Einfach tierisch!

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Was für ein Glück: David hat von einer Unbekannten mehrere Millionen Dollar geerbt! Dafür muss er sich um den Hund der Verstorbenen kümmern. Ausgerechnet er, der mit Tieren nichts anfangen kann! Doch dann trifft er Emily, Besitzerin einer Tierpension. Um sie zu erobern, ist er zu allem bereit ...


  • Erscheinungstag 27.06.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529884
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Das ist doch wohl ein Scherz, Mr. Trenton. Ihr gesamtes Vermögen hat sie mir hinterlassen?“ David umklammerte den Telefonhörer. Der Anwalt am anderen Ende der Leitung musste sich irren. „Aber ich kenne diese Amelia Stanford ja gar nicht. Wieso sollte sie mir Millionen von Dollars vererben? Sind Sie sicher, dass Sie mit dem Richtigen sprechen? David Andrew Sullivan, Steuerberater in Washington, D. C.?“

Als Antwort las der Anwalt David fast seinen kompletten Lebenslauf vor, sodass David schließlich eingestehen musste: „Ja, das bin ich. Aber verstehen kann ich es immer noch nicht. Das ergibt … Gut, ich will das auch aufklären, aber ich kann nicht nach Virginia fahren. Wie bitte? Nein, das geht wirklich nicht. Ich habe sehr viel zu tun. Und heute Abend fliege ich nach Colorado. Wie bitte? Lebendig? Was ist lebendig?“ Ungläubig verzog er das Gesicht und richtete sich auf. „Bitte, Mr. Trenton, erklären Sie mir doch mal, was genau verstehen Sie unter ‚lebendig‘?“

Doch das wollte Mr. Trenton nicht. Stattdessen verlegte er sich auf Ausreden und sagte, das gehe nicht am Telefon. Das Testament sei in diesem Punkt ganz eindeutig und so weiter. David hörte nicht mehr genau zu und wartete auf eine Gelegenheit, den Redeschwall zu unterbrechen, um noch einmal zu betonen, dass er sich heute auf keinen Fall mit ihm treffen könne. Flüchtig sah er auf seinen Tischkalender. Freitag, 27. Oktober, 13 Uhr 30. Für den Nachmittag hatte er noch drei Termine. Nichts Aufregendes, aber es würde spät werden.

Während er dem Anwalt nichtssagende Antworten gab, blätterte er in seinen Notizen nach dem Flugtermin. Er wollte nach Denver zu seiner jüngeren Schwester Alicia, die nächsten Donnerstag heiratete. Nicht ohne dich, hatte sie ihm gesagt, und David schüttelte lächelnd den Kopf. In den Augen seiner Schwester war er ein langweiliger Workaholic. Und genau deswegen hatte sie ihm gedroht, dass er entweder sein Büro eine Woche lang schloss und an den gesamten Feiern vor der Hochzeit teilnahm, oder sie würde die gesamte Festgesellschaft mitsamt der verrückten Familie zu ihm bringen. Es sei seine Wahl, und David hatte sich klugerweise dafür entschieden, eine Woche freizunehmen. Heute sollte es losgehen.

In gewisser Weise hatte Alicia recht. Seit über einem Jahr war er nicht mehr in Denver gewesen, und es war wirklich an der Zeit für einen Besuch. Ein bisschen Entspannung konnte ihm nur gut tun. Die Koffer lagen bereits gepackt im Auto. David brauchte nur noch mit drei Klienten zu sprechen und dafür zu sorgen, dass alle Angelegenheiten im Büro geklärt waren, dann konnte er zum Flugplatz fahren. Sonst würde es nicht lange dauern, und seine gesamte Familie stand bei ihm vor der Tür. Das war das Letzte, was er wollte. Und deswegen würde Mr. Trenton ihn durch nichts umstimmen.

