Einfach unwiderstehlich

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Innige Küsse. Ein Dinner bei Kerzenlicht. Mit allen Tricks versucht der TV-Star Declan Malone, die schüchterne Olivia zu verführen. Doch nur, um so die Ehe seiner Cousine zu retten, deren Mann Olivia zu lieben glaubt. Niemals hat Declan damit gerechnet, dass er plötzlich total verrückt nach Olivia ist!


  • Erscheinungstag 17.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755065
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Der Zug fährt in den Bahnhof Paddington ein. Nehmen Sie bitte Ihr Gepäck und alle persönlichen Gegenstände mit“, wurden die Reisenden im Zug über Lautsprecher aufgefordert.

Olivia schluckte und stand auf. Sie ging durch den schaukelnden Waggon und holte den Koffer aus dem Gepäckfach am anderen Ende. Sie war schon den ganzen Morgen schrecklich nervös gewesen, doch jetzt, so kurz vor dem Ziel, schlug ihr die Aufregung auch noch auf den Magen.

Sobald ich bei Jeremy bin, geht es mir wieder besser, versuchte sie, sich zu beruhigen. Rasch zog sie einen Zettel aus der Tasche und prägte sich die Adresse zum hundertsten Mal ein.

„Lancey Gardens liegt in Notting Hill“, hatte Beth, ihre Mitbewohnerin, erklärt, die sich in London auskannte. „Vornehme Gegend.“

„Er hat ja auch einen guten Job und kann es sich leisten, dort zu wohnen“, erwiderte Olivia stolz.

„Einen guten Job hast du auch. Weshalb gibst du einfach alles so leichtfertig auf?“ Beth blickte sie prüfend an.

„Das weißt du genau.“

„Livvy, er ist verheiratet, du liebe Zeit.“

„Seine Frau wohnt in Bristol, er in London. Was ist das denn für eine Ehe? Glaub mir, Beth, da ist nichts zu retten. Schon seit über einem Jahr spielt sich zwischen den beiden nichts mehr ab. Seine Frau interessiert sich nur für ihre Karriere. Hast du denn nicht in der Zeitung gelesen, dass die renommierte Anwaltskanzlei, in der sie angestellt war, sie zur Partnerin ernannt hat?“

„Das beweist nur, dass sie gut ist. Es ist kein Vorrecht der Männer mehr, beruflich erfolgreich zu sein“, antwortete Beth ungerührt. „Deshalb brauchst du noch lange nicht hinter ihrem Mann herzulaufen.“

„Jeremy und ich wollen zusammen sein. Es ist Zeit, dass wir endlich etwas dafür tun.“

„Meint er das auch?“ Beth runzelte die Stirn. „Livvy, du hast ihm doch hoffentlich gesagt, dass du kommst, oder?“

„Na ja, nicht direkt“, gab Olivia widerstrebend zu. „Aber wir waren uns immer einig, dass wir in London zusammenleben. Der Zeitpunkt ist jetzt günstig.“

„Hättet ihr nicht erst einmal alles in Ruhe besprechen müssen?“

Olivia zuckte die Schultern. „Wir haben telefoniert und uns geschrieben.“

„Du hast ihm geschrieben, und er hat ab und zu angerufen“, stellte Beth die Sache richtig.

Olivia kniff die Lippen zusammen. „Du magst Jeremy nicht, stimmt’s?“

„Er ist mir egal. Aber es gefällt mir nicht, was er mit dir macht. Er spielt mit dir. Jedenfalls erwarte ich von einer Freundschaft oder einer Beziehung mehr als nur vage Versprechungen“, antwortete Beth gereizt.

„Wenn du Sex meinst …“ Olivia errötete.

„Ja, genau das meine ich.“

„Natürlich wollen wir Sex haben, aber er lebte ja hier in Bristol noch mit Maria zusammen. Nachdem sie sich getrennt haben, wird unsere Beziehung natürlich viel enger.“

„Klingt richtig leidenschaftlich.“ Beth verzog das Gesicht.

