Eine Nacht mit dem Trauzeugen

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Als Penny ihre Jugendliebe auf einer Hochzeit wiedersieht, ist sie noch genauso fasziniert von Luke wie damals. Trotzdem will sie sich beweisen, dass er längst Geschichte ist …


  • Erscheinungstag 22.08.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535397
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Wie geht’s der Braut?“ Strahlend betrat Penny Montgomery den schmalen Ankleideraum der Kirche und trat neben ihre beste Freundin vor den Spiegel.

Seit ihrer Kindheit war sie mit Maggie Brown befreundet, und diese Kirche – eine von fünf in der kleinen Stadt Tawney Valley – kannten die beiden nur zu gut, weil Maggies Mutter sie damals so oft wie möglich hierher geschleppt hatte.

„Nervös“, gab Maggie atemlos zu. „Aufgeregt. Ich kann mein Herz schlagen hören.“ Sie sagte es mit einem Lächeln, und das Glück strahlte aus ihrem Blick.

Ihr helles Haar war zu einem losen Knoten gedreht, und einige Strähnen umschmeichelten ihre Wangen. Sie hatte sich für ein schlichtes, elegantes Kleid ohne Schleier entschieden, das zugleich ihre Figur und ihre Persönlichkeit betonte: geradlinig und aufrichtig. Sie war der liebenswerteste Mensch, den Penny je kennengelernt hatte.

„Du siehst wundervoll aus“, sagte Penny voll Stolz. „Deine Mutter wäre begeistert, wenn sie dich so sehen könnte.“

Maggie nickte. „Ja, das wäre sie.“ In ihren Augen glitzerten Tränen, doch Maggie ließ sie nicht entkommen. Sie und Penny hatten sich schon immer gegenseitig gestützt. Gemeinsam hatten sie jede Krise bewältigt – sogar den Tod von Maggies Mutter. Nun hatte Maggie ihren Traummann gefunden und würde eine Familie gründen.

Aber Penny reichte es vollkommen aus, zu wissen, dass Maggie weiterhin für sie da sein würde. Maggie und ihre Tochter Amber waren Pennys Familie – mehr brauchte sie nicht.

Maggie griff nach Pennys Hand. „Ich möchte dir danken. Für alles. Du warst immer an meiner Seite. Und du hast mir den entscheidenden Schubs in Bradys Richtung gegeben.“

Mit einem Mal war Pennys Hals wie zugeschnürt. „Den hast du auch gebraucht“, sagte sie leichthin und versuchte, die ernste Stimmung aufzuheitern. „Sonst wäre das mit euch beiden ja nie etwas geworden.“

Sie reichte Maggie eine kleine Schatulle. „Hier. Das soll ich dir von Brady überreichen.“ Mit diesen Worten ließ sie sich auf eine hübsche antike Bank sinken, zupfte ihr langes, goldenes Kleid zurecht und glitt aus den Schuhen.

Es war ein schlichtes, blassgoldenes Seidenkleid, das sich bei jedem Schritt wie eine sanfte Liebkosung an ihre Beine schmiegte. Als Trauzeugin war sie sehr zufrieden mit der Kleiderwahl – bloß die schwindelerregend hohen Schuhe mit den Pfennigabsätzen fingen schon jetzt an, ihre Füße zu martern. „Na los, mach es auf. Ich wette, es ist ein Ring. So einer, der vibriert, und den er über seinen …“

„Penny!“ Maggie sah sie entsetzt an. Sie war viel ernsthafter als Penny. Und viel anständiger. Sie schüttelte den Kopf. „Dir würde so etwas wahrscheinlich auch noch gefallen.“

Penny hob die Schultern und grinste.

Ihre Freundin öffnete die Schleife und nahm den Deckel von der Schatulle. „Oh, mein Gott!“

Sie drehte die Schachtel so, dass Penny hineinsehen konnte. Darin befand sich ein Paar glitzernder Diamantohrringe in der Form von Tropfen.

„Wow. Da möchte wohl jemand all die vergeudete Zeit wiedergutmachen“, stellte Penny fest.

„Schon möglich. Aber jetzt ist Brady ja da. Und das ist alles, was zählt.“ Maggie nahm die Ohrringe aus der Schatulle und steckte sie vorsichtig an.