Genau das sollte er ihm jetzt sagen. „Mr. Trenton, es tut mir leid, Sie zu unterbrechen, aber ich darf heute Abend meinen Flug nicht verpassen, und ich komme erst am Dritten wieder. Wie wäre es am Montag, dem sechsten November? Ich kann gern … Wie? Ob ich dranbleiben kann?“ Anscheinend setzte der Anwalt das voraus, denn David hörte auf einmal Geigenmusik vom Band.

Er biss die Zähne zusammen. Maximal zwei Minuten würde er dem Mann geben. Er blickte auf seine Uhr und sah aus dem Fenster. Es stürmte, und der Regen peitschte gegen die Scheibe. Bei diesem Wetter sollte er nach Virginia fahren? Nie im Leben. Auch nicht für eine Million Dollar.

Dann wurde David bewusst, dass es hier tatsächlich um eine Million ging. Genauer gesagt um mehrere Millionen. Sein Magen krampfte sich zusammen. Und da ließ er sich von etwas Regen abhalten? War er eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Eigentlich sollte er längst im Auto sitzen und sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen übertreten. Mit gezücktem Stift in der Hand, um möglichst schnell zu unterschreiben. Worüber regte er sich denn auf? Was machte es schon, wenn er sich an die alte Dame nicht mehr erinnerte, die ihm ihr ganzes Geld vermacht hatte? Und etwas Lebendiges, nicht zu vergessen. Also schön, dann lebte es eben. Mit mehreren Millionen ließ sich da sicher eine Lösung finden. Vorausgesetzt, er bekam den Hintern hoch und vergaß für heute Nachmittag die Arbeit. Ab heute würde er dann ohnehin nicht mehr arbeiten müssen. Er würde nur noch sein Vermögen verwalten, sonst nichts.

Mittlerweile war er wirklich aufgeregt und konnte kaum noch erwarten, dass Mr. Trenton wieder an den Apparat kam. In Gedanken bedankte er sich bei Amelia Stanford, der lieben Frau, wer immer sie auch gewesen war. Hatte er ihr irgendwann einmal geholfen? War sie eine Klientin von ihm gewesen? Oder war sie einfach nur etwas verrückt gewesen und hatte mit geschlossenen Augen ins Telefonbuch getippt? Das hatte es alles schon gegeben.

David dachte immer eingehender über seine unbekannte Wohltäterin nach. Zur Familie gehörte sie sicher nicht, denn seine Großmutter hatte den gesamten Stammbaum erforscht und erzählte oft und gern von jedem Einzelnen, egal, ob angeheiratet oder nicht. Sie wusste alle Einzelheiten und verkündete sie hemmungslos bei Familienfeiern. Bei solchen Anlässen konnte man sicher sein, irgendwann vor Verlegenheit einen roten Kopf zu bekommen.

Davids Mom und Dad passierte das auch regelmäßig, und bei dem Gedanken musste er lachen. Er liebte seine Eltern, aber es hatte seinen Grund, dass er sich aus der Ferne um alle finanziellen und rechtlichen Dinge der Familie kümmerte. Abgesehen von Alicia und ihm waren alle Familienangehörigen total verrückt. Seine Eltern waren in die Jahre gekommene Hippies, die gerade in England waren, um dort die kosmische Strahlung von Stonehenge aufzunehmen. David schüttelte den Kopf, als er daran dachte, wie er die beiden deswegen vor ihrer Abreise aufgezogen hatte. „Ihr seid wirklich seltsame Leute“, hatte er ihnen gesagt, „wollt ihr nicht wenigstens eine Landkarte mitnehmen?“ Das hatte ihm nur empörte Blicke eingebracht, und sofort hatten seine Eltern lautstark überlegt, wie es bloß geschehen war, dass sie ein so vernunftorientiertes Kind in die Welt gesetzt hatten.

