Endlich hab ich dich

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Sich dem Charme von drei entschlossenen Elfjährigen zu widersetzen ist nicht ganz leicht! Das findet Texas Ranger Steve Kessler heraus, als er Jonah, Josh und Jason kennenlernt. Noch ahnt er nicht, was die drei unbedingt haben wollen - einen neuen Daddy, einen Mann für ihre schöne Mutter Taylor …


  • Erscheinungstag 02.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757397
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du hast ‚Killer‘ falsch geschrieben.“

„Habe ich nicht!“

„Hast du wohl! Killer schreibt man mit zwei ‚l‘.“

„Das stimmt!“, krähte eine dritte Stimme. „Das weiß doch jedes Baby!“

„Warum schreibt ihr den Brief nicht selbst, wenn ihr alles besser wisst?“

Damit landete der Briefbogen auf dem Boden. Jason, Jonah und Joshua, elf Jahre alt und einander wie ein Ei dem anderen ähnelnd, sahen sich kriegerisch an, fassten dann aber den weisen Entschluss, auf einen Streit zu verzichten und in ihren Bemühungen fortzufahren.

Jonah hob den Brief auf, blies den Staub ab und gab ihn seinem Autor Jason zurück. „Lies vor, was wir bis jetzt haben“, forderte er ihn auf.

Jason räusperte sich eindrucksvoll. „Lieber Ranger Steve Kessler …“

Josh unterbrach ihn. „Das klingt doof.“

„Klappe“, befahlen Jason und Jonah im Duett.

„Lies weiter“, sagte Josh.

„Wir schreiben ihnen den Brief, damit sie wissen, das in Almost grässliche Dinge passieren.“

Jonah riss Jason den Brief aus der Hand. „Das ist ja gar nicht wahr!“

„Aber es könnte wahr sein“, erwiderte Josh unbeeindruckt.

„Es ist trotzdem gelogen.“

„Das weiß ich auch. Aber sonst kommt er nicht.“

Jason nahm den Brief wieder an sich und las weiter. „Die Sache ist furchtbar gefärlich, aber wir können davon nicht schreiben, denn wenn die falschen Leute den Brief in die Finger krigen, machen sie uns kalt. Wir glauben nähmlich, das irgendwo hier ein Kiler ist. Am besten kommen sie sofort. Sie können bei uns wohnen.“

Jonah stützte die Ellbogen aufs Bett und legte das Kinn in die Hände. „Das ist echt gut. Aber vielleicht wundert er sich, warum wir nicht Onkel Pete Bescheid gesagt haben.“

„Onkel Pete ist doch gar nicht mehr beim FBI. Er ist jetzt an irgendeiner blöden Schule“, meinte Josh.

Die drei Jungen versanken angesichts dieses Verrats ihres neuen Onkels in düsteres Schweigen. Jeder, der es vorzog, an einer Schule zu unterrichten, anstatt beim FBI Verbrecher zu jagen, konnte nicht ganz normal sein.

„Er wird sich trotzdem wundern.“ Das kam von Jonah.

Jason schüttelte den Kopf. „Du hast dauernd etwas rumzumeckern.“

„Am besten stimmen wir ab“, schlug Josh vor, und seine beiden Mitverschwörer nickten feierlich. „Ich finde, wir sollten den Brief abschicken. Wer dafür ist, soll ein Zeichen geben.“ Die drei Brüder hoben die Hand. „Einstimmig angenommen.“

„Er glaubt uns nie, dass wir einen Killer gesehen haben.“

„Bestimmt nicht, wenn wir ihn falsch schreiben.“

„Sollen wir Mom erzählen, dass er vielleicht bei uns wohnt?“, fragte Jonah und zog sich damit sofort den Zorn seiner Brüder zu.

„Spinnst du? Sie bringt uns um!“

„Schon, weil wir gelogen haben …“

„Ich habe es ja gleich gesagt!“

„… und außerdem, weil wir ihn eingeladen haben, ohne sie zuerst zu fragen.“

„Er kann in meinem Bett schlafen.“

Jonahs Gesicht hellte sich auf. „Ich wette, der Ranger wird uns sowieso nicht glauben und den Brief einfach wegwerfen.“ Seine Brüder sahen ihn an, als hätte er soeben prophezeit, dass die Sonne am nächsten Morgen nicht aufgehen würde.

