Eine Nacht mit Dr. Tate

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Ausgerechnet am Valentinstag strandet Alexis auf dem Weg zu ihrem neuen Job am Flughafen - genauso wie der überaus attraktive Dr. Aidan Tate! Alexis verliert sich in seinen fordernden Blicken. Nicht ahnend, dass sie in den Armen ihres zukünftigen Chefs liegt!


  • Erscheinungstag 22.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716530
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ali kniff die Augen so fest zusammen, wie sie nur konnte, und riss sie wieder auf. Nichts. Keine Chance. Nicht einmal das schneebedeckte, bis zum Rand mit jubelnden Rugbyfans gefüllte Stadion konnte ihr helfen, diese Nacht in die hinterste Ecke ihres Gedächtnisses zurückzudrängen. Wer hätte gedacht, dass ein Techtelmechtel in einem Flughafenhotel noch zwei Wochen später heiße Blitze durch ihren Körper jagen würde?

Vierzehn Tage waren vergangen, und sie spürte alles, als wäre es gestern gewesen. Sie hatte sich eine Veränderung gewünscht – und jetzt kam sie da nicht mehr raus. Ali rieb sich die Arme, als ob das helfen würde, die hitzigen Gedanken zu verscheuchen. Nichts da!

„Doc!“ Einer der Spieler fing an, an der Seitenlinie Sternsprünge zu machen. „Ist Ihnen kalt? Machen Sie ein paar davon, dann wird Ihnen richtig schnell warm.“

Ali warf dem Spieler ein Lächeln zu und tat so, als würde sie auf der Stelle laufen. Sie war hier oben „nur“ Vertretungsärztin, aber die Jungs hatten sie herzlich aufgenommen und gaben ihr das Gefühl, bereits selbst zur berüchtigten Rugbymannschaft ‚North Stars‘ zu gehören. Sie fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn der Mannschaftsarzt aus seinem Urlaub zurückkommen würde. Sie war daran gewöhnt, ihre eigene Klinik zu leiten, deshalb würde es nicht leicht sein, jemandem unterstellt zu sein. Doch von einem Experten auf dem Gebiet der Sportmedizin lernen zu können, wäre es definitiv wert.

Danach … wer wusste schon, was vor ihr lag? Zu ‚En Pointe Physio‘ zurückzugehen, hatte sie keine Lust und würde sie vielleicht auch nie wieder haben. An dem Tag, als sie in London ihr Lieblingscafé betrat und nicht einmal den Mund aufmachen musste, um ihren Spezial-Mochaccino zu bestellen, begann sie, nach einer Vertretungsstelle zu suchen. Vorhersehbarkeit war nicht ihr Ding. Beständigkeit war nicht Alis Ding. Je länger man an einem Ort blieb, desto größer war die Gefahr, verletzt zu werden. Wenn man etwas Neues ausprobierte, wie beispielsweise einen unerwarteten One-Night-Stand am Abend vor dem Antritt eines neuen Jobs, das – sagen wir mal so – brachte etwas Leben in die Bude.

Sie schauderte, und obwohl das mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit am Winterwetter lag, schloss sie erneut die Augen. Diese Nacht hinter sich zu lassen, war nahezu unmöglich, besonders, weil ihr Körper immer noch reagierte, wenn sie an seine Berührungen dachte, seine Hände auf ihrer nackten Haut. Sein Name? Ein Geheimnis – und das würde es bleiben.

Warum auch immer sie an diesem Abend zusammen auf ihr Hotelzimmer gegangen waren – während ihre Flüge wegen nicht einmal zehn Zentimeter Schnee ausgefallen waren –, es hatte sich mehr als gelohnt. Wem wollte sie etwas vormachen? Sie wusste ganz genau, warum das passiert war. Pur wie der frisch gefallene Schnee, heiß wie flüssige Lava: Lust. Sie hatte keinen Vergleich, aber heißer als diese Nacht konnten One-Night-Stands wohl kaum sein.