„Wir wollen keine flüchtiges Affäre, sondern uns zusammen etwas aufbauen und eine Familie gründen. Jetzt mache ich den ersten Schritt und fahre zu ihm nach London.“

„Dann hoffe ich für dich, dass alles so wird, wie du es dir vorstellst.“ Beth hatte sie flüchtig umarmt. „Dein Zimmer vermiete ich noch nicht weiter – einfach vorsichtshalber.“

Daran erinnerte Olivia sich jetzt, als sie ausstieg und mit dem Koffer dem Ausgang zustrebte. Mühsam bahnte sie sich den Weg durch die vielen Menschen, von denen die meisten an diesem Samstag wahrscheinlich zum Einkaufen in die Stadt kamen. Am Taxistand stellte sie sich ans Ende der Schlange.

Sie kannte Jeremy seit der Kindheit, sie waren im selben Dorf in Somerset aufgewachsen. Schon immer hatte Olivia für den sechs Jahre älteren, gut aussehenden Jungen mit dem blonden Haar geschwärmt. Wenn er in den Ferien nach Hause kam, freute sie sich über jede noch so kleine Aufmerksamkeit, die er ihr schenkte.

Im zweiten Jahr seines Studiums verkauften seine Eltern das Haus und zogen ans Meer. Seitdem hatten sie sich nicht mehr gesehen. Erst vor einem Jahr hatten sie sich zufällig in einer Weinbar in Bristol getroffen.

Jeremy saß inmitten einer Gruppe von jungen Leuten am anderen Ende des Raums. Die Bar war überfüllt, das Licht gedämpft. Dennoch erkannte Olivia ihn sogleich an seinem hinreißenden Lächeln und seiner Stimme.

Als er aufstand, um sich noch einen Drink zu holen, sprach sie ihn an.

„Hallo, Jeremy. Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an mich …“

Er drehte sich um und zog die Augenbrauen hoch. Plötzlich erhellte ein Lächeln sein Gesicht. „Livvy Butler! Ich glaube es nicht! Das ist ja wunderbar. Wie lange haben wir uns nicht gesehen?“

Viel zu lange, dachte sie und freute sich über die herzliche Begrüßung.

„Du siehst fantastisch aus.“ Mit seinen blauen Augen musterte er sie prüfend von oben bis unten. Die helleren Strähnen in ihrem braunen Haar waren nach dem zweiwöchigen Griechenlandurlaub noch heller geworden, und ihre Füße mit den pinkfarben lackierten Zehennägeln steckten in eleganten, hochhackigen Sandaletten. „Hast du noch Zeit?“

„Ich wollte gerade gehen …“

„Nein, bitte nicht. Setz dich doch an den Tisch dahinten in der Ecke. Ich hole uns etwas zu trinken. Für dich auch einen Chardonnay?“

Sie nickte. Ihr war alles recht.

„Haben deine Freunde nichts dagegen, dass du sie allein lässt?“, fragte Olivia, als er neben ihr saß.

Er zuckte die Schultern. „Mich vermisst niemand.“ Er reichte ihr das Glas, hob seins und trank ihr zu. „Auf unser Wiedersehen, Livvy! Was machst du eigentlich hier in Bristol?“

Ich habe auf dich gewartet, was mir erst jetzt bewusst geworden ist, hatte sie insgeheim geantwortet.

Die Schlange am Taxistand bewegte sich vorwärts. Warum können alle diese Leute, die in eins der großen Kaufhäuser wollen, sich nicht ein Taxi teilen, statt ihr Geld und meine kostbare Zeit zu verschwenden? überlegte Olivia ungeduldig.

Sie konnte es kaum erwarten, bei Jeremy zu sein. Sie freute sich auf sein strahlendes Lächeln, mit dem er sie begrüßen würde.

