Da man den Familienschmuck nicht in ihrem Stadthaus in Florida gefunden hatte, vermutete Wyatts Mutter, dass er sich noch in Grandma McKenzies Landhaus in Maryland befand. Und Wyatt hatte sich bereit erklärt, die lange Fahrt auf sich zu nehmen und dort danach zu suchen.

Eigentlich hätte auch seine Mutter hinfahren können. Vermutlich hätte sie sogar eher gewusst, nach was genau sie Ausschau halten musste. Aber seine Scheidung war gerade eine Woche zuvor über die Bühne gegangen. Nach vier Jahren Kampf ums liebe Geld hatte seine Exfrau eingewilligt, sich mit dreißig Prozent der Anteile an seiner Firma zufriedenzugeben.

An seiner Firma. Seine Ex hatte ihn betrogen, angelogen und versucht, seine Autorität zu untergraben. Und nun bekam sie dreißig Prozent von allem, was er sich erarbeitet hatte? Das war nicht fair.

Es tat aber auch weh. Sie waren vier Jahre verheiratet gewesen, als die Probleme begannen. Dabei hatte er gedacht, sie sei glücklich.

Jetzt würde er eine Weile brauchen, um seinen Zorn auf sie zu überwinden und wieder ein normales Leben zu führen. Tausend Meilen weit weg den Familienschmuck ausfindig zu machen war eine gute Rechtfertigung dafür, Abstand zu gewinnen und das Vergangene zu vergessen. Erneut ließ er den Motor aufheulen, als er den Highway bei der Ausfahrt Newland verließ, die Stadt, in der er aufgewachsen war.

Nachdem er seinen Comic-Verlag gegründet hatte, war er mit seiner ganzen Familie in den Sonnenstaat Florida gezogen. Seine Eltern waren immer wieder in die alte Heimat zurückgekehrt, und seine Granny hatte ihn oft über den Sommer besucht.

Jetzt war er nach fünfzehn langen Jahren wieder hier. Als ein anderer. Als reicher Mann – nicht länger der unbeholfene Junge, den alle zwar mochten, aber ständig hänselten. Er war nicht mehr der schmächtige Nerd, der beim Sport nie in die Mannschaft gewählt worden war, sondern ein über eins neunzig großer, fast hundert Kilo schwerer athletischer Typ, der nicht nur ins Fitnesscenter ging, sondern obendrein ein Vermögen gemacht hatte.

Als er an den Empfang dachte, den man ihm in seiner Heimat bereiten würde, lachte er auf.

Zwei weite Kurven führten ihn auf die Main Street, dann eine letzte Abzweigung zum Haus seiner Großmutter. Er erkannte das in die Jahre gekommene Holzhäuschen sofort. Giebel und blaue Fensterläden bildeten einen schönen Kontrast zur weißen Fassade. Eine üppige Hecke säumte die Zufahrt und sorgte für die nötige Privatsphäre zum benachbarten, im gleichen Stil errichteten Haus. Die Einrichtung war gemütlich. Schlicht. So wohnten alle in Newland. Man führte dort ein ruhiges Leben ohne hektischen Trubel – ohne die Cocktailpartys und Picknicks, den Skiurlaub und die Wohltätigkeitsveranstaltungen, die seinen Alltag in Florida bestimmten.

Vor dem Haus stellte er den Motor ab, klemmte sich den Helm unter den Arm und setzte die Sonnenbrille auf. Dann ging er hinüber zu der altmodischen Holzgarage und zog die Tür auf – hier gab es weder ein Schloss noch ein automatisches Garagentor. Man kannte die Nachbarn, half und schützte sich gegenseitig.

Das vermisste er manchmal.

„Hey, Mister.“

Er blieb stehen und sah sich um. Da er niemanden entdeckte, kümmerte er sich wieder um sein Bike.

„Hey, Mister.“

Er blickte in die Richtung, aus der die Kinderstimme kam, und entdeckte einen kleinen Jungen mit großen braunen Augen, der kaum älter als vier Jahre sein konnte. Er stand in einer Lücke in der Hecke und grinste Wyatt freundlich an.

„Hi.“

„Hallo, Sportsfreund.“

„Ist das dein Motorrad?“

„Ja.“ Wyatt ging hinüber zu dem Jungen und schob ein paar Heckenzweige zur Seite, damit er den Kleinen besser sehen konnte. Sein braunes Haar im Bürstenschnitt stand nach allen Seiten ab, das T-Shirt hatte Flecken und die Hose hing ihm auf der mageren Hüfte.

Er legte den Kopf in den Nacken und blinzelte Wyatt an. „Darf ich mal drauf sitzen?“

Wyatt überlegte. Noch nie hatte er einen kleinen Jungen auf seiner Maschine mitgenommen und kannte sich mit Kindern auch nicht besonders gut aus. Außer auf Betriebsfesten, wenn seine Angestellten ihren Nachwuchs mitbrachten, kam er nicht oft mit Kindern in Kontakt.

„O-wen!“ Die freundliche Stimme ertönte aus dem Garten nebenan, und Wyatt stockte der Atem.

Missy. Missy Johnson. Das hübscheste Mädchen der Highschool. Enkelin der Nachbarin seiner Granny. Damals hatte er ihr kostenlos Nachhilfe in Mathe gegeben, nur um neben ihr sitzen zu können.

„Owen. Schatz! Wo bist du denn?“

Ihre melodische Stimme klang Wyatt wie Musik in den Ohren. Er sah auf den Jungen hinunter. „Du heißt also Owen.“

Der Kleine grinste zu ihm hoch.

Die Hecke wurde auseinandergeschoben, und auf einmal stand sie vor ihm: Missy, das lange blonde Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

In den vergangenen fünfzehn Jahren hatte er sich von Kopf bis Fuß verändert, doch an ihr war die Zeit scheinbar spurlos vorübergegangen. Ihre blaugrauen Augen funkelten unter den dichten schwarzen Wimpern. Die vollen Lippen bildeten einen reizenden Schmollmund. Und ihre Pfirsichhaut war zart gerötet wie die eines Teenagers, obgleich sie dreiunddreißig war. Ihr blaues T-Shirt und die Jeansshorts betonten ihre schmale Taille und die sanfte Rundung ihrer Hüften. Und die Beine waren noch immer so perfekt wie zu ihrer Zeit als Cheerleaderin für das Newland Highschool Football Team.

Die Erinnerungen ließen sein Herz schneller schlagen. Er und Missy hatten sich kennengelernt, weil ihre Großmütter Nachbarinnen waren. Und obwohl die hübsche Blondine der Schwarm aller Jungs an der Schule und er für alle nur der Nerd und Stubenhocker gewesen war, hatte er sich seit seinem zwölften Lebensjahr danach gesehnt, sie zu küssen.

Fragend sah sie ihn an. „Kann ich Ihnen helfen?“

Dann erkannte sie ihn also nicht?

Er lächelte schelmisch.

„Du erinnerst dich nicht an mich?“

„Sollte ich das?“

„Na ja, immerhin hast du es mir zu verdanken, dass du in Mathe damals nicht durchgefallen bist.“

Sie überlegte kurz. Dann riss sie vor Staunen Mund und Augen auf. „Wyatt?“

Er grinste. „Wie er leibt und lebt.“

Ihr Blick fiel auf seine schwarze Lederjacke und den Bikerhelm, den er unter den Arm geklemmt hatte.

Stirnrunzelnd, als könne sie sein rebellisches, sexy Outfit nicht mit dem Streberlook aus der Schulzeit zusammenbringen, musterte sie ihn von Kopf bis Fuß.

Er nahm die Sonnenbrille ab, damit sie sein Gesicht besser sehen konnte. „Ich hab mich leicht verändert seit damals.“

Als sie ihn weiter intensiv musterte, fühlte er sich zurückversetzt in den verliebten Teenager, der er einst gewesen war, und bekam einen Kloß im Hals. Am liebsten hätte er sie in die Arme gezogen.