Seufzend dachte David daran, dass er eigentlich Human Delight und seine Schwester Daisy Freedom hatte heißen sollen. Lediglich seinen Großeltern hatte er seinen schlichten Namen zu verdanken. Alle vier Großeltern hatten Herzinfarkte und Schlaganfälle angedroht, falls ihre Enkelkinder keine normalen Namen bekamen. David dachte an seine beiden Großeltern, die auch nach Denver flogen. Sogar seine Eltern würden morgen Abend aus London abfliegen. Er stellte sich vor, wie er seinen Verwandten während der Hochzeitsfeier von dieser seltsamen Erbschaft erzählte, die ausgerechnet an ihn fiel, obwohl er von allen nur als Mr. Vernünftig bezeichnet wurde.

Sicher würden alle ausflippen. Genau wie er selbst, falls dieses Lebewesen ihn irgendwie davon abhielt, zu der Feier zu kommen. Nein, so etwas passierte sicher nicht. Kein Gesetz konnte ihm vorschreiben, dass er dieses Wesen heute noch abholen musste, oder doch? Er würde die mysteriöse Kreatur bei seiner Rückkehr mitnehmen. Schließlich war er von nun an reich, vorausgesetzt, Mr. Trenton kehrte irgendwann wieder ans Telefon zurück, damit David ihm mitteilen konnte, dass er bald kam. Aber wieso wollte Mr. Trenton ihm nicht verraten, um was für ein Lebewesen es sich handelte? Das machte David ein bisschen Angst.

Was mochte es sein? Ein kleines Kind? Niemals. Oder eine exotische Echse? Ein seltener Vogel? Ein Pilz oder ein gefährlicher Virus, der den ganzen Planeten entvölkern konnte? Nachdenklich wiegte David den Kopf. Nie im Leben würden die Behörden einfach so zusehen, wie irgendeine alte Frau so einen Organismus einfach vererbte. Meine Fantasie geht mir durch, sagte er sich. Ich bin nur neugierig, und das ist bei meinem sonst so nüchternen Leben auch kein Wunder.

Unwillkürlich richtete er sich auf. Jetzt klang er schon wie seine eigenen Eltern. Andererseits saß er hier im Anzug im Herzen von Washington, D. C., und führte ein langweiliges Leben. Was soll’s? fragte er sich. Hol dir das Geld, und lass alles Weitere einfach auf dich zukommen. Was soll schon passieren?

Andererseits waren seine letzten Abenteuer als Katastrophe geendet. Zum Beispiel die Wildwasserfahrt im letzten Sommer mit seiner damaligen Freundin Philippa. Aber woher hätte er auch wissen sollen, dass sie nicht schwimmen konnte? Und schließlich war sie ja nicht ertrunken. Wie kam eine Frau überhaupt zu so einem Namen? Vergiss sie, sagte er sich. David, du bist jetzt dreißig und wirst anscheinend langsam alt und sentimental.

Endlich kam Mr. Trenton wieder ans Telefon und entschuldigte sich. „Schon gut“, fiel David ihm ins Wort. „Ich habe es mir anders überlegt. Ich komme sofort und muss nur vorher noch meine Termine verschieben. Weinen Sie, Sir? Nein? Es klang so. Nein, natürlich ist es mir Ernst. Wenn ich sage, ich komme, dann komme ich auch. Aber dieses Lebewesen kann ich nicht sofort mitnehmen. Wie bitte? Ich soll mir keine Sorgen machen, weil es in einem sicheren Behälter steckt?“

In einem sicheren Behälter? War es denn radioaktiv? David rieb sich das Gesicht. Dann versprach er dem Anwalt: „Ich schwöre Ihnen, Mr. Trenton, dass ich mich gleich auf den Weg mache. Ja, ich weiß. Tysons Corner. Gut, dann schreibe ich mir die Adresse noch einmal auf. Wie bitte? Oh, danke. Bestimmt sind Sie auch ein guter Mensch. Ja. Bis dann.“

Stirnrunzelnd legte David auf und sah das Telefon an. Dann blickte er auf die geschlossene Bürotür. Sein Magen verkrampfte sich. Jetzt blieb ihm noch die Auseinandersetzung mit Mrs. Hopemore. Seine eigenwillige Sekretärin war eine Freundin seiner Großmutter und erzählte offen allen seinen Klienten, dass sie David schon als Baby gewickelt hatte. Und lieber setzte er sich mit einer Sturmtruppe auseinander als Mrs. Hopemore dazu zu bringen, seine Termine zu verschieben.