Das Grölen und Singen der Zuschauer trat in den Hintergrund, während sie immer wieder an die zehn Stunden und siebenundvierzig Minuten zurückdachte, die sie zusammen verbracht hatten. Ausgerechnet am Valentinstag! Normalerweise hatte sie für Turteltäubchen und rote Herzen nur zynische Kommentare übrig. Das Leben hatte ihr gezeigt, dass es so etwas wie den „Richtigen“ nicht gab. Doch zumindest für diese eine Nacht schien das Universum etwas anderes mit ihr vorgehabt zu haben.

„Hat Amor Ihren Flieger abgeschossen?“ Er hatte seinen Drink neben ihr leeres Glas auf die Bar gestellt. Kitschige Anmache – doch das Lächeln auf seinen Lippen hatte verraten, dass er sich dessen bewusst war.

Sie fühlte sich sofort zu ihm hingezogen.

„Ist das so offensichtlich?“, erwiderte sie lachend.

Der Barkeeper hatte ihr einen neuen Cocktail hingestellt. Einen, den sie nicht bestellt hatte. Einen Cosmopolitan, sogar mit etwas Orangenschale garniert. Ihr Lieblingsdrink.

Normalerweise ließ Ali sich von gut gekleideten Männern nicht beeindrucken, aber dieser … Ganz egal, was an diesem Abend geschehen würde, sie wusste sofort, dass er in ihrer Erinnerung immer Der Anzug sein würde.

Er schien ihm wie auf den Leib geschneidert. Und sie hatte nicht eine Sekunde daran gezweifelt, wie appetitlich er darunter aussehen würde.

„Sind Sie schon lange hier?“

Sie bemerkte, wie sein Blick von ihren Biker-Stiefeln hochwanderte zu dem Stück Bein, das zu sehen war, bevor der fließende Stoff ihres Wickelkleids anfing.

„Lang genug.“

Schon jetzt hatte sie nur noch Augen für ihn. Seine magnetische Energie hielt sie in einem Kokon gefangen, in dem nur sie beide existierten. Noch ein Schluck vom Cosmo, erstaunlich wenig Small Talk, seine fast unmerklich gehobene Augenbraue – wollen wir? – und schon waren sie auf dem Weg zu den Aufzügen.

Es war eine rein animalische Anziehungskraft. Sie mussten nicht darüber sprechen. Sie wussten es einfach. Keine Namen. Keine tiefgründigen, bedeutungsschweren Vorstöße in die Psyche des anderen. Nur ungezügelte, ungetrübte Lust. Ali hatte noch nie erlebt, dass etwas sie so vollständig verzehren konnte.

Die Aufzugtüren hatten sich kaum geschlossen, da begann er, sie mit den Händen zu erkunden. Hitzige Küsse zogen sie näher zusammen. Sie fühlte sich verwegen, schamlos und genau am richtigen Platz. Sie war ganz in seinem Bann gefangen, und dieser völlig Fremde machte sich mit allen Winkeln und Kurven ihres Körpers vertraut. Er strich ihre Taille entlang, packte besitzergreifend ihre Hüften, schmeckte und neckte sie, und sie konnte nur reagieren.

Ali wusste nicht mehr, wie sie auf ihr Zimmer gelangt waren. Doch sie erinnerte sich noch genau an den Moment, in dem ihr Kleid zu Boden gefallen war. Ihre Haut war elektrisiert vor Verlangen, als sie sich an diesen Mann presste, der immer noch jedes einzelne Stück seines Dreiteilers trug. Sie hätte sich verletzlich fühlen sollen, entblößt. Aber so war es nicht. Weit davon entfernt. Sie fühlte sich weiblich, sexy, und zum ersten Mal verstand sie die Macht der Lust.

