Einen Daddy unterm Weihnachtsbaum

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Bisher haben es die Bliss- Schwestern Ella und Louisa immer geschafft, die unverheirateten Männer und Frauen ihres Ortes unter die Haube zu bringen. Aber Gabe O'Connor scheint ein besonders schwerer Fall zu sein. Und ausgerechnet ihn haben sich die kleinen Töchter von Maggie Moore als neuen Daddy ausgeguckt - spätestens am Heiligabend wollen sie nicht mehr mit Mami allein sein. Ella und Louisa geben ihr Bestes, um trotz aller Widrigkeiten auch die zauberhafte Maggie glücklich zu machen.


  • Erscheinungstag 01.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759940
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Hier ist noch eine Anfrage, über die wir reden sollten“, verkündete Ella Bliss, während sie die Spielkarten zu einem Stapel in der Mitte des Tisches zusammenlegte.

„Aber das Heiratsfestival ist doch vorbei“, bemerkte ihre Schwester Louisa.

„Und wir hatten dieses Jahr so viel Mühe damit“, seufzte Grace.

Missy nahm sich noch ein Sandwich. „Außerdem sind es nur noch elf Tage bis Weihnachten“, sagte sie kauend.

„Das weiß ich selbst“, erwiderte Ella ein wenig gereizt. „Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir uns um diese Angelegenheit kümmern sollten.“

„Ist es denn jemand von unserer Liste?“, fragte Grace. Jeden Donnerstag trafen sich die vier alten Damen im Wohnzimmer der Bliss-Schwestern, um Karten zu spielen. Unter anderem. Darüber hinaus pflegten sie mit großer Begeisterung die langjährige Tradition, sich als Ehestifterinnen zu betätigen. Das Engagement ebenso wie die Erfolgsquote des „Clubs der Herzen“, wie das Damenquartett in der Stadt liebevoll genannt wurde, war legendär.

„Irgendwie schon.“ Ella, die selbst ernannte Anführerin der Gruppe, war ausgesprochen zufrieden mit dem Ergebnis der letzten sechs Wochen. Owen Chase war endlich unter der Haube. Wie man hörte, war er mit seiner frisch angetrauten Frau Suzanne ausgesprochen glücklich. Und Cal Brown würde übermorgen diese reizende Französin heiraten, die erst vor wenigen Monaten eine vorzügliche Konditorei in der Stadt eröffnet hatte. Mac Brown, der Großvater des Bräutigams, hatte vor ein paar Tagen angerufen, um sie alle zu der kurzfristig geplanten Feier einzuladen. „Und ich meine, wir sollten die Angelegenheit noch vor der Hochzeit besprechen, damit wir uns eine Taktik zurechtlegen können.“

„Um wen geht es denn nun, Ella?“, fragte Grace neugierig. „Gabe O’Connor war nach Owen und Cal der Dritte auf der Liste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet er uns beauftragen möchte, ihm eine Frau zu suchen.“

Louisa und Missy kicherten, doch Ella fand die Bemerkung ganz und gar nicht komisch. Warum sollte er sie nicht um ihre Hilfe bitten? Immerhin hatten sie seine beiden besten Freunde auch verheiratet.

„Nein, ich spreche nicht von Gabe. Georgianna Moore hat sich an uns gewandt.“ Die Freundinnen sahen Ella fragend an. „Maggie Moores kleine Tochter“, erklärte sie. Sie nahm einen Brief aus ihrer Rocktasche, hielt ihn ins Licht und rückte ihre Brille zurecht. Auf dem Papier waren ein paar Zeilen in krakeliger Kinderschrift zu sehen. „Liebe Miss Bliss“, las Ella vor. „Wir brauchen ein neues Haus und einen neuen Daddy. Ich habe gehört, dass Sie gut sind in so Sachen. Vielen Dank. Ihre Georgianna Johnson Moore.“

„Was für ein hübscher, altmodischer Name“, sagte Missy entzückt.

