Eine Traumfrau für Tyler

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Ein Fall für den gut aussehenden Sheril Tyler: Die temperamentvolle Jenny, die mit ihrer Harley in seinem Ort eine , Rast macht, ist so bezaubernd, dass er sie nicht weiter fahren lassen will. Was tun? Kurzerhand verhaftet er sie, weil sie für ihr Motorrad keine Papiere hat. Doch wie soll er nun die widerspenstige Jenny dazu bringen, freiwillig bei ihm zu bleiben? Ob der starke Tyler sie zärtlich verführen kann?


  • Erscheinungstag 17.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746339
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Jenny Kyle dröhnte der Kopf. Die Ursache ihrer hartnäckigen Kopfschmerzen war das Gefühl, in der Falle zu sitzen, eine echte Qual für jeden Menschen, der es hasste, sich eingesperrt zu fühlen. Hinzu kam, dass sie ohne eigenes Verschulden in diese Lage gekommen war.

Dennoch war sie zuversichtlich, dass sie die unfreundliche kleine Stadt Bridal Veil Falls hinter sich lassen würde, sobald sie die Dinge mithilfe des Sheriffs geklärt hatte. Und dann würden auch ihre Kopfschmerzen aufhören. Zuerst aber musste sie ihren Anwalt, Mr. Dearbourne, anrufen. Der würde schon wissen, was zu tun war. Schließlich hatte sie nicht mit Absicht gegen das Gesetz verstoßen. Es war einfach Pech gewesen, dass sie ihr Portemonnaie mit all ihrem Bargeld und sämtlichen Kreditkarten verloren hatte. Vielleicht würde Dearbourne ihr eine Strafpredigt halten, wenn er von ihrem spontanen Motorradtrip quer durchs Land erfuhr.

„Da ist er.“ Die Kellnerin wies aus dem Fenster. „Das ist der Sheriff. Na, da können Sie sich auf etwas gefasst machen.“

Jenny drehte sich um und riss erstaunt die dunkelbraunen Augen auf, als sie ein auf Hochglanz poliertes Polizeiauto einparken sah. Die Fahrertür öffnete sich, und zwei staubige Cowboystiefel wurden sichtbar. Jenny hatte auf eine mitfühlende Seele gehofft, auf jemanden, der sagen würde: „Sie Ärmste, das kriegen wir schon wieder hin.“

Stattdessen sah sie sich einem Mann gegenüber, der aussah, als hätte er in dem Film „Gladiator“ die Titelrolle spielen können.

Er trat in das milde Nachmittagslicht, eine einschüchternde Gestalt von etwa einem Meter neunzig, dem die beigefarbene Polizeiuniform wie angegossen passte. Seine Schultern waren breit, die Hüften schmal, der Bauch flach. Von seinem kantigen Gesicht konnte sie nicht viel sehen, denn er hatte den Cowboyhut tief in die Stirn gezogen und trug außerdem eine Sonnenbrille. Das Kinn war stark ausgeprägt, und die fest geschlossenen Lippen wirkten wie aus Marmor gemeißelt.

Die Eingangstür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Jenny hörte, wie jemand mit langsamen Schritten näher kam. Dann blieb dieser Jemand vor ihr stehen. Sie wagte nicht, den Kopf zu heben.

„Ist sie das hier?“

Mit dem Mann war sicher nicht zu spaßen. Jennys Optimismus schwand. Sie sah sich erst als verhärmte alte Frau das Gefängnis wieder verlassen.