„Ich freue mich so für dich, Maggie.“ Das tat Penny von ganzem Herzen. Wenn jemand eine Märchenhochzeit verdiente, dann war es Maggie.

Penny strich über den Polsterstoff der Bank. Sie liebte Antiquitäten. Vor allem, wenn sie so eine bewegte Geschichte hatten wie diese hier. Wie viele Hochzeiten, Beerdigungen und Taufen hatte diese Bank schon mitgemacht? Wie viel Freude und Leid?

In ihrem Antiquitätenladen hätte Penny dafür einen guten Preis erzielen können. Doch diese Bank gehörte hierher, in diese Kirche, wo sie jeder nervösen Braut Halt geben konnte.

Aber Penny war keine Braut. Sie war überhaupt nicht fürs Heiraten geschaffen. Wenn ihr danach war, die Nacht mit einem Mann zu verbringen, tat sie es einfach. Springfield lag nur eine Stunde entfernt, und dort gab es genug Klubs und Bars zum Ausgehen, Tanzen und Flirten.

Und wenn es nur darum ging, nachts im Bett keine kalten Füße zu bekommen, hatte sie immer noch ihren Hund Flicker.

Maggie wandte sich vom Spiegel ab und warf Penny einen besorgten Blick zu. „Luke ist gestern Abend angekommen.“

„Schön.“ Penny gab sich gelassen, doch ihr Herz wurde schwer. „Immerhin muss ich nicht allein den Gang zum Altar machen, wenn der Trauzeuge da ist.“ Luke war Bradys Bruder, was ihn in Zukunft zu einem Teil der Familie machte.

„Bist du sicher, dass es dir wirklich nichts ausmacht?“

Penny holte tief Luft und legte so viel Zuversicht in ihre Stimme, wie sie konnte. „Natürlich. Das ist neun Jahre her, Maggie. Eine Teenagerliebe. Ich bin sicher, dass er schon lange darüber hinweg ist. Ich bin es jedenfalls.“

„Also kein Drama?“ Maggie hob die Brauen.

„Sollte es ein Drama geben, bin ich nicht der Grund dafür.“ Penny stand auf und strich das bodenlange Kleid glatt. Plötzlich war sie voll wilder Energie und konnte nicht mehr still sitzen. Sie schlüpfte wieder in die engen Schuhe und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Wenigstens verliehen ihr die Schuhe ein paar zusätzliche Zentimeter, um Luke auf Augenhöhe zu begegnen.

Dann überprüfte sie ihr Make-up im Spiegel. Wenigstens war nichts verwischt. Ihr langes rotes Haar hatte sie zu einem strengen Dutt geknotet und mit einer halben Flasche Haarspray gebändigt.

Draußen schwoll der Lärm an. Jemand klopfte an die Tür. „Fünf Minuten noch, Ladys“, wurde angekündigt.

Maggie fing noch einmal Pennys Blick auf. „Er ist Single“, sagte sie ernst.

„Zu schade für ihn.“ Penny hob den Schleier und half ihrer Freundin, den silbernen Kamm ins Haar zu stecken. Im Spiegel sah sie Maggies sorgenvolle Miene. „Ganz ehrlich, Maggie, es macht mir nichts aus. Luke ist doch nur für ein Wochenende hier. Das Schlimmste, was passieren könnte, ist, dass ich ihm beim Tanzen auf die Füße trete. Und mit diesen Killerheels könnte das böse für ihn enden.“

„Wenn du meinst.“ Maggie klang wenig überzeugt.

„Ich meine etwas ganz anderes: Wenn du jetzt nicht sofort da rausgehst, wird der Bräutigam denken, du seiest davongelaufen.“ Sie reichte ihrer Freundin den Brautstrauß. „Heute ist dein großer Tag, Maggie. Das Einzige, woran du denken sollst, ist dein Ehemann.“

Und das Letzte, worüber sie sich Sorgen machen sollte, war das Wiedersehen zwischen Penny und Luke – übrigens das erste Wiedersehen, seit Penny ihn damals vergrault hatte.

Aber das war nur eine Jugendliebe. Die erste Liebe war nie für die Ewigkeit bestimmt.

Luke war damals im Begriff, wegzuziehen, um aufs College zu gehen. Pennys Noten dagegen reichten nicht fürs College. Zum Glück hatte sie den Antiquitätenladen ihrer Großmutter übernommen. Sie hatte gar keine Alternative gesehen und sich selbst kaum mehr zugetraut als einen Job als Verkäuferin oder Kellnerin.