Dann blickte er auf den kleinen Jungen. Und wieder zu Missy zurück. „Ist das deiner?“

Zärtlich strich sie über Owens Igelfrisur. „Ja.“

„Mom! Mom!“ Ein kleines Mädchen kam herbeigerannt. Sie stupste Missy an und jammerte: „Lainie hat mich gehauen.“

Ein weiteres kleines Mädchen stürmte herbei.

Wyatt hob die Augenbrauen. Drei Kinder?

Ihre Blicke trafen sich. „Das sind meine Kinder, Owen, Helaina und Claire.“ Sie strich jedem der Kleinen übers Haar. „Es sind Drillinge.“

Hätte er Kaugummi gekaut, so hätte er ihn sicher vor Schreck verschluckt. „Drillinge?“

Oh Mann!

„Du und dein Mann, ihr müsst ja wirklich sehr …“ Übernächtigt, erschöpft, bankrott? „… stolz sein!“

Missy Johnson Brooks wandte sich an ihre Kinder und deutete Richtung Haus. „Geht schon mal rein. Ich komme gleich nach und mache Lunch.“ Dann richtete sie das Wort erneut an den gut aussehenden Mann auf der anderen Seite der Hecke.

Wyatt McKenzie war vermutlich der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Mit seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar, den breiten Schultern und den aufmerksamen braunen Augen konnte er durchaus mit Schauspielern oder Models konkurrieren.

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, doch sie riss sich zusammen. Es war nicht nur verwirrend, Wyatt McKenzie als erwachsenen Mann mit unwiderstehlichem Sexappeal vor sich zu sehen. Er weckte auch Erinnerungen in ihr, die sie lieber weiterhin verdrängt hätte.

Mit einer Hand schirmte sie die Augen vor der Mittagssonne ab. „Mein Mann und ich sind geschieden.“

„Oh, das tut mir leid.“

Achselzuckend erwiderte sie: „Ist schon okay. Und wie steht’s bei dir?“

Er zog eine Grimasse. „Auch geschieden.“

Seine früher eher quäkige Stimme war jetzt tief und so sexy, dass ihr der Atem stockte und sie erschauerte.

Nur mühsam unterdrückte sie ein ungläubiges Kopfschütteln. Sie würde sich doch wohl nicht dazu hinreißen lassen, ihn anzuhimmeln? Schließlich war ihr das bei einem Mann schon einmal zum Verhängnis geworden. Voller Vertrauen und romantischer Träume hatte sie einen toll aussehenden Typen geheiratet, der ihr Herz höherschlagen ließ, und ein paar Jahre später hatte sie allein und verlassen mit drei kleinen Kindern dagesessen. Weiß Gott, sie hatte ihre Lektion gelernt und wollte nicht noch einmal den gleichen Fehler machen.

Entschlossen räusperte sie sich. „Es gibt Gerüchte, dass du steinreich geworden bist, nachdem du von hier fortgegangen bist.“

„Das stimmt. Ich zeichne Comics.“

„Und damit kann man so viel Geld verdienen?“

„Na ja, ich zeichne, schreibe Drehbücher für Zeichentrickfilme …“ Sein Lächeln wurde breiter und ungemein sexy. „Und außerdem gehört mir die gesamte Produktionsfirma.“

Ungläubig sah sie ihn an. Wenn er sie damals auf der Highschool so angelächelt hätte, wäre sie wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen. Jetzt war sie Gott sei Dank älter und klüger und wusste, wie man einem perfekten Lächeln widerstand. „Dir gehört die Produktionsfirma?“

„Ich hätte eigentlich gedacht, dass die Buschtrommeln in Newland besser funktionieren.“

„Das tun sie vermutlich auch. Aber in den vergangenen Jahren hatte ich nicht die Zeit, ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken.“

Er ließ den Blick zu den drei kleinen Kindern wandern. Eins nach dem anderen war wieder zur ihr an die Hecke zurückgelaufen, und jetzt klammerten sie sich an ihre Knie. „Ich verstehe.“

Nachdenklich sah sie ihn an. Er war nicht der Einzige, der sich seit der Highschool verändert hatte. Sie selbst mochte zwar vielleicht nicht reich sein, aber sie hatte auch so einiges auf die Beine gestellt. Nicht nur, dass sie die Drillinge allein großzog, sie hatte auch beruflich große Pläne. „Ich habe auch ein Unternehmen gegründet.“

„Wirklich?“

Verlegen senkte sie den Blick. Nicht zu glauben, dass er sie so in den Bann zog. Dann fiel ihr wieder ein, dass Wyatt schon früher ein ganz besonders netter Kerl gewesen war, und vielleicht war er das unter seiner dicken schwarzen Lederkluft noch immer. Doch ihr Misstrauen war geweckt. Denn wenn er kein netter Kerl mehr war, dann wollte sie sich von diesem attraktiven Fremden ihre Erinnerung an damals nicht kaputt machen lassen. Und er sollte auch nicht zu viel über ihre Vergangenheit herausfinden.

„Es steckt erst in den Kinderschuhen“, wiegelte sie daher ab.

„Jeder hat mal klein angefangen.“

Sie nickte.

„Okay, dann bringe ich wohl mal besser meine Maschine in die Garage“, sagte er lächelnd, sah dabei aber die Drillinge an und nicht sie.

Nicht überrascht, dass er nicht weiterplaudern wollte, trat Missy einen Schritt zurück. Welcher attraktive Firmenbesitzer und Motorradfan würde auf eine Frau mit gleich drei kleinen Kindern fliegen? Alle drei waren zwar niedlich und lieb, aber meist auch sehr anstrengend.

Obwohl sie froh war, dass er das Weite suchte, schossen ihr die Erinnerungen durch den Kopf. Wie er ihr immer wieder in Mathe geholfen und sie später stotternd gefragt hatte, ob sie ihn nicht zum Abschlussball begleiten wollte. Und dass sie zu dieser Verabredung nicht erschienen war.

Sie hätte sich gern dafür entschuldigt, dass sie ihn damals versetzt hatte, brachte aber aus Angst, ihm vielleicht Dinge anzuvertrauen, die ihr furchtbar peinlich wären, kein Wort heraus. „Es war schön, dich wiederzusehen.“

Er schenkte ihr sein umwerfendes Lächeln. „Mich hat es auch sehr gefreut.“ Er ließ die Heckenzweige los und war damit ihren Blicken entzogen.

Als der bedrohliche Neuankömmling verschwunden war, stürmte das lebhafte Trio Missy voraus ins Haus zurück. Sie folgte der Rasselbande, allerdings ging sie nicht in die Küche, sondern ins Wohnzimmer, wo sie sich aufs Sofa fallen ließ.

Dort legte sie sich ein Kissen auf die zitternden Knie und drückte das Gesicht hinein. Sie hätte wissen müssen, dass ein Zusammentreffen mit jemandem, den sie seit der Abschlussfeier in der Highschool nicht mehr gesehen hatte, sie unweigerlich an den schlimmsten Tag ihres Lebens erinnern würde.

An diesem Tag war ihr Vater auf der Heimfahrt von der Feier in einer Bar eingekehrt. Im Rausch hatte er anschließend ihre Mom verprügelt, das Kleid, das Missy mit ihrem eigenen ersparten Geld für die Abschlussparty gekauft hatte, absichtlich mit Bleichmittel ruiniert und ihrer viel jüngeren Schwester Althea eine Ohrfeige verpasst, bei der sie an die Wand geschleudert wurde und sich den Arm brach.

Althea, deren Geburt ihre Mom damals als ein Wunder und ihr Dad als größten Fehler bezeichnet hatten, war so schwer verletzt gewesen, dass Missy sie ins Krankenhaus bringen musste.

Sobald ihr Arm eingegipst war, hatte eine Sozialarbeiterin in der Behandlungskabine der Notaufnahme bei ihnen beiden vorbeigeschaut.

„Wo ist eure Mom?“, hatte sie wissen wollen.