Am Anfang war es eine rein platonische Freundschaft gewesen. Sie hatten sich gelegentlich zum Essen oder auf einen Drink getroffen. Jeremy hatte ihr nicht verheimlicht, dass er verheiratet war, was sie ihm hoch anrechnete.

Er hatte immer voller Stolz über die Karriere seiner Frau gesprochen. Doch über die persönliche Beziehung schwieg er sich aus, was Olivia irgendwann auffiel.

Eines Tages rief er sie an und lud sie seltsam gereizt zum Dinner ein.

„Ich habe Geburtstag“, erklärte Jeremy ruhig, als sie sich im Restaurant trafen. „Leider ist meine Frau zu beschäftigt, um heute mit mir auszugehen. Sie muss sich auf eine Gerichtsverhandlung vorbereiten. Danke, dass du gekommen bist, Livvy.“

Danach sprach er offen über seine Ehe.

„Für Maria steht ihr Beruf an erster, zweiter und dritter Stelle“, erklärte er verbittert. „Ich weiß noch nicht einmal, ob ich an vierter Stelle komme.“

„Das siehst du sicher falsch.“ Olivia legte ihre Hand auf seine. „Ihr seid doch erst kurze Zeit verheiratet und könnt bestimmt einen Kompromiss finden …“

„Wie kann man mit jemandem reden, der so tut, als würde es kein Problem geben?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin mir gar nicht sicher, ob unsere Ehe überhaupt einmal funktioniert hat.“ Er nahm ihre Hand. „Ich hätte warten sollen, Livvy“, hatte er rau hinzugefügt. „Auf dich. Das ist mir jetzt klar. Sag mir, dass es noch nicht zu spät ist.“

„Nicht einschlafen, meine Liebe“, der Taxifahrer unterbrach sie in ihren Gedanken. „Brauchen Sie ein Taxi oder nicht?“

„Doch, ja.“ Olivia errötete und nannte ihm die Adresse, ehe sie den Koffer verstaute und sich auf den Rücksitz sinken ließ.

Sie kannte London eigentlich überhaupt nicht. Ein einziges Mal war sie hier gewesen und hatte eine Stadtrundfahrt gemacht. Deshalb war sie ziemlich entsetzt über das Verkehrschaos. Das Taxi kam nur langsam voran, und nur selten gelang es dem Fahrer, eine Lücke zu erwischen und schneller zu fahren.

Olivia hatte ihr Auto verkauft, ein weiser Entschluss, wie sie jetzt fand, denn sie würde es bestimmt nicht wagen, sich in dieses Gewühl zu stürzen. Der Lärm dröhnte ihr in den Ohren, und die Luft, die durch das halb offene Fenster neben ihr hereindrang, war schlecht und roch nach Abgasen.

Schon bald gelangten sie in eine beeindruckend vornehme Gegend. Es kann nicht mehr weit sein, dachte Olivia und hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl.

Schließlich bog das Taxi in eine Seitenstraße ein mit einer Reihe eleganter weißer Terrassenhäuser. „Nummer sechzehn haben Sie gesagt?“, vergewisserte sich der Mann.

„Ja.“ Der Mund wurde ihr ganz trocken, als der Wagen anhielt. An diesem sonnigen Septembertag wirkten die blühenden Blumen in den Kästen neben den breiten hellen Stufen, die zum Eingang führten, ganz besonders dekorativ.

Nachdem sie ausgestiegen war und bezahlt hatte, blickte sie hinter dem Taxi her, als wäre ihre letzte Verbindung zur Realität abgerissen. Dann drehte sie sich um und betrachtete das Haus. Die Vorhänge waren halb zugezogen, aber im Parterre war ein Fenster geöffnet, aus dem leise Musik drang.

Offenbar war Jeremy zu Hause. Erleichtert trug Olivia den Koffer die Stufen hinauf und läutete.

Eine halbe Ewigkeit passierte gar nichts. Doch als sie gerade noch einmal auf die Klingel drücken wollte, wurde der Schlüssel im Schloss herumgedreht.