Das Verlangen, ihn in sich zu spüren, nahm zu, während er sie an immer intimeren Stellen berührte. Ihre Brustspitzen stellten sich auf, als sie sich an den Wollstoff seines Jacketts drückte. Er schob eine Hand zwischen ihre Beine, ließ seine Finger langsam vor- und zurückgleiten, vor und zurück. Ihr stockte der Atem, und er neigte den Kopf, um seine Zungenspitze mit ihren Nippeln spielen zu lassen.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. In einer flüssigen Bewegung, als ob sie noch immer tanzen würde und der Unfall nie geschehen wäre, schlang sie zunächst ein Bein und dann mit einem kleinen Hüpfer auch das andere um seine Hüften. Er hatte keine Mühe, sie durch das Zimmer zum hohen Bett zu tragen. Nachdem er sie eilig, fast grob abgesetzt hatte, drehte er sie herum, die Hände an den Seiten ihrer Brüste, und ließ dann eine Hand vorn herunterwandern und eine an ihrem Rücken, bis er sie mit beiden Händen zwischen den Beinen packen konnte. Ihre Haut fühlte sich an, als würde sie brennen. Sie hatte noch nie jemanden so sehr gewollt wie Den Anzug.

Sie fühlte seine kräftigen Barstoppeln an ihrer Wange, und als ob er ihre Gedanken lesen konnte, hatte er ihr ins Ohr geflüstert: „Ich hab nur zwei – also wirst du geduldig sein müssen.“

Zwei Kondome. Eine Nacht mit einem Mann, den sie nie wiedersehen würde.

Ali erinnerte sich noch, wie sie gedacht hatte: Diese Wände sind hoffentlich schallgeschützt. Sie hatte ihr Ebenbild getroffen, und so genussvoll, wie seine Hände ihren Körper erkundet hatten, hatte offenbar auch er es empfunden …

„Jaaaaa! Haben Sie das gesehen, Doc?“

Ali wurde aus ihrem Tagtraum herausgerissen und schaute schnell zum Spielfeld, um zu verstehen, worum es ging. Muss besser aufpassen!

Die Assistenztrainer, neben die sie sich gestellt hatte, waren kaum zu halten, und auf der Anzeigetafel flackerten neue Zahlen auf. Die ‚North Stars‘ liefen ihren Gegnern davon.

Sie lächelte und zog sich ihre Teammütze über die Ohren. Mann, war das kalt hier! Nicht zu vergleichen mit ihrem schicken, wohlig beheizten Therapiezentrum mitten in London.

Der Gedanke war gleichzeitig angenehm und schmerzlich.

Das reicht.

Der Mannschaftsarzt sollte im Laufe des Tages – vielleicht sogar mitten im Spiel – zurückkommen, und dann sollte sie besser keine glasigen Augen vom Tagträumen haben. Zumal von solch unanständigen Träumen!

Sie zwang sich, sich auf die Spieler auf dem Feld zu konzentrieren. Schließlich war sie für sie verantwortlich.

Als das Spiel fortgesetzt wurde und dann abrupt zum Stillstand kam, wurden Alis Sinne geschärft. Das Zusammenkrachen der Schultern, das Knirschen der Schädel war nie ein schönes Geräusch, aber diese Rugbyjungs machten keine halben Sachen.

Die Schmerzensschreie vom Spielfeld brachten sie in Bewegung. Diese Männer waren vielleicht manchmal Schauspieler, aber bestimmt keine Memmen. Ein Spieler war verletzt.

Sie nahm das Grölen Tausender von Fans beim hitzigen Testspiel zwischen ‚North‘ und ‚South‘ gar nicht wahr, während sie immer schneller über das weiß gesprenkelte Spielfeld lief, begleitet von den Krankenträgern. Ein Gedränge auf einem rutschigen Rasen konnte schnell zu einer Wirbelsäulenverletzung führen. Sie hoffte inständig für den Spieler, dass das nicht der Fall war.

Der Haufen verschwitzter, mit Schlamm verschmutzter Männer teilte sich, als sie ankam.