„Sie ist heute Abend ausgegangen. Ich bin achtzehn und passe auf meine kleine Schwester auf“, erklärte Missy daraufhin.

Ungläubig sah die Sozialarbeiterin sie an, also zeigte sie der Frau ihren Führerschein. Als die Frau vom Amt endlich gegangen war, war Althea wütend gewesen, denn sie hätte lieber die Wahrheit gesagt.

„Willst du in einer Pflegefamilie landen?“, hielt Missy ihr vor. „Oder noch schlimmer, willst du, dass er Mom totschlägt?“

Also war das dunkle Geheimnis bewahrt worden.

Missy konnte nur stoßweise atmen. Ihre Mutter war inzwischen tot. Althea war von zu Hause ausgezogen. Sie hatte sich an einer kalifornischen Universität, Tausende Meilen weit weg, eingeschrieben. Als sie fortgegangen war, hatte sie nie mehr zurückgeblickt.

Und ihr Dad?

Nun, er war ebenfalls aus ihrem Alltag verschwunden, aber er spukte noch immer in ihrem Kopf herum. Er führte noch den Diner in der Stadt, aber versoff oder verspielte jeden verdienten Cent. Wenn er nicht betrunken war, saß er in den Spielhöllen von Atlantic City. Zu Missy kam er nur, wenn er Geld brauchte.

Eine kleine Hand legte sich auf ihre Schulter. „Geht’s dir nicht gut, Mommy?“

Owen. Er hatte einen kleinen Sprachfehler, weil er lispelte, besaß aber ein großes Herz.

Sie sah ihn an. „Alles in Ordnung, mein Schatz.“

Lächelnd zerstrubbelte sie ihm das Haar. „Mommy geht’s gut.“

Und das stimmte auch, denn nach ihrer Scheidung hatte sie gewusst, dass kein Ritter auf einem weißen Pferd sie retten würde. Sie musste selbst für sich und ihre Kinder sorgen, indem sie ihnen ein Zuhause schuf, wo sie niemals Angst und Hunger leiden mussten.

Nachdem ihr Ex das gemeinsame Sparkonto leer geräumt und sie mit drei Babys und ohne Geld sitzen gelassen hatte, hatte sie sich geschworen, sich nie wieder auf jemand anderen zu verlassen als auf sich selbst.

Ganz sicher würde sie keinem Mann mehr vertrauen.

Auch nicht Wyatt, selbst wenn er einen supernetten Eindruck machte.

Wyatt trat durch die Hintertür ins Haus seiner Großmutter. Er war ziemlich verwirrt. Irgendwie hatte er Missy als achtzehnjährige Schönheitskönigin in Erinnerung behalten. Zwar sah sie noch immer atemberaubend aus, war aber inzwischen erwachsen geworden und hatte es im Leben zu etwas gebracht. War verheiratet gewesen und hatte Drillinge bekommen.

Er hatte keine Ahnung, warum ihn das so durcheinanderbrachte. Aus ihm war schließlich auch etwas geworden. Ebenso wie sie hatte er geheiratet und sich scheiden lassen. Warum fühlte es sich so komisch an, dass sie beide dieselben Erfahrungen gemacht hatten?

Sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche, und als er die Nummer seiner Assistentin auf dem Display sah, meldete er sich. „Hallo, Arnie. Was gibt’s?“

„Nichts Schlimmes. Aber heute Morgen wurden die Wizard Awards vergeben, und drei Ihrer Geschichten wurden ausgezeichnet!“

„Oh.“ Eigentlich hätte er erwartet, dass ihn die Nachricht elektrisieren würde, aber in Gedanken war er noch ganz bei Missy.

„Ich dachte, Sie würden ausflippen vor Freude.“

„Ja, das ist ganz toll.“

„Sie haben es verdient. Ihre Comics sind klasse.“

Er musste grinsen. Seine Bücher waren tatsächlich klasse, das stimmte. Er war nicht eitel, aber was seine Arbeit anbelangte, hatte er ein gesundes Selbstbewusstsein.

Er hielt inne. Jetzt fiel ihm wieder ein, warum er Missy gegenüber so befangen gewesen war. Sie hatte ihm einen Korb gegeben. Am Abend der Abschlussfeier waren sie zur Party verabredet gewesen, und sie war einfach nicht erschienen. Mehr noch, sie war den ganzen Sommer über nie zum Haus seiner Großmutter gekommen. Auch auf der Straße hatte er sie nicht getroffen. Er hatte sich im Juni, Juli und August den Kopf darüber zerbrochen. Dann war er abgereist, um aufs College zu gehen, und hatte nie erfahren, warum sie sich nicht bei ihm gemeldet hatte.

Da er mittlerweile dreiunddreißig, wohlhabend, talentiert und erfolgreich war, fühlte er sich stark genug, den Grund dafür zu erfahren. Er mochte ein Drittel seines Unternehmens an seine Exfrau verloren haben, betrachtete ihre Scheidung mittlerweile aber eher nüchtern.

Das hier mit Missy war etwas anderes, etwas Persönliches.

Und er wollte endlich herausfinden, was damals geschehen war.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen wachte Wyatt mit einem Kater auf. Nachdem er das Telefonat mit Arnie beendet hatte, war er zum Supermarkt aufgebrochen und hatte Milch, Brot, Käse und einen Kasten Bier gekauft. Da er seine Auszeichnungen feiern wollte, hatte er auch noch eine Flasche billigen Champagner mitgenommen. Anscheinend war Champagner und Bier keine gute Mischung, denn sein Kopf brummte ganz schön.

Er kochte Kaffee, schenkte sich eine Tasse ein und ging auf die hintere Veranda, um frische Luft zu schnappen.

Von diesem Beobachtungsposten aus konnte er über die Hecke sehen. Missy stand im Garten und hängte Wäsche auf. Am Abend davor hatte er beschlossen, sie doch nicht zu fragen, warum sie ihn damals versetzt hatte. Es war sinnlos. Warum sollte er sich Gedanken über etwas machen, das fünfzehn Jahre zuvor geschehen war?

Trotzdem blieb er sitzen und betrachtete ihre hübschen Beine und ihren knackigen Po. Kaum zu glauben, dass sie schon dreiunddreißig, geschweige denn Mutter von Drillingen war.

„Hey, Mister.“

Überrascht ließ er den Blick zur untersten der fünf Verandastufen wandern.

„Hallo, Kleiner.“

„Willst du fernsehen?“

„Ich hab keinen.“ Lachend ging er die Stufen hinunter. „Und meinst du nicht, deine Mom macht sich Sorgen, wenn du einfach verschwindest?“

Owen nickte.

„Du solltest besser wieder heimgehen.“

Vehement schüttelte er den Kopf.

Wyatt lachte und trank seinen Kaffee aus. Der Kleine konnte offenbar Gedanken lesen. Er sah zur Hecke, aber von unterhalb der Veranda konnte er Missy nicht mehr sehen, und es kam ihm komisch vor, zu ihr hinüberzurufen, sie solle ihren Sohn abholen.

Also fasste er Owen an der Hand. „Komm mit.“ Gemeinsam mit ihm ging er hinüber zur Hecke und bog die Zweige zurück, damit Owen hindurchsteigen konnte. Dann folgte er ihm in Missys Garten, aber die Wäsche war aufgehängt und Missy wieder im Haus verschwunden.

Er hätte Owen einfach im Garten zurücklassen und ihm erklären können, dass er nicht mehr zu ihm herüberkommen solle, doch der Kleine bedachte ihn nur mit einem traurigen Blick.

Wyatt schmolz dahin. „Also gut. Ich geh mit dir rein.“

Zufrieden ließ Owen seine Hand los und raste davon. Auf der Hintertreppe rief er begeistert: „Hey, Mom. Dieser Mann ist wieder da.“

Wyatt zuckte zusammen. Das klang ja, als sei er ein Stalker.

Missy öffnete die Tür, und Owen schlüpfte hinein.