Olivia atmete tief ein und versuchte aufgeregt, ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Dann wurde die Tür geöffnet – und Olivia stand einem Fremden gegenüber. Obwohl sie diesen Mann noch nie gesehen hatte, kam er ihr irgendwie bekannt vor.

Er war groß, und das dunkle Haar fiel ihm unordentlich in die Stirn. Die Farbe seiner Augen war nicht eindeutig zu definieren, es war eine Mischung aus Blau und Grau. Sie schimmerten silbrig und wurden von langen, dichten Wimpern umrahmt. Seine heruntergezogenen Mundwinkel schienen anzudeuten, dass er gern spottete und sich über andere lustig machte.

Sein marineblauer Morgenmantel aus Seide, der seine muskulösen Oberschenkel zur Hälfte bedeckte, war bis zur Taille weit geöffnet und zeigte seine muskulöse, behaarte Brust. Olivia wurde klar, dass er darunter nichts anhatte, und sie fühlte sich plötzlich seltsam unbehaglich.

Er musterte sie leicht verächtlich, betrachtete den kurzen Jeansrock, die weiße Bluse und den schwarzen Blazer. Herausfordernd erwiderte sie seinen herablassenden Blick.

„Ja?“, fragte er und kniff die Lippen zusammen.

Energisch hob sie das Kinn. „Ich möchte zu Jeremy Attwood. Er … erwartet mich“, erklärte sie.

Beim Anblick ihres Koffers runzelte der Fremde die Stirn. „Das glaube ich nicht“, antwortete er und wollte die Tür zuschlagen.

„Oh … warten Sie.“ Entsetzt schob Olivia ihre Hand dazwischen. „Wenn Sie Jeremy sagen würden, dass ich hier bin …“

Er schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Lassen Sie bitte meine Tür los, sonst verlieren Sie noch Ihre Finger“, forderte er sie kühl auf.

Sie ignorierte seine Bemerkung. „Aber er wohnt doch hier, oder?“ Als er kurz nickte, fügte sie hinzu: „Warum wollen Sie ihn dann nicht rufen?“

„Weil er nicht zu Hause ist“, erklärte der Mann. „Er ist übers Wochenende weggefahren, und das beweist, dass er nicht mit Ihrem Besuch gerechnet hat. Seien Sie ein braves Mädchen, und verschwinden Sie.“

„Er ist nicht hier?“, wiederholte Olivia wie betäubt. „Das glaube ich nicht.“

In seinen Augen blitzte es kühl auf. „Wollen Sie etwa das Haus durchsuchen, Miss? Wie heißen Sie eigentlich?“

„Olivia Butler. Hat Jeremy mich denn nie erwähnt?“

Schweigend schüttelte er den Kopf und kniff die Augen zusammen.

Das ist ein Rückschlag, aber damit kann ich umgehen, überlegte sie. Dann atmete sie tief ein und zauberte ein Lächeln auf die Lippen. „Ach, es ist auch nicht so wichtig. Ich hätte den Termin mit Jeremy abstimmen müssen.“

„Was genau wollen Sie hier, Miss Butler?“, fragte er sanft.

„Zuerst möchte ich reinkommen“, erwiderte sie. „Nach der langen Bahnfahrt würde ich mich gern frisch machen.“

„Natürlich. Aber wieso ausgerechnet hier? Hätten Sie das nicht am Bahnhof tun können?“

„Doch. Das ist nicht der Punkt.“

„Was denn?“ Er versperrte ihr immer noch die Tür.

„Jeremy und ich haben vor, hier in seiner Wohnung zusammenzuleben.“ Sie war es leid, um die Sache herumzureden.

Plötzlich spürte sie, wie gespannt, beinah schon bedrohlich die Atmosphäre war. Der Mann stand einfach nur da, ohne eine Miene zu verziehen. Am liebsten wäre sie zurückgewichen, beherrschte sich jedoch.