Ich bin bereit für sie, sagte er sich entschlossen, aber ich verrate ihr nicht den Grund für die Terminverschiebungen. In Geldfragen war er lieber vorsichtig, und er wollte erst genau wissen, um was für ein Vermögen es sich handelte, bevor er ihr davon erzählte. Über seine Großmutter würde die Neuigkeit sich nämlich sofort verbreiten. Er lehnte sich zurück und rief: „Mrs. Hopemore? Können Sie bitte hereinkommen?“

Wie immer saß er dann schweigend da und zählte leise. 1000, 2000, … Bei 10.000 ging die Tür endlich auf, und die kleine grauhaarige, wild geschminkte und ebenso wild gekleidete Mrs. Hopemore kam herein. Unwillig zog sie die Mundwinkel ihrer grellroten Lippen nach unten. „Sie haben geschrien, Mr. Sullivan?“ Obwohl sie ihn seit seiner Geburt kannte, bestand sie darauf, ihn zu siezen.

„Das habe ich.“

„Und was wollen Sie? Ich habe zu tun.“

Schon als er noch ein Kind war, hatte David gedacht, Mrs. Hopemore müsse mindestens tausend Jahre alt sein. Doch obwohl sie so eng mit seiner Familie verbunden war, sollte er sie eigentlich feuern. Das hatte er auch schon zwei Mal getan. Aber wenn er dann am nächsten Tag ins Büro kam, saß sie bereits an ihrem Schreibtisch, tippte auf der Schreibmaschine und warf ihm vor, er komme zu spät. Und nach beiden Kündigungen hatte sie sich selbst eine Gehaltserhöhung gegönnt. Wenn David sie noch einmal entließ, würde sie monatlich mehr verdienen als er. Das konnte er sich nicht leisten.

Deshalb sagte er jetzt: „Sie müssen meine Nachmittagstermine absagen und verschieben. Bei dem letzten Gespräch, das Sie mir durchgestellt haben, ging es um eine dringende Angelegenheit in Tysons Corner.“

Mrs. Hopemore zog ihre schwarz nachgezogenen Augenbrauen hoch und sah David über das Schildpattgestell ihrer Brille hinweg an. „Tysons Corner, sagen Sie? Ist jemand gestorben?“

David wusste, dass nur ein Todesfall für Mrs. Hopemore als Entschuldigung für eine Unterbrechung der täglichen Arbeit galt. Sie erlaubte ihm ja kaum, zur Hochzeit seiner Schwester zu fahren. Dabei war sie selbst in der letzten Woche bei einer Freundin gewesen, die schwer erkrankt und dann gestorben war. Deshalb war David jetzt dankbar, dass er dieselbe Entschuldigung vorbringen konnte: „Ja, es ist jemand gestorben.“

Dann wartete er. In erster Linie auf ihre Erlaubnis. Erwartungsgemäß verzog Mrs. Hopemore das Gesicht wie eine Gefängnisaufseherin, die über den Freigang eines Häftlings entscheiden muss. „Na wunderbar. Sie lassen Sie mich mit all der Arbeit allein. Schon schlimm genug, dass ich nicht mit zu Alicias Hochzeit kann, weil ich hier die Stellung halten muss, während Sie eine ganze Woche verschwinden.“

„Das stimmt doch gar nicht, das wissen Sie genau. Sie sind auch eingeladen, und ich habe Ihnen gesagt, dass wir das Büro schließen können, damit Sie mich begleiten können. Grandma würde sich freuen, Sie wieder zu sehen.“