„Hoffentlich sind Sie nicht zimperlich, Harty“, murmelte einer der Spieler, als sie sich bis zur Mitte vorgearbeitet hatte.

Auf dem Boden lag Chris Trace, der Hakler der Mannschaft, und versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Ihn als ungewöhnlichen Anblick zu bezeichnen, wäre untertrieben gewesen. Ali musste fast lachen. Sie hatte eine Veränderung gewollt, und das war ganz sicher nicht die Art Verletzung, die man beim ‚Royal Ballet‘ zu sehen bekam.

Ihr Spieler hatte die volle Wucht eines Spielers von ‚Southern Cross‘ abbekommen. Aus einer klaffenden Wunde an seiner Stirn floss das Blut, und als er sich die Augen freiwischte, wurde klar, dass er mit einem prächtigen Veilchen aus dem Spiel gehen würde.

Im Stadion wurde es still, während beide Mannschaften gespannt auf ihr Urteil warteten.

„In Ordnung, Chris.“ Ali holte ein paar Tücher aus ihrer Arzttasche. „Wollen wir mal sehen, welchen Preis du für den Sieg gezahlt hast.“

Der Spieler spuckte seinen Mundschutz aus und versuchte sie anzugrinsen. Ein gutes Zeichen.

„Ich bin im Nullkommanichts wieder auf dem Feld, Doc. Kleben Sie einfach ein Pflaster drauf, und ich bin wieder fit.“ Er verzog schmerzerfüllt sein breites Gesicht, als er versuchte den Kopf zu heben.

„Nein, lass das!“ Ali drückte ihn zurück auf den Boden. „Du gehst nirgendwohin, bevor ich dich untersucht habe. Was ist mit deiner Schutzbrille passiert?“

Sie musste lächeln – seine Entschlossenheit, das Spiel zu Ende zu spielen, war bewundernswert. Die ‚North Stars‘ kämpften unbeirrbar dafür, als Favorit in den berüchtigten Showdown „Norden gegen Süden“ in etwas mehr als drei Monaten einzuziehen. An diesem Tag würde ihr Vertrag auslaufen. Wegen einer Verletzung einen Spieler zu verlieren, war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten.

Sie fing an, ihm mit einem Schwamm das Blut von der Stirn zu wischen, um zu sehen, wie groß die Platzwunde war. Kopfverletzungen bluteten immer stark, und so ausgiebig, wie sich diese Jungs im Schlamm suhlten, konnte man sich schnell eine Infektion einfangen.

„Die Brille hab ich verloren, als ich auf dem Gesicht gelandet bin – oder jemand hat sie mir weggekickt. Kann mich nicht erinnern.“

„Du kannst dich nicht erinnern, oder du kannst nicht klar denken?“, fragte eine männliche Stimme hinter ihr.

Ali erstarrte. Sie kannte diese Stimme. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie ihr noch herrlich unanständige Dinge ins Ohr geflüstert.

Ihr Blick wanderte den Boden entlang, sie konnte kaum atmen. Das Blut dröhnte zwischen ihren Ohren, als ein paar Lederschuhe in Sicht kamen, die zur anderen Seite von Chris liefen. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien, als der Besitzer der Schuhe in ihr Blickfeld kam, während er sich ihr gegenüber hinkniete. Oh ja, und ob sie ihn kannte. Sie kannte ihn aufs Intimste. Und sie kannte ihn überhaupt nicht.

Als ihre Blicke sich trafen, fühlte Ali förmlich, wie ihr die Luft genommen wurde.

Der Anzug.

Bilder schwirrten vor ihrem inneren Auge vorbei, Bilder von ihren Körpern, wie sie in akrobatischen Positionen ineinander verschlungen waren, die sie nie für möglich gehalten hätte. Eine Welle der Lust überkam sie, und sie musste die Zähne fest zusammenbeißen.

Sie hatte ihn nie nach seinem Namen gefragt. Und er sie nicht nach ihrem. Das war ihre Abmachung gewesen. Nur eine Nacht.