„Lass mich mal sehen“, bat Grace. Ella reichte ihr den Brief.

„Maggie räumt seit ein paar Tagen unseren Speicher auf“, erklärte Louisa. „Manchmal bringt sie die Mädchen mit. Die beiden sind wirklich ganz reizend. Aber ich hätte nicht gedacht, dass die kleine Georgie so direkt ist.“

„Wenn man bedenkt, dass eine junge Frau wie Maggie ihren Lebensunterhalt mit Entrümpelungen und dem Verkauf von altem Plunder verdienen muss.“ Missy schüttelte mitleidig den Kopf. „Ihr Ehemann war wirklich eine schlimme Enttäuschung.“

„Man soll ja nicht schlecht über Verstorbene sprechen“, sagte Louisa. „Aber Jeff Moore war wirklich kein guter Mann. Diese Geschichte mit Carole war …“ Sie suchte nach einem passenden Wort.

„Das war furchtbar traurig“, stimmte Grace zu.

„Maggie hat uns für die alten Sachen aus der Scheune einen sehr anständigen Preis vorgeschlagen“, sagte Louisa. „Und sie hat eine Liste aller Gegenstände vom Speicher erstellt, damit wir entscheiden können, was wir behalten und was wir verkaufen möchten.“

Ella versuchte das Gespräch wieder auf ihr Vorhaben zu lenken. „Sie ist eine starke junge Frau, die wirklich einen guten Mann verdient hätte, meint ihr nicht?“

Louisa seufzte. „Auf dem Speicher lagert der Müll von hundert Jahren.“

„Müll?“ Ella runzelte verärgert die Stirn. „Das ist unsere Familiengeschichte, Louisa.“

„Mag sein, aber dann ist unsere Familiengeschichte mit dem Staub von hundert Jahren bedeckt. Es ist höchste Zeit, dass da mal jemand ordentlich ausmistet“, erwiderte ihre Schwester. „Was willst du zum Beispiel mit einem riesigen Schrankkoffer voller alter Hüte?“

„Ihr habt noch alte Hüte?“, fragte Grace aufgeregt. „Die könnten wir doch am Samstag auf der Hochzeit tragen. Altmodische Accessoires sind zurzeit in Mode.“

„Wirklich?“ Missy war von der Idee sofort begeistert. „Um welche Art von Hüten handelt es sich denn, Ella?“

Ella ignorierte die Frage. „Maggie wird als Trauzeugin der Braut natürlich ebenfalls auf der Hochzeit sein. Wir sollten nach jemandem Ausschau halten, der zu ihr passt.“

„Nach wem?“, fragte Louisa.

„Das weiß ich eben noch nicht.“ Ella verdrehte die Augen. Die Schwestern waren wirklich so verschieden wie Tag und Nacht, und manchmal verlor Ella die Geduld mit Louisa. „Darüber versuche ich ja gerade, mit euch zu reden.“

„Ich würde dem kleinen Mädchen wirklich gern helfen“, sagte Missy. „Warum fragen wir sie nicht einfach, wen sie als neuen Daddy haben möchte?“

Grace schob energisch ihren Stuhl zurück. „In der Zwischenzeit sollten wir einen Blick auf Ellas Hüte werfen. Ich finde, eine Hochzeit ist ein guter Anlass, sich wieder einmal festlich zu kleiden. Was meint ihr dazu?“

„Ach, ich freue mich so für Cal und Lisette! Sie sind so ein hübsches Paar. Und wie aufmerksam von Mac, uns einzuladen.“ Missys freundliches, rundes Gesicht strahlte förmlich.

„Ja, wirklich sehr aufmerksam.“ Louisa zwinkerte ihrer älteren Schwester vergnügt zu, was diese jedoch geflissentlich übersah. Es war ein offenes Geheimnis, dass Mac und Ella einander sehr zugetan waren.