Mrs. Hopemore hob das Kinn. „Das weiß ich sehr wohl, junger Mann. Aber es ist unmöglich. Jemand muss den Laden am Laufen halten. Und wohin ich Ihre Termine verschieben soll, ist mir ein Rätsel. Diese Klienten habe ich von der nächsten Woche bereits auf heute verlegt, wegen der Hochzeit. Und jetzt muss ich ihnen Termine geben, die sehr viel später liegen. Wissen Sie, was dann passiert? Sie werden diese Kunden verlieren, und dann sterben wir beide den Hungertod.“

Wütend sah David sie an. „Mrs. Hopemore, Sie sind doch heimlich in mich verliebt, oder?“

„Ha!“ Sie schloss bereits wieder die Tür hinter sich. „Ich habe Ihnen schon die Windeln gewechselt, vergessen Sie das nicht. So ein Glück steht Ihnen auch gar nicht zu.“ Damit zog sie die Tür ins Schloss.

1000, 2000, … zählte David. Die Tür ging wieder auf, und David musste lächeln, weil er schon wusste, was jetzt kam. Seit fast sieben Jahren lebte er nun hier in Washington und kannte sich mittlerweile perfekt in dem Straßenlabyrinth aus. Aber davon wollte Mrs. Hopemore nichts hören. Schließlich hatte ihre Freundin, Grandma Sullivan, die vor Jahren von Ohio aus dafür gesorgt hatte, dass Mrs. Hopemore diese Stelle bekam, ihr gesagt, sie solle auf David aufpassen, damit er sich von niemandem umbringen ließ. Beide alte Frauen behandelten ihn, als sei er gerade erst den Windeln entwachsen.

Jetzt stand Mrs. Hopemore an der Tür und stemmte die Hände in die Hüften. „Ziehen Sie sich den dicken Mantel an, und vergessen Sie den Schirm nicht. Sonst erkälten Sie sich und kommen noch länger nicht zur Arbeit. Und halten Sie sich um diese Tageszeit von der I-395 fern. Fahren Sie lieber über die Key Bridge und dann nach Norden über den G.W. Parkway zur Chain Bridge Road. Die geht in den Highway 123 über, und wenn Sie dann das CIA-Hauptquartier zur Rechten lassen, kommen Sie direkt nach Tysons Corner.“ Nachdem das geklärt war, wandte sie sich ab, drehte sich aber noch einmal zu ihm um. „Und nehmen Sie bloß keinen Verbrecher als Anhalter mit. Sonst werden Sie noch umgebracht. Und was wird dann aus mir? Dann stehe ich ohne Arbeit da.“ Wieder schlug sie die Tür hinter sich zu.

David blickte auf die Tür und nickte. „Ja, ganz klar. Sie liebt mich.“

Er war tatsächlich gemeint! Das Geld gehörte also ihm. Bei der Summe wurde ihm schwindlig. David wollte nur noch die Papiere unterschreiben und sich später um die Geldangelegenheiten kümmern. Nichts wie weg, dachte er. Weg von hier und zur Feier. Doch zunächst, so hatte Mr. Trenton gesagt, bevor er den Raum verließ, müsse er noch etwas holen. Etwas, das David gehöre.

Was immer dieses Etwas im angrenzenden Raum bei Mr. Trenton auch war, es machte ihm ziemlich zu schaffen. Und David wollte es nicht haben. Geschrei, Flüche, Fensterklappern und lautes Rumpeln, all das drang durch die Tür. David saß in dem eleganten Büro des Anwalts und sah misstrauisch auf die Wand, die ihn von dem Aufruhr trennte. Sollte er Mr. Trenton helfen? Dann hörte er den Mann laut aufschreien und fluchen. Das reichte ihm als Bestätigung. Mr. Trenton wusste sich bestimmt selbst zu helfen, sonst würde er ja nach ihm rufen.

David ließ sich zurück in den Sessel sinken und beschloss, einfach zu warten. Entschlossen blätterte er in einer alten Zeitschrift, doch dann hörte er ein lautes „Au!“, und sofort hob er wieder den Kopf und lauschte weiter dem gedämpften Kampfgetümmel.

