Eine Winterliebe in Mailand

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Angelica kann ihr Glück nicht fassen: Erst küsst der attraktive Italiener Dante sie heiß, dann besorgt er ihr auch noch einen Job. Und weil sie nicht mal ein Apartment in Mailand hat, bietet er ihr sogar einen Platz zum Schlafen an! Aber geht das nicht alles viel zu schnell?


  • Erscheinungstag 12.12.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532495
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Das Leben ist wie Eis essen an einem heißen Tag. Genieße es, bevor es schmilzt.“ (aus Rosies kleiner Eisfibel)

Es war spät, und feiner Schneeregen schlug Geli ins Gesicht, als sie die Metrostation Porta Garibaldi in Mailand verließ. Eigentlich hatte sie für die letzte kurze Wegstrecke ihrer Reise ein Taxi nehmen wollen, aber da heute bereits alles schiefgelaufen war, rechnete sie nicht damit, vor dem Bahnhof eines ergattern zu können.

Fantastisch! Es stand keins da.

In Longbourne, von wo aus sie aufgebrochen war, hatte der Frühling bereits in der Luft gelegen, und in Italien sollte es noch wärmer sein – jedenfalls hatte sie das angenommen, und so versprachen es auch die Reiseprospekte. Wäre sie schlau genug gewesen, die Wetterlage in Norditalien zu überprüfen, hätte sie dickere Kleidung angezogen und Leggins statt der zarten Nylonstrumpfhose.

Den Angaben im Internet zufolge sollte es bis zu ihrem gemieteten Apartment nur ein Fußweg von zehn Minuten sein. Kein Problem, das würde sie schaffen und den Regen würdig ertragen. Sie studierte den Stadtplan, zog die weite Kapuze ihres Mantels über den Kopf und marschierte los. Ihren Koffer rollte sie hinter sich her, die große Umhängetasche trug sie über der Schulter.

Ein neues Land. Ein neuer Anfang. Ein neues Leben.

Anders als ihre Schwestern Elle und Sorrel, die verheiratet waren, Familien hatten und mit ihrem expandierenden Eisgeschäft ein geregeltes Leben führten, ging Geli einer ungewissen Zukunft entgegen. Ein italienischer Sprachführer und tausend Ideen waren das Einzige, was sie für das bevorstehende Abenteuer mitbrachte. Natürlich hatte sie auch ein wenig Angst, vielleicht mehr, als sie zugeben wollte, aber das gehörte einfach dazu. Sie war eben das Nesthäkchen der Familie.

„Scusi!“

„Entschuldigung … äh … scusi.“ Geli rollte ihren Koffer nach rechts, um einem eiligen Passanten Platz zu machen. Erst jetzt entdeckte sie im Licht der Straßenlaternen die bunten Malereien auf dem Gehweg. Ihr Herz schlug höher. Trotz des eisigen Regens wusste sie wieder, warum sie nach Italien gekommen war. Nach Mailand. Nach Isola.

Seit sie in einer Zeitschrift auf diesen nördlichen Stadtteil Mailands gestoßen war, wo sich Künstler, Musiker und Designer tummelten, war sie nicht mehr davon losgekommen. Hier konnte sie endlich ihre Flügel ausbreiten, mit Mode experimentieren, etwas Neues schaffen – und sich vielleicht sogar verlieben. Natürlich nicht wirklich. Nur so zum Zeitvertreib.

Nach zwanzig Minuten war ihr Gesicht vor Kälte erstarrt. Der Wind drang sogar bis unter ihre Kapuze, die modisch wirkte, aber nicht unbedingt praktisch war. Von wegen zehn Minuten Fußweg! Sie fand sich nicht mehr zurecht, und ihre Schritte wurden langsamer.

Was hätte Elle, ihre älteste Schwester, jetzt gesagt? „Du bist zu ungeduldig, Geli. Warum hast du nicht auf ein Taxi gewartet?“

Ja, warum nicht? Weil sie in Abenteuerlaune war, und der Weg an sich keine Schwierigkeiten bot. Sie hatte sich die Straßennamen und die Abzweigungen eingeprägt. Noch einmal nach rechts – und sie musste eigentlich direkt vor ihrem Apartment landen.

Leider war das nicht der Fall.