„Die Hüte warten auf uns, meine Damen“, erinnerte Grace. „Es schadet nie, wenn man versucht, das Beste aus sich zu machen.“

„Besonders wenn man auf eine Hochzeit geh“, stimmte Ella zu. Im Stillen fragte sie sich, ob ihr eine breite Krempe immer noch so gut stehen würde wie früher.

„Muss ich wirklich?“

„Ja, du musst“, antwortete Gabe O’Connor seinem Sohn. „Und ganz egal, wie oft du noch fragst, meine Antwort wird immer die gleiche bleiben. Du musst mitkommen, und du musst vorzeigbar aussehen.“

Der kleine Joe beäugte die Krawatte an seinem Hals, als ob sie eine giftige Schlange wäre. „Warum kann ich denn nicht zu Hause bleiben?“

„Wir fahren zu Cal, um bei seiner Hochzeit dabei zu sein. Und Kinder sind auch eingeladen, weil seine neue Frau zwei Töchter hat.“

„Ich weiß.“ Joe ließ sich seufzend auf das Bett fallen, während sein Vater mit seiner eigenen Krawatte kämpfte. „Sie ist in meiner Klasse.“

„Wer ist in deiner Klasse?“

„Cosette. Was ist das überhaupt für ein komischer Name?“

„Wahrscheinlich ist es ein französischer Name.“ Gabe betrachtete sich im Spiegel und entschied, dass er für seine Aufgabe als Trauzeuge gut genug aussah. Owen und er waren beide seit ihrer Schulzeit Cals beste Freunde. Also hatten sie eine Münze darum werfen müssen, wer diese ehrenvolle Aufgabe bei seiner Hochzeit übernehmen würde.

„Georgie mag sie.“ Anscheinend war Joe darüber nicht gerade erfreut. Gabe bemerkte den verärgerten Gesichtsausdruck seines Sohnes. Mit seinen dunklen Augen und dem wilden Lockenkopf war Joe durch und durch ein O’Connor.

„Wirklich?“

„Ja, sie besucht sie andauernd, um mit Cosette und ihrer Schwester zu spielen.“

Das bedeutete, dass Maggie auch auf der Hochzeit sein würde. Es fiel ihm immer noch schwer, sie zu sehen, obwohl der Unfall bereits vier Jahre zurücklag. Plötzlich hatte Gabe das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Er löste den Krawattenknoten ein wenig, um besser atmen zu können. „Versuch bitte, dich ein kleiner Gentleman zu benehmen.“

„Ich wünschte, wir könnten zu Hause bleiben“, maulte Joe.

„Also, ich freue mich drauf“, erwiderte Gabe. „Es gibt bestimmt gutes Essen. Cal heiratet schließlich die beste Köchin der Stadt.“

„Kocht sie besser als du?“

„Viel besser. Und sie macht Torten und Kuchen und jede Menge anderer toller Sachen. Ich habe dich und Kate doch einmal in ihren Laden mitgenommen. Erinnerst du dich noch an diese leckeren Karamellpasteten?“ Gabe warf einen letzten kritischen Blick in den Spiegel. Nicht schlecht für einen zweiunddreißigjährigen Vater von zwei Kindern, auch wenn seine Schläfen langsam ein wenig grau wurden. „Komm jetzt, wir müssen los. Ich habe Cal versprochen, dass wir frühzeitig da sein werden.“

Gerade als Gabe seinen Sohn vom Bett hochzog, erschien Kate im Türrahmen, um ihr neues Kleid vorzuführen.

„Dad, wie findest du es?“

„Du siehst sehr hübsch aus, Kate.“ Das war nicht übertrieben. Ihr ärmelloses Kleid war aus dunkelbraunem Samt. Sie trug passende Strumpfhosen und schwarze Schuhe mit einem kleinen Absatz. Und statt das Haar zu einem Zopf zu flechten, trug sie es heute offen. Kate sah auf einmal viel älter aus als zwölf Jahre. Gabe musste schlucken. Sein kleines Mädchen wurde langsam erwachsen.

