Eine Schwäche für Cowboys

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Abbie weiß, dass Männer wie Dylan Janos gefährlich für sie sind: der Cowboy ist viel zu gut aussehend und charmant! Sie schwört sich, ihm auf jeden Fall zu widerstehen - und ahnt nicht, dass er von seiner Schwester Gaylynn ein magisches Kästchen geschickt bekommen hat …


  • Erscheinungstag 19.09.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535526
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ho!“, rief Abigail Turner und riss an Wild Things Zügeln, um die Stute daran zu hindern, in den Wald zu galoppieren, der ungefähr zweihundert Meter vor ihnen begann.

Das Pferd raste weiter. Und sie näherten sich immer mehr dem Wald, dessen dicht zusammenstehende Bäume eine gefährliche Barriere bildeten. Abigail wusste, dass es keinen Pfad hindurch gab.

Außerdem lebten eine Menge Präriehunde in dieser Gegend, die die Angewohnheit hatten, ihren Bau in den Boden zu graben. In solchen Löchern konnte sich ein ahnungsloses Pferd leicht ein Bein brechen. Wenn es Abigail nicht bald gelang, Wild Thing zu stoppen, würden sie beide ernsthaften Schaden erleiden.

„Ho!“ Der Wind brannte Abigail in den Augen, als sie sich über Wild Things Rücken beugte und ihren Befehl wiederholte. Aber sie hatte kein Glück damit.

Verzweifelt zog sie an den Zügeln, um das Tier nach rechts zu lenken. Auch das funktionierte nicht. Nun richtete sie sich in den Steigbügeln auf und bemühte sich mit ihrer ganzen Kraft, das Pferd zum Stehen zu bringen. Doch zu dem heftigen Klopfen ihres eigenen Herzens und dem Geräusch, das die Hufe von Wild Thing auf dem Boden verursachten, hörte sie nun auch noch Donnergrollen.

Aus dem Augenwinkel sah sie einen Mann, der auf einem großen Appaloosa näher kam. Die Flecken auf dem Fell des Pferdes waren genauso schwarz wie der Stetson des Cowboys. „Lassen Sie die Zügel los!“, schrie der Fremde Abigail zu. „Und nehmen Sie die Füße aus den Steigbügeln.“

Es war keine Zeit für Gegenargumente. Sie tat einfach, was er ihr sagte. Eine Sekunde später schlang der Fremde einen Arm um sie und hob sie von ihrem Sattel auf seinen, während beide Pferde nebeneinander galoppierten. Der Sattelknopf drückte gegen Abigails Oberschenkel, als der Mann sie mit einer Hand vor sich schob und an sich presste. Mit der anderen Hand hielt er Wild Things Zügel fest. Abigail legte die Arme um seine Taille, um nicht herunterzufallen.

Als sie von ihrem Pferd auf seins übergewechselt war, war das Tuch heruntergerutscht, mit dem sie ihr langes Haar zusammengebunden hatte, und nun hingen die Locken ihr wirr ins Gesicht. Sie konnte nichts sehen und hatte auch keine Hand frei, um ihr Haar zurückzustreichen.

Sie merkte, wie der Mann sich bewegte und die Zügel in die Hand nahm, die er eben noch an ihre Seite gepresst hatte. Sekunden später steuerte sein Pferd auf die Wiese zu.

Erst als sie langsamer ritten, konnte Abigail einen Blick auf Wild Thing werfen, die sich von dem Mann führen ließ. Sie seufzte erleichtert auf.

„Jetzt werden Sie mir bloß nicht ohnmächtig!“, knurrte der Mann.

Sofort erstarrte sie wieder, weil sie den Eindruck hatte, sich gegen ihn verteidigen zu müssen. Er hatte ziemlich wütend geklungen. Außerdem wurde ihr nun, da die unmittelbare Gefahr vorüber war, sehr bewusst, wie nahe ihr Po gewissen Körperteilen dieses Mannes war. Sie spürte jede Bewegung seiner Muskeln, als er sein Pferd zum Stehen brachte.