„Tut mir leid.“ Langsam ließ Wyatt den Blick von Missys langen Beinen an ihren Jeansshorts vorbei zu dem kurzen pinkfarbenen T-Shirt und ihrem schönen Busen hinauf zu ihrem hübschen Gesicht wandern. Ihre Erscheinung zog ihn magisch an, doch obwohl er den Anblick gern ein paar Minuten genossen hätte, unterdrückte er den Impuls. Sie war Mutter dreier Kinder und er nach seiner Scheidung noch immer ziemlich verwirrt. Er wollte keine Beziehung, er wollte Sex. Gleichzeitig war er nicht der Typ, der mit einer netten Frau Spielchen trieb.

„Owen ist bei mir auf der Veranda aufgetaucht, und da dachte ich, ich bringe ihn besser nach Hause zurück.“

Sie runzelte die Stirn. „Das ist ja komisch. Er ist sonst noch nie weggelaufen. Komm doch kurz mit rein, dann schenk ich dir Kaffee nach.“ Lächelnd sah sie auf die Tasse in seiner Hand.

Diesem freundlichen Angebot konnte er nicht widerstehen. Sie führte ihn in die Küche, wo ihre beiden Töchter mit ihren Malbüchern beschäftigt waren. Auf der vollgestellten Küchentheke standen Schüsseln und allerlei Zutaten zum Kochen.

Missy deutete zum Tisch. „Setz dich doch.“

Die beiden Mädchen blickten kurz auf und lächelten ihn an, widmeten sich dann aber wieder ihrer Malerei. Missy schenkte ihm Kaffee ein.

„Was kochst du denn?“

„Zuckerpaste.“

Das klang nicht sehr verführerisch.

Missy trug die Kaffeekanne zurück zur Theke. „Daraus mache ich Zuckerblumen, mit denen ich Kuchen dekoriere.“

„Stimmt. Du hast ja früher schon immer für euren Diner gebacken.“

„Ja, damit hab ich mir mein Taschengeld verdient.“

Erstaunt sah er sie an. „Ach, komm. Dein Vater hat einen Diner. Jeder wusste, dass eure Familie in Geld schwimmt.“

Sie wandte sich ab und erwiderte kühl: „Ich musste mir mein Taschengeld trotzdem selbst verdienen.“

Wyatt war verwirrt über ihren Stimmungswechsel, plauderte aber unbefangen weiter. „Und für wen ist dieser Kuchen?“

„Für eine Hochzeit. Es soll ein stilvolles Fest werden. Also wird die Torte schlicht, aber exquisit verziert.“

Plötzlich begriff er. „Dann stellt deine Firma also selbst gebackene Torten her?“

„Brautleute sind gern bereit, für eine Torte, die genau zu ihrer Hochzeit passt, etwas mehr springen zu lassen. Das heißt, eine Torte pro Monat bringt uns über die Runden. Ich hab dieses Haus geerbt, und wir haben keine hohen Lebenskosten, daher reicht uns das im Moment.“

„Und was machst du im Winter, wenn weniger Leute heiraten?“

„Na ja, deshalb muss ich in der Hochzeitssaison mehr als eine Torte pro Monat herstellen, damit ich etwas für auftragsschwache Zeiten beiseitelegen kann.“

„Das leuchtet ein.“ Er trank seinen Kaffee aus. „Dann lasse ich dich jetzt besser weiterarbeiten.“

„Du hast mir noch gar nicht erzählt, was dich wieder in diese Gegend gebracht hat.“ Aufmunternd lächelte sie ihn an.

Er zuckte verlegen mit den Schultern, da er nicht wusste, ob sie wirklich daran interessiert war oder nur höflichen Small Talk hielt. „Der Familienschmuck“, erwiderte er knapp. „Anscheinend besaß meine Großmutter ein paar Ketten oder Broschen, die ihre Großmutter damals aus Schottland mitgebracht hat.“

„Oh, die sind sicher wunderschön.“

„Keine Ahnung. Aber ich soll nachsehen, ob sie noch da sind.“

„Hatte sie keine Schmuckschatulle?“

„Doch, und gestern habe ich meiner Mom Bilder von allem darin geschickt, aber von den Stücken aus Schottland war nichts dabei. Ich bleibe hier, bis ich sie gefunden hab. Ich kann mir freinehmen, wann immer ich will, aber ich kann natürlich nicht ewig hierbleiben.“

„Vielleicht hast du ja mal Lust, einen Abend zum Grillen rüberzukommen. Dann könnten wir darüber reden, wie es uns in all den Jahren ergangen ist.“

Er erinnerte sich an viele Nachmittage im Garten ihrer Großmutter, aber am besten daran, wie schön es gewesen war, mit Missy zusammen zu sein. Für einen scheidungsgeschädigten Mann wie ihn war es sicher keine schlechte Idee, Zeit mit einer Frau zu verbringen, die ihn an glückliche Zeiten erinnerte.

Daher erwiderte er lächelnd: „Das wäre schön.“

Zurück im Haus seiner Granny, ging er geradewegs in ihr Schlafzimmer. Da sie acht Monate im Jahr in Florida und vier in Maryland gewohnt hatte, war das Haus immer noch so eingerichtet wie eh und je.

Er trat zu ihrem Toilettentisch und durchsuchte die Schubladen, aber vermutlich hatte seine Großmutter den Schmuck gut versteckt. Vielleicht gab es ja irgendwo ein Geheimfach oder lockere Dielenbretter.

Also schob er das Bett zur Seite und suchte nach einem losen Brett, das auf ein Geheimfach hindeuten könnte. Vorsichtig fuhr er mit der Hand über die Dielen und stieß plötzlich auf einen Widerstand.

Er hob den Blick, und neben ihm kniete Owen.

„Hey.“

Wyatt setzte sich auf die Fersen. „Hey. Weiß deine Mom, dass du hier bist?“

Der Kleine schüttelte den Kopf.

Wyatt seufzte. „Okay, hör zu. Ich mag dich, und ich versteh auch, dass du dich zu Hause mit drei Frauen manchmal langweilst.“

Mit großen Augen sah Owen ihn an.

„Aber du kannst nicht einfach immer hier rüberkommen.“

„Doch, natürlich, ich muss nur durch die Büsche.“

Wyatt unterdrückte ein Lachen. Der Kleine war nicht auf den Kopf gefallen. „Das ist mir schon klar, dass du rüberkommen kannst . Aber du darfst nicht rüberkommen, ohne dass deine Mom es dir erlaubt hat.“

Owen streckte ihm ein Handy entgegen. „Wir können sie ja anrufen.“

Wyatt stöhnte. „Owen. Ich sage das ungern, aber wenn es das Handy von deiner Mom ist, dann könntest du jetzt eine Menge Ärger kriegen.“ Er streckte die Hand nach dem Apparat aus. „Tut mir leid, aber ich muss dich und das Handy jetzt wieder nach Hause bringen.“

Im Garten schob er die Heckenzweige beiseite und ging mit Owen an der Hand zu Missys Küchentür. Er klopfte an und rief: „Missy?“

Sie erschien an der Tür, und als sie Owen sah, verstand sie sofort: „Oh nein. Tut mir leid. Ich dachte, er spielt mit den Mädchen im Kinderzimmer.“

Sie ging vor dem Kleinen in die Hocke. „Schatz, du musst hier bei Mommy bleiben.“

Owen schlang seinen kleinen Arm um Wyatts Beine und sah sie bittend an.

Wyatt fiel siedend heiß seine eigene Kindheit wieder ein. Die Nachbarskinder hatten ihn damals oft nicht mitspielen lassen, weil sie ihn komisch fanden, und bei seinen Schwestern hatte er auch nicht landen können, weil er kein Mädchen war.