„Ich war noch nie auf einer Hochzeit“, sagte sie aufgeregt, und ihre dunklen Augen funkelten. „Das ist ja so cool.“

„Echt?“ Joe schien nicht sehr überzeugt.

„Es ist ein besonderer Tag für Cal“, erklärte Gabe. „Und ich weiß, wie sehr er sich darüber freuen wird, wenn alle seine Freunde da sind, um mit ihm zu feiern.“

„Magst du etwa Hochzeiten, Dad?“, fragte Joe ungläubig.

Gabe zwickte seinen Sohn in die Nase und lachte. „Na klar.“ Solange ich nicht der Bräutigam bin, dachte er. Er hoffte, dass Cal mit seiner Braut sehr glücklich werden würde. Seine besten Freunde hatten nun innerhalb weniger Wochen beide die Frau fürs Leben gefunden, und irgendwie hatte Gabe das Gefühl, dass der berühmt-berüchtigte „Club der Herzen“ wieder einmal im Hintergrund die Fäden gezogen hatte.

Er hoffte inständig, dass die alten Damen nicht auch noch auf der Hochzeit auftauchen würden. Wenn er sowohl den Bliss-Schwestern als auch Maggie aus dem Weg gehen musste, dann stand ihm ein langer, anstrengender Tag bevor.

Maggie fühlte sich in Jeans und Cowboystiefeln bedeutend wohler als in schicken Kleidern und Seidenstrümpfen. Doch für die Hochzeit ihres alten Freundes wollte sie unbedingt so gut wie möglich aussehen. Cal hatte es wirklich verdient, eine wundervolle Frau wie Lisette zu finden. Sie war so herzlich und nett, dass Maggie sich gleich mit ihr verstanden hatte. Mittlerweile waren sie so gut befreundet, dass Lisette sie sogar gebeten hatte, ihre Trauzeugin zu sein. Außerdem wollte Maggie um nichts in der Welt den Moment verpassen, in dem sich Cal Brown von einem wilden Junggesellen in einen braven Ehemann und Stiefvater zweier kleiner Mädchen verwandeln würde.

„Du siehst gut genug aus, Mom. Lass uns endlich gehen.“ Maggies Tochter Georgianna, die ihr beim Anziehen zugesehen hatte, wurde langsam ungeduldig.

„Meinst du?“ Maggie warf einen skeptischen Blick in den Spiegel. Hoffentlich sah sie in ihrem Hosenanzug aus roter Seide nicht aus wie der Weihnachtsmann. Eigentlich hatte sie diesmal etwas wirklich Neues kaufen wollen, etwas, das vorher niemand anderem gehört hatte. Doch dann hatte sie im Schaufenster von „Vintage Violet“, ihrer bevorzugten Secondhand Boutique, diesen Anzug gesehen und einfach nicht widerstehen können.

Maggie hatte den Versuch, ihr blondes lockiges Haar zu einem strengen Knoten hochzustecken, schnell wieder aufgegeben. So sehr sie sich auch bemühte, es würde ihr wohl nie gelingen, elegant auszusehen. Mit ihren üppigen Rundungen hatte sie ohnehin nicht gerade eine Figur wie ein Model. Und leider auch keinerlei Geschick im Umgang mit Make-up und Haarnadeln. Normalerweise war sie schon froh, wenn sie die Farbe von ihren Händen abgewaschen bekam. Sie trug ihre Fingernägel kurz geschnitten. Ihre Lippen waren rau, und an den Armen und Beinen hatte sie häufig blauen Flecken. Das einzige Schmuckstück, das sie besaß, war der Ehering, den sie in der untersten Schublade ihrer Wäschekommode aufbewahrte.

„Lippenstift!“, rief Lanie. Georgies kleine Schwester hüpfte vergnügt auf dem Bett auf und ab. Die beiden Mädchen, sechs und acht Jahre alt, waren Maggie wie aus dem Gesicht geschnitten. „Du hast gesagt, wir sollen dich an den Lippenstift erinnern.“

„Danke, Schatz.“ Maggie kramte in dem Kosmetikkoffer auf der Kommode, fand den Lippenstift und trug etwas Rot auf ihre Lippen auf.