Statt auf ein fünfstöckiges, rosa angestrichenes Mietshaus stieß sie auf eine Bretterwand, die einen Bauplatz umgab. Grund zur Panik? Von wegen. Wahrscheinlich war sie einmal falsch abgebogen. Sie war an mehreren Durchgängen vorbeigekommen, von denen einer vielleicht in die richtige Straße führte. Also kehrte sie um und wählte den größten Durchgang, den sie passierte. Der erweiterte sich allerdings nicht zu einer Straße, sondern führte auf einen matt erleuchteten Hinterhof, in dem Kisten aufgestapelt waren, die offenbar zu einem Laden gehörten. Etwas bewegte sich im Dämmerlicht, und eine Kiste fiel von dem Stapel herunter.

Erschrocken blieb Geli stehen. Höchste Zeit, einen Blick auf den Stadtplan zu werfen! Sie zog sich unter den Torbogen zurück und kramte die kleine Taschenlampe heraus, die ihr wanderfreudiger Schwager ihr für die Reise mitgegeben hatte.

Ein klägliches Miauen drang an ihr Ohr. Geli suchte mit der Taschenlampe die Umgebung ab und entdeckte ein Kätzchen, das mit nassem Fell und bis auf die Knochen abgemagert in einer Ecke des Torbogens kauerte.

„He, Schätzchen“, sagte sie leise und wollte das Kätzchen greifen, aber es wich zurück. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Du bist viel zu klein, um in einer solchen Nacht allein unterwegs zu sein.“

Das arme Geschöpf, das völlig durchnässt war und bestimmt stärker fror als Geli, antwortete mit noch kläglicherem Miauen. Geli hatte im Flugzeug ein Käsesandwich gekauft, war aber zu aufgeregt gewesen, um es zu essen. Jetzt packte sie es aus, brach ein Stück ab und hielt es dem Kätzchen hin. Der Hunger besiegte die Angst. Das Tier kam näher und leckte gierig an der Butter.

Geli gab ihm noch ein Stück und konzentrierte sich dann wieder auf den Stadtplan. Wo sie falsch abgebogen war, ließ sich nicht mehr nachvollziehen. Sie musste im Geschäftsviertel gelandet sein, wo über Nacht alles geschlossen war.

Signora Franco, ihre Vermieterin, anzurufen, wäre sinnlos gewesen. Sie sprach genauso schlecht Englisch wie Geli Italienisch. Eins von Isolas berühmten Cafés aufzusuchen, versprach mehr Erfolg. Dort war es warm und hell, und die Gäste kannten sich in der Umgebung aus.

Sie trat auf die Straße hinaus und sah sich um. Hinter ihr miaute das Kätzchen. Es war noch zu jung, um allein zu überleben. Aber wohin mit ihm? Kurz entschlossen hob Geli es auf und steckte es in eine ihrer großen Manteltaschen.

Morgen würde sie zurückkommen und jemanden suchen, der sich des armen Geschöpfs annahm. Jetzt musste sie erst mal Menschen finden, bei denen sie ihr mangelhaftes Italienisch ausprobieren konnte. „Dov’ è Via Pepone?“ Sie hatte die Frage auswendig gelernt, musste sich aber darauf gefasst machen, von der Antwort nichts zu verstehen.

Sie steckte die Taschenlampe und den nutzlosen Stadtplan ein und ging bis zu der Hauptstraße zurück, die direkt zum Bahnhof führte. Die Fotos, die sie im Internet gesehen hatte, waren im Sommer aufgenommen worden: eins von einem Jazzfestival, eins vom öffentlichen Park und mehrere von einladenden Restaurants, in denen sich die Gäste zwanglos versammelten. Eine großartige Atmosphäre. Einfach perfekt.

Schade, dass sie in der falschen Jahreszeit und zur falschen Stunde angekommen war. Alles war ruhig und grau. Aber endlich entdeckte sie auf der anderen Straßenseite, am Rand einer Piazza, doch ein Café mit beschlagenen Fenstern, durch die leise Musik drang. Es handelte sich um das Café Rosa, das für seine Jazzkonzerte, seine Cocktails und die Künstler berühmt war, die dort gern herumhingen und sich an den Wänden verewigten.

Erleichterter, als Geli sich eingestehen wollte, rollte sie ihren Koffer über das Kopfsteinpflaster und stieß die Tür auf. Wohlige Wärme strömte ihr entgegen. Es roch nach guter italienischer Küche, die Espressomaschine zischte und auf einem kleinen Podium in einer Ecke spielte eine Combo. Unregelmäßig verteilte Tische standen umher, voll besetzt mit Gästen, die aßen, tranken und sich unterhielten. An der Theke lehnte ein großer, dunkelhaariger Mann und sprach mit der Barfrau.