Er hielt Wild Things Zügel weiter fest, als die Stute nun ebenfalls stehen blieb. Sie wirkte erschöpft, war aber offenbar nicht verletzt.

Abigails unbekannter Retter schob sich mit dem rechten Daumen den Stetson aus dem Gesicht und blickte auf sie herunter. Nachdem sie sich das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte, konnte sie ihn zum ersten Mal richtig ansehen. Sein Hut warf allerdings immer noch so viel Schatten, dass sie eigentlich nur die dunklen Augen erkennen konnte.

„Würde es Ihnen was ausmachen, mir zu verraten, wieso Sie wie eine Verrückte geritten sind?“, erkundigte er sich in einem Tonfall, der zu Westernhelden und Desperados passte, rau und sexy zugleich. Männer lernten nicht, so zu sprechen, sondern wurden mit dieser Fähigkeit geboren. Abigail wusste das, weil sie eine erfolgreiche Autorin von Liebesromanen war, die im Wilden Westen spielten. Solche Männer waren ihre Spezialität. In Romanen ebenso wie im wirklichen Leben hatte sie immer eine Schwäche für Cowboys gehabt.

Aber nach drei erfolglosen Beziehungen hatte sie kürzlich geschworen, sich mit keinem weiteren Cowboy einzulassen und mit ihnen nur noch in ihren beliebten Romanen Umgang zu haben. Das war besser so.

„Ich bin nicht wie eine Verrückte geritten“, protestierte sie nun verspätet. „Mein Pferd ist plötzlich durchgegangen.“

„Hören Sie zu, Lady, vielleicht sollten Sie sich lieber an eine sanftmütige Stute halten, bis Sie mehr Erfahrung im Reiten haben …“

„Ich bin eine gute Reiterin!“

„In einer leeren Scheune oder einem Reitstall vielleicht“, erwiderte er. „Aber nicht hier draußen. Sie hatten Glück, dass ich gerade vorbeigekommen bin.“

„Vielen Dank“, sagte sie steif. Diesen Ton hätten ihre Mitarbeiter in der Bibliothek von Great Falls als den erkannt, den sie für Unruhestifter reservierte, die sich bemühten, bestimmte Bücher aus den Regalen zu verbannen. „Sie können mich jetzt runterlassen.“

„Nicht so schnell.“ Er lehnte sich im Sattel zurück, um sie besser ansehen zu können. „Was machen Sie überhaupt ganz allein hier?“

„Ich könnte Sie das Gleiche fragen“, konterte sie. „Dies ist Privatbesitz.“ Als sie bemerkte, wohin er blickte, legte sie eine Hand auf den Ausschnitt ihres Hemdes und fragte sich, ob er eben wohl hatte hineinsehen können.

„Privatbesitz, ja?“ Er grinste unverschämt. „Betreten verboten?“ Er strich mit einem Finger über ihre Wange.

„Genau das“, antwortete sie hochmütig.

„Wie heißen Sie denn?“

„Und wie heißen Sie?“, erkundigte sie sich.

„Dylan Janos. Zu Ihren Diensten, Ma’am.“ Er berührte wieder seinen Hut.

„Nun, Mr. Janos, Sie können mich jetzt loslassen. Ich will nach meiner Stute sehen. Etwas hat sie dazu gebracht, wie wild davonzurasen …“

„Vielleicht hat sie eine Schlange gesehen“, meinte er.

„Wild Thing ist zu gut ausgebildet, um sich von einer Schlange irritieren zu lassen, es sei denn, sie wäre fast draufgetreten, und das ist sie nicht.“

„Wild Thing?“, wiederholte Dylan. „Wie kommen Sie bloß auf die Idee, ein Pferd zu reiten, das so heißt? Sie wären besser bei einem netten Gaul aufgehoben, der einen Namen wie Muffin hat.“

„Sie gehört mir, und ich habe sie Wild Thing genannt“, erklärte Abigail.

„Sie haben mir immer noch nicht Ihren eigenen Namen verraten“, erinnerte er sie.