Die Kellnerin überfiel den Sheriff sofort mit der ganzen Geschichte und schüttelte zum Schluss tadelnd den Kopf. „Und was mich am meisten wunderte, sie bemerkte den Verlust des Portemonnaies angeblich erst, nachdem sie hier Unmengen gegessen hatte.“

„Das ist nicht wahr.“ Jenny hob den Kopf und warf der Kellnerin einen verärgerten Blick zu. Noch wagte sie es nicht, den Sheriff anzusehen. „Ich habe ganz normal gegessen. Sitzen Sie mal acht Stunden auf dem Motorrad, dann sind Sie auch hungrig wie ein Wolf.“

Wieder war die kühle Stimme des Sheriffs zu hören. „Dann gehört die Harley da draußen Ihnen?“

Jenny wagte es endlich, die Sonnenbrille des Sheriffs zu fixieren. „Vielleicht. In dieser Situation bin ich nicht bereit, überhaupt irgendetwas zuzugeben.“

Einen unbehaglichen Augenblick lang sagte keiner ein Wort. Der Mann sah aus wie ein Model für ein Armee-Werbeposter. Die Nase war gerade, die Haut sonnengebräunt.

Der Gladiator stieß einen leisen Pfiff aus. „Wieso nicht? Es geht doch um Sie.“

Sie schüttelte den Kopf. „Da bin ich nicht sicher. Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen, denn ich habe nichts verbrochen. Ich bin lediglich auf der Durchreise und hatte das Pech, mein Portemonnaie zu verlieren. Wenn ich gewusst hätte, dass die Leute hier so misstrauisch und unfreundlich sind, hätte ich einen weiten Bogen um die Stadt gemacht, das können Sie mir glauben.“

„Und Sie können mir glauben, dass ich wusste, es würde Schwierigkeiten geben, als ich Ihre rote Mähne sah.“

Jenny stand empört auf und starrte ihn an. Da sie fast einen Kopf kleiner war als er, wirkte das nicht besonders eindrucksvoll. Aber sie wusste, sie musste jetzt etwas für ihre Verteidigung tun. „Apropos Schwierigkeiten. Ich hatte Hunger und hielt an, um etwas zu essen. Und ehe ich wusste, wie mir geschah, hat man mir alle möglichen absurden Anschuldigungen an den Kopf geworfen. Ich bin doch keine Kriminelle, die die Städte abklappert und die mexikanischen Restaurants um die Zeche prellt, auch wenn sie …“, sie warf der Kellnerin einen düsteren Blick zu, „… dieser Meinung ist. Und lassen Sie mich noch etwas sagen.“

„Oh, Mann“, murmelte der Sheriff, „sie ist immer noch nicht fertig.“

„Diese Stadt und ihre Einwohner sind das Unsympathischste, was mir je begegnet ist.“ Jenny hielt inne und fügte dann widerwillig hinzu: „Mit Ausnahme der netten alten Dame dahinten an dem Tisch, die mir immer nur freundlich zulächelt. Aber im Übrigen möchte ich diesen Ort lieber heute als morgen verlassen.“

Die alte Dame hatte offensichtlich zugehört, denn sie winkte ihnen jetzt freundlich mit ihrer Handarbeit zu. „Hallo! Der neue Hut steht dir ganz ausgezeichnet, Sheriff.“

„Charmant wie immer, Ella“, rief der Sheriff zu ihr hinüber. Dann sah er die Kellnerin stirnrunzelnd an. „Sie haben mir nicht gesagt, dass meine Großmutter hier ist, Sunny. Das verändert die Situation, finden Sie nicht?“

„Was?“, stieß Jenny hervor. „Die alte Dame ist Ihre Großmutter?“

Der Sheriff nahm die Sonnenbrille ab und betrachtete Jenny nachdenklich mit seinen blauen Augen. Auf einmal wirkte er sehr viel menschlicher auf Jenny. „Ja, das ist tatsächlich meine Großmutter. Und ich bin Sheriff Cook, aber Sie können gern Tyler zu mir sagen. Denn wir sind alles andere als unfreundlich hier, und Sie haben keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Aber tun Sie mir den Gefallen und halten Sie mal für ein paar Minuten den Mund. Falls Ihnen das möglich ist.“ Er wandte sich zu der Kellnerin um. „Wie lange ist Ella schon hier, Sunny?“