Einige Gäste drehten sich um, als Geli hereinkam. Andere machten es ihnen nach, und plötzlich war nur noch das tiefe Summen der Bassgeige zu hören. Der Mann an der Bar drehte sich um. Er wollte feststellen, warum alle Gäste verstummt waren, und sein Anblick raubte Geli buchstäblich den Atem. Sie hatte seine Stimme noch nicht gehört, kannte seinen Namen nicht und war noch nicht von ihm berührt worden, und doch erfasste sie ein so leidenschaftliches Verlangen nach ihm, dass sie fast die Besinnung verlor.

Er richtete sich auf und war nun besser zu erkennen. Die Augen waren von einem warmen Dunkelbraun, das tiefschwarze, leicht gelockte Haar fiel ihm bis in den Nacken. Die Schultern waren breit, die Arme kräftig.

„Signora …“, sagte er leise und machte ihr an der Bar Platz. Wow! Seine Stimme passte perfekt zu seinem Gesicht und seiner Statur.

Vielleicht wäre Geli ohnmächtig geworden, wenn nicht eine stattliche Blondine in diesem Moment Mr Italy in einem winzigen Tässchen den Espresso serviert und sich anschließend ihr zugewandt hätte.

„Sta nevicando? E brutto tempo.“

Wie bitte?

So ein Mist …

Der Satz war in dem Sprachkurs, den Geli im Internet heruntergeladen und auf ihr Smartphone überspielt hatte, nicht vorgekommen. Verwirrt schlug sie die Kapuze zurück. Einige Regentropfen landeten auf ihrem Gesicht und brachten sie wieder zur Besinnung. Sie schob ihren Koffer beiseite und ging zögernd an die Bar.

„Cosa prendi, signora?“

Super, das verstand sie sogar. „Einen … äh … un espresso … s’il vous plaît …“ Geradezu genial, diese Sprachmischung! „Nein, ich meine …“

Ach, zum Teufel!

Die Blondine lächelte. „Keine Sorge, ich habe schon verstanden.“ Sie sprach mit australischem Akzent.

„Gott sei Dank, Sie sind Engländerin … nein, Australierin. Ich habe versucht, mein Italienisch aufzupolieren – als Studentin habe ich einen Monat in der Toskana verbracht –, aber auf der Schule haben wir Französisch gelernt, und das fällt mir leichter, wenn ich aufgeregt bin.“

„Warten Sie die erste Woche ab“, prophezeite die Blondine. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

„Sie könnten mir bei der Suche nach einer Adresse weiterhelfen.“ Gelis Verwirrung steigerte sich mit jeder Sekunde. Die erotische Aura, die Mr Italy umgab, war einfach überwältigend! Sie wagte keinen Blick in seine Richtung. Ob er sie betrachtete?

„Sie haben sich verirrt, signora?“, fragte er.

Sein Italienisch hatte einfach göttlich geklungen, aber auch sein Englisch, mit starkem italienischen Akzent, konnte sich hören lassen.

„Nein, nicht direkt, aber …“ Geli riss sich zusammen und konzentrierte sich voll auf ihr Problem. Sie nahm den Stadtplan und die Unterlagen für das gemietete Apartment aus ihrer Umhängetasche und breitete alles auf der Theke aus. Mr Italy warf ihr einen kurzen Blick zu – er hatte wirklich fantastische braune Augen! – und beugte sich dann über die Karte.

„Nicht direkt?“, wiederholte er.

Geli war immer noch unfähig zu sprechen, aber das war er sicher gewohnt von Frauen, die in seine Nähe kamen. Alles an ihm, seine ganze Erscheinung, konnte nur eins bedeuten: höchste Gefahr. Ihn näher kennenzulernen, würde sich trotzdem lohnen. Er versprach ein wildes Abenteuer und sah sie an, als wolle er sofort damit beginnen.