Irgendjemand muss mich kneifen. Und zwar schnell.

„Setzen Sie mich ins Bild.“

Er sprach mit ihr, schaute aber Chris an. Was macht er hier?

„Ich will meine Brille suchen.“ Chris versuchte wieder, sich aufzusetzen.

„Nein!“

„Nein!“

Ali konnte kaum ein überraschtes Lächeln unterdrücken, als sie und Der Anzug gleichzeitig Chris’ Schultern herunterdrückten.

„Erst, wenn wir wissen, was du dir sonst noch getan hast. Wie fühlt sich deine Augenhöhle an?“ Ali zog sich violette Nitrilhandschuhe an, bevor sie den Bereich vorsichtig abtastete.

„Alles gut, es ist nur die Wunde, Doc. Ganz ehrlich. Dr. Tate, sagen Sie es ihr!“

Zum zweiten Mal schnürte sich Alis Brustkorb ein.

Du bist Aidan Tate?“

Dr. Aidan Tate? Der preisgekrönte Experte für Sportmedizin, dessen Artikel über unblutige Sportverletzungen sie verschlungen hatte? Der Mannschaftsarzt der ‚North Stars‘? Und … Moment … ihr neuer Chef?

Nun ja. Sie befand sich ein klein wenig in der Klemme.

In der größten verdammten Klemme, die man sich nur vorstellen konnte!

Alis Innerstes tanzte Pirouetten und wurde immer heißer, während sie ihn anstarrte – und nur gerade so ein Lächeln unterdrücken konnte. Sie musste sich kurz und heftig schütteln, um die nicht jugendfreien Bilder aus dem Kopf zu bekommen, und beschäftigte sich schnell wieder damit, das Blut von Chris’ Stirn zu entfernen.

„Erde an Lockhart! Harty? Was ist los? Darf ich weiterspielen oder was? Wo ist meine Brille?“, rief er den anderen Spielern zu, die gleich aufsprangen.

Ali schaute auf und fing den Blick ihres neuen Chefs ein. Sein Gesichtsausdruck war unlesbar. Hmm … Das war einfach nur peinlich.

„Hab sie!“ Einer der Spieler von ‚Southern Cross‘ kam angelaufen und gab Chris seine Brille wieder, die mit Blut und einem schlammigen Büschel Gras dekoriert war. Er setzte sie auf seine blutverschmierte Nase und grinste Ali siegesgewiss an.

„Steht dir gut, Chris.“ Ali lachte schallend über den grausig komischen Anblick und blickte dann beschämt zu Aidan Tate hinüber. Er war ihr neuer Chef. Mal abgesehen davon, dass er sie nackt gesehen hatte. Er hatte sie eingestellt, um die Spieler als Ärztin zu behandeln und nicht, um über ihre schauerlichen Gesichter zu kichern, die sie auch gut zu Halloween tragen könnten.

Einen super Eindruck hinterlässt du da, Lockhart.

Sie war überrascht, dass Aidan ihre Reaktion auf Chris mit einem zustimmenden Schmunzeln quittierte. Vermutlich wollte er sich vergewissern, dass das neue Fräulein Doktor auch Jungsspiele mitmachen konnte.

Sie sah wieder zu Aidan, und er bedeutete ihr mit einem Nicken, fortzufahren. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass alles, was sie sagte, mikroskopisch untersucht werden würde. Was ja auch verständlich war. Wenn sie herausgefunden hätte, dass der Mann, mit dem sie einen ultraheißen One-Night-Stand gehabt hatte, ihr brandneuer Angestellter war, hätte sie an ihn wahrscheinlich auch höhere Maßstäbe angesetzt.

„Die Wunde sieht nicht sehr tief aus. Wir untersuchen dich wie üblich auf Wirbelsäulenverletzungen und Gehirnerschütterung und bringen dich dann zum Nähen an die Seitenlinie.“ Dann fügte sie noch hinzu: „Und vielleicht machen wir deine Brille ein bisschen sauber.“

Ali untersuchte gründlich seinen Hals und die Wirbelsäule, um sicherzugehen, dass er transportiert werden konnte.