„Na, das nenne ich mutig“, erklärte nach einer längeren Pause. „Wissen Sie, dass Jeremy verheiratet ist?“

„Ich weiß sogar, dass er und seine Frau sich getrennt haben. Aber es geht Sie nichts an.“

„Da irren Sie sich.“ Wieder machte er eine Pause. „Am besten hinterlassen Sie Ihre Adresse. Dann kann Jeremy Sie nach seiner Rückkehr anrufen, wenn er will.“

„Meine Adresse?“ Olivia blickte ihn bestürzt an. „Ich warte natürlich hier auf ihn!“

„Nein, auf keinen Fall!“

„Ich verstehe nicht …“

„Ist doch ganz einfach. Sie wollen hier einziehen, und ich sage Nein.“

„Wollen Sie mich etwa wegschicken?“, fragte sie hilflos.

„Endlich haben Sie es begriffen.“ Seine Stimme klang ironisch. „Ich nehme keine mittellosen Mädchen auf, die vor meiner Haustür auftauchen und behaupten, mit meinem Untermieter bekannt zu sein.“

„Ich bin nicht mittellos und mehr als eine Bekannte“, protestierte sie hitzig.

„Das behaupten Sie.“ Er zuckte die Schultern, wobei der Morgenmantel verrutschte. „Es tut mir leid, meine Liebe. Versuchen Sie es woanders.“

„Aber ich weiß doch nicht, an wen ich mich wenden soll“, hörte Olivia sich zu ihrem eigenen Entsetzen ängstlich sagen. „Ich … kenne sonst niemanden in London.“

„Dann gebe ich Ihnen einen guten Rat.“ Seine Stimme klang plötzlich streng. „Gehen Sie dahin zurück, woher Sie gekommen sind, und tun Sie so, als hätte Ihr kleiner Ausflug gar nicht stattgefunden.“

Olivias Angst verflog. „Ihren Rat brauche ich nicht“, erwiderte sie ärgerlich. „Und ich fahre auch nicht zurück, sondern werde Jeremy erzählen, wie grob Sie mich behandelt haben. Darauf können Sie sich verlassen.“

„Sie hätten nicht einfach ins Blaue hinein nach London fahren dürfen. Und jetzt verschwinden Sie.“ Er war jetzt auch ärgerlich.

„Sie verdammter Kerl“, fuhr sie ihn zornig an. „Für wen halten Sie sich eigentlich? Welches Recht haben Sie, so mit mir zu reden?“

„Zufällig bin ich der Hausbesitzer“, antwortete er kühl.

„Aber Jeremy …“

„Jeremy ist mein Gast oder Untermieter, sonst nichts, egal, was Sie glauben oder was er Ihnen gesagt hat“, fügte er verächtlich hinzu.

Am liebsten hätte Olivia aufgeschrien und ihn einen Lügner genannt. Doch irgendwie klangen seine Worte überzeugend. Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Und sie wollte sich an diesem Mann rächen, ihn verletzen und demütigen. Aber das war Zukunftsmusik.

Erst musste sie eine Lösung für ihr Problem finden. Natürlich war sie nicht arm. Sie hatte genug Geld auf dem Konto und konnte jederzeit mit ihrer Kreditkarte bezahlen. Bis sie einen Job gefunden hätte, würde sie auf jeden Fall gut zurechtkommen.

Von Jeremy würde sie sich selbstverständlich nicht aushalten lassen. Es sollte eine echte Partnerschaft werden, einen Sponsor brauchte sie nicht.

Ihr war jedoch klar, dass sie mit ihren Ersparnissen vorsichtig umgehen musste und nicht in Luxushotels übernachten durfte. Aber wie sollte sie eine geeignete Unterkunft finden?