„Fast den ganzen Nachmittag, glaube ich.“ Sie blickte den Sheriff unsicher an. „Tut mir leid, ich habe mir nichts dabei gedacht. Dr. Wetzel hatte mir gesagt, dass es ihr wieder besser geht. Dass sie jetzt stattdessen häkelt …“

„Ich habe eher das Gefühl, dass sie einen kleinen Rückfall hatte. Sie sieht einfach zu fröhlich aus.“

Jenny sah wütend von einem zum anderen. „Was soll das alles? Warum lassen Sie mich nicht endlich draußen nach meinem Portemonnaie suchen? Und was hat die alte Dame mit dem Ganzen zu tun?“

Der Sheriff blitzte sie zornig an. „Tun Sie nie das, was man Ihnen sagt? Ich habe Sie doch gebeten, den Mund zu halten.“

„Ich denke nicht daran! Ich stecke sowieso schon in der Tinte. Was haben Sie denn mit mir vor? Wollen Sie mich verhaften, weil ich zu viel Sauerstoff verbrauche?“

Er schob sich den Hut in den Nacken. „Sie sind wirklich eine Nervensäge. Vielleicht sagen Sie mir jetzt erst mal, wie Sie heißen.“

„Jenny Kyle.“

„Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern, Jenny Kyle.“ Er klappte die Sonnenbrille zusammen und schob sie in die Brusttasche. „Und an Ihrer Stelle würde ich dieses Recht wahrnehmen, während ich mir Ella zur Brust nehme.“

Jenny sah ihn empört an. „Diese reizende Dame hat überhaupt nichts Schlimmes …“

Der Sheriff hatte ihr die Hand auf den Mund gelegt. „Das Recht, die Aussage zu verweigern …“

Was für eine Frechheit! Jenny kniff wütend die Augen zusammen, ihr Körper versteifte sich. Sunny, die die ganze Situation offensichtlich wahnsinnig komisch fand, kicherte.

„So ist es besser.“ Tyler zog langsam die Hand zurück. „Setzen Sie sich.“

„Ich will aber stehen bleiben“, entgegnete sie so schnell, dass er sie nicht stoppen konnte.

Das sollte ihn wütend machen, so hoffte sie wenigstens. Aber er grinste nur auf eine Art, die sie unter anderen Umständen durchaus attraktiv gefunden hätte. „Nichts als Schwierigkeiten“, sagte er leise und wandte sich um.

Jenny konnte nicht hören, was er zu der zierlichen alten Dame sagte. Und da der Sheriff ihr die Sicht versperrte, konnte sie auch nicht sehen, wie die alte Dame reagierte.

Als er wieder zurückkam, hatte Jenny sich gerade aufgerichtet und schob ihre zitternden Hände in die Hosentaschen. Auf keinen Fall wollte sie ihm die Genugtuung geben, sie eingeschüchtert zu erleben. Sie würde sich nicht so verhalten, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

Aber er schien sie sowieso kaum zu bemerken. Er nahm Sunny zur Seite und flüsterte mit ihr, während er Ella hin und wieder einen verstohlenen Blick zuwarf. Sunny nickte und ging dann zum Telefon.

„Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was hier gespielt wird?“, fragte Jenny schließlich. „Aber halt, ich kann es mir schon denken. Sie wollen Ihre Großmutter verhaften, weil sie zu freundlich war. Wahrscheinlich ist das ein Kapitalverbrechen in dieser Stadt.“

Tyler sagte nichts, legte den Kopf leicht auf die Seite und musterte Jenny prüfend. „Wissen Sie“, sagte er schließlich, „Sie scheinen wirklich Probleme mit Autoritätspersonen zu haben. Vielleicht täten Ihnen ein paar Jahre hinter Gittern richtig gut.“

Sie sah ihn verstört an. „Ein paar Jahre hinter Gittern? Wo sind wir denn hier? In einem Gangsterfilm?“

„Außerdem scheinen Sie Ihre Verbrechen nicht im Geringsten zu bereuen“, meinte er nachdenklich. „Das sieht nicht gut für Sie aus.“