Die Erinnerungen daran versetzten Wyatt einen Stich. „Weißt du was? Ich hab ihn eigentlich nicht nach Hause gebracht, weil er mich nervt.“ Er erkannte einen Hilfeschrei, wenn er ihn hörte, und konnte das nicht einfach ignorieren. Lächelnd streckte er Missy das Handy entgegen, und sie seufzte erleichtert auf. „Ich wollte nur, dass du weißt, wo er ist, außerdem wollte ich dir das Handy zurückbringen.“

Verwundert sah sie ihn an. „Heißt das, er kann eine Weile bei dir drüben bleiben?“

„Ja, ich bin sicher, wir vertragen uns.“

Missy sah ihren Sohn an. „Wenn ich dir erlaube, eine Weile bei Mr. McKenzie drüben zu spielen, versprichst du mir dann, heute Nachmittag hierzubleiben?“

Owen nickte eifrig.

„Meine Granny hat alles aufbewahrt, und sicher hat sie auch noch die alten Spielsachen von mir. Und ich hab ja auch den Sandkasten bei euch im Garten gesehen. Da können wir notfalls auch spielen.“

Owen zupfte an seinen Jeans. „Mit den Lastern.“

Hoffnungsvoll sah Missy Wyatt an. „Die Lastwagen sind sein Lieblingsspielzeug.“

Wyatt zuckte die Schultern. „Gern. Ich hab heute Morgen noch nicht geduscht, also kann ich auch eine Zeit lang im Sand rumkriechen.“

„Das ist wirklich nett von dir.“ Missy lächelte erleichtert.

„Kein Problem, das mach ich gern.“

Zwanzig Minuten später stand Missy vor ihrem Rührgerät und wartete darauf, dass die Gelatine abkühlte. Sie beobachtete Owen und Wyatt im Garten, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr Kleiner brauchte einen Mann als Bezugsperson, aber sein Dad war weggelaufen und wollte nichts mehr von seinen Drillingen wissen. Ihr eigener Vater war ein Trunkenbold, und in ihrem Freundeskreis gab es keine geeigneten Männer, die sich des Kleinen ein wenig annehmen könnten.

Owen schob einen Spielzeuglaster durch den Sand, und Wyatt bediente einen perfekt funktionierenden Schaufelbagger. Nachdenklich sah Missy den beiden zu. Auch wenn sie selbst sich nicht zu sehr auf ihren attraktiven Nachbarn einlassen wollte, würde es Owen doch guttun, wenn Wyatt sich in den nächsten Wochen hin und wieder mit ihm beschäftigte.

Sie brachte einen Krug Fruchtsaft und Kekse nach draußen. „Ich sage es nicht gern, aber jemand hier braucht sein Mittagsschläfchen.“

Wyatt gähnte und rekelte sich. „Hey, keine Sorge, du verletzt damit nicht meine Gefühle. Ich weiß, dass mir ein Mittagsschläfchen guttäte.“

Owen kicherte.

Lächelnd stand Wyatt auf. „Willst du heute Nachmittag ein paar Stunden mit mir spielen?“

Owen nickte.

„Gut. Dann komme ich wieder.“ Er nahm sich zwei Kekse von Missys Teller, bevor er durch die Hecke zu sich hinüberging.

Missy sah ihm nach und dachte, dass er sich ganz so benahm wie der Wyatt, den sie früher gekannt hatte. Und er schien Owen wirklich zu mögen, was ihr sehr entgegenkam.

Vielleicht gäbe es eine Möglichkeit, Wyatt in ihrer Nähe zu halten. Da er allein im Haus seiner Großmutter wohnte und es im Ort nur einen Diner zum Essengehen gab, musste es doch möglich sein, ihn dadurch an ihr Haus zu binden, indem sie ihm anbot, zum Essen zu ihnen herüberzukommen.

Am Nachmittag sah Missy ihn kurz nach drei durch die Hecke treten. Owen war draußen, daher musste Wyatt nicht mal hereinkommen. Er schnappte sich nur einen Ball und begann mit Owen zu kicken.

Missy wendete die Hähnchenbrüste, die sie gerade marinierte. Dann staubsaugte sie im Wohnzimmer und putzte das Bad. Als sie fertig war, saßen Owen und Wyatt am Gartentisch.

Mit dem marinierten Fleisch in der einen und einem Beutel Holzkohle in der anderen Hand ging sie hinaus in den Garten. „Würde es dir etwas ausmachen, den Grill für mich anzuzünden?“

Sofort stand Wyatt auf. „Aber nein.“ Er nahm ihr den Beutel ab und grinste: „Ich wusste gar nicht, dass es noch Holzkohle zu kaufen gibt.“

„Ist billiger als ein Gasgrill.“

„In einer Viertelstunde haben wir ein schönes Feuerchen“, versprach er.

„Wenn du länger brauchst, bist du kein richtiger Mann.“

Er lachte. „Das klingt ja wie in Highschoolzeiten.“

„Manches bleibt eben immer aktuell. Übrigens, ich hab genügend Hähnchen für eine ganze Armee mariniert, und ich mache dazu auch noch gegrilltes Gemüse, also wenn du zum Abendessen bleiben willst?“

„Wenn ich das Feuer zum Brennen bringe, dann schuldest du mir ein Abendessen.“

Sie lächelte und dachte, dass sie ihm für seine Hilfe mit Owen unendlich viel mehr als nur ein Essen schuldete, daher sagte sie nur: „Stimmt.“

Als sie wieder in der Küche war, beobachtete sie durchs Fenster, wie Wyatt sich beim Anzünden der Holzkohle mit Owen unterhielt. Beruhigt registrierte sie, dass er Owen in sicherem Abstand zum Grill hielt, ihm zugleich aber alles genau zeigte und erklärte.

Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie hoffte, dass Owen der Umgang mit Wyatt guttat und für vieles entschädigte, was er hatte entbehren müssen. Allerdings musste sie aufpassen, dass Wyatt keine zu große Rolle im Leben ihres Sohnes zu spielen begann, weil sie sich nicht mehr auf einen Mann einlassen würde, bis sie ihr Geschäft zum Laufen gebracht hätte. Bis sie finanziell unabhängig war. Und da ihr Geschäft gerade erst anlief, könnte das noch sehr lange dauern.

Als die Hähnchenbrüste fertig gegrillt waren, lief Wyatt hinüber, um zu duschen. Er mochte Owen. Hatte ihn bereits ins Herz geschlossen. Owen war kein weinerliches Muttersöhnchen. Er war ein kleiner Lausbub, der einfach jemanden zum Spielen brauchte.

Und Wyatt hatte seinen Spaß daran gehabt. Er hatte sogar Missys Gesellschaft genossen. Weil sie ihn nicht anhimmelte, sondern wie einen guten Freund behandelte.

Genüsslich hielt er den Kopf unter die Brause. Allerdings durfte er ihr nicht zeigen, wie attraktiv er sie fand. Er musste lachen. In der Highschool hatte er es immerhin vier Jahre lang geschafft, vor ihr zu verbergen, dass er verliebt in sie war. Während sie mit den besten Footballspielern der Schule ausgegangen war, hatte er sich als ihr Nachhilfelehrer abgemüht.

Aber mittlerweile hatte sich für ihn alles vollkommen verändert. Er war jetzt ein Mann, der das bekam, was er wollte. Es könnte schwierig werden, seinem erfolgsverwöhnten Ego einzureden, dass er sie nicht bekommen konnte.

Er müsste lernen, Kompromisse zu schließen. Einen Schritt zurückzutreten. Besonders da er nicht die Absicht hatte, noch einmal zu heiraten. Der bei seiner Scheidung erlittene finanzielle Verlust war für ihn ein herber Rückschlag gewesen. Sicher würde er früher oder später darüber hinwegkommen.

Aber die Kränkung? Das war etwas ganz anderes. Der Schmerz, die Frau zu verlieren, von der er geglaubt hatte, dass sie ihn liebte, hatte ihn zwei Jahre lang verfolgt. Er hatte keine Lust, so etwas noch einmal zu durchleben.

Und das bedeutete: Finger weg von einer festen Beziehung. Aber wenn er sich auf ein Abenteuer einließe, würde er nur Missys Gefühle verletzen, denn in ihrer Lage war sie sicher nicht auf eine unverbindliche Affäre aus.