Sie schluckte und blickte den Mann betont gleichgültig an. „Wahrscheinlich sind Sie nicht damit einverstanden, dass ich meinen Koffer bei Ihnen lasse, während ich mir ein Zimmer suche.“

„Richtig. Am liebsten würde ich Sie mit Ihrem Gepäck durch die Stadt ziehen lassen, um Ihnen eine Lektion zu erteilen. Doch das kann ich nicht verantworten, denn Sie würden kaum etwas finden und am Ende noch in Schwierigkeiten geraten.“

„Ihre Platituden können Sie sich sparen“, fuhr sie ihn zornig an. „Was wollen Sie mir anbieten? Einen Schuppen hinter dem Haus?“

„O nein.“ Er zog ihren Koffer ins Haus. „Kommen Sie rein, ich kenne da jemanden.“

„Ich darf wirklich Ihr Heiligtum betreten?“ Sie folgte ihm in die riesige Eingangshalle. Links führte eine breite Treppe in die oberen Stockwerke. Auf der rechten Seite befand sich ein Raum, der wie ein Büro ausgestattet war, wie man durch die offene Tür erkennen konnte, und aus dem die Musik drang.

„Nur kurz“, antwortete er über die Schulter und ging weiter.

Schließlich blieb er vor einer anderen offenen Tür stehen. „Sie können da in dem Zimmer warten. Aber machen Sie es sich nicht zu bequem. Ich will nur rasch telefonieren.“

„Vielleicht ziehen Sie sich erst einmal richtig an“, schlug sie vor und musterte ihn kühl.

„Das ist mein Samstagmorgen, und ich laufe herum, wie es mir passt“, erklärte er sanft. „Vergessen Sie nicht, meine Liebe, Sie sind hier eingedrungen.“

Sie biss sich auf die Lippe und ging an ihm vorbei in das große Zimmer, dessen eine Wand nur aus Glas bestand. In der Mitte stand ein langer Esstisch mit Stühlen aus massiver Eiche. Auf dem Tisch lag eine aufgeschlagene Zeitung neben einem benutzten Teller. In der Luft hing noch der Duft nach frischem Kaffee und warmen Croissants.

Ich hätte nichts dagegen, wenn er mir etwas anbieten würde, überlegte Olivia. Es war schon lange her, dass sie in Bristol am Bahnhof ein Heidelbeermuffin gegessen und einen Plastikbecher heiße Schokolade getrunken hatte.

Um sich abzulenken, stellte sie sich ans Fenster und betrachtete die Grünanlagen. Es gab weder Mauern noch Zäune, sondern nur Sträucher, Bäume und viele blühende Blumen. Dahinter erstreckte sich eine große Rasenfläche, und weiter hinten glitzerte Wasser im Sonnenschein.

Olivia atmete tief ein. Mit so einem herrlichen Park, der von Kieswegen durchzogen war, hätte sie hier mitten in der Großstadt nicht gerechnet. So ähnlich sieht es bei uns zu Hause auch aus, überlegte sie und empfand sekundenlang so heftiges Heimweh, dass ihr Tränen in die Augen traten.

„Ist etwas?“, fragte plötzlich der Besitzer des Hauses hinter ihr und wählte eine Nummer auf dem schnurlosen Telefon.

„Ich … habe mir nur den Park angesehen. Er ist wunderschön. Wem gehört er?“

„Allen, die darum herum wohnen“, antwortete er lakonisch. „Die Anlage gehört der Stadt.“ Dann sprach er ins Telefon: „Sasha, entschuldige, dass ich dich am Wochenende störe. Hast du ein Apartment frei?“ Er verzog belustigt die Lippen, als er merkte, dass Olivia sich versteifte. „Ja, eine Obdachlose. Sie ist mir von der Straße ins Haus geschneit.“

Er lachte. „Nein, kein Kätzchen. Aber sie hat Krallen.“ Lächelnd hörte er zu. „Keine Chance, meine Liebe. Sie ist nicht mein Typ. Außerdem ist sie in festen Händen, sagt sie jedenfalls. Du kannst sie bei dir unterbringen? Du bist ein Engel. Ich schicke sie zu dir.“

„Okay, jetzt haben Sie eine Unterkunft“, erklärte er, nachdem er das Gespräch beendet hatte.