„Wo das bei Tante Carolyn passiert ist? Mit den Drogen und den Verbrechern und all dem Zeug? Und wo Onkel Pete Bubba Wannamacher niedergeschlagen hat und die Polizei Bubba verhaftet hat?“

„Ja, genau“, rief Jason aufgeregt. „Der Ranger kommt bestimmt! Wir müssen einfach nur Spuren legen, damit er etwas zu untersuchen hat, wenn er hier ist!“

„Und wenn jemand was merkt?“

Die drei Jungen brüteten ein paar Minuten über diesem schwerwiegenden Problem und sahen zur Decke auf, als erwarteten sie von dort eine Erleuchtung. Jason war wie immer der Erste, der wieder das Wort ergriff. „Wir tun eben einfach so, als ob wir spielen. Da passen die Erwachsenen nicht so auf.“

Jonah und Josh erwärmten sich sofort für diese Sichtweise.

Die nächste Viertelstunde entwickelten die Drillinge allerlei Strategien, deren wildeste darauf hinauslief, dass sie Steve Kessler zu der Annahme verführen wollten, ihre Großtante Sammie Jo wäre eine Mörderin, die sich seit fast vierzig Jahren unerkannt in Almost versteckte.

„Das geht nicht“, wandte Jonah ein. „Sonst verhaftet er sie, und sie kommt ins Gefängnis.“

Josh legte sich auf den Bauch. „Außerdem sind ihm so alte Morde wahrscheinlich ganz egal. Und es gibt irgendein Gesetz, dass sie einen Mörder laufen lassen müssen, wenn sie ihn nicht gleich erwischen. Oder so.“

Jason nickte. „Ja, das habe ich mal im Fernsehen gesehen.“

Jonah hatte – wie immer – seine Zweifel. „Ehrlich? Aber wenn es nicht stimmt …“

„Der Brief war schließlich deine Idee“, erinnerte Josh ihn.

Jason stieß ins selbe Horn. „Genau!“

„Das ist überhaupt nicht wahr“, protestierte Jonah. „Wir haben alle drei gesagt, dass wir ihn als Dad haben wollen.“

„Und auch für Mom.“

„Ja, aber als Mann, nicht als Dad.“

Sie brachen in hysterisches Kichern aus, und es dauerte eine Weile, bis sie sich ihres großen Auftrags erinnerten.

„Aber er braucht trotzdem Beweise. Wie im Krimi.“

„Oder wie bei einer Schatzsuche.“

„Genau. Dad hat immer gesagt, dass es bei der Polizei genauso ist.“

„Aber bei einer Schatzsuche wird man nicht umgebracht“, sagte Josh mit dünner Stimme, und auch seine Brüder wirkten nun deutlich gedämpfter.

Dann hob sich Jonahs Stimmung wieder. „Aber wir wollen doch nicht, dass wirklich jemand ermordet wird. Ranger Kessler soll das doch nur denken, damit er auch kommt.“

„Ja, und dann soll er sich in Mom verlieben“, bekräftigte Josh.

Die Drillinge sahen einander an und nickten feierlich.

„Wie lange dauert denn so etwas?“, wollte Jonah wissen. „Das Verlieben, meine ich.“

„Zwei Tage oder so“, erklärte Jason fachmännisch. Als sein Bruder ihn skeptisch ansah, fügte er hinzu: „Das habe ich mal im Fernsehen gesehen. Höchstens zwei Tage. Er muss Mom nur einmal küssen, und dann passiert es automatisch.“

Josh nickte. „Genau. Das dauert nie länger als zwei Tage, vielleicht auch bloß eine Stunde. Manchmal müssen sie sich einfach nur ansehen. Mom ist ja schrecklich hübsch.“

Jetzt war es Jason, der Zweifel anmeldete. „Ich weiß nicht. Lindsay Ackermann …“

Seine beiden Brüder ließen sich auf ihre Betten zurückfallen, als wären sie vom Blitz getroffen worden. „Fang nicht schon wieder damit an!“, kreischten sie im Duett. „Lindsay Ackermann hat dies gesagt, und Lindsay Ackermann hat das gesagt …“

„Ist ja gut, Leute“, sagte Jason, und seine Brüder verstummten.

Immerhin war Jason der Älteste von ihnen und hatte als Einziger schon eine Freundin, auch wenn er mit ihr nur gelegentlich sprach.