„Das ist richtig. Und ich habe auch nicht die Absicht, das zu tun.“

„Das klingt nicht gerade sehr freundlich.“

„Sie haben es erkannt“, erwiderte Abigail.

„Wissen Sie, eine Zigeunerlegende besagt, wenn man einem Menschen das Leben rettet, schuldet einem derjenige eine Menge. Es ist fast so, als würde er einem gehören.“

„Ach ja? Und eine Westernlegende besagt, wenn jemand unbefugt das Land eines anderen betritt, dann hat der Besitzer das Recht …“

„Mich zu erschießen?“, erkundigte Dylan sich trocken. „Ich glaube, das bezieht sich bloß auf Pferdediebe, nicht auf unbefugtes Betreten.“

Sie ignorierte das. „Im Westen ist es auch so, dass ein Cowboy, der die Notlage einer Frau ausnutzt …“

„Ich habe gar nichts ausgenutzt. Noch nicht“, unterbrach er sie grinsend. „Ein Gentleman hätte mich schon vor fünf Minuten losgelassen.“

„Ich habe nie behauptet, ich wäre einer.“

„Das merke ich!“ Abigail drehte sich plötzlich so, dass sie aus dem Sattel und Dylans Händen rutschte, und landete hart auf dem Boden.

Dylan stieg gleich darauf ebenfalls ab. Dabei bemerkte Abigail, dass er etwas steif war und sich das rechte Bein rieb. Außerdem fiel ihr auf, wie eng seine Jeans diese männlichen Schenkel umschlossen. Doch sie schob den Gedanken gleich wieder weg. Jedenfalls versuchte sie es.

Aber es fiel ihr schwer. Dieser Mann war groß und wirkte durch und durch männlich. Erst als er näher trat, sah sie, dass er leicht hinkte.

„Haben Sie sich verletzt?“, fragte sie besorgt.

„Das könnte man so ausdrücken“, erwiderte er düster und dachte an das Rodeo, bei dem er den Unfall gehabt hatte, der ihn gezwungen hatte, die Wettbewerbe völlig aufzugeben. Die Ärzte hatten gesagt, er hätte Glück gehabt, dass er sein Bein überhaupt noch bewegen und reiten konnte. Aber er würde es nie wieder so wie früher können. Die Gürtelschnalle, die er gewonnen hatte und auch jetzt trug, war ein Beweis dafür, dass er einmal ein Champion gewesen war. Doch seine Fähigkeiten waren verloren gegangen, als er sich das rechte Bein gebrochen hatte. Nein, er hatte zurzeit nicht gerade eine Glückssträhne.

„Gibt es etwas, das ich für Sie tun kann?“, fragte Abigail.

„Ja, Sie können mir Ihren Namen verraten. Und was Sie hier überhaupt zu suchen haben. Dies ist Pete Turners Ranch.“

„Das stimmt.“

„Und da ich weiß, dass Pete etwas gegen Besucher hat, dürften Sie wohl diejenige sein, die sein Land unbefugt betreten hat, nicht ich.“

„Wie kommen Sie denn darauf?“

„Wie ich schon sagte, Pete mag keine Besucher. Er und ich kennen uns schon lange.“

„Wirklich? Haben Sie in letzter Zeit mit ihm gesprochen?“

„Vor einigen Monaten. Im März, denke ich. Vielleicht war es auch schon im Februar.“

Abigail wusste Bescheid über das Zeitgefühl von Cowboys. Sie hatten keins, genauso wenig wie sie mit Geld und Frauen umgehen konnten. Inzwischen war Juli.

Trotzdem, wenn Dylan ein Freund ihres Onkels gewesen war, dann wollte sie ihm die Nachricht von dessen Tod so schonend wie möglich beibringen. Während sie noch nach den passenden Worten suchte, fragte er ungeduldig: „Wer sind Sie?“

„Ich bin Petes Nichte.“

„Bestimmt nicht! Seine Nichte ist eine prüde Bibliothekarin in der Großstadt.“

Abigail biss die Zähne zusammen. Sie wusste ja, dass beide Berufe, die sie sich ausgesucht hatte, bei den Leuten viele Vorurteile weckten. „Ich bin Bibliothekarin. Zumindest war ich es bis vor ein paar Wochen.“

Dylan musterte sie von Kopf bis Fuß, als hätte er den Verdacht, dass sie log. „Sie sehen keiner Bibliothekarin ähnlich, die ich je getroffen habe“, meinte er.