„Hören Sie doch auf! Ich habe mein Portemonnaie verloren, das ist alles!“

„Sie sind wirklich eine Nervensäge.“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Und Richter Curry mag keine Nervensägen. Allerdings hat er ein weiches Herz in Bezug auf Frauen. Vielleicht sind Sie nach einem Jahr wieder draußen, wegen guter Führung. Können Sie Karate?“

„Was?“

„Karate, vielleicht auch Kickboxen oder andere Kampfsportarten. Glauben Sie mir, im Frauengefängnis geht es sehr viel härter zu als bei den Männern. Da kann es nichts schaden, wenn Sie Ihre Selbstverteidigungstechniken ein bisschen aufpolieren.“

„Glauben Sie wirklich, ich kaufe Ihnen das ab?“

Tyler grinste wieder und schob den Hut noch etwas weiter zurück. „Es ist mir egal, ob Sie es glauben. Haben Sie irgendwelche Familienangehörige oder Freunde, die Sie anrufen möchten, bevor ich Sie in Gewahrsam nehme?“

„Was?“ Sie starrte ihn ausdruckslos an.

„Ihnen steht ein Telefongespräch zu. Wollen Sie nicht Ihren Mann anrufen?“

„Sie haben wirklich einen ausgeprägten Sinn für Humor!“, stieß sie leise hervor. „Wenn ich einen Mann hätte, was nicht der Fall ist, würde ich das Telefonat sicher nicht an ihn verschwenden, sondern meinen Anwalt benachrichtigen.“

„Wie Sie wollen. Oh, und dann habe ich noch etwas für Sie. Das hätte ich in der Aufregung beinahe vergessen.“ Er zog etwas aus seiner Hosentasche und warf es auf den Tisch. „Kommt Ihnen das bekannt vor?“

Jenny blickte auf ihr grünes Portemonnaie. „Wo haben Sie das her?“

„Ella hat es mir gegeben. Ich soll Ihnen von ihr ausrichten, Sie hätten prachtvolles Haar und sie hoffe, Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet zu haben. Sie hat leider die Neigung, Dinge an sich zu nehmen, die ihr nicht gehören. Aber davon abgesehen ist sie ein Engel.“

Jenny schloss kurz die Augen, weil ihr beinahe schwindelig geworden war. Dann warf sie der alten Dame, die eifrig mit ihrer Handarbeit beschäftigt zu sein schien, einen kurzen Blick zu. Wütend schlug sie mit der Hand auf den Tisch. „Das ist doch nicht zu fassen! Das haben Sie von Anfang an gewusst, Sie haben mich reingelegt! Sie haben gewusst, dass Ella mein Portemonnaie gestohlen hat, und mich trotzdem glauben lassen …“

„Tut mir leid“, sagte Tyler lächelnd. „Aber Ella ist im Grunde keine Diebin. Es macht ihr nur Spaß, sich hin und wieder etwas ‚auszuborgen‘, wie sie es nennt. Früher oder später gibt sie die Sachen wieder zurück. Wir hatten gehofft, sie sei geheilt, als sie anfing zu häkeln. Sie liebt das Häkeln, und wir dachten, wenn sie immer etwas in den Händen hat, wird sie keine langen Finger mehr machen. Aber ich fürchte, wir müssen sie weiterhin überwachen.“

Wie konnte er nur so gelassen sein? Jenny war außer sich. „Sie haben mich bewusst gequält, als Sie mir von den gefährlichen Frauengefängnissen erzählten! Sie hatten nie die Absicht, mich zu verhaften. Man sollte Sie verhaften!“

Immer noch grinste er. „Da ich der einzige Vertreter des Gesetzes in dieser Stadt bin, kann ich wohl kaum verhaftet werden. Ich kann mir doch nicht selbst Handschellen anlegen.“

„Keine Sorge, ich helfe Ihnen dabei.“

„Kommen Sie, beruhigen Sie sich. Ich wollte Ihnen nur eine kleine Lektion erteilen, damit Sie Ihr Verhalten ändern.“