„Beiß mich nicht, du kleiner Teufel! Benimm dich, und komm hierher!“ Dann bekam der Tonfall etwas Flehendes. „Ja, so ist es besser. Genau, das ist lieb. Komm zu Mr. Trenton. Niemand will dir weh … Au! Was fällt dir ein, du kleines … Ich sollte dich wirklich … au!“

David blickte auf die geschlossene Tür und fragte sich, wieso er überhaupt noch hier saß. Die Erbschaft war noch eine Woche gültig. „Genau“, sagte er zu sich selbst, „jetzt reicht’s. Auf Wiedersehen.“ Er legte die Zeitschrift weg und stand auf.

Aber ein wütendes Jaulen ließ ihn wieder auf den Sessel zurückfallen, und er umklammerte die Armlehnen. Es folgte völlige Stille, und die fast noch unheimlicher als der Lärm zuvor. Angestrengt lauschte David, und dann hörte er den Kampf wieder aufflammen. Laute Warnungen, Drohungen, Schritte, Kratzen und Schlagen. War da nicht auch ein Knurren? Was immer es war, es wurde lauter, als wolle es zu David ins Zimmer. Sein Herz schlug schneller. Dann verstummte es. Das Getöse und nicht Davids Herz. Oder doch sein Herz? Prüfend legte er sich eine Hand auf die Brust und stellte beruhigt fest, dass sein Herz noch schlug. Und solange es das tat, wollte er die Gelegenheit lieber nutzen und von hier verschwinden.

Gerade als er sich wieder erhob, öffnete sich die Tür, und der Anwalt kam herein. Damit war es zu spät zur Flucht. Bei Mr. Trentons Anblick sprang David fast aus dem Sessel. „Was ist denn mit Ihnen geschehen? Und was ist das da in dem Käfig? Wieso knurrt es so?“

„Weil es nicht in dem Käfig sein will, Mr. Sullivan. Machen Sie bitte den Weg frei, ich flehe Sie an.“

Da ließ David sich nicht lange bitten. Mit zwei riesigen Schritten trat er zur Seite und stellte sich vorsichtshalber hinter den Sessel. Mit beiden Händen hielt er sich an der Rückenlehne fest und betrachtete den kleinen dicken Anwalt, der sich unbeholfen näherte. Der Mann war ganz damit beschäftigt, die Transportbox mit dem Tier im Auge zu behalten. Mit beiden verbundenen Händen hielt er die Box fest.

Wieso waren die Hände überhaupt verbunden? David wusste, dass er dem Anwalt zur Begrüßung die Hand geschüttelt hatte, und da hatte er keinen Verband bemerkt. Und der Mann war auch nicht so bleich vor Angst gewesen. Kein gutes Zeichen, dachte David. Und als Mr. Trenton sich seinem Schreibtisch näherte und dabei wie ein Mann wirkte, der eine scharfe Bombe trägt, blickte David flüchtig in die Box.

Das kleine jaulende und sich wild hin und her werfende Tier blieb einen Moment still und erwiderte Davids Blick aus funkelnden Augen. Dann sprang es gegen den Maschendraht in der Tür der Box, die zum Glück dem Ansturm stand hielt.

„Ist das ein Dachs, Mr. Trenton?“, fragte David. So sieht es jedenfalls aus.“

„Sir, ich versichere Ihnen, dass es kein Dachs ist. So ein Glück ist uns leider nicht beschieden.“ Mit hochrotem Kopf stand der Anwalt da und atmete angestrengt. Entschlossen stellte er die Transportbox auf den Schreibtisch und trat sofort einen Schritt zurück.