„Wirklich? Und wann waren Sie das letzte Mal in einer Bibliothek?“, erwiderte sie in zuckersüßem Ton.

Dylan hatte die Krankenhausbücherei oft besucht, solange er dort gewesen war, aber das wollte er dieser Frau nicht erzählen. Er wollte sich lieber mit ihr beschäftigen. Was für eine Art von Bibliothekarin war das, die ein Pferd mit dem Namen Wild Thing ritt? Eine, die ich näher kennenlernen möchte, dachte er.

Sie hatte lange Beine, hübsche Kurven und wundervolles lockiges Haar. Vorhin war es ihm ins Gesicht geweht, und es kam ihm vor, als schlänge sich ein seidenes Lasso um sein Herz. Außerdem duftete es nach Maiglöckchen, und das waren seine Lieblingsblumen.

Als er merkte, dass er auf den Mund dieser Frau gestarrt hatte, ohne ein einziges Wort zu hören, das sie gesagt hatte, murmelte er: „Was?“

„Vergessen Sie’s.“ Sie ignorierte ihn und begann nun, Wild Thing zu untersuchen. Sogar ins Maul blickte sie dem Pferd, um festzustellen, ob etwas nicht in Ordnung war. Zuerst fand sie nichts. Die Stute war glücklicherweise nicht verletzt. Sie zitterte immer noch leicht, hatte aber keine Schwellungen oder Wunden. Dann nahm Abigail den Sattel ab und entdeckte, was sie gesucht hatte. „Ich wusste es!“, rief sie. „Ich bin reingelegt worden!“

2. KAPITEL

„Wovon reden Sie?“, fragte Dylan.

„Ich wusste, dass Wild Thing nicht ohne Grund durchgeht. Sehen Sie sich das an!“ Sie zeigte ihm die Kletten, die an der Satteldecke hafteten. Und natürlich hatte das Pferd entsprechende Abdrücke an den Seiten, obwohl diese schwer zu erkennen waren in dem mahagonifarbenen Fell. „Du armes Baby“, sagte Abigail sanft, und Dylan wünschte sich, sie würde so mit ihm sprechen statt mit der Stute.

„Haben Sie das Sattelzeug nicht überprüft, bevor Sie aufgebrochen sind?“, wollte er wissen.

„Natürlich. Da waren die Kletten noch nicht an der Decke. Es kann eine Weile gedauert haben, bis sie Wild Thing wirklich wehgetan haben, aber dann ist sie durchgegangen. Und die Kletten können unmöglich zufällig da hingekommen sein. Jemand muss sie absichtlich druntergesteckt haben.“

„Haben Sie das Pferd unbeaufsichtigt gelassen, als es schon gesattelt war?“

„Nur ganz kurz. Mein Handy hat geklingelt …“

Dylan rollte mit den Augen.

„Es war meine Lektorin aus New York“, fuhr Abigail fort. „Aber ich war höchstens fünf Minuten weg.“

„Lange genug, dass jemand sich an der Decke zu schaffen gemacht haben kann.“ Dylan streichelte der Stute die Nüstern.

„Wild Thing mag es nicht, wenn Fremde sie berühren“, warnte Abigail ihn.

„Da ist sie ganz wie ihre Besitzerin, was?“ Dylan fuhr fort, das nervöse Pferd zu streicheln, und es gelang ihm, es zu beruhigen. Dieses verräterische Tier freute sich offenbar über die Aufmerksamkeit.

Abigail erschauerte, als sie sich erinnerte, wie Dylan mit derselben Hand ihre Wange berührt hatte. Seine Fingerspitzen waren rau. Sie brauchte sich seine Handflächen gar nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie voller Schwielen waren. Dies war kein Großstadtcowboy, sondern ein echter.