„Ich weiß genau, wo ich bin, signore“, antwortete sie und ließ sich weiter von seinem Blick gefangen nehmen. Wie zum Beweis, zog sie den rechten dünnen Lederhandschuh, der sie kaum gewärmt hatte, aus und tippte mit einem rot lackierten Fingernagel auf die Karte. „Hier.“

„Nein“, widersprach er, nahm ihre Hand und führte sie zwei Zentimeter weiter nach links. „Sie sind hier.“

Seine Hand wärmte ihre klammen Finger. Er hatte große, schlanke Hände und trug keinen Ring. Die Haut war leicht gebräunt und hob sich deutlich von ihrem hellen Teint ab. Geli fragte sich, wie diese Hände auf ihrer Brust wirken würden. Wie sie sich anfühlen würden …

Atmen, tief durchatmen …

Sie räusperte sich und erklärte in übertrieben forschem Ton: „Auf dem Plan gleicht eine Piazza der anderen. Ich scheine sie alle verpasst zu haben …“

„Und doch sind Sie hier.“

Ja, sie war hier und erlag dem Blick der dunklen Augen, die fast so schwarz waren wie der Espresso in seiner Tasse.

Das Café existierte nicht mehr. Die bunten Etiketten auf den Flaschen, das Funkeln der Gläser verschwammen vor Gelis Augen, das Klirren der Bestecke und das Brummen der Bassgeige vermischten sich in ihren Ohren zu einem einzigen Klangrausch. Sie fühlte nur noch den warmen Druck seiner Hand und sah ihr Spiegelbild in seinen Augen. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen – dann ließ er ihre Hand los, griff nach der Tasse und leerte sie in einem Zug. Vorsichtig stellte er sie wieder hin.

„Welches Ziel haben Sie, signora?“

„Hier … dieses.“ Sie tippte auf den Zettel, auf dem sie den Straßennamen notiert hatte, aber die schmelzenden Schneeflocken hatten die Tinte verwischt und die Schrift unlesbar gemacht.

„Nennen Sie Dante die Adresse“, schlug die Blondine vor und brachte Geli den gewünschten Espresso. „Dann zeigt er Ihnen die Richtung. Er kennt hier jeden Winkel.“

„Dante?“, wiederholte Geli. „Genau wie im Inferno?“ Kein Wunder, dass er diese Ausstrahlung hatte!

„Wollen Sie jemanden besuchen?“, erkundigte sich Dante, ohne die Frage zu beantworten.

„Nein.“ Inferno … sie hätte sich ohrfeigen können. Wie oft musste er das schon gehört haben! „Ich bin nach Mailand gekommen, um zu arbeiten. Mein Mietvertrag gilt für ein Jahr. Angelica Amery … genannt Geli“, fügte sie hinzu und streckte die Hand aus, ohne an die Folgen zu denken.

Mr Italy drückte ihre Hand und hielt sie fest. „Dante Vettori.“ Aus seinem Mund klang der Name wie die reine Verführung. „Sie heißen Jelly … wie das glibberige Zeug, das die Engländer ihren Kindern auf Geburtstagspartys einflößen?“

Nach der dummen Inferno – Bemerkung hatte sie das wohl verdient, aber so leicht würde er nicht davonkommen. „Amerikaner streichen sich Gelee auf die Erdnussbutter“, konterte sie und zog die Augenbrauen so spöttisch hoch wie er. Ihr erstes aufregendes Erlebnis in Mailand! War sie deswegen nicht hergekommen?

„Noch schlimmer“, entschied er und lächelte. Die Grübchen in seinen Mundwinkeln vertieften sich dabei. Sollte er sie doch nennen, wie er wollte – wenn er nur dabei lächelte.

„Geli ist die Koseform von Angelica“, erklärte sie. „Wie in Angelica archangelica … der Arznei-Engelwurz. Sie kennen diese Pflanze vermutlich nur wegen ihrer Stängel, die man kandieren kann … als Schmuck für die Torten, mit denen man kleine Kinder auf Geburtstagspartys vollstopft.“

Er lachte. Es war ein volles, warmes Lachen, das seine Wangenknochen stärker hervortreten ließ und dabei die volle Aufmerksamkeit auf seine Lippen lenkte. Besonders auf die Unterlippe, die sie gern geküsst hätte …

Energisch griff sie nach ihrer Tasse und leerte sie ebenfalls in einem Zug. Italienischer Stil, dachte sie dabei. Der Espresso war jedoch heißer, als sie vermutet hatte, und vertrieb mit einem Schlag alle lustvollen Fantasien.

„Ursprünglich wollte ich ein Taxi nehmen.“ Sie krächzte ein wenig. Der Espresso war wirklich zu heiß gewesen. „Leider stand keins an der Porta Garibaldi, und bis zur Via Pepone sollte es nur ein kurzer Fußweg sein.“

„Bei schlechtem Wetter gibt es selten ein Taxi“, warf die Blondine ein, während Dante mit gerunzelter Stirn den Prospekt durchblätterte, auf dem das rosa angestrichene Mietshaus abgebildet war, in dem Geli wohnen sollte. „Trotzdem … willkommen in Isola. Ich bin Lisa Vettori und gehöre zum australischen Zweig der Familie. Dante ist mein Cousin und der Besitzer des Café Rosa … was niemand merkt, solange er auf der falschen Seite der Bar herumlungert.“

„Ich bezahle dir genug, um hier stehen zu dürfen“, erklärte Dante.