„Was für eine Farbe ist das?“, wollte Georgie wissen.

Maggie warf einen Blick auf die Hülle. „Sie nennen es ‚Heiße Nächte‘“, sagte sie und lachte. Der Name passte kaum zu ihrer momentanen Lebensführung.

Georgie begutachtete ihre Mutter. „Du siehst cool aus.“

„Ich weiß nicht“, widersprach Lanie zögernd. „Irgendwie siehst du gar nicht aus wie du, Mom.“

„Das ist manchmal gar nicht so schlecht“, sagte Maggie. Sie wäre gern einmal Margaret Moore, die geheimnisvolle Frau in Rot, statt immer nur Maggie Moore, die Schrotthändlerin und Besitzerin eines sogenannten Antiquitätengeschäfts, das eher an einen Flohmarkt erinnerte.

„Die Verkäuferin hat gesagt, ich sähe damit aus wie ein Filmstar. Aber das war wohl ein wenig übertrieben. So, jetzt aber los.“ Sie folgte ihren beiden Töchtern aus dem Zimmer und durch den Flur zur Treppe. Sie waren fertig angezogen und zur Abfahrt bereit. Maggie hoffte, dass das Auto ihnen keinen Strich durch die Rechnung machen würde. Cals Ranch war zwar nicht sehr weit entfernt, aber ihr uralter Ford Pick-up fiel beinahe auseinander. Statt immer wieder Geld in Reparaturen zu stecken, wollte sie lieber bald einen anderen Gebrauchtwagen kaufen. Am liebsten so einen wie den hellblauen 1998er Chevrolet mit Vierradantrieb, der seit einiger Zeit an der Zufahrt zur O’Connor Ranch stand.

In den letzten Wochen war Maggie fast jeden Tag auf ihrem Weg in die Stadt mit sehnsüchtigem Blick an diesem Pick-up vorbeigefahren und hatte ein Stoßgebet zum Himmel gesandt, dass ihre alte Klapperkiste nicht mitten auf der Straße zusammenbrechen würde.

„Knöpft eure Mäntel gut zu“, sagte Maggie, während sie die Haustür hinter sich abschloss. Draußen wehte ein eisiger Wind, und der Dezemberhimmel war wolkenverhangen. Hoffentlich fing es nicht an zu schneien, bevor die Hochzeitsfeier vorüber war. Eine Ehe war schwierig genug, auch ohne dass sie mit einem Schneesturm begann.

Maggie tat ihr Bestes, um dem zweiten Trauzeugen nicht zu nahe zu kommen. Nur einmal streifte sie mit der Schulter versehentlich Gabes Arm. Nachdem der Friedensrichter Cal und Lisette zu Mann und Frau erklärt hatte, strömten die Hochzeitsgäste herbei, um dem Brautpaar zu gratulieren. Cals Großvater Mac nahm Lisette so überschwänglich in seine Arme, dass Gabe sich in Sicherheit bringen musste. Er trat ein paar Schritte zur Seite und stand plötzlich direkt vor Maggie. Unvermittelt sprach er sie an.

„Die beiden werden bestimmt glücklich miteinander“, sagte er.

„Das hoffe ich“, stammelte Maggie verlegen. Gabe O’Connors Nähe hatte sie schon immer etwas nervös gemacht, schon seit ihrem zwölften Lebensjahr. Mittlerweile waren sie beide zweiunddreißig und längst erwachsen. Wahrscheinlich war ihre kindische Reaktion auf ihn reine Gewohnheit. Außerdem waren sie sich in den vergangenen vier Jahren so gut wie möglich aus dem Weg gegangen. Maggie hätte es vorgezogen, wenn Gabe es auch heute so gehalten hätte.