„Ich soll mein Verhalten ändern?“ Sie sprang hoch und funkelte ihn wütend an. „Ich bin hier das Opfer! Man kann mir nichts nachsagen, außer, dass ich einen scheußlichen Tag hatte. Ich war den ganzen Tag auf dieser schweren Maschine unterwegs und bin vollkommen fertig. Ich habe hier nur angehalten, weil ich etwas essen wollte. Und schon wurde ich wie eine Verbrecherin behandelt.“

Tyler zögerte kurz, bevor er fragte: „Dann geben Sie zu, dass Sie ein paar Schwierigkeiten mit der Maschine hatten?“

Jenny war so wütend, dass sie blind in die Falle tappte. „Ein paar Schwierigkeiten? Das ist eine Teufelsmaschine. Ich bin froh, dass ich die Fahrt überlebt habe.“

Er grinste. „Das glaube ich gern. Ich kenne mich ein bisschen mit Motorrädern aus. Eine Harley ist nichts für Sie.“

„Das geht Sie gar nichts an, das ist meine Sache.“ Sie öffnete das Portemonnaie und nahm einen Zwanzigdollarschein heraus. „Hier, damit ist meine kriminelle Karriere ja wohl beendet. Und nun möchte ich wieder los. Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Sheriff. Es war mir ein Vergnügen.“

Mit einem einzigen Schritt stellte er sich ihr in den Weg. Jenny sah ihn empört an und war überrascht, in seinem Blick Belustigung und Sympathie zu finden. Er rieb sich etwas unschlüssig das Kinn. „Wollen Sie sich das wirklich antun? Ich meine, Sie haben doch selbst zugegeben, dass Sie der Maschine nicht gewachsen sind.“

„Bitte machen Sie sich darum keine Gedanken“, antwortete Jenny honigsüß, „ich möchte nicht, dass Sie sich meinetwegen graue Haare wachsen lassen. Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen. Gibt es sonst noch etwas, oder kann ich endlich gehen?“

Tyler zog langsam einen Streifen Kaugummi aus der Hosentasche, wickelte ihn aus und steckte ihn sich in den Mund, als hätte er alle Zeit der Welt. „Ich fürchte, ich kann nicht zulassen, dass Sie sich mit Ihrer Maschine jetzt im Dunkeln auf den Weg machen. Ich würde es mir ewig vorwerfen, wenn Ihnen etwas passierte. Wollen Sie nicht lieber morgen bei Tageslicht losfahren? Das wäre auch für die anderen Verkehrsteilnehmer sehr viel sicherer.“

Sie schloss entnervt die Augen. „Es ist noch nicht dunkel.“

„Noch schlimmer, die Dämmerung ist besonders gefährlich.“

„Das ist mir ganz egal. Ich muss weg.“

„Aber Sie haben sicher nichts dagegen, mir Ihren Motorradführerschein zu zeigen? Nur damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.“

„Meinen was?“, fragte Jenny.

„Den Motorradführerschein“, wiederholte Tyler sanft.

„Ich habe einen Führerschein …“

„Auch für Motorräder?“

Jenny zählte im Stillen bis zehn. „Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, mir einen zu besorgen. Ich hab die Harley ja erst ein paar Tage. Das werde ich sofort erledigen, wenn ich wieder zu Hause bin.“

„Das ist zu spät, fürchte ich“, sagte Tyler. „Ich muss Sie wohl festnehmen.“

„Weil ich keinen Motorradführerschein habe? Ist das hier ein Verbrechen?“

Tyler nickte nur.

Jenny warf das Haar zurück. „Das ist ja lächerlich! Wegen dieses kleinen Versehens wollen Sie mich verhaften? Das wollen wir doch mal sehen!“

Doch dann geschah alles so schnell, dass sie überhaupt nichts sehen konnte. Stahl blitzte auf, und sie hörte das ominöse Klicken von Handschellen.

„Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern“, fing Tyler wieder an. „Sie haben das Recht …“

„Was?“, unterbrach sie ihn schnell. „Sind Sie verrückt geworden? Sie können mich hier nicht festhalten, das wissen Sie ganz genau. Ich kann Sie verklagen. Das kann Sie Ihren Job kosten. Ich werde …“

„Jetzt haben Sie mich ganz aus dem Konzept gebracht, und ich muss wieder von vorne anfangen. Sie haben das Recht …“

„Wenn Sie glauben, dass Sie mit diesem Machogehabe durchkommen, dann haben Sie sich gründlich geschnitten. Sie haben sich die falsche …“

Plötzlich hob Tyler sie hoch und warf sie sich über die Schulter, als sei sie ein Sack Kartoffeln. „Frauen nehmen nie das Recht für sich in Anspruch zu schweigen“, erklärte er grimmig und ging los. Dabei drückte er einen Arm fest in Jennys Kniekehlen. „Den Hinweis kann ich mir wirklich in Zukunft sparen.“

2. KAPITEL

Schon in der Highschool hatten die Mädchen eine Schwäche für Tyler Cook gezeigt. Und er hatte das durchaus bemerkt. Es hatte ihnen gefallen, wie der schlaksige Cowboy mit den blauen Augen und dem breiten Lächeln sich bewegte. Er ging langsam und schlendernd, als hätte er kein Ziel. Wenn er seinen Cowboyhut aufsetzte, wirkte er noch unwiderstehlicher, und wenn er am Montag mit Hautabschürfungen und blauen Flecken in die Schule kam, weil er am Wochenende an einem Rodeo teilgenommen hatte, himmelten ihn alle an. Das Reiten auf bockenden, bösartigen Pferden war weder ein harmloses noch ein normales Hobby, aber Tyler war jung und genoss die Bewunderung der Zuschauer, wenn er besonders lange oben blieb. Er war nicht nur jung, sondern auch neugierig und ruhelos, und sehr oft ging ihm das gemächliche Kleinstadttempo fürchterlich auf den Geist.

Um ehrlich zu sein, es war weniger der Ort selbst, der ihn nervte, als die Art und Weise, in der sein Vater sich ihm gegenüber verhielt. Gerald Cook war der Meinung, dass Söhne mit harter Hand erzogen werden müssten, und in diesem Punkt kannte er sich gut aus. Während man Rosie, Tylers kleine Schwester, verwöhnte und verhätschelte, wurde Tyler, der einzige Sohn, ständig kritisiert, und er bezog Prügel für jede mögliche Schwäche. Sein Vater war fest davon überzeugt, dass nur so ein echter Mann aus ihm würde. Bei Tyler bewirkte dies jedoch nur, dass er sich vornahm, seine Heimatstadt bei der erstbesten Gelegenheit zu verlassen.

Nach der Highschool hatte er seinen Pick-up mit dem Nötigsten beladen und ein Studium an der Montana State University begonnen. Kurz vor seinem Examen musste er aufgeben. Sein Vater hatte einen Schlaganfall und konnte die Farm nicht mehr führen, und Tyler fühlte sich verpflichtet, etwas zum Familieneinkommen beizusteuern. Doch anstatt sich während der jahrelangen Dürre auf der Farm abzuplagen, nahm er wieder an Rodeos teil, wo er sehr viel mehr verdienen konnte. Er hatte ein ausgesprochenes Talent für diesen Sport, der ihm außerdem die Gelegenheit gab, sein Temperament auszuleben. Er schickte viel Geld nach Hause, erhielt aber von seinem Vater kaum ein Dankeschön dafür. Selbst dass er auf dem Cover des „American Cowboy“ abgebildet war, schien Gerald Cook nicht wahrzunehmen, zumindest äußerte er sich nicht dazu.