Lisa wischte mit einem weichen Tuch über die blitzblanke Marmortheke. „Haben Sie einen Job in Aussicht, Geli?“

„Einen Job?“

„Sie sagten, Sie wollen in Mailand arbeiten. Haben Sie schon einmal in einem Café bedient? Ich werde ein paar Wochen verreisen, es wäre also nur vorübergehend, aber …“

„Sie müssen hungrig sein, wenn Sie den ganzen Tag unterwegs waren“, fiel Dante seiner Cousine ins Wort. „Wir nehmen das Risotto, Lisa.“

Er raffte die Papiere zusammen und steuerte auf einen Zweiertisch zu, der etwas abseits in einer Ecke stand.

2. KAPITEL

„Nichts ist tröstlicher als ein guter Freund, wenn man in Not ist … höchstens ein guter Freund mit Eiscreme.“ (aus Rosies kleiner Eisfibel)

Geli rührte sich nicht. Sie war so überrascht, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. Gut, sie hatte vielleicht etwas zu heftig geflirtet, aber sie so zu überfahren …

Dante rückte einen Stuhl zurecht und wartete auf sie. Diese Arroganz! Glaubte er vielleicht, sie würde ihm so ohne Weiteres folgen?

„Angelica!“

Niemand rief sie sonst bei ihrem vollen Namen, aber Dante sprach „An…dschelika“ so weich und zärtlich aus, dass sie dem Ruf folgte, als würde sie an einem unsichtbaren Band gezogen.

„Geben Sie mir Ihren Mantel. Ich hänge ihn zum Trocknen auf.“

Es war bereits spät. Sie hätte längst wieder unterwegs sein müssen – ein guter Grund, um die Einladung abzulehnen. Doch gute Gründe wirkten nicht mehr zwingend, seit sie das Café Rosa betreten hatte. Also legte sie ihre Umhängetasche ab und zog langsam auch den zweiten Lederhandschuh aus.

Dante verfolgte jede ihrer Bewegungen. Sie legte den Handschuh neben den anderen und begann – wieder bewusst langsam – die Jettknöpfe zu lösen, die ihren Mantel in der Taille zusammenhielten. Es waren zwölf, aber Dantes Interesse ließ nicht nach, bis die schräg zusammengesetzten Stoffbahnen aus Samt, Kaschmir und Wildleder auseinanderfielen. Sie endeten vorn kurz unterhalb der Knie und berührten hinten fast den Boden. Darunter trug sie ein schwarzes Minikleid, das nur etwa die Hälfte der Oberschenkel bedeckte.

Sie wartete einige Sekunden, zählte innerlich bis drei und ließ den Mantel dann über die Schultern gleiten. Ihre Rechnung ging auf. Dante griff danach und fing ihn auf.

„Ich werde den Mantel auf die Heizung legen“, schlug er vor. „Dann trocknet er schneller.“

„Bist du verrückt?“ Lisa ließ das Besteck, das sie gerade abtrocknete, fallen und kam angeschossen. „So einen Mantel legt man nicht auf den Heizkörper, als sei es ein alter, zerschlissener Trenchcoat! So ein Stück kostet ein Vermögen und muss sorgsam behandelt werden.“ Sie überprüfte das Logo. „Dark Angel. Angel … Angel …“ Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Sind Sie damit gemeint, Geli?“

„Erraten.“ Geli war froh über die Ablenkung. Gegen einen unverbindlichen Flirt mit einem Mann war gewiss nichts einzuwenden, aber wenn so schnell mehr daraus wurde … „Dark Angel ist mein persönliches Logo.“

„Sie sind Modedesignerin?“

„Nicht so ganz. Ich entwerfe Einzelstücke. Eigentlich habe ich Kunstgeschichte studiert, aber Kleider zu entwerfen, war schon immer meine Leidenschaft. Jetzt versuche ich, beides zu verbinden.“