„Ich habe mich wirklich gefreut, als Cal letzte Woche angerufen hat, um mich zu seiner Hochzeit einzuladen“, sagte er. Maggie fiel auf, wie ungewohnt elegant Gabe in seinem schwarzen Anzug wirkte, wie ein gut aussehender Fremder mit einem sympathischen, jungenhaften Lächeln und warmen braunen Augen.

„Ja, ich freue mich auch sehr für Cal. Lisette ist eine tolle Frau“, antwortete sie.

„Ihr beide habt euch anscheinend gut angefreundet.“

„Ja, wir …“ Maggie wurde von Lisette unterbrochen, die sich zu ihr umdrehte und sie stürmisch umarmte. Sie trug ein elegantes, schmal geschnittenes Kleid aus smaragdgrünem Samt, in das Maggie nicht einmal als Teenager hineingepasst hätte. Nachdem sie Lisette gratuliert hatte, ging Maggie zum Bräutigam hinüber.

„Na, da haben wir euch ganz schön überrascht, oder?“ Cal legte seinen Arm um Maggies Schulter und zwinkerte ihr zu. „Ich bin nur froh, dass du für heute noch nichts anderes vorhattest.“

„Ja, ihr beide habt wirklich keine Zeit verschwendet.“

„Ich wollte Lisette keine Gelegenheit geben, ihre Meinung wieder zu ändern.“ Cal legte seiner Braut zärtlich die Hand um die Taille. Er machte keineswegs den Eindruck eines gezähmten Ehemannes. Es sah vielmehr so aus, als würde er Lisette am liebsten auf der Stelle ins nächstbeste Schlafzimmer tragen, um sie wild und leidenschaftlich zu lieben.

Maggie fragte sich, ob sie selbst sich noch daran erinnerte, was wilde, leidenschaftliche Liebe überhaupt war. Lisette konnte sich wirklich glücklich schätzen.

Cal sah sie an. „Alles in Ordnung, Maggie?“

„Alles bestens“, log sie. Hochzeiten erinnerten sie immer an ihre eigene Ehe. Und sie erinnerte sich nicht gern an Jeff – weder an den jungen Mann mit den vielen, verwegenen Träumen, noch an den Familienvater und Ehemann, der nur noch rastlos, verbittert und unzufrieden gewesen war. „Ich glaube, ich muss mal nach den Mädchen sehen, bevor sie noch irgendetwas anstellen.“

„Die beiden sind wirklich zwei niedliche Satansbraten.“ Cal grinste vergnügt.

„Aber Cal, wie kannst du nur so etwas sagen?“, rief Lisette empört. „Maggies Töchter sind ganz entzückend und sehr gut erzogen.“

Maggie schüttelte den Kopf. „Nein, nein, Cosette und Amie haben einen guten Einfluss auf sie, aber Georgie und Lanie stellen mehr Unsinn an, als Cal, Owen und Gabe in ihren besten Zeiten.“

Lisette sah sich lachend nach den Kindern um. „Sie sind wahrscheinlich bei Mac.“

„Du meinst wohl Opa Mac“, korrigierte Cal sie. „Er legt großen Wert auf seinen neuen Titel.“

„Ich schau mal nach ihnen.“ Maggie wollte Gabes schweigender Gegenwart so schnell wie möglich entfliehen. Der Duft seines After Shaves machte sie ganz benommen. Sie hatte sich gerade abgewandt, als er zu Cal trat, um zu gratulieren.

„Nochmals meinen herzlichen Glückwunsch, Cal. Ich wünsche euch beiden alles Gute“, hörte sie seine dunkle Stimme hinter sich.

Es fiel Maggie auf, dass er nicht gerade enthusiastisch klang. Warum sollte er auch? Er hatte eine ebenso enttäuschende Ehe erlebt wie Maggie. Sie hatten beide den falschen Partner geheiratet. Und obwohl sie sich bemüht hatten, ihre Beziehungen zu retten, waren sie beide sehr verletzt worden.