David wirkte nicht beruhigt. „Wieso ist er so aufgebracht? Was haben Sie dem Tier denn angetan?“

Der Mann fuhr zu David herum und hob seine verbundene Hand. „Sehen Sie mich an, Mr. Sullivan. Ich bin hier derjenige, der verletzt wurde. Und da fragen Sie mich, was ich dem Tier angetan habe? Hier in dem Käfig steckt ein Hund. Ein sehr verzogener und boshafter kleiner Hund, um genau zu sein. Aber – und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie glücklich ich darüber bin – es ist jetzt Ihr sehr verzogener und boshafter kleiner Hund, Mr. Sullivan.“

Die offensichtliche Schadenfreude des Mannes regte David auf und überraschte ihn zugleich. Er hob den Kopf. „Ich weiß nicht, ob mir Ihre Einstellung gefällt, Mr. Trenton.“

Der Mann blickte ihn aus großen Augen an. Seine Lippen zuckten. „Wenn ich den Respekt für meine frühere alte Freundin mal außer Acht lasse, dann kann ich Ihnen nur versichern, dass es mich einen Dreck interessiert, was Sie von meiner Einstellung halten.“

David stand noch mit offenem Mund da und wunderte sich über diese Entgleisung des Anwalts, da fing der Mann doch tatsächlich zu weinen an. Er weinte dicke Tränen, und David kämpfte gegen den übermächtigen Wunsch an, sich auf der Stelle umzudrehen und wegzulaufen. Er wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Musste er jetzt einen Nervenarzt rufen?

Doch da beruhigte Mr. Trenton sich wieder etwas. Er riss sich zusammen und zog ein Taschentuch hervor. Mit zitternden Händen schob er die Brille hoch und rieb sich die Augen. „Ich muss mich entschuldigen, Mr. Sullivan. Seien Sie versichert, dass ich normalerweise meinen Klienten gegenüber nicht unhöflich bin. Aber mit diesem Hund bin ich buchstäblich durch die Hölle gegangen.“

„Das sieht man deutlich“, gab David zu.

Durch diese Antwort ermutigt nickte Mr. Trenton und steckte das Taschentuch wieder weg. „Aber dass Sie heute hierher gekommen sind, zeigt mir, dass meine Pechsträhne ein Ende hat. Es gibt also tatsächlich eine höhere Gerechtigkeit, die denen gegenüber milde gestimmt ist, welche sich der Rechtsprechung verschrieben haben.“

Stirnrunzelnd versuchte David, sich auf die verworrenen Äußerungen des Rechtsanwalts einen Reim zu machen. Dann beschloss er, nicht weiter über höhere Gerechtigkeit, die Hölle und Mr. Trentons Tränen nachzudenken, sondern wandte sich dem Tier in der Box zu. „Sie sagen mir also, dass dies hier ab jetzt mein Hund ist, ja? Das muss doch ein Scherz sein, stimmt’s?“

Drohend hob der Anwalt die Augenbrauen. „Sehe ich aus, als würde ich scherzen, Mr. Sullivan? Aber sehen Sie ruhig genau hin.“ Er deutete auf die Box. „Machen Sie nur. Ich warne Sie jedoch.“

Mittlerweile mochte David den Mann immer weniger. Er blickte zu der Box und schluckte. Komm schon, sagte er sich. Du hast doch Football gespielt und bist kein Feigling. Er atmete tief durch, ging zu dem Schreibtisch und hob die Transportbox auf Augenhöhe. Drinnen saß tatsächlich ein struppiger und wild kläffender …

„Ein Hund. Wirklich und wahrhaftig, ein Hund.“ David sah zu Mr. Sullivan. „Ich kann mir keinen Hund halten. Ich weiß gar nichts über Hunde und habe noch nie …“ Ohne den Satz zu beenden, stellte David die Box wieder auf den Schreibtisch. „Nein, auf keinen Fall“, sagte er entschlossen. Er ging zu dem Garderobenständer, nahm sich seinen Regenmantel und drehte sich dem fassungslosen Anwalt zu. „Tut mir leid, Mr. Trenton, aber bei mir sind Sie an der falschen Adresse. Hier muss jemand einen gewaltigen Fehler gemacht haben. Für einen Hund habe ich keinen Platz. Weder in meinem Apartment noch in meinem Leben. Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, muss ich meinen Flug erreichen, und zwar in …“, er sah auf seine Armbanduhr, „… in nicht einmal drei Stunden. Ich bin schon jetzt zu spät ran, also entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss los.“

„Sie fahren? Und was ist mit dem Geld, Mr. Sullivan? Ohne Hund kein Geld. Das ist die Bedingung des Testaments.“

„Sie lügen.“ David hatte es ausgesprochen, bevor er darüber nachdenken konnte.