Olivia blickte ihn vorwurfsvoll an. „Wahrscheinlich kommen Sie gar nicht auf die Idee, dass ich mir lieber selbst etwas gesucht hätte, oder?“

„Ehrlich gesagt, nein. Was hatten Sie denn vor? Hilflos vor meiner Haustür zu kampieren, bis Jeremy wieder da ist?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, bei Sasha sind Sie gut aufgehoben“, fuhr er fort und ignorierte ihren zornigen Blick. „Ihre Mieter kommen und gehen. Meist hat sie etwas frei.“

„Sasha“, sagte Olivia nachdenklich. „Ist sie Russin?“

„Nein.“ Seine Miene wurde weich, was ihn viel attraktiver und beinah menschlich aussehen ließ. „Nur exzentrisch.“ Er warf Olivia einen strengen Blick zu. „Und sie ist eine sehr warmherzige Frau. Nutzen Sie sie ja nicht aus, das würde ich Ihnen sehr verübeln. Vergessen Sie nicht zu bezahlen.“

„Natürlich bezahle ich.“ Er kam ihr immer bekannter vor, doch ihr fiel nicht ein, an wen er sie erinnerte. „Ich bleibe sowieso nicht lange bei ihr.“

„Das kann ich mir vorstellen. Sie rechnen damit, dass Jeremy Ihnen ein kuschliges Liebesnest baut. Vielleicht tut er es sogar. Aber bestimmt nicht hier unter meinem Dach.“

„Was hat das überhaupt mit Ihnen zu tun?“, fuhr sie ihn gereizt an.

Unbeeindruckt zuckte er die Schultern. „Er ist verheiratet, wie ich schon erwähnte. Vielleicht habe ich mehr Skrupel als Sie.“

„Declan! Declan, wo bist du, Darling?“, rief plötzlich jemand.

Eine rothaarige Frau, nur in ein pfirsichfarbenes Frottiertuch gehüllt, stand an der Tür.

„Darling“, wiederholte sie und machte einen Schmollmund. „Du warst einfach weg, als ich aufwachte. Es war schrecklich.“ Sie musterte Olivia von oben bis unten. „Ach, du … hast Besuch? Wenn das deine neueste Eroberung ist, hast du deinen Geschmack geändert.“

Vor lauter Empörung über so viel Unverschämtheit errötete Olivia. Doch ehe sie sich einmischen konnte, griff Declan ein.

„Falsch, meine liebe Melinda. Miss Butler ist nur eine flüchtige Bekannte, die hoffentlich bald verschwindet. Geh nach oben, wir sehen uns später.“

Die junge Frau schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Versprochen?“

„Ja, verlass dich darauf.“

Sekundenlang spürte Olivia, wie erotisch die Atmosphäre zwischen den beiden war, und bekam zu ihrem Entsetzen eine Gänsehaut.

Auch wenn der Besitzer des Hauses ein unhöflicher Kerl war, war er ausgesprochen sexy. Die Frau, deren Rundungen von dem pfirsichfarbenen Frottiertuch nur spärlich bedeckt wurden, drehte sich um und ging gehorsam die Treppe hinauf.

Olivia kam sich plötzlich einsam und allein vor. Kein Wunder, denn sie hatte fest damit gerechnet, von Jeremy freudig begrüßt und leidenschaftlich umarmt zu werden. Stattdessen musste sie mit ansehen, wie zwei ihr fremde Menschen miteinander flirteten und turtelten.

Um das unbehagliche Schweigen zu brechen, räusperte sie sich und stellte fest: „Wenn es um Sie selbst geht, haben Sie wohl keine moralischen Bedenken.“

„Stimmt genau.“ Sein Lächeln wirkte geradezu unverschämt. „Aber ich bin nicht verheiratet. Und ich zerstöre keine Ehen“, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.

„Ich möchte gehen. Geben Sie mir bitte die Adresse dieser Sasha“, forderte Olivia ihn kühl auf.