Allerdings war der urige Laden in einer von Tawney Valleys Hauptgeschäftsstraßen wahrlich keine Goldgrube, als Penny ihn geerbt hatte. Ihre Großmutter hatte sich zu Lebzeiten gegen einige wichtige Modernisierungen gewehrt, die Penny nach ihrem Tod eingeführt hatte, um dem Laden wieder Leben einzuhauchen.

Außer ihrer Großmutter hatte es niemand gegeben, der Penny helfen konnte. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt, und ihre Mutter hatte sie in Tawney Valley zurückgelassen, um ihre Sauftouren allein fortzusetzen.

Aber Penny hatte nicht aufgegeben. Sie hatte den Antiquitätenladen auf Vordermann gebracht und in eine Touristenattraktion verwandelt, in die jede Menge Besucher auf der Durchreise strömten.

Nur Maggie war immer an ihrer Seite gewesen. Und allein schon aus diesem Grund würde Penny ihr ganz gewiss nicht den schönsten Tag ihres Lebens verderben. Schon gar nicht wegen Brady Wards jüngerem Bruder Luke.

Sie entdeckte ihn sofort, als sie in den Kirchgang trat. Er war einige Meter entfernt, doch Penny schien es, als würde die Luft plötzlich vibrieren.

Er hatte dunkles Haar, blaue Augen und eine beeindruckende Statur – wie alle Wards. Luke war zwar nicht so groß wie sein älterer Bruder Sam, doch er überragte Penny trotz ihrer High Heels noch um einige Zentimeter.

Von dem schlaksigen Jungen auf der Highschool war nicht mehr viel übrig. Mittlerweile hatte er eine breite Brust und einen athletischen Körper. Der edle Smoking betonte seine Schultern und saß wie angegossen. Das dichte dunkle Haar glänzte im Licht der Kirchenscheinwerfer und hatte genau die richtige Länge.

Wenn Penny ihn nicht gekannt hätte, hätte sie es definitiv darauf angelegt, ihn nach der Party abzuschleppen.

Doch das war ihr Luke. Zumindest war er das früher gewesen. Hinter der Turnhalle, auf dem Rücksitz ihres Wagens, auf einer Picknickdecke unter einem endlosen Sternenhimmel.

Und dort hatten sie sich Versprechen gegeben, die sie nicht halten konnten. Weil sie zu jung waren. Weil das Leben kompliziert war.

Aber damals schien alles so einfach zu sein. Luke hatte sie geliebt. Für immer hatte er ihr ins Ohr geflüstert, doch Penny wusste, dass das nur Worte waren. Was zählte schon die Liebe? Es war nur eine Frage der Zeit, bis man wieder verlassen wurde.

Penny straffte sich. Erst jetzt bemerkte sie, wie fest sie den Blumenstrauß umklammert hielt. Sie setzte ein Lächeln auf und wagte den Schritt in Lukes Richtung.

„Penny!“ Ambers Stimme brach sich in der Kirche. Das kleine, achtjährige Energiebündel schoss wie ein Blitz hinter Luke hervor und stürzte sich auf Penny. „Penny! Du musst meinen Onkel Luke kennenlernen! Ich habe jetzt zwei Onkel. Und er ist ein Doktor.“

Gegen Ambers vollen Körpereinsatz war Penny machtlos. Zumindest in diesen Schuhen. Sie ließ sich von der Kleinen in Lukes Richtung zerren und war froh, dass sie nicht stolperte.

Das war nicht gerade der umwerfend elegante Auftritt, den sie sich gewünscht hatte. Aber Achtjährige zeigten kein Verständnis, wenn es um Unwiderstehlichkeit ging. „Ich kenne deinen Onkel Luke, Amber. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.“

„Die Kleine ist ziemlich stark, was?“ Luke lächelte freundlich, während Penny sich aufrichtete und ihr Kleid glatt strich.

Amber entdeckte Maggie in der Menge und rannte zu ihrer Mutter.

„Du solltest sie mal mit meinem Hund erleben.“

Penny war sich der Blicke bewusst, die Luke ihr zuwarf. Er musterte sie von oben bis unten. Nun, sie war nicht mehr achtzehn. Ob ihm überhaupt gefiel, was er sah?