Also würde er nicht mit ihr flirten. Er würde nett sein zu ihr und ihren Kindern, als Gegenleistung aber nichts von ihr erwarten.

Hoffentlich würde er dadurch über seine Trennung hinwegkommen und wieder ein richtig netter Kerl werden.

Als er in einem sauberen T-Shirt, Shorts und Flip-Flops wieder in Missys Garten zurückkam, hatte sie das gegrillte Gemüse schon aufgetischt und nahm das Fleisch vom Grill.

„Schnapp dir einen Teller, und bedien dich.“ Owen saß neben ihm auf der Bank und Missy ihnen gegenüber mit den beiden Mädchen.

Die kleine Claire erklärte altklug: „Jetzt sitzen auf einer Seite die Jungen und auf der anderen die Mädchen.“

„Wie früher in der Highschool“, bemerkte Wyatt, und sein Blick traf Missys. „Ist das gut oder schlecht?“

„Ich weiß nicht. Wir hatten noch nie einen anderen Jungen mit am Tisch.“

„Im Ernst?“

Missy zuckte die Schultern und schnitt Helainas Fleisch klein.

Interessant. Sie hatte seit Jahren keinen anderen Mann mehr zu Besuch gehabt? Wenn Wyatt das richtig deutete, musste sich seine Beziehung zu ihr ja vielleicht doch nicht nur aufs Platonische beschränken …

Doch diesen Gedanken verbot er sich sofort. Sich mit einer Frau wie Missy einzulassen wäre viel zu kompliziert, und eine platonische Beziehung würde beiden guttun.

Daher kreiste die Unterhaltung beim Essen um Themen der Kinder. Wyatt half anschließend beim Aufräumen, dann verkündete er, es sei für ihn nun an der Zeit, wieder ins Haus seiner Großmutter hinüberzugehen.

„Um nach dem verlorenen Schatz zu suchen“, erklärte er Owen.

„Kann ich nicht auch mit rübergehen und nach dem verlorenen Schatz suchen?“, bettelte Owen.

„Nein“, erwiderte Missy bestimmt. „Jetzt ist es Zeit zum Baden, zum Vorlesen und zum Schlafen.“

Owen zog eine Schnute. Doch Wyatt hatte eine Lösung parat, weil er Erfahrung in geschäftlichen Verhandlungen mitbrachte: Man musste der gegnerischen Partei etwas geben, was die unbedingt wollte, und jeder war glücklich.

Er ging vor Owen in die Hocke. „Du musst dich ausruhen, damit du morgen genug Kraft hast, um den Wolkenkratzer zu bauen, den wir geplant haben.“

Owens Miene hellte sich auf, als er erkannte, dass Wyatt auch am folgenden Tag mit ihm spielen würde. Glücklich schlang er ihm die Ärmchen um den Hals, drückte ihn fest und stürmte dann davon.

Wyatt war gerührt. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte ihn ein Kind umarmt. Und das bescherte ihm eine bisher ungekannte Empfindung: Er fühlte sich stark, fürsorglich und … gebraucht. Es war eine echte Win-win-Situation.

Missy seufzte zufrieden. „Ich danke dir.“

„Gern geschehen.“

Sie deutete zum Haus. „Tut mir leid, aber ich muss drinnen nach dem Rechten sehen, bevor sie das Bad unter Wasser setzen.“

Wyatt lachte. „Alles klar.“

Er schlenderte zur Hecke, schob sie auseinander und betrat das Haus seiner Granny. In ihrem Schlafzimmer im ersten Stock durchsuchte er weitere Schuhkartons mit allem möglichen Krimskrams. Doch kurz darauf spähte er schon wieder aus dem Schlafzimmerfenster und beobachtete Missy, die sich sichtlich erschöpft auf einem der Gartenstühle ausruhte.

Claire hatte ihm verraten, dass sonst kein anderer Mann ins Haus kam, was vermutlich bedeutete, dass Missy mit niemandem ausging. Und so wie sie jetzt dasaß, schien sie auch kaum Freizeit zu haben.

Wenn er ihr wirklich helfen wollte, durfte er sich nicht nur auf jene Dinge beschränken, die ihm nach seiner entnervenden Scheidung wieder zu innerer Ruhe und seinem ursprünglichen Selbst verhelfen würden. Seine Unterstützung müsste vor allem das Ziel haben, sie zu entlasten. Und gerade jetzt im Moment sah es so aus, als könnte sie gut einen Drink gebrauchen.

Also nahm er zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und ging zu ihr hinüber.

Sie bemerkte ihn erst, als er ihr zurief: „Hey, ich hab dich rauskommen sehen. Kann ich mich zu dir setzen?“

„Klar … gerne.“

Er erkannte, dass sie zögerte, schrieb es aber ihrer Erschöpfung zu und hielt die beiden Bierflaschen hoch. „Ich hab uns auch was mitgebracht.“ Er reichte ihr eine Flasche und ließ sich in den Sessel neben ihr sinken. „Dein Sohn würde auch einen Zehnkämpfer aus der Puste bringen.“

Sie lachte. „Er mag dich, und ich bin so froh, wenn du dich mit ihm beschäftigst.“ Sie nahm einen tiefen Zug. „Wow, ich hab schon seit Ewigkeiten kein Bier mehr getrunken. Mit drei kleinen Kindern muss man ständig auf Zack sein. Ein Bier geht gerade noch, beim zweiten würde ich sicher sofort einschlafen.“

„Gut zu wissen. Künftig biete ich dir nie mehr als eins an.“ Entspannt lehnte er sich zurück. „Erzähl mir mehr von deiner Tortenbäckerei.“

Sie sah ihn erstaunt an, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Das lange Haar, das sie bei der Arbeit zum Pferdeschwanz gebunden hatte, fiel ihr nun in weichen Wellen über die Schultern. Er wagte nicht, den Blick auf ihre Beine zu richten, da er nicht in Versuchung geraten wollte, denn beim Anblick ihrer schönen Beine wäre es sicher sofort um ihn geschehen.

„Ich mag meine Arbeit“, sagte sie, „aber manchmal ist alles auch sehr anstrengend.“

„Das kann ich mir gut vorstellen.“

„Es klingt seltsam, aber das meiste hab ich mir selbst beigebracht.“

Er musste lachen und wandte sich ihr zu. „Wie das?“

Auf einmal waren ihre Beine gefährlich dicht neben seinen. In ihm erwachte der Jagdtrieb, und er hätte zu gern mit ihr geflirtet. Zu gern würde er das erwachende Verlangen in sich spüren, die aufsteigende Glut vor einem ersten Kuss.

Ihre Blicke trafen sich, und sie befeuchtete sich die Lippen.

Zuerst bekam er eine Gänsehaut, dann spürte er, wie sein ganzer Körper zum Leben erwachte. Vielleicht fühlte sie sich ja ebenso zu ihm hingezogen wie er zu ihr.

Plötzlich stand sie auf und ging zur Verandabrüstung. Es sollte nicht so aussehen, als flüchte sie vor ihm. Aber die Anziehung beruhte ganz offenkundig auf Gegenseitigkeit, warum sollten sie das voreinander verbergen?

„Im Internet gibt’s haufenweise Videos von Hobbybäckern, die ihre besonderen Tricks präsentieren. Und das Dekorieren lässt sich leicht erlernen.“

Nun stand auch er auf. Er hatte beschlossen, dass er sich zu ihrer Entlastung sehr gern um Owen kümmern wollte, andererseits fragte er sich nun, ob ihm nicht eher eine neue Liebe als eine platonische Beziehung über seine traumatische Scheidung hinweghelfen würde. Und auch Missy würde eine kleine Romanze sicher guttun. Schöne Erinnerungen konnten einem dabei helfen, schwere Zeiten im Leben zu überstehen.

Er setzte sich neben sie. „Dann hast du also viele Probetorten gebacken?“

Nervös lachte sie auf. „Das hätte ich wohl tun sollen. Aber ich habe eine Bekannte, deren Schwester geheiratet hat, und als sie erfuhr, dass ich Hochzeitstorten backe, hat sie mir diesen ersten Auftrag verschafft …“ Sie stockte, als sich ihre Blicke erneut trafen.