Jonah setzte sich auf. „Ich weiß was. Wir tun Backpulver in eine Tüte und …“

„… und legen es hinter den Schuppen von Mr. Hampton! Dann denkt jeder, es ist Rauschgift.“

„Ja, und dann machen wir künstliches Blut aus unserem Chemiebaukasten wie für Mrs. Drexler …“

„… und verschütten es vor dem Schuppen.“

„Und dann ziehen wir die Schuhe von Dad an und machen große Fußabdrücke damit!“

„Echt cool!“

„Super.“

„Wir müssen noch schreiben, dass wir ein Grab oder so etwas gefunden haben.“

„He, das ist eine super Idee, Jason! Wir graben einfach ein großes Loch.“

„Ja, klar. Und dann lassen wir da auch einen Beweis liegen.“

„Einen Zettel, der ihn auf eine Spur bringt.“

Die drei Brüder sahen sich begeistert an. Sie waren sehr zufrieden mit ihrer Arbeit.

Dann meldete Jonah Bedenken an. „Und wenn sie alles rauskriegen?“

Josh schüttelte den Kopf. „Dad hat immer gesagt, wenn wir etwas tun wollen, sollen uns vorher ausdenken, was im allerschlimmsten Fall passieren kann. Und dann sollen wir überlegen, ob wir es trotzdem tun wollen.“

Jonah malte sich einige Szenarios aus, die größtenteils in einer Erziehungsanstalt endeten. Jason und Josh tauschten gereizte Blicke und stürzten sich dann mit Kriegsgeschrei auf ihren Bruder. Brüllend und lachend lagen sie einander in den Haaren.

Die Tür ging auf. „Wird hier gerade jemand umgebracht?“

Taylor Leary-Smithton, erfahren im Umgang mit Elfjährigen, vor allem mit elfjährigen Drillingen, zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ihre drei Söhne bei der Frage hysterisch loskreischten und dann hektisch irgendwelche Zettel vor ihr in Sicherheit zu bringen versuchten.

Sie fand es auch keineswegs ungewöhnlich, dass alle drei eine Miene vollendeter Unschuld aufsetzten und behaupteten: „Wir haben überhaupt nichts getan.“ Dabei wirkten sie so schuldbewusst, als wären sie gerade auf frischer Tat ertappt worden.

Sie betrachtete ihre geliebten Söhne der Reihe nach. Natürlich heckten sie gerade etwas aus.

„Also, Leute, was geht hier vor sich?“

„Nichts“, kam die erwartete Antwort im Chor.

„Und was sind das für Zettel?“

„Was für Zettel?“

Taylor musste sich beherrschen, um nicht zu lächeln. „Die Zettel, auf denen Jonah sitzt und die Jason unbedingt hinter seinem Rücken verstecken will.“

„Hausaufgaben“, behauptete Josh kühn.

Seine Brüder sahen ihn wegen dieser Schlagfertigkeit mit so grenzenloser Bewunderung an, dass Taylor fast vor Lachen losplatzen musste. Dass seit vier Wochen Ferien waren, war den dreien in der Aufregung wohl entgangen.

Gestärkt durch diesen Erfolg, erkundigte Josh sich betont unbekümmert: „Was gibt es heute zum Essen?“

Jason stieg sofort ein. „Können wir Spaghetti haben? Das wäre toll, Mom!“

Jonah war mit Abstand der schlechteste Lügner der Brüder, aber er gab sich redliche Mühe. „Mit Knoblauchbrot?“, fragte er und lächelte schief.

„Was auch immer ihr da gerade ausbrütet, überlegt es euch gut!“, empfahl Taylor und trat den Rückzug an.

„Was wir ausbrüten?“ Sechs Augenpaare sahen sie erstaunt an.

„Ihr habt mich sehr gut verstanden.“ Taylor zog die Tür hinter sich zu und blieb einen Augenblick stehen, bevor sie lächelnd in die Küche zurückging.

Ihre kleinen Engel hatten eindeutig irgendwelchen Unsinn vor. Diese Unschuldsmienen waren allein schon verdächtig genug. Dennoch hatten die Jungen freiwillig zu Papier und Stift gegriffen. Und das grenzte schon fast an ein Wunder. Nicht vielleicht bei Jonah, der in der Schule ganz gut mitkam, aber für Josh und Jason war alles, was irgendwie mit Schreiben zu tun hatte, ein Schritt in die richtige Richtung. Das hoffte Taylor zumindest.

Sie ließ die Spaghetti ins kochende Wasser gleiten. „Jungs!“, rief sie. „Das Essen ist gleich fertig. Wascht euch die Hände und deckt den Tisch!“

Eine Elefantenherde hätte nicht mehr Lärm veranstalten können als die drei Jungen. Ihnen folgten drei Hunde unterschiedlicher Größe und Rasse sowie drei ebenso ausgefallen aussehende Katzen, die reichlich Staub aufwirbelten. Und so dauerte es noch einige Zeit, bis Taylor endlich das Essen auftragen konnte.