„Kribbeln deine Arme? Hast du ein brennendes oder stechendes Gefühl?“ Sie ging die Checkliste durch und war sich sehr bewusst, dass Aidan sie die ganze Zeit ansah.

„Nö“, antwortete Chris.

„Kurzatmigkeit?“ Sie klopfte seinen Brustkorb ab. Ein Pneumothorax wäre eine sehr unwillkommene Komplikation.

Chris atmete tief ein und mit einem Löwengeräusch wieder aus. Seine Lunge war in Ordnung. „Nö.“

„Sieht so aus, als wäre bis auf deine Hirnschale alles heil geblieben – du hast Glück gehabt. Wackel mal mit den Zehen!“

„Mir geht’s gut, Harty! Wir sind aus härterem Holz geschnitzt als deine zarten Ballerinas.“

„Ach, ja? Und ich habe glatt gedacht, du wärst auch nur ein Mensch.“ Sie gab den Krankenträgern ein Zeichen. Er konnte jetzt für eine gründliche Untersuchung vom Spielfeld gebracht werden.

„Auf gar keinen Fall!“ Chris kam mühsam auf die Füße. „Ich kann selber laufen, danke!“

Er stand zwischen ihnen auf, schwankte nur ein klein wenig und riss dann seine Arme in Siegerpose hoch, bevor er von der Menge bejubelt vom Feld stolzierte.

Zurück blieb Ali Auge in Auge mit Dr. Aidan Tate.

Ihr Magen macht eine halbe Umdrehung, und sie verlor fast das Gleichgewicht, was angesichts dessen, dass sie immer noch kniete, eine beachtliche Leistung war. Der Mann raubte ihr den Atem. Das konnte sie nicht leugnen. Graumeliertes Haar, durch das sie mit ihren Fingern gefahren war, kaffeebraune Augen und so was von perfekte Wangenknochen. Oh, und hatte sie schon seine Lippen erwähnt? Sehr, sehr schöne Lippen.

„Los mit dir!“ Er deutete in Richtung der Seitenlinie und stand auf. „Du hast noch zu tun.“

Sie stand ebenfalls auf und schaut ihm in die Augen. Sie hoffte auf Antworten auf die Tausende von Fragen, die in ihrem Kopf herumschwirrten, während jeder einzelne Teil ihres Körpers darauf reagierte, ihn wiederzusehen. Ihn zu hören. Ihm nah genug zu sein, um ihn anfassen zu können.

„Du musst vom Feld, damit das hier aufhört.“

„Was?“ Sie sah sich um.

Er blickte in Richtung der Tribüne, von der anzügliche Pfiffe herunterschallten. Sie waren offensichtlich an Ali gerichtet.

„Das macht dir nichts aus?“ Aidans dunkle Augen funkelten – die Energie zwischen ihnen war so stark wie bei ihrem ersten Zusammentreffen.

„Die Rufe?“

„Ja.“ Er schaute grimmig.

„Die höre ich kaum.“ Und das war nicht gelogen. All ihre Sinne hatten sich auf ein ganz bestimmtes Ziel eingeschossen.

„Mir macht es was aus.“ Aidan nahm sie beim Ellbogen, drehte sie herum und begann sie vom Feld zu führen.

„Hey! Ich kann selber laufen, danke!“, protestierte sie.

„Du musst jetzt keine Show mehr abziehen, das eben hat gereicht“, zischte er.

„Bitte? Die einzige ‚Show‘ eben war Chris’ blutende Kopfverletzung. Mich hier vom Feld zu schleppen, ist keine gute Idee!“

Und sie hatte recht. Aidan ließ ihren Ellbogen sofort los und ging mit großen Schritten davon. Sollte sie doch sehen, wo sie blieb!