„Mode unter künstlerischem Gesichtspunkt.“ Lisa nickte. „Das gefällt mir.“

„Hoffentlich nicht nur Ihnen.“

„Wenn so etwas dabei herauskommt …“, Lisa strich bewundernd über den Mantel, „… bestimmt nicht. Haben Sie das Halsband auch selbst entworfen?“

Geli berührte das viktorianische, aus Jett-Steinen und Spitze kombinierte Band, das sie um den Hals trug. „Ich habe es aus Resten zusammengesetzt“, erklärte sie. „Das Kleid stammt von einem Kirchenbasar … natürlich leicht verändert, und die Stoffe für den Mantel haben sich im Lauf der Jahre einfach angesammelt.“

„Mein Kompliment. Isola ist genau das Richtige für Sie. Nachhaltigkeit und Recycling werden hier großgeschrieben.“

„Darum bin ich hergekommen. Ich möchte gern mit gleich gesinnten Menschen zusammenarbeiten.“

„Und ich wollte Sie hinter die Bar stellen!“ Lisa verdrehte die Augen. „Wenn Sie etwas ausstellen wollen, weiß Dan bestimmt eine Lösung.“ Sie sah ihren Cousin an, aber er zeigte keine Reaktion. „Na gut … dann werde ich erst mal einen Bügel für den Mantel besorgen.“ Sie ging, drehte sich aber gleich wieder um. „Mein Gott, Geli … in dem Mantel bewegt sich etwas.“ Sie ließ das kostbare Stück fallen und fuhr zurück. „Eine Ratte!“

Die Musiker unterbrachen ihr Spiel, und alle Gäste drehten sich gleichzeitig um. Das verängstigte Kätzchen befreite sich aus der Manteltasche und flüchtete in eine Ecke. Alles schrie. Einige Frauen sprangen auf und kletterten auf ihre Stühle.

„Keine Aufregung!“ Geli eilte dem Kätzchen nach und hob es auf, bevor jemand es verletzen konnte. Es kratzte und biss mit seinen spitzen Zähnchen so fest zu, dass ihr Daumen zu bluten begann. „Es ist nur eine junge Katze … uno kitty.“ Da sie offenbar nicht verstanden wurde, hielt sie das Tier hoch, sodass alle es sehen konnten.

Sein Fell war inzwischen getrocknet, aber immer noch arg mitgenommen. Niemand schien zu glauben, dass es sich wirklich nur um ein Kätzchen handelte. Eine Frau schrie so hysterisch, dass Dante kurzerhand einen Arm um Gelis Taille legte und sie durch eine Hintertür hinausführte.

Draußen war es seltsam still. „Uno … kitty?“, fragte er und beugte sich fast bedrohlich über sie.

„Ich weiß nicht, was Kätzchen auf Italienisch heißt“, entschuldigte sie sich, von der plötzlichen Wendung noch ganz verwirrt.

„Gattino“, übersetzte er. „Aber Lisa hat recht: Das elende Geschöpf gleicht mehr einer halb ertrunkenen Ratte.“

„Ich habe es, vor Kälte zitternd, in einer Toreinfahrt gefunden und musste es einfach mitnehmen.“

„Vielleicht, aber streunende Katzen oder Ratten … Die Gesundheitspolizei macht da keinen großen Unterschied.“

„Das verstehe ich“, räumte Geli ein. „Ich wollte ja auch nur kurz hereinkommen, um mich nach dem Weg zu erkundigen.“

Hinter ihnen ging die Tür auf, und Lisa erschien. Sie trug Gelis Mantel und Tasche über dem Arm. Den Koffer rollte sie hinter sich her.

„Haben sich die Gäste beruhigt?“, fragte Dante.

„Ich habe allen ein Gratisgetränk spendiert. Das ist in solchen Fällen am wirksamsten.“

Geli verzog das Gesicht. „Das ist meine Schuld. Ich bezahle die Drinks.“

„Auf keinen Fall“, erklärten Lisa und Dante wie aus einem Mund, und Lisa fuhr fort: „Regel Nummer eins in der Gastronomie: Schrei nicht, wenn du eine Ratte siehst. Regel Nummer zwei: Schrei nicht: ‚Eine Ratte!‘ Leider glich das struppige grauhaarige Knäuel so sehr den verhassten Nagern … Mein Gott, Geli. Sie bluten ja!“

Geli betrachtete ihren verletzten Daumen. „Kein Grund zur Sorge. Das Kätzchen hatte panische Angst.“

„Wer weiß, wo es sich herumgetrieben und was es gefressen hat. Kommen Sie mit nach oben. Ich reinige die Wunde.“

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