Unsinn. Warum begann sie zu zweifeln? Sie war doch Männern gegenüber sonst nie unsicher gewesen.

Luke hielt ihren Blick fest. „Ich habe die Ehre, dich den Kirchengang hinunter zu führen.“

Für einen Moment verlor sich Penny in seinen blauen Augen. Es war, als würde sie dort all die Wärme finden, die sie im Leben brauchte. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie in dieses Blau eingetaucht – und nie wieder zurückgekommen. Sie versuchte sich aus seinem Bann zu befreien und wagte ein Lächeln. „Ich weiß.“

„Obwohl … mit diesen Schuhen sollte ich dich wohl besser tragen, sonst landest du noch auf deinem Hintern.“ In seinem Blick lag das schelmische Funkeln, das sie immer so geliebt hatte.

„Ach, das sind doch noch ziemlich flache Dinger“, sagte sie nonchalant und balancierte auf einem Fuß, um Luke zu zeigen, dass sie alles im Griff hatte.

Luke schien sich zu entspannen. Offensichtlich war die Vergangenheit dort, wo sie hingehörte: in der Vergangenheit. Er wirkte gelöster als damals in der Highschool. Vielleicht hatte er endlich gelernt, loszulassen.

Als Penny ihn kennengelernt hatte, war er voller Trauer und Wut über den Tod seiner Eltern. Sie hatte ihn verstanden. Sie wusste, wie es war, wenn man von geliebten Menschen zurückgelassen wurde. Natürlich waren seine Eltern nicht freiwillig gegangen. Aber auch Penny kannte Verlust – wenn auch in einer anderen Form.

„Von uns wird erwartet, dass wir den Abend miteinander verbringen.“ Luke schenkte ihr ein halb ernstes Lächeln.

Bei der Erinnerung an die Nächte, die sie in seinen Armen verbracht hatte, machte Pennys Magen einen schmerzhaften kleinen Sprung. Auf der Rückbank ihres alten Chevy war es ziemlich zur Sache gegangen.

Dort war es einfach, die beengte Welt Tawney Valleys zu vergessen. Sie hatten geredet und gelacht und ihre Körper erkundet, bis die Scheiben von innen beschlugen und nichts mehr zählte als heiße, nackte Haut. Schon damals hatte Luke gewusst, wie er sie berühren musste, um sie in den Wahnsinn zu treiben.

„Als Trauzeugen sind wir immerhin so etwas wie ein Paar …“

„Sicher.“ Sie tat seine Worte mit einem Lachen ab, doch selbst für sie klang es zu grell und gekünstelt. „Aber ich will dich nicht von deinem Date abhalten.“

„Ich habe kein Date. Ich bin allein gekommen.“

„Hatte sie keine Zeit?“ Penny musste es aus seinem eigenen Mund hören. Immerhin hatte sie es sich zur festen Regel gemacht, nichts mit einem vergebenen Mann anzufangen.

„Es gibt keine Sie.“ Sein Blick schweifte wie suchend über ihre Schulter. „Was ist mit deinem Date? Wird mich jemand verprügeln, wenn ich nachher mit dir tanze?“

„Keine Angst. Keine Prügel, kein Date.“ Die Männer, mit denen Penny sich normalerweise traf, waren ungebunden – und jedes Treffen war ohne weitere Verpflichtungen. „Heute Abend gehöre ich nur dir.“

Luke hob eine Braue, als könne er sich genau vorstellen, wo das Ganze enden würde. Auch Pennys Gedanken begannen zu kreisen. Ihr wurde heiß.

„Es geht los!“, flüsterte jemand hinter Pennys Rücken.

Sie straffte sich. Luke und sie waren das erste Paar, das den Kirchgang entlangschreiten sollte. Er bot ihr den Arm, und nach kurzem Zögern hakte Penny sich unter.

Die Gäste in den Kirchbänken wandten sich um, und Penny sah in viele bekannte Gesichter. Auch in das von Bitsy Clemons, der selbst ernannten Kupplerin. Penny konnte fast hören, was sich bei ihrem Anblick im Kopf der alten Dame abspielte.

Sie hatte im Lauf der Zeit so ziemlich jeden heiratsfähigen Mann aus Tawney Valley in Pennys Laden geschickt. Als ob Penny ohne einen Ehemann bald tot umfallen würde.