Er musste lächeln. Was hätte er in der Highschool nicht alles dafür gegeben, wenn ihr bei seinem Anblick so der Atem weggeblieben wäre. Und jetzt, da es der Fall war, konnte er es nicht einfach ignorieren…

„Da es mein erster Auftrag war, hab ich nichts für die Torte verlangt. Glücklicherweise ist sie perfekt gelungen, und daher haben mich die Gäste überall weiterempfohlen.“

Er rückte ein Stück näher. „Klingt gut.“

„Das war letztes Jahr. Die Testphase“, erklärte sie und rückte ein Stückchen von ihm weg. „Dieses Jahr habe ich genügend Aufträge und könnte mein Geschäft problemlos Vollzeit betreiben.“

Wyatt nickte und rückte wieder näher. Er machte sich keine falschen Hoffnungen, sie am selben Abend noch verführen zu können, aber er wollte unbedingt einen Kuss.

„Du hörst mir ja gar nicht zu“, tadelte sie ihn und schaute ihn vorwurfsvoll an.

Er runzelte die Stirn. Ihre kühle, unbeeindruckte Stimme passte nicht zu dem brennenden Verlangen, das er im Moment in sich verspürte. Hatte er sich so sehr auf seine Fantasien konzentriert, dass ihm etwas von ihrer Erzählung entgangen war?

„Was willst du mir denn sagen?“

„Mein Mann hat mich mit drei kleinen Kindern sitzen gelassen. Vier Jahre lang mussten wir jeden Cent umdrehen. Es war eine glückliche Fügung, dass meine Bekannte mir vorgeschlagen hat, die Hochzeitstorte zu backen. Im vergangenen Jahr hat sich das Geschäft so gut entwickelt, dass ich jetzt ein gesichertes Einkommen habe.“ Sie stand auf und trat ein paar Schritte zur Seite. „Ich mag dich. Aber ich habe drei Kinder und ein Start-up-Unternehmen.“

Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er hatte sich ganz sicher falsche Hoffnungen gemacht, doch bisher hatte er diese Entschlossenheit in ihrer Stimme gar nicht wahrgenommen. „Du willst also nicht, dass ein Mann dir das alles wieder zerstört.“

„Genau.“

Die Schmetterlinge in seinem Bauch hörten augenblicklich auf zu flattern. Er nahm es ihr nicht übel, denn sie hatte recht.

Aber er war auch nicht glücklich.

Seufzend nahm er die leeren Bierflaschen und ging.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen fegte Owen zur Hintertür hinaus, als befände er sich auf einer wichtigen Mission, und Missy versetzte es einen Stich. Ihr Kleiner dachte wohl, Wyatt würde wieder am Sandkasten auf ihn warten.

Traurig schloss sie die Augen. Der Wyatt, den sie aus der Highschool kannte, war ein unscheinbarer, netter Kerl gewesen. Sie erinnerte sich daran, wie schüchtern er sie einst gefragt hatte, ob sie ihn zum Abschlussball begleiten wolle. Der heutige Wyatt war eine Kombination aus dem netten Kerl von damals und einem Fremden, der sie völlig aus der Fassung brachte.

Aber sie kannte die Männer. Sie wusste, wenn sie nicht bekamen, was sie wollten, dann zogen sie sich beleidigt zurück oder wurden grob. Wyatt würde zwar nie so wütend werden wie ihr Vater, aber sie wettete um ihren nächsten Auftrag als Tortenbäckerin, dass Owens Spielkamerad an diesem Tag nicht aufkreuzen würde, vermutlich sogar nie mehr. Und das alles nur, weil sie Wyatt McKenzies Charme nicht erlegen war.

Okay, das stimmte nicht ganz. Sein Charme glich einer Naturgewalt. Obendrein war er unglaublich attraktiv. Deshalb konnte sie nicht zulassen, dass Wyatt sie küsste. Ein leidenschaftlicher Kuss von ihm – und alle Dämme würden bei ihr brechen. Und genau das wollte sie nicht. Sie brauchte die Gewissheit, dass sie allein für ihre Kinder sorgen konnte. Und diese Sicherheit würde sie verlieren, wenn sie sich nicht mehr voll auf ihr Geschäft konzentrierte.

Daher hatte sie ihm eine Abfuhr erteilt. Und jetzt war Owen der Leidtragende.

Doch als sie unter dem Küchenvorhang nach draußen spähte, sah sie Wyatt McKenzie barfuß im Sandkasten sitzen.

Ihn dort gemeinsam mit ihrem Sohn zu sehen stellte ihren Glauben in ihn augenblicklich wieder her. Aber warum musste er nur so verdammt attraktiv sein? Vielleicht war er ja immer noch der nette Wyatt von damals. Doch bevor sie das nicht genau wusste, würde sie sich von ihm fernhalten.

Sie nahm die Zuckerpaste aus dem Kühlschrank und schnitt sie in gleich große Teile. Nach dem Auswalzen drehte sie die Paste durch die Nudelmaschine, damit sie noch dünner wurde. Die Bahnen legte sie auf Plastikfolie und stellte sie in den Tiefkühlschrank, bis sie daraus Blumen formen konnte.

Erneut spähte sie aus dem Fenster, wo Wyatt und Owen in ihr Spiel vertieft waren. Schön. Zwar war er nicht mehr der schüchterne Wyatt, aber noch immer ein netter Kerl. Sie würde vergessen, dass er ihr Avancen gemacht hatte. Vielleicht könnten sie beide ja gute Freunde werden. Und vielleicht sollte sie ihm zur Versöhnung ein Glas Fruchtsaft hinausbringen.

Als Missy mit einem Krug und Gläsern in den Garten trat, wusste Wyatt zunächst nicht, wie er reagieren sollte. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie er mit ihrer Abfuhr umgehen sollte. Außer dass er seinen Unmut nicht an Owen auslassen wollte.

Schüchtern lächelnd – offensichtlich wusste sie auch nicht, wie sie sich verhalten sollte – bot sie ihm ein Glas an. „Fruchtsaft?“

„Oh, vielen Dank.“

„Du kannst nehmen, so viel du magst.“

Aber ich darf sie nicht küssen.

Als sie ihm nachschenkte, holte er tief Luft. Er war glücklich. Owen war ein süßes Kerlchen. Auch die beiden Mädchen mit ihren Puppen fand er niedlich. Überdies hatte er sich die längste Zeit seines Lebens nach einem Kuss von Missy Johnson gesehnt und nie einen bekommen.

Genau genommen war das hier also nichts Neues für ihn.

Bis vor einiger Zeit hatte er fast alles bekommen, was er wollte. Mit seinem Talent hatte er viel Geld verdient und die Firma gekauft. Sein Leben war perfekt gewesen, bis Betsy ihn betrogen, verlassen und um eine Menge Geld gebracht hatte. Vielleicht erteilte ihm Missy nun die Lehre, dass er auch ein Nein und ein Scheitern akzeptieren musste.

Obwohl sie ihn zum Lunch einlud, blieb er nicht. Stattdessen verdrückte er ein trockenes Käsesandwich vom Supermarkt. Anschließend räumte er weiter den Wandschrank im Schlafzimmer seiner Großmutter aus und stapelte alles auf dem Bett. Wie konnte jemand nur so viel Zeug aufbewahren?

Er durchforstete einen Schuhkarton nach dem anderen, die von klumpigem Badesalz bis zu alten Quittungen alles enthielten. Etwa um zwei Uhr hörte er das Kreischen der Kinder im Garten und beschloss, dass er genug gearbeitet hatte. Zehn Minuten später spielten er und Owen Softball in einem Team gegen Lainie und Claire.

Gegen vier Uhr kam Missy mit Grillwürstchen fürs Abendessen heraus. Wyatt heizte den Grill an, blieb aber nicht zum Essen, schließlich akzeptierte er die ihm gesetzten Grenzen.