„Was glauben Sie, warum jemand wollte, dass Sie abgeworfen werden?“, erkundigte er sich nun.

„Ich weiß nicht. Vielleicht weil ich mich weigere, die Ranch an Hoss Redkins zu verkaufen, dem in dieser Gegend das meiste gehört.“

„Wie bitte?“ Dylan verzog das Gesicht. „Sie mögen ja Petes Nichte sein, aber es ist immer noch seine Ranch, und er würde auf keinen Fall an einen aufgeblasenen Kerl wie Redkins verkaufen.“

Abigail biss sich auf die Lippe, als ihr klar wurde, dass sie Dylan noch immer nicht vom Tod ihres Onkels erzählt hatte. „Er ist vor zwei Monaten gestorben“, sagte sie nun leise. „Sein Anwalt hat mich angerufen und mir gesagt, dass ich die Ranch geerbt habe.“

„Ich dachte, Pete hätte nichts mehr von seiner Familie wissen wollen, seit die ihre eigene Ranch an Hoss verkauft hat.“

„Das stimmt. Aber ich habe mich bemüht, mit ihm in Verbindung zu bleiben.“

„Ja, das haben Sie sicher“, erwiderte Dylan sarkastisch. „Immerhin wollten Sie sich mit ihm gut stellen.“

„Was soll das heißen?“, fragte Abigail.

„Nichts.“ Dylan nahm seinen Hut ab, strich sich durchs Haar und setzte den Hut dann wieder auf. Es erschütterte ihn, dass Pete tot war. Dylan hatte ihn bei einem Rodeo in dieser Gegend kennengelernt, zu dem Pete einige seiner Pferde gebracht hatte. Der alte Mann war zwar ebenso unfreundlich gewesen wie ein Grizzlybär, der in einer Falle saß, aber Dylan hatte seine Gesellschaft immer genossen, seit zehn Jahren … tatsächlich seit er überhaupt in den Westen gezogen war. Pete hatte ihm eine Menge beigebracht. Es tat ihm weh, dass sein Freund ihm nun nie wieder bei einer Tasse Kaffee mit einem großzügigen Schuss Whiskey Geschichten aus den „guten alten Zeiten“ erzählen würde.

„Was werden Sie nun mit der Ranch tun?“, wollte er wissen.

„Ich behalte sie natürlich.“

„Soll das eine Art wissenschaftliches Projekt sein? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie viel Arbeit man mit einer Ranch hat, ganz zu schweigen von dem Geld, das es kostet, sie zu führen? Selbst wenn es nur eine kleine ist wie diese.“

„Ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung, ja. Bevor ich herkam, habe ich Recherchen angestellt.“

„In der Bibliothek von Great Falls zweifellos“, spottete er.

„Das ist richtig. Und vergessen Sie nicht, dass ich auf der Nachbarranch aufgewachsen bin.“

„Das war vor Jahrzehnten!“

„So lange ist es nun auch nicht her“, erwiderte Abigail gekränkt.

„Nein? Wie alt sind Sie denn?“

„Wie alt sind Sie?“, konterte sie.

„Achtundzwanzig.“

Lieber Himmel, er ist ja noch ein Kind!, dachte Abigail. Na ja, das vielleicht nicht, räumte sie dann ein, als sie sah, wie eng seine Jeans saßen. Er war eindeutig erwachsen. Aber er war vier Jahre jünger als sie.

Zweiunddreißig war ihr noch nie so alt erschienen, aber sie hatte sich bisher auch noch nie zu einem jüngeren Mann hingezogen gefühlt. Damit ihre Hormone nicht verrückt spielten, erinnerte sie sich jetzt daran, dass sie sich außerdem über ihn geärgert hatte.