„Meine Eltern hätten das noch erleben müssen.“ Luke hatte so leise gesprochen, dass sie ihn fast nicht gehört hätte.

Sie drückte seinen Arm. „Ja.“

Die Orgel begann zu spielen, und Penny genoss Lukes Nähe und die Wärme seines Körpers. Sein Duft hüllte sie ein. Es erinnerte sie an früher, wenn Luke ihr das Gefühl gegeben hatte, sie seien allein auf der Welt.

Nur bei ihm hatte sie sich jemals sicher gefühlt. Und in dem Laden ihrer Großmutter, zwischen den alten, wertvollen Antiquitäten, die sie schon als Kind mit größter Sorgfalt putzte und pflegte.

Wie wäre es mit ihnen wohl ausgegangen, wenn Luke in Tawney Valley geblieben wäre? Ob die Dinge zwischen ihnen jetzt anders liegen würden?

Plötzlich war es Penny unangenehm, von allen Gästen gesehen zu werden. Mit einem Exfreund, der sie zum Altar führen musste, weil sie keinen Ehemann hatte. Und mit Sicherheit konnte sich jeder brave Bürger Tawney Valleys daran erinnern, was für ein heißes Paar sie abgegeben hatten. Beinahe verrucht.

Sie war froh, als sie den Priester erreichten und sich trennten, um an den gegenüberliegenden Enden des Altars Platz zu nehmen.

Ihre Blicke streiften sich, und erneut wurde Penny von einem angenehmen Schauer erfasst. Nun, ein heißes Paar könnten sie immer noch abgeben. Für ein bis zwei Nächte. Bestimmt war Luke mit der Zeit noch geschickter geworden …

Sie vertrieb den Gedanken und wandte sich Amber zu, die mit einem Korb voller Wildblumen auf den Altar zuging. Dann streute sie die Blumen auf den Boden und nahm neben ihrem Onkel Sam Ward Platz.

Schließlich erschien die Braut.

Die Gemeinde erhob sich.

Auf Maggies Gesicht lag ein so glückliches Lächeln, dass Penny Tränen in die Augen traten. Sie näherte sich dem Altar und griff nach Bradys ausgestreckter Hand.

Das Glück schien sich in kleinen Wellen um das Paar auszubreiten.

Penny schloss für eine Sekunde die Augen.

Den einzigen Mann, dem sie je so ein Lächeln geschenkt hatte, hatte sie vertrieben. Und ganz gleich, mit wie vielen Männern sie danach im Bett gelandet war, niemand hatte ihm das Wasser reichen können. Unbewusst hatte sie jeden mit Luke verglichen.

Jetzt war er wieder in der Stadt, und die Funken begannen erneut zu fliegen. Eine Nacht könnte sie sich gönnen – und danach konnte jeder unbehelligt in sein gewohntes Leben zurückkehren.

„Ich dachte schon, du würdest die Hochzeit verpassen“, meinte Sam.

Luke hob die Braue und starrte aus dem Seitenfenster des Trucks. „Ich wurde zu einer Notoperation gerufen.“

Sam knurrte. „Und die eigene Familie ist nicht so wichtig.“

Luke wünschte, die Kirche wäre nicht so weit von der Festhalle entfernt. Dann hätte er zu Fuß gehen können – und Sam aus dem Weg.

Als Luke vierzehn Jahre alt war, starb ihr Vater, und Sam hatte sich um seinen jüngeren Bruder gekümmert. Zwei Jahre später war ihre Mutter an Krebs gestorben, und Sam hatte die volle Verantwortung für Luke übernommen. Zu dieser Zeit hatte Brady Tawney Valley verlassen, um zu studieren, und hatte Luke mit Sam auf der elterlichen Farm allein zurückgelassen.

„Natürlich ist mir die Familie wichtig.“ Luke schnippte einen unsichtbaren Fussel von seiner Smokingjacke. „Deswegen bin ich ja hier. Wenn es darauf ankommt.“

Sam gab ein undefinierbares Geräusch von sich und parkte den Truck vor der Knights of Columbus Hall.

Von außen war es eine ganz gewöhnliche Mehrzweckhalle. Typisch für eine kleine Stadt wie Tawney Valley, wo man weniger stilvoll und mehr praktisch dachte und Hochzeiten, Geburtstage und Versammlungen am selben Ort abhielt.