Empört straffte Mr. Trenton die Schultern. „So etwas käme mir nie in den Sinn. Das werden Sie einsehen, wenn Sie die Papiere unterschreiben. Aber um das zu tun, müssen Sie den Hund an sich nehmen und ihn behalten. Sie dürfen ihn nicht verschenken oder verkaufen. Es ist Ihr Hund, und ich werde diesen … Teufel keinen Tag länger behalten. Zwei Wochen sind mehr als genug.“ Seine Stimme erstarb in einem Schluchzen. „Sehen Sie mich doch an, Sir, und haben Sie Mitleid. Ich will auch heute Nachmittag für einen Monat in Urlaub gehen. Die Erholung habe ich mir wirklich verdient.“ Auf einmal blickte Mr. Trenton David prüfend an. „Wissen Sie überhaupt, was ich mit Erholung meine?“

David betrachtete den aufgebrachten, nervlich zerrütteten Mann. „Ich kann es mir wirklich denken, Mr. Trenton. Nach allem, was Sie gesagt haben. Und das Geld hätte ich schon gern. Aber den Hund … das geht einfach nicht. Kann ich ihn nicht irgendwo in Pflege geben? Mitfliegen kann er jedenfalls nicht.“

„Nein“, Sie müssen ihn behalten, und Sie werden ihn jetzt mitnehmen. Sofort. Ohne diesen Hund verlassen Sie nicht meine Kanzlei, Mr. Sullivan. Miss Stanfields Testament …“

„… kann genauso gut die böse List einer fremden Staatsmacht sein“, beendete David den Satz für ihn. „Ich unterschreibe die Papiere, aber …“, David deutete auf die Box, „Dieser Hund wird heute Abend nicht mit mir diesen Raum verlassen. Ich warne Sie, Sir, bleiben Sie stehen.“

Doch Mr. Trenton kam immer weiter auf David zu, als wolle er ihn angreifen. Unwillkürlich umklammerte David seinen zusammengeklappten Regenschirm wie ein Schwert und hob ihn mit der Spitze nach vorn, sodass Regentropfen auf den teuren Teppich fielen.

Eine Sekunde zu spät blieb Mr. Trenton stehen, und David bedauerte es sofort, dass die Schirmspitze den dicken Anwalt in den Bauch piekte. Voller Genugtuung hob Mr. Trenton wieder den Kopf. „Sie haben mich körperlich angegriffen, Mr. Sullivan. Und dadurch haben Sie mir große Schmerzen und Qualen bereitet. Im Grunde sprechen wir hier von Körperverletzung, die für Sie noch sehr unangenehme Folgen nach sich ziehen kann. Es sei denn …“

„Na gut. Du bist also ein Hund, ja?“ David kam sich ziemlich dumm dabei vor, den verdächtig stillen Bewohner der Transportbox zu befragen. Die Box stand auf dem Beifahrersitz seines Autos, und draußen wurde es allmählich dunkel. Dicke Wolken zogen über den Himmel, und die Scheibenwischer bewegten sich unablässig, während David nach Washington fuhr.

Autor

Cheryl Anne Porter

Viele Leserinnen trauerten, als Cheryl Anne Porter am 25. August 2004 nach einem tapferen Kampf gegen den Krebs starb. Die beliebte Autorin von 22 Romanen, die auch wegen ihrer Vorträge zum Thema Schreiben sehr geschätzt wurde, stammte aus Savannah, Georgia, und lebte in Deutschland, England und vielen Städten der USA,...

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