Verschwitzt und todmüde, wie er war, stellte er sich geradewegs unter die Dusche. Unter dem erfrischenden Wasserstrahl dachte er daran, wie viel Spaß es ihm bereitete, mit Missys Kindern zu spielen, aber auch, dass sie sehr anstrengend waren und viel Arbeit machten. Stirnrunzelnd kam ihm plötzlich ihr Vater in den Sinn.

Was war das nur für ein Mann, der eine Frau mit drei Kindern sitzen ließ? Der sie zwang, ihr eigenes Leben aufzugeben, weil sie seine Kinder allein durchfüttern musste?

Ein echter Mistkerl. Missy hatte einen Idioten geheiratet.

Wenn sie schlau war, würde sie keinem Mann mehr über den Weg trauen. Wyatt durchfuhr es eiskalt. Sie waren sich tatsächlich sehr ähnlich. Sie würde keinem Mann mehr vertrauen, weil einer sie mit Drillingen sitzen gelassen hatte, und er misstraute den Frauen, weil Betsys Verrat ihn viel tiefer verletzt hatte, als er zugeben mochte.

Aber auch er selbst hatte Missy ja nicht umworben, um sie zu heiraten. Er hatte sie bloß küssen wollen, ihr keine Liebe versprochen. In gewisser Hinsicht war er keinen Deut besser als ihr Ex.

Am nächsten Morgen ging er wieder hinüber und spielte mit Owen im Sandkasten. Missy bekam er selten zu Gesicht, aber das war in Ordnung. Jeden Tag, wenn er sah, wie viel Arbeit es war, drei Kinder allein großzuziehen, wuchs seine Wut auf ihren Ex. Und es leuchtete ihm immer mehr ein, dass auch er selbst sie nicht bedrängen durfte, damit sie in Ruhe ihr Leben wieder in den Griff bekommen konnte.

Obwohl sie ihn jeden Tag zum Abendessen einlud, lehnte er höflich ab. Er wollte sich ihr gegenüber wie ein Gentleman verhalten. Auch wenn es ihn fast umbrachte.

Am Samstagnachmittag beobachtete er jedoch, wie sie eine mehrstöckige Hochzeitstorte in ihren klapprigen SUV einlud. Sie trug ein schlichtes blaues Minikleid und weiße Sandaletten mit hohen Absätzen. Ihr Haar war hochgesteckt, und sie sah businesslike und trotzdem sexy aus.

Er erschauerte vor Verlangen und musste sich geradezu vom Fenster losreißen. Doch als Missy und die Babysitterin den riesigen Boden der Torte in den Kofferraum hievten, hörte er zufällig durch das offene Fenster, was die andere Frau zu Missy sagte.

„Und wenn du dort bist, wer hilft dir da?“

„Ich bitte den Caterer, dass mir ein Kellner beim Hereintragen zur Hand geht. Dann setze ich die einzelnen Lagen der Torte zusammen, schneide sie an und serviere sie.“

Ganz allein. Das schwang in ihren Worten mit. Und wenn ihr kein Kellner zur Hand gehen konnte, dann müsste sie die riesige Torte auch allein reintragen.

Vor lauter Wut auf ihren Ex ballte Wyatt die Hände zu Fäusten. Rasch zog er sich ein paar saubere Jeans und ein besseres T-Shirt an und eilte hinunter.

Als sie gerade an der Fahrerseite einstieg, öffnete er die Beifahrertür und setzte sich ebenfalls in den Wagen.

„Was machst du denn hier?“

Er griff nach dem Sicherheitsgurt. „Dir helfen.“

Sie lachte auf. „Das schaff ich schon allein.“

„Stimmt. Du schaffst es auch allein. Die Torte zur Hochzeit fahren, sie herrichten und darauf warten, bis du sie anschneiden und servieren kannst. Und das alles in einem SUV, der so aussieht, als würde er es nicht mal bis nach Frederick schaffen.“

„Wyatt …“

„Fahr los, denn ich werde nicht aussteigen.“

Kopfschüttelnd startete sie den Wagen und winkte aus dem Fenster: „Tschüs, meine Kleinen! Mommy kommt bald wieder. Seid brav, und macht, was Miss Nancy euch sagt!“

Alle winkten zurück.

Unbehaglich rutschte Wyatt auf seinem Sitz hin und her. Obwohl er ihr nur helfen wollte, hatte er soeben ein bisschen arrogant geklungen. „Normalerweise kehre ich nicht so den Chef raus.“

Sie lachte gut gelaunt. „Wirklich? Schließlich gehört dir eine Firma. Da musst du doch den Chef spielen.“

„Wahrscheinlich hast du recht.“ Nachdenklich sah er aus dem Fenster.

Sie dachte wahrscheinlich, er hätte ihr seine Hilfe nur deshalb angeboten, um wieder einen Annäherungsversuch zu starten. Unbemerkt warf er ihr einen forschenden Blick zu. „Du hältst mich jetzt sicher für aufdringlich, aber ich habe zufällig mitgehört, was du zu der Babysitterin gesagt hast. Die Lieferung der Torte ist Schwerstarbeit.“

„Das wusste ich, als ich mit dem Tortenbacken angefangen hab. Aber es macht mir Spaß. Und es ist die einzige Möglichkeit, genug Geld zu verdienen.“

„Dein Ex sollte dir aber auch Unterhalt für die Kinder zahlen.“

Missy spürte Ärger in sich aufsteigen. Sie war fast bereit gewesen, seine Hilfe dankbar anzunehmen. Aber wenn er ihr nur aus Mitleid half, dann konnte er ihr gestohlen bleiben.

„Du musst mich nicht bemitleiden!“

„Ich bemitleide dich nicht. Ich bin nur wütend auf deinen Ex.“

Das klang für sie keinen Deut besser. „Ach ja?“

„Dass wir beide uns bei der Wahl unserer Ehepartner vertan haben, ist schließlich kein Verbrechen! Wäre es das, säße ich jetzt wohl für den Rest meines Lebens im Kittchen!“

Sie musste lachen, denn sie hatte schon ganz vergessen, dass er ja ein Leidensgenosse von ihr war.

„Ich meine das ganz ernst. Betsy hat mich belogen, betrogen und versucht, meine Angestellten gegen mich aufzuhetzen. Und in der Zwischenzeit haben ihre Anwälte schon darüber nachgedacht, wie sie mich finanziell ordentlich bluten lassen können. Sie hat die Hälfte meiner Firma gefordert.“

Missy sah ihn mit großen Augen an. „Sie hat dich betrogen und wollte trotzdem noch die Hälfte deiner Firma?“ Dass Jeff ihr winziges Sparkonto leer geräumt hatte, erschien ihr dagegen fast harmlos.

„Ja, sie hat aber nur ein Drittel bekommen.“ Wyatt seufzte. „Beruhigt dich das?“

„Ein bisschen.“

„Also können wir uns die Hand reichen. Wir haben beide Pech mit unseren Ehepartnern gehabt.“

Sie entspannte sich ein wenig. Er bemitleidete sie nicht, sondern sie saßen gewissermaßen im selben Boot. Beide waren betrogen und ausgenommen worden, und er half ihr hauptsächlich deshalb, weil er die Ungerechtigkeit ihrer Situation nachvollziehen konnte. Und ehrlich gesagt konnte sie seine Unterstützung wirklich gut brauchen.

Beim Countryclub angekommen, hielt sie vor dem Lieferanteneingang. Als...

Autor

Susan Meier
<p>Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
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Cara Colter
<p>Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel. Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...
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Shirley Jump wuchs in einer idyllischen Kleinstadt in Massachusetts auf, wo ihr besonders das starke Gemeinschaftsgefühl imponierte, das sie in fast jeden ihrer Romane einfließen lässt. Lange Zeit arbeitete sie als Journalistin und TV-Moderatorin, doch um mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen zu können, beschloss sie, Liebesgeschichten zu schreiben. Schon...
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