Der Parkplatz war bereits ziemlich voll, und als Luke aus dem Wagen stieg, konnte er die Musik aus dem Innern der Halle hören. „Ich verstehe nicht, warum Brady die Hochzeit nicht in New York halten wollte.“

„Weil ihm die Menschen in Tawney Valley wichtig sind“, entgegnete Sam knapp und ging mit forschen Schritten voran.

Als Luke den Saal betrat, verschlug es ihm den Atem. Das war nicht mehr die alte, muffige Halle, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte. Der Raum funkelte und strahlte und konnte jedem Hotelfoyer Konkurrenz machen.

Die Bühne war renoviert worden und mit unzähligen Blumenbouquets geschmückt. Zu beiden Seiten des Saals reihten sich lange Tische, die mit eleganten weißen Decken verhüllt und mit großen, wassergefüllten Glasschalen dekoriert waren, in denen Rosen und kleine Schwimmkerzen trieben.

Festlich gekleidete Kellner bewegten sich dezent zwischen den Gästen und reichten edle Champagnerflöten und delikate Häppchen.

„Das haut dich um, was?“ Penny trat an seine Seite.

„Oh ja.“ Genau wie sie. Sein Herz schlug schneller. Neun Jahre waren vergangen, seit er Penny das letzte Mal gesehen hatte. Denn bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen er nach Hause auf Sams Farm gekommen war, hatte er Penny nicht getroffen.

„Brady und Maggie haben wahre Wunder vollbracht“, sagte sie anerkennend.

Sie war noch immer genauso attraktiv, wie er sie in Erinnerung hatte: von den Spitzen ihrer wilden rotbraunen Mähne bis zu dem einladenden Schwung ihrer Hüften. Und ihre vollen Lippen schrien förmlich danach, geküsst zu werden.

„Komm, wir machen einen kleinen Rundgang.“ Penny griff nach seiner Hand. Als ihre Finger sich berührten, wurde Luke warm. Unauffällig musterte er ihr Kleid. Der goldene Stoff glänzte verführerisch und erinnerte mehr an ein Negligé.

Er musste sich bremsen, um nicht die Hand auszustrecken und ihre nackte Schulter zu berühren.

„Sieh mal, da ist Wyatt Graham. Er ist heute Abend der DJ“, erklärte Penny.

Luke folgte ihrem Blick. Nun entdeckte er noch mehr bekannte Gesichter unter den Gästen und dem Personal. Alle stammten aus Tawney Valley oder der benachbarten Stadt Owen.

„Das muss ein Vermögen gekostet haben. Brady hätte die gesamte Gesellschaft ebenso gut nach New York einfliegen können.“

„Aber darum geht es doch gar nicht.“ Penny führte ihn zur Längsseite des Saales und öffnete eine Art Vorhang.

Erst jetzt erkannte Luke, dass viel von dem luxuriösen Schein durch diese Blende erzeugt wurde, hinter der sich die alten, verblassten Wände der Halle zeigten. In dem schmalen Gang dazwischen roch es beinahe noch so muffig wie damals, als Luke ein Junge war.

Penny schloss den Vorhang hinter ihnen. Nur wenig Licht fiel in den Flur. Selbst die Musik und das Stimmengewirr wurden von dem schweren Vorhang gedämpft.

Hier gab es nur noch sie beide.

Lukes Gedanken gerieten außer Kontrolle. Er öffnete den Mund, doch Penny legte rasch den Finger auf seine Lippen. „Nur weil du jetzt der heiße Doc aus der großen Stadt bist, heißt das noch lange nicht, dass man nicht auch zu Hause Spaß haben kann. Brady wollte, dass auch seine alten Freunde an der Feier teilnehmen können. Ihm und Maggie war das sehr wichtig, also kein Wort mehr über New York.“

Ihre Augen funkelten herausfordernd im Halbdunkel. Ihre Finger sandten ein Prickeln über seine Lippen.

Sie war ihm so nah. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie an sich zu ziehen und zu küssen.

„So.“ Sie war etwas außer Atem. „Versprichst du mir, dass du dich benimmst?“ Sie versuchte ernst zu bleiben, doch das Funkeln in ihrem Blick widersprach ihren Worten.

„Willst du wirklich, dass ich mich benehme?“ Seine Worte streichelten ihre Fingerkuppen.

Autor

Amanda Berry
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