An dem Tag, als Tyler zum World Champion gekürt wurde, hatte sein Vater einen zweiten Schlaganfall. Kurz darauf starb Gerald Cook. Da seine Großmutter und seine kleine Schwester nicht allein bleiben konnten, musste Tyler nach Bridal Veil Falls zurückkehren.

Er übernahm bald den Posten des Sheriffs und war nun der begehrteste Junggeselle des Ortes. Die unverheirateten Frauen von Bridal Veil Falls gaben sich die größte Mühe, um sein Herz zu gewinnen, aber Tyler Cook hatte ganz bestimmte Vorstellungen von seiner zukünftigen Frau. Groß und schlank sollte sie sein, mit üppigem dunklen Haar und frechen Sommersprossen auf einer kleinen Nase. Vor allem aber sollte sie ihren eigenen Kopf haben und wissen, was sie wollte. Er war sicher, er würde sie sofort erkennen, wenn er sie sah.

Genau aus diesem Grund war er so fassungslos, als er Ernies Restaurant betrat, um eine Zechprellerin festzunehmen, und dabei unvermutet auf die Frau seiner Träume stieß.

Das war sie, kein Zweifel.

Tyler hatte zwar nicht damit gerechnet, dass seine Traumfrau auf einer Harley in die Stadt gedonnert kam oder dass sie kupferrotes Haar und einen provozierenden Gesichtsausdruck hatte. Sie sah anders aus, als er erwartet hatte. Viel beeindruckender. Sie war gerade einen Meter sechzig groß, hatte große braune Augen, hohe Wangenknochen und trug ein enges Top unter der mit Nieten verzierten Lederjacke. Die Ohrläppchen waren dreifach gepierct, und die ganze kleine Person wirkte äußerst temperamentvoll. So hatte er sich die Frau seines Lebens nicht vorgestellt, aber dennoch wusste er genau, dass er schon immer auf sie gewartet hatte. Außerdem schien sie keinesfalls daran interessiert zu sein, ihn zum Altar zu schleppen, sondern wirkte nervös und ungeduldig. Doch das Beste war, dass sie einen Ring an jedem Finger hatte, mit einer Ausnahme, nämlich dem Finger, an dem man normalerweise den Ehering trägt.

Als sich herausstellte, dass Ella ihr Portemonnaie genommen hatte, gab es für Tyler eigentlich keinen Grund mehr, seine Traumfrau festzuhalten. Zum Glück hatte er den Einfall, sie nach ihrem Motorradführerschein zu fragen, und so war er sehr mit sich zufrieden, als er jetzt die Tür zu Ernies Restaurant hinter sich zuzog, Jenny wie einen Kartoffelsack über die Schulter geworfen.

Sie benutzte offensichtlich kein Parfüm, sondern duftete schwach nach Motoröl und Seife, aber das war ihm egal. Wenn sie sein Gesicht hätte sehen können, hätte sie das siegessichere, unwiderstehliche Lächeln bemerkt, das seit Jahren die Frauenherzen betörte. Aber sie sah nur auf den schwarzen Asphalt des Parkplatzes und vergeudete ihre Energie damit, wild um sich zu schlagen und zu schimpfen.

„Beruhigen Sie sich“, sagte er und bemühte sich, sie nicht merken zu lassen, wie sehr ihn die ganze Situation amüsierte. „Sie tun sich nur selbst weh.“

„Keine Sorge, wenn hier jemand verletzt wird, dann nicht ich. Sie werden noch bitter bereuen, dass Sie …“

„Hören Sie, wenn Sie sich nicht endlich zusammennehmen, muss ich Ihr Verhalten als Widerstand gegen die Staatsgewalt betrachten. Das wird den Richter nicht erfreuen.“ Er setzte sie neben der Beifahrertür ab und hielt sie fest. „Finden Sie sich endlich mit den Tatsachen ab. Sie kommen in Schutzhaft, ob Sie wollen oder nicht.“

Jenny warf so heftig den Kopf zurück, dass eine Haarsträhne Tylers Wange streifte. „Schutzhaft? Das ist lächerlich. Wovor wollen Sie mich denn schützen?“