Sie entdeckte die Kinder am Dessertbuffet. Georgie und Lanie unterhielten sich angeregt darüber, was sie als Erstes essen wollten. Gabes kleiner Sohn behauptete gerade, er könne sechs Éclairs auf einmal vertilgen.

„Nie im Leben“, stellte Georgie nüchtern fest. „Du würdest daran ersticken.“

„Kann ich wohl“, beharrte Joe. Dann wandte er sich an Maggie. „Mrs. Moore, können wir jetzt endlich essen?“

„Noch nicht, fürchte ich. Ihr müsst euch gedulden, bis das Brautpaar das Buffet eröffnet.“

„So’n Mist.“ Der Junge zog eine Grimasse. „Diese Schokoladendinger sehen wirklich gut aus.“

„Ja“, stimmte Maggie zu und bewunderte die Auswahl an herrlichen Süßspeisen, die auf Silberplatten und in Kristallschüsseln angerichtet waren. Lisette hatte sich für ihre Hochzeit geradezu selbst übertroffen. „Mrs. Brown ist wirklich eine sehr gute Köchin. Aber du solltest trotzdem nicht sechs auf einmal essen.“

„Er würde daran ersticken. Und dann würde er sich übergeben und eine große Schweinerei auf dem Teppich machen“, prophezeite Georgie fachkundig.

„Gar nicht“, maulte Joe. Ihre Vorhersage schien ihn dennoch ziemlich zu beeindrucken.

„Dann mach’s doch“, forderte Georgie ihn heraus.

„Georgie, das reicht jetzt.“ Maggie sah ihre ältere Tochter streng an. „Bitte benehmt euch.“

„Gibt es ein Problem?“, fragte Gabe.

„Nein. Dein Sohn versucht nur, sich nicht unterkriegen zu lassen. Als einziger Junge unter sechs Mädchen hat er es nicht ganz leicht.“

„Das heißt wohl, dass Joe wieder einmal auf Ärger aus ist.“ Gabe strich dem Jungen zärtlich über den Kopf. „Vielleicht ist es besser, wenn du mal ein Weilchen bei deinem Vater bleibst.“

„Sieh mal, Dad, was für ein komischer Kuchen!“, rief Joe und zeigte auf die riesige, mehrstöckige Hochzeitstorte, die mit Marzipankühen dekoriert war.

„Lisette hat gesagt, sie würde Cal mit etwas Besonderem überraschen“, meinte Maggie und lachte.

„Das ist ihr allerdings gelungen“, stellte Gabe lächelnd fest, und Maggie vergaß für einen Augenblick, dass sie seit ein paar Jahren keine Freunde mehr waren. Es war auf einmal so leicht, mit ihm zu plaudern und zu scherzen. Fast so wie früher.

Gabes Lächeln erstarb. „Ich wünsche den beiden Glück“, sagte er ernst. „Mehr Glück, als wir es gehabt haben.“

Maggie blickte in sein Gesicht. Er sah müde aus. Und traurig. Trotzdem war er unglaublich attraktiv. „Ich hatte damals keine Ahnung. Ich …“

„Nein“, unterbrach er sie, „das hattest du nicht. Aber ich schon. Zumindest hatte ich einen Verdacht.“ Er fluchte leise. Dann sah er zu den Kindern hinüber. „Glaubst du, wir könnten das alles hinter uns lassen, Maggie?“

„Nein“, antwortete sie leise. „Es tut immer noch zu weh.“

„Ja“, stimmte er zu. „Aber wir könnten so tun, als ob.“

2. KAPITEL

„Maggie ist die Nächste“, sagte Cal, während er Gabe ein Glas Scotch reichte.