Er schrieb etwas auf einen Zettel und reichte ihn ihr. „Es ist nicht weit, am gegenüberliegenden Ende des Parks. Unten an der Straßenecke ist ein Taxistand, falls Sie mit dem Koffer nicht so weit laufen wollen.“

„Erwarten Sie bitte nicht, dass ich mich überschwänglich bedanke.“ Olivia nahm den Zettel entgegen und durchquerte die Eingangshalle.

„Ich glaube schon längst nicht mehr an Wunder“, antwortete er und hielt ihr die Tür auf.

„Auf Wiedersehen“, verabschiedete sie sich betont freundlich und griff nach ihrem Koffer.

„Nein, nur das nicht! Ich werde Jeremy sagen, wo er Sie finden kann, obwohl ich es nur ungern tue.“ Dann schlug er die Tür hinter ihr zu.

„Zum Teufel mit ihm“, flüsterte sie vor sich hin, während sie mit dem Koffer die Stufen hinunterging. Jeremy würde bald zurückkommen, und ihr gemeinsames Leben könnte beginnen.

Ohne sich noch einmal umzudrehen, machte sie sich auf den Weg. Sie gestand sich jedoch ein, dass sie zu gern gewusst hätte, ob der Mann am Fenster stand und sie beobachtete.

2. KAPITEL

Declan stand nachdenklich am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte hinter Olivia her. Er bereute seinen spontanen Entschluss, ihr bei Sasha eine Unterkunft beschafft zu haben.

Ich hätte sie zum Bahnhof Paddington fahren und sie in den nächsten Zug Richtung Westen setzen sollen, überlegte er gereizt.

Er betrachtete ihre schlanke Gestalt. Irgendwie wirkte die junge Frau mutig und seltsam verletzlich. Declan fluchte insgeheim. Ihm war klar, wenn er ordentlich angezogen gewesen wäre, hätte er ihr angeboten, den Koffer zu tragen und sie zu begleiten.

Dabei brauchte er sich zu nichts verpflichtet zu fühlen. Wahrscheinlich hatte er sogar alles noch schlimmer gemacht, indem er sich eingemischt hatte.

Mit Jeremy Attwood würde er ein Wörtchen zu reden haben. Danach muss er selbst sehen, wie er das Problem löst, sagte Declan sich und drehte sich um. Dann eilte er die Treppe hinauf in seine Suite im ersten Stock. Im Ankleideraum griff er sich die Jeans und ein Baumwollhemd und wollte ins Badezimmer gehen. Um die Situation besser meistern zu können, musste er ordentlich angezogen sein.

Auf dem Gang bemerkte er plötzlich, dass seine Schlafzimmertür angelehnt war, obwohl er sie geschlossen hatte. Und dann stolperte er auch noch über das pfirsichfarbene Frottiertuch. Während er leise vor sich hin fluchte, stieß er die Tür auf.

„Hallo, Liebling.“ Melinda lag in verführerischer Pose auf seinem Bett. Ihr Lächeln wirkte wie eine einzige Aufforderung. „Du hast lange gebraucht!“

Declan lehnte sich an den Türrahmen. „Was soll das, Melinda?“

„Ich habe auf dich gewartet, Liebling. Was sonst? Du hast mich doch dazu aufgefordert.“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe nur gesagt, wir sehen uns später. Das ist etwas ganz anderes.“

„Sei nicht so pedantisch.“ Sie bewegte sich verführerisch hin und her. „Weckt das keine angenehmen Erinnerungen?“

Autor

Sara Craven
Sara Craven war bis zu ihrem Tod im November 2017 als Autorin für Harlequin / Mills & Boon tätig. In über 40 Jahren hat sie knapp hundert Romane verfasst. Mit mehr als 30 Millionen verkauften Büchern rund um den Globus hinterlässt sie ein fantastisches Vermächtnis. In ihren Romanen entführt sie...
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