„Lassen Sie mich raten. Ein Gentleman fragt eine Dame nie nach ihrem Alter, was?“, sagte Dylan. „Also, Frau Bibliothekarin, kommen Sie und Ihr Pferd nun ruhig mit mir mit, oder muss ich Sie mit dem Lasso einfangen?“ Als er Abigails entsetzten Blick sah, fuhr er fort: „Ich habe einen Anhänger für zwei Pferde nicht weit von hier stehen. Er ist an meinem Wagen befestigt, und ich kann Sie beide zur Ranch mitnehmen.“

„Wenn Sie glauben, dass ich mich von einem Fremden mitnehmen lasse …“

„Nicht ich bin der Fremde. Das sind Sie. Schließlich kennen Sie meinen Namen, ich Ihren aber immer noch nicht.“

„Ich heiße Abigail.“ Sie sah ihn herausfordernd an. „Abigail Turner.“

„Sehen Sie, das war doch gar nicht so schwer, oder?“, neckte er sie.

Aber sie hörte schon nicht mehr zu, weil ihr plötzlich eingefallen war, dass sie es hier vielleicht mit einem geschenkten Gaul zu tun hatte. Oder besser gesagt, einem geschenkten Cowboy. „Möglicherweise sind Sie genau das, was ich brauche“, meinte sie.

„Wirklich?“ Er hob eine Augenbraue. „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Sind Sie auf der Suche nach einem Job?“, fragte sie.

„Warum? Wollen Sie mich für etwas einstellen?“

„Kann sein. Ich weiß, dass Sie Erfahrung haben … mit Pferden, meine ich“, fügte sie rasch hinzu. Sie fühlte sich wie eine Idiotin. „Normalerweise schreibe ich bessere Dialoge“, murmelte sie.

„Ja? Heißt das, dass Sie Schriftstellerin sind?“

„Das stimmt.“ Sie hob das Kinn und wartete auf die unvermeidliche Frage: Was schreiben Sie?

Stattdessen erkundigte Dylan sich vorsichtig: „Von was für einer Art von Job reden wir hier?“

„Sie nehmen wohl keine Diktate entgegen, was?“ Abigail lächelte ein bisschen.

„Das sehen Sie ganz richtig.“

„Wie ist es mit Maschineschreiben?“

„Auch nicht.“

„Ist das da ein Gürtel, wie ihn Champions beim Rodeo gewinnen? Und gehört er wirklich Ihnen?“, wollte sie wissen.

Seine dunklen Augen glänzten. „Wollen Sie die Initialen überprüfen?“, fragte er mit einem anzüglichen Lächeln und hakte die Daumen unter die breite silberne Gürtelschnalle. Das war eine einladende Geste und sehr, sehr sexy.

Einen Moment lang überlegte Abigail, was er tun würde, wenn sie ihn beim Wort nahm. Dann entschied sie, dass sie das lieber nicht rausfinden wollte. Zumindest im Moment nicht. „Ich suche vorübergehend einen Verwalter für die Ranch“, erklärte sie. „Während der letzten paar Jahre war mein Onkel nicht in der Lage, sich um alles zu kümmern, und man sieht es dem Besitz an. Sowohl um die Zäune als auch um die Tiere muss sich jemand kümmern. Ich brauche jemanden, der bereit ist, hart zu arbeiten. Hoss hat dafür gesorgt, dass niemand aus der Gegend sich bei mir bewirbt. Und ich sollte Sie warnen. Falls Sie Angst vor Hoss haben, ist dies kein Job für Sie.“

„Ich fürchte mich nicht vor ihm.“ Aber vor Ihnen, hätte Dylan fast hinzugefügt. Diese blonde Bibliothekarin mochte ja Petes Nichte sein, aber sie sah aus, als wäre sie in der Großstadt aufgewachsen und ziemlich schwierig. Zwar trug sie keine Designerjeans, und auch ihr Hemd war nichts Besonderes, aber sie hatte so etwas an sich … Trotzdem hatte sie sehr geschickt ihr Pferd untersucht. Sie war ganz schön widersprüchlich. Und dazu duftete sie noch nach Maiglöckchen. Verdammt.