„Die Nächste?“ Gabe ließ seinen Blick durch das überfüllte Wohnzimmer wandern. Die Partys auf der Ranch der Browns waren legendär. Kein Wunder, dass es Cal gelungen war, in so kurzer Zeit so viele Gäste zusammenzutrommeln. Gabe konnte Maggie nicht entdecken, und mit diesem leuchtend roten Anzug war sie eigentlich nicht zu übersehen. „Wieso die Nächste?“

„Na, sie ist die Nächste auf der Liste des ‚Clubs der Herzen‘, abgesehen von dir natürlich.“ Cal grinste, als Gabe gequält das Gesicht verzog.

„Das Heiratsfestival ist vorbei“, bemerkte er. „Das heißt, wir sind bis nächstes Jahr in Sicherheit.“

„Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört“, widersprach Cal gut gelaunt. „Ella Bliss hat meinem Großvater eben erst erzählt, dass sie noch einen Auftrag zu erfüllen hätten. Auf besonderen Wunsch, wie sie sagte.“

„Und was hat das mit Maggie zu tun?“ Gabe stand mit dem Rücken zum Kamin und beobachteten das Treiben. Er sah, wie Lisette den Kindern ein paar ihrer Köstlichkeiten servierte. Maggie kam aus der Küche dazu und stellte eine Kanne mit Milch auf den Tisch.

„Sie wird die Nächste sein.“

„Maggie hat kein Interesse daran zu heiraten.“

„Woher willst du das wissen?“

Gabe zuckte mit den Schultern. „Ich habe nichts davon gehört, dass sie einen Freund hätte.“ In einem kleinen Ort wie Barstow sprach sich so etwas schnell herum, besonders während des Heiratsfestivals.

„Sie könnte jeden Mann in der Gegend haben“, sagte Cal. „Bei dem hübschen Gesicht und diesen tollen Kurven wundert es mich sowieso, dass noch niemand sie sich geschnappt hat.“

Aus irgendeinem Grund behagte Gabe diese Vorstellung nicht. „Sie geht ja nicht einmal aus.“

„Das könnte sie aber“, beharrte Cal. „Sie müsste sich nur öfter ein bisschen nett zurechtmachen, so wie heute. Normalerweise läuft sie immer nur in Jeans herum und sammelt anderer Leute Schrott ein.“

„Na ja, damit bestreitet sie immerhin ihren Lebensunterhalt“, sagte Gabe, obwohl er da so seine Zweifel hatte. Er hatte gesehen, in was für einer alten Rostlaube sie durch die Gegend fuhr. Und in ihren Laden, der sich im Schuppen neben ihrem kleinen Farmhaus befand, verirrte sich anscheinend kaum jemals ein Kunde. Allerdings hatte er gehört, dass sie den größten Teil ihres Geschäfts mit Versandhandel bestritt.

„Sie fühlt sich sicher einsam“, sagte Cal. „Und was ist mit dir?“

„Was soll mit mir sein?“

„Du bist schon genau so lange allein wie Maggie. Hast du denn kein Interesse an einer neuen Beziehung?“

„Mit Maggie?“, rief Gabe entgeistert.

„Lieber Himmel, nein! Für dich, Owen und mich ist Maggie doch wie eine Schwester. Ich meinte, ob du dir nicht vorstellen kannst, eine neue Frau in dein Leben zu lassen.“ Cal grinste. „Und in dein kaltes Bett.“

„Hast du einen Pakt mit den Bliss-Schwestern geschlossen? Du bist seit nicht einmal zwei Stunden verheiratet und schon versuchst du, mich ebenfalls in den Ehehafen zu locken.“

„Warum nicht? Owen ist mit seiner Suzanne schließlich auch sehr glücklich.“

Autor

Kristine Rolofson
Kristine Rolofson, Autorin von über zwei Dutzend Romanen für Harlequin, lebte 12 Jahre in den Bergen von Nord Idaho, bevor sie 1987 nach Neu England zurück kehrte. Sie ist in Rhode Island geboren und lebt jetzt wieder dort in der Stadt, in der sie ihre Kindheit verbrachte. Als sechsfache Mutter...
Mehr erfahren