Dr. A. Lockhart. Spezialistin für Tanzverletzungen, Sportmedizinerin und Chirurgin, als Vertretungsärztin engagiert. Als er sie eingestellt hatte, hatte er sie mit ihrer Fülle von Qualifikationen für perfekt gehalten, um in der Vorbereitung auf das Endspiel die letzten Unebenheiten im Training der Mannschaft auszubügeln.

Und jetzt wusste er, dass sie ein und dieselbe Frau war, die ihm seit der Nacht am Flughafen langsam aber sicher auch noch die letzte zurechnungsfähige Gehirnzelle verschmort hatte.

Miss Cosmopolitan.

Sie hatte seine Welt regelrecht auf den Kopf gestellt. Nie zuvor hatte eine Frau einen solchen Eindruck auf ihn gemacht. Vom ersten Moment an, als er sie gesehen hatte.

Sie hatte an der Hotelbar gesessen, zum Wetterbericht im Fernseher hingeschaut und gedankenverloren mit den Lippen am Trinkhalm gespielt. Der Anblick hatte ihn sofort hypnotisiert – es war wahrscheinlich das Erotischste, was er je gesehen hatte. Bevor er Zeit hatte, es sich anders zu überlegen, schickte er ihr einen Drink. Mehr als zehn, vielleicht fünfzehn Minuten konnten nicht vergangen sein, da waren sie schon im Aufzug, er strich ihr mit dem Daumen über die Lippen, und ihm verlangte nach mehr. Nach viel mehr.

Keine Namen … keine Verpflichtungen. So etwas machte er normalerweise nicht – hatte er nie gemacht –, aber danach war ihm klar, dass sie jeden einzelnen Kratzer auf seinem Rücken wert gewesen war.

Er beobachtete argwöhnisch, wie sie durch den Tunnel Richtung Umkleidekabine verschwand. Glänzendes schwarzes Haar, das in einem dicken Büschel unter ihrer Teammütze herausragte, kristallklare blaue Augen, die so hell waren, als würden sie von innen leuchten, und dazu himbeerrote Lippen, an die er sich nur allzu gut erinnern konnte …

Schluss jetzt! Lass es.

„Doc! Passen Sie auf!“

Aidan stieß beinahe mit Chris zusammen, der mit seinem dreckigen Trikot sein Gesicht abzuwischen versuchte.

„Tut mir leid, Mann. Ich war nicht ganz anwesend.“

„Wo ist Harty?“ Chris schaute sich am Spielfeldrand um.

„Wer?“

„Dr. Lockhart“, quetschte Chris hervor. Plötzlich veränderte sich sein Ton.

„Chris, ist alles in Ordnung?“ Aidan brachte ihn zu einer Bank.

Ali hatte ihn sehr gründlich auf die Symptome einer Gehirnerschütterung hin untersucht, das wusste er, er hatte sie genau beobachtet. Doch manchmal konnte sich im Nachhinein ein Gerinnsel bilden, was schwerwiegende Folgen hätte. Er hoffte, dass das hier nicht der Fall war.

„Ja, ja, alles gut.“ Chris atmete schwer aus, als er sich hinsetzte. „Ich will einfach nur wieder raus. Wann kommt Harty, um mich zu nähen?“

„Was, vertraust du meinen Nähkünsten nicht mehr?“ Nachdem er die Frage ausgesprochen hatte, war ihm klar, dass sie nicht ganz angemessen war, aber dass Chris so vertraut und freundschaftlich über Dr. Lockhart gesprochen hatte, ärgerte ihn.

Wie lange war sie jetzt hier? Zwei Wochen? Und sie hatte schon einen Spitznamen? Er arbeitete seit fünf Jahren für die Mannschaft und hatte es kaum geschafft, das alberne „Doc“ aus den Spielern herauszubekommen. Andererseits war er auch kein Mensch, dem man so einfach näherkommen konnte. Wenn er den Spielern gegenüber offener wäre, würden auch sie vertrauter mit ihm umgehen, das wusste er. Aber so weit war er noch nicht. Vielleicht würde er das nie sein. Vielleicht war er einfach ein verschlossener Mensch, Punkt.