Steve Kessler runzelte die Stirn, als Doris Ledbetter, Sekretärin der Texas Rangers in Houston, den Kopf durch die Tür steckte.

„Kommt nicht infrage“, sagte er, bevor sie noch ein Wort sagen konnte. „Ich bin diese Schulveranstaltungen leid!“

Doris lachte und kam näher. „Erzählen Sie mir nichts.“

Sie hatte natürlich recht. Trotzdem blieb Steves Miene grimmig. Das war ein altes Spiel zwischen ihnen: Er tat so, als hasste er alles, was irgendwie mit Kindern und Vorbeugung von Verbrechen zu tun hatte, und sie zog ihn deswegen auf.

„O nein“, wehrte er nach einem Blick auf die Zettel in ihrer Hand ab. „Ich werde niemanden zurückrufen. Keinen einzigen Anrufer!“

„Heute sind dreiundzwanzig Anfragen eingegangen“, berichtete Doris.

„Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass ich die ganze Ausbildung nur gemacht habe, um mich mit einem überdimensionierten Gürteltier herumzubalgen und dabei die Botschaft zu verbreiten, dass Verbrechen sich nicht lohnen?“ Er nahm ihr die Zettel aus der Hand und blätterte sie schnell durch.

Doris legte ihm einen Brief auf den Schreibtisch. „Der ist heute gekommen. Aus Almost.“

Steve streckte die Hand aus.

Almost, Texas. Wo Taylor Smithton lebte, die Witwe von Doug Smithton, seinem alten Studienfreund und späteren Kollegen. Und wo offenbar die Fäden einer Drogenorganisation zusammenliefen.

Der Brief war mit grotesken Fehlern gespickt, und Steve las ihn zweimal, bevor er ihn seufzend weglegte. Er glaubte kein Wort dieser haarsträubenden Geschichte und hätte den Brief auch sofort in den Papierkorb geworfen, wenn er nicht aus Almost und von Doug Smithtons Söhnen gewesen wären.

Steve sah aus dem Bürofenster, ohne das Panorama von Houston wahrzunehmen. Vor seinem inneren Auge entstand der kleine Ort Almost mit seinen sechshundert Einwohnern. Im Frühling war er zwei Tage dort gewesen – und schon einmal zwei Jahre davor, um seinen Freund Doug zur letzten Ruhe zu geleiten.

Doug hatte immer ein Foto von Taylor dabei gehabt, und so hatte er das Gefühl, sie eigentlich schon zu kennen, obwohl er sie auf Dougs Beerdigung zum ersten Mal gesehen hatte.

Als das FBI ihm dann im Frühjahr einen Drogenfall übertragen hatte, in dem Almost eine Hauptrolle spielte, war er zum zweiten Mal dort gewesen. Taylor hatte er bei dieser Gelegenheit nur einmal von Weitem zu Gesicht bekommen.

Vielleicht sollte er sie anrufen und fragen, was ihre Kinder mit diesem Brief bezweckten, sich dann nach ihrem Wohlergehen erkundigen und schnell wieder auflegen. Er drückte auf den Knopf der Sprechanlage und bat Doris, Taylors Telefonnummer herauszusuchen und die Verbindung herzustellen.

Nach kurzer Zeit meldete sich Doris. „Es scheint niemand da zu sein.“

Und vermutlich besitzt sie auch keinen Anrufbeantworter, dachte Steve. Wozu brauchte man auch einen Anrufbeantworter, wenn man nur vor die Tür treten und laut rufen musste, um von jedermann gehört zu werden?

„Ich finde, Sie sollten einfach hinfahren“, schlug Doris vor.

„So, finden Sie?“, meinte Steve, aber insgeheim war er ihrer Meinung.

„Ja. Wer weiß, ob an den Behauptungen nicht doch etwas dran ist.“

Ganz auszuschließen war es nicht. Steve verzog das Gesicht. „Buchen Sie mir einen Flug nach Lubbock.“

„Heute noch?“

Er warf einen Blick auf seinen Terminkalender. Es war nichts dabei, was nicht hätte einen oder mehrere Tage warten können. Er dachte an Dougs Witwe, und er dachte an Doug und an all die langen Nächte, in denen er ihn um seine damalige Freundin beneidet hatte.

„Ja, am besten heute noch“, sagte er. „Rückflug morgen.“

2. KAPITEL

Joshua, Jason und Jonah hatten noch keine Ahnung, dass der erste Teil ihres Planes bereits funktioniert hatte, als sie ihre Sammlung gefälschter Indizien begutachteten.