Er erinnerte sich daran, dass ihre Probleme ihn nichts angingen. Es wäre vernünftig gewesen, sofort wieder auf sein Pferd zu steigen und zu verschwinden. Aber seine Cowboyehre verlangte etwas anderes, ebenso wie er Abigail deswegen hatte zu Hilfe kommen müssen, als er gesehen hatte, wie sie über die Wiese raste. Dylan war kein Mann, der sich absichtlich Probleme suchte, aber irgendwie schien er trotzdem dauernd welche zu finden, trotz der Tatsache, dass er nie lange an einem Ort blieb.

Das Nomadenleben entsprach ihm sehr. Er hatte nicht die Absicht, sich in nächster Zeit irgendwo häuslich niederzulassen. Sein älterer Bruder hatte inzwischen geheiratet, und seine Schwester war durchgebrannt, aber Dylan selbst war noch nicht bereit zu so etwas. Noch lange nicht.

Andererseits konnte er keiner Herausforderung widerstehen, ob es sich nun um ein Pferd handelte, das angeblich niemand reiten konnte, oder eine Frau, die so störrisch wie ein Maultier war. Beides brachte sein Blut zum Kochen.

Wild Thing schnaubte und stampfte ungeduldig mit den Hufen auf, als wollte sie erklären, dass es ihr nicht gefiel, ignoriert zu werden.

„Ich denke, ich nehme Ihr Angebot an, uns mitzunehmen“, entschied Abigail. „Wenn wir zum Ranchhaus kommen, können wir uns weiter über den Job unterhalten.“

Sobald die Pferde sicher in dem Anhänger untergebracht waren und Abigail auf dem Vordersitz des Lieferwagens saß, hatte sie den Eindruck, dass sie gerade ihrem Leben eine neue Richtung gegeben hatte. Das einzige Problem bestand darin, dass sie nicht sicher war, ob es sich um die richtige Richtung handelte.

Dylan würde nicht lange bleiben. Cowboys taten das selten. Aber vielleicht würde er es auf der Ranch immerhin so lange aushalten, bis sie jemand anderen für die Stelle fand. Jemand Älteren, der möglichst verheiratet war. Jemanden, der sesshaft war.

Leider widersprachen sich die Wörter „Cowboy“ und „sesshaft“ in der Regel. Abigail hatte jedenfalls diese Erfahrung gemacht. Ihre dritte und letzte Beziehung mit einem Cowboy war vor zwei Monaten zu Ende gegangen. Er war nach Arizona weitergezogen und hatte sie mit einem gebrochenen Herzen zurückgelassen. Abbie gab gerne zu, dass es eine Ironie des Schicksals war, dass sie zwar erfolgreiche Liebesromane mit Happyend schreiben, selbst aber kein solches finden konnte. Im Moment bereitete es ihr allerdings mehr Sorgen, wer sie und ihr Pferd in Lebensgefahr gebracht hatte.

„Was, zur Hölle, ist das?“ Dylan starrte ungläubig auf das seltsame Ding, das neben der Straße stand, die zum Ranchhaus führte. Das kompakte Gebäude sah aus, als wäre es direkt aus der Erde gewachsen, und soweit Dylan das erkennen konnte, hatte es sogar Gras auf dem Dach. Er wusste ja, dass Pete in seinen letzten Jahren etwas exzentrisch geworden war, aber so etwas Bizarres hätte er trotzdem bestimmt nicht gebaut.

„Das ist Ziggys Haus“, erklärte Abigail, als Dylan seinen Wagen zum Stehen brachte.

„Wer ist Ziggy?“

„Ein Freund von mir.“

„Und Sie haben zugelassen, dass er diese Monstrosität auf Ihrem Land errichtet?“

„Ziggy ist ein Künstler.“

Plötzlich dröhnte eine Kettensäge los, und ein Vogel flüchtete laut schimpfend aus einem Baum.

Die Pferde trampelten nervös in dem Anhänger herum, weil der Krach sie irritierte.