Wie auch immer – er sollte sich nicht so eifersüchtig aufführen. Ob nun Ali nähte oder er, das war egal. Sie war eine hoch qualifizierte Ärztin, er hatte sie wegen ihres Könnens eingestellt. Und zimperlich war sie offenbar auch nicht. Der Typ „zarte Ballerina“ würde nicht über ein blutüberströmtes Gesicht lachen. Am besten sollte er das alles einfach abschütteln. Dann würde ihre Beziehung rein professionell bleiben. Im Gegensatz zu seiner körperlichen Reaktion auf Ali.

Eifersucht, weil sich die Spieler mit der neuen Ärztin gut verstanden? Lächerlich. Etwas Besseres als Harmonie zwischen dem Betreuerstab und den Spielern konnte man sich doch nicht wünschen.

Er rieb sich das stoppelige Kinn.

Harmonie?

So ein Quatsch. Seine Reaktion auf Ali Lockhart glich eher der eines prototypischen Höhlenmenschen. Und das würde nicht funktionieren. Nicht hier. Der Ruf der Mannschaft war eng mit seinem verknüpft. Arbeit und Gefühle hielt er getrennt. Immer. Die gemeinnützige Arbeit, die er jedes Jahr zwei Wochen lang auf den pazifischen Inseln leistete, war gerade wieder der Beweis dafür. Fünf Jahre machte er das schon, und er hatte noch keine einzige Träne vergossen. Würde er vielleicht nie.

„Ist es okay für dich, wenn ich ihn nähe?“

Ali erschien mit einem Nähset in der Hand an seiner Seite.

„Mach nur.“ Er deutete in Chris’ Richtung, ohne sie anzuschauen. Diese blauen Augen sprachen Bände, und das war ihm gerade zu viel. „Teste ihn noch mal auf Gehirnerschütterung, bevor du ihm die Freigabe zum Spielen gibst.“

„Möchtest du das lieber machen?“

„Du wirst dafür bezahlt, dich um die Jungs zu kümmern. Mach du’s!“

Er hielt seinen Blick auf das Spielfeld geheftet, die Arme fest verschränkt, und beobachtete, wie sich die Spieler beim Pfiff des Schiedsrichters in Formation aufstellten. Für andere mochte das nach brutalem Durcheinander aussehen, doch ihm gefiel Rugby. Es gab ein System. Ein Spielbuch. Regeln.

Er bevorzugte Ordnung, und Alis Anwesenheit hier brachte nichts als Chaos.

Ali wünschte, sie könnte sich die rote Farbe auch einfach so von den Wangen wischen. Sie war es nicht gewohnt, dass man mit ihr von oben herab sprach.

Sie seufzte und fing an, Chris’ Stirn abzutupfen, die voller Schlamm und Blut war.

Mit dem besten Sportmediziner Großbritanniens zusammenzuarbeiten, sollte für sie beruflich bereichernd sein. Tatsächlich war es eher aufreibend. Auf mehreren Ebenen.

„Autsch! Vorsichtig, Harty!“

„Ich dachte, du bist so ein harter Kerl?“ Sie grinste Chris entschuldigend an und versuchte ihn sanfter anzufassen.

Sie durfte sich von Aidan nicht so durcheinanderbringen lassen. Zumindest nicht in beruflicher Hinsicht. Ihre Arbeit war die eine Sache, bei der sie sich ihres Könnens sicher war, und sie würde nicht zulassen, dass irgendein göttlicher schlecht gelaunter Arzt sie herumkommandierte. Auch nicht, wenn sie mehrere superheiße, nie zu wiederholende, absolut köstliche Stunden mit ihm im Bett verbracht hatte.

Autor

Annie Oneil
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