„Gut, dass wir die Hunde nicht mitgenommen haben“, sagte Jonah.

„Ja, sie würden vermutlich alles auffressen.“

Jeder von ihnen hatte seinen eigenen Hund: Elephant, ein heller Mischling zwischen Chihuahua und Terrier, der am liebsten auf dem Schoß seines Herrn saß und die Katzen anknurrte, gehörte Jonah. Shrew, der Widerspenstige, eine Mischung aus Bernhardiner und Collie, der im Ernstfall zuvorkommend jeden Einbrecher ins Haus geführt hätte, war Jasons Augapfel. Und Wolf, gemeinhin Wolfie genannt, der sich sogar vor seinem eigenen Schatten fürchtete, folgte Joshua wie das sprichwörtliche Hündchen.

„Schade, dass das Verbrechen nicht echt ist. Die Hunde würden den Killer bestimmt fangen!“

Weise verzichteten die Drillinge darauf, die jeweiligen Vorzüge ihrer Hunde hervorzuheben, denn das führte erfahrungsgemäß unweigerlich zu Streit. Insgeheim war sowieso jeder davon überzeugt, dass sein Hund den anderen haushoch überlegen war.

Die Jungen wanderten scheinbar ziellos durch den Ort, spielten mit Schulfreunden Fußball, plauderten mit Mrs. Sanders, die immer frisch gebackene Plätzchen bereitstehen hatte, und verbrachten wenigstens zwanzig Minuten damit, in Lindsay Ackermanns leeren Garten zu starren, bis sie endlich am Ortsrand angelangt waren und vor Mr. Hamptons Scheune stehen blieben.

„Was machen wir, wenn das künstliche Blut nicht richtig rostig geworden ist?“, fragte Jonah.

„Blödmann, deshalb sehen wir doch gerade nach.“

„Aber was tun wir, wenn es nicht rostig ist?“

„Dann machen wir es eben noch mal“, meinte Josh achselzuckend.

Mr. Hampton trat auf die Veranda.

„Dürfen wir durch Ihr Hirsefeld gehen, Mr. Hampton?“, bat Jonah höflich und erntete einen Stüber von seinem Bruder Jason und einen warnenden Blick von Josh.

„Ihr habt doch nichts Verbotenes vor?“, fragte der alte Mann misstrauisch.

„Nein, Sir“, antworteten ihm die Drillinge im Chor.

„Aber macht die Hirse nicht kaputt. Und in der Scheune habt ihr nichts zu suchen, verstanden? Auf dem Dachboden sind ein paar Bretter verrottet.“

„Ja, Sir.“

„Ich habe gar nicht gewusst, dass die Scheune einen Dachboden hat“, sagte Jason, als sie das Hirsefeld erreicht hatten.

„Ich auch nicht“, sagte Jonah.

„Total cool“, sagte Josh.

Sie sahen einander an, grinsten und rannten weiter.

Taylor trocknete sich die Hände ab. Sie konnte nur erkennen, dass ein Mann draußen stand. Deshalb schob sie die mit einem Fliegengitter bespannte Tür auf. Der Mann hatte die eindrucksvollsten und wärmsten braunen Augen, die sie je gesehen hatte. Sie waren eingerahmt von dichten schwarzen Wimpern. Das braune Haar war leicht gewellt. Er trug einen schlichten grauen Anzug, der seine breiten Schultern noch betonte, und hielt einen Cowboyhut in der Hand. Irgend etwas an ihm kam ihr vage bekannt vor.

Er lächelte sie an, und da erst wurde ihr bewusst, dass sie ihn mit offenem Mund angestarrt hatte. „Sind Sie Taylor Smithton?“, fragte er dann. Er hatte eine schöne Stimme.

„Ja. Kann ich etwas für Sie tun?“

Er zeigte ihr seine Dienstmarke. „Steve Kessler“, las sie. Auch der Name hatte einen seltsam vertrauten Klang. „Ich bin von den Texas Rangers. Es handelt sich um Ihre Söhne …“, begann er.

Taylors Herz fing an zu rasen. Sie fühlte sich an den Tag zurückversetzt, an dem Doug ums Leben gekommen war. „Nicht schon wieder“, sagte sie mit tonloser Stimme.

Dann ließ sie die Tür zufallen. Sie wollte es nicht hören. Jetzt nicht – und später auch nicht.

Steve starrte verblüfft auf die geschlossene Tür. Was für eine seltsame Reaktion.

Er zögerte einen Moment und klopfte