Er lächelte und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich schütze Sie vor sich selbst. Denn ich fürchte, Sie wissen nicht, was Sie tun.“

Jenny schluckte nervös und strich sich über die Wange, wo sein Atem sie gestreift hatte. Es war ihr unangenehm, wenn ihr jemand so nah kam, auch wenn eine beinahe zärtliche Wärme aus Tylers Augen sprach, die in ihrem Bauch ein ungewohntes Kribbeln hervorrief. Sie machte einen Schritt rückwärts, stieß aber sofort gegen die Autotür. „Danke, dass Sie so ehrlich sind. Aber nun sagen Sie mir bitte, was es mich kostet, aus dieser Führerscheinsache herauszukommen. Wie hoch ist die Kaution?“

Das will ich ganz und gar nicht, dachte Tyler. „Sie haben Glück, ich habe heute besonders gute Laune. Ich bin bereit, das Ganze zu vergessen, allerdings unter einer Bedingung.“

Jenny sah ihn misstrauisch an. „So? Und die wäre?“

„Ich hoffe, dass Sie mein Interesse an Ihnen nicht falsch auffassen. Es geht mir hier nur um Ihre eigenes Wohl. Die Straße nach Helena ist mörderisch, wenn man sie nicht kennt. Sind Sie sie schon mal gefahren?“

„Ja“, erwiderte sie sofort.

„Lügnerin. Ich wette, dass Sie nach zehn Meilen bereits im Graben liegen werden.“

„Das ist meine Sache.“

Er legte den Kopf zur Seite und betrachtete sie nachdenklich. „Das, fürchte ich, sehen Sie nicht so ganz richtig. Ich bin für das Wohlergehen der Menschen verantwortlich, die sich in meinem Einflussbereich aufhalten, und dazu gehören auch Sie, solange Sie in dieser Stadt sind. Wenn ich mir vorstelle, dass Sie am Tag auf dieser Straße fahren, ist das schon gruselig genug, aber nachts? Auf keinen Fall!“

Einen Augenblick lang war Jenny beinahe übel. Sie fühlte sich wie eine Maus in der Falle, unfähig, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Sie hatte das unerträgliche Gefühl, ausgeliefert zu sein. Dabei war ihr ihre Freiheit stets wichtiger gewesen als Essen, Trinken oder die Luft zum Atmen. „Sie können mich nicht zwingen, hier zu bleiben.“

„Natürlich nicht hier auf dem Parkplatz“, sagte er schnell. „Nein, Sie haben zwei Möglichkeiten. Entweder gehen Sie in die ‚Cotton Tree Motor Lodge‛, oder Sie übernachten in unserem kleinen Gefängnis. Letzteres würde ich allerdings nicht empfehlen, denn die Matratzen sind steinhart. Aber die Entscheidung liegt bei Ihnen. Morgen gebe ich Ihnen dann schnell noch ein paar Fahrtipps, und dann können Sie weiterziehen. Ich bin ein guter Mensch. Wenn Sie vernünftig sind und tun, was ich sage, werde ich darüber hinwegsehen, dass Sie keinen Motorradführerschein haben.“ Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.

Donnerwetter, hat er weiße Zähne, dachte Jenny. Laut sagte sie: „Sie sind kein guter Mensch, sondern ein ganz übler Zeitgenosse. Was Sie hier vorhaben, ist Erpressung, und das wissen Sie ganz genau.“

„Allerdings.“

„Und, schlimmer noch, das Ganze macht Ihnen Spaß!“

Autor

Ryanne Corey
Ryanne Corey hat sich für ein ungewöhnliches und mutiges Lebenskonzept entschieden. Vor einigen Jahren ist sie von einer Großstadt in der sie aufgewachsen ist, in die Berge in Idaho, einem Bundesstaat in den USA gezogen. Mit jedem Tag den sie dort verbringt kommt sie den Bären, Elchen und Pumas näher...
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