„Sagen Sie ihm, er soll das verdammte Ding abschalten!“, befahl Dylan ärgerlich. „Er macht die Pferde scheu.“

„Warten Sie mal. Wer ist hier der Boss?“ Aber Dylan war bereits aus dem Wagen gesprungen und steuerte auf Ziggys Haus zu, als wollte er selbst für Ruhe sorgen.

Obwohl es sonnig und warm war, trug Ziggy seine übliche Mütze von der Schweizer Armee. Sein zottiges weißes Haar drang in allen Richtungen darunter hervor. Ein weiter Overall, ein kariertes Holzfällerhemd und Arbeitsstiefel vervollständigten seinen Aufzug. Seine Freunde bezeichneten den Holzschnitzer als einzigartig, seine Feinde als verrückt, und die Käufer seiner aus ganzen Baumstämmen angefertigten Skulpturen fanden ihn talentiert. Im Moment stand er bis zu den Knöcheln in Sägemehl.

Ziggy sprach Englisch mit Akzent, aber wann immer er sich aufregte, ging er zu deutschen und französischen Flüchen über, gemischt mit etwas Italienisch … ein Resultat seiner Schweizer Herkunft. Als Dylan ihn unterbrach, sah Ziggy ihn böse an, und ein Strom internationaler Schimpfworte erklang statt des Dröhnens der Kettensäge.

„Wie kann ich arbeiten, wenn ich immer gestört werde?“, wandte er sich an Abigail.

„Bääääh.“

„Sehen Sie, was Sie getan haben? Sie haben Heidi und Gretel durcheinandergebracht“, erklärte Ziggy.

„Wen? Ihre Kinder?“

„In gewisser Weise sind sie das“, antwortete Abigail anstelle von Ziggy. „Es sind Ziegen.“ Sie deutete auf das Dach, wo drei Tiere Gras fraßen.

Zu Abigails Überraschung begann Dylan widerstrebend zu lächeln, und dabei erkannte sie, wie perfekt seine Lippen geformt waren.

„Nette Freunde haben Sie hier“, meinte er.

„Ja, nicht wahr?“ Sie grinste ebenfalls.

Dylan schob seinen Hut ein bisschen zurück. Es war ein gewöhnlicher, ziemlich staubiger schwarzer Stetson, nichts Ausgefallenes, und Abigail dachte sich, dass der Riss im linken Bein von Dylans Jeans mit Sicherheit auch nicht modisch bedingt, sondern bloß ein Zeichen von Abnutzung war.

Als Dylan merkte, wie Abigail ihn anstarrte, entschied er, dass es nur fair war, wenn er das umgekehrt ebenfalls tat. Sein Blick war anerkennend und nachdenklich, und er malte sich aus, wie es wohl wäre, sie zu berühren.

„Hört auf damit, ihr beide!“, befahl Ziggy. „Ich kann schon die Flammen spüren. All diese Gefühle lenken einen Künstler wie mich zu sehr ab.“

Dylan beobachtete verwundert, wie Abigail errötete. „Ich dachte, niemand würde heutzutage mehr rot“, murmelte er.

„Das ist Sonnenbrand“, erwiderte sie. „Wir gehen jetzt, Ziggy.“

„Ich heiße übrigens Dylan“, stellte Dylan sich vor. „Arbeiten Sie schon lange an diesem Stück?“ Er deutete auf das Kunstwerk.

„Seit heute Morgen“, antwortete Ziggy.

„Haben Sie Abbie zufällig vorbeireiten sehen?“

„Mein Name ist Abigail“, mischte sie sich ein.

„Ich nenne dich aber Abbie“, widersprach Ziggy.

„Das kommt daher, dass du mein Freund bist. Dylan ist …“

Autor

Cathie Linz
Cathie Linz ist die ungekrönte Königin der schnellen romantischen Komödien, die einen im Herzen berühren und immer wieder zum Lachen bringen. Nachdem die USA-Today-Bestsellerautorin ihre Karriere in einer Universitätsbibliothek zugunsten des Schreibens aufgegeben hat, wurden weltweit über vierzig ihrer Romane veröffentlicht und in über zwanzig Sprachen übersetzt. Die Chicago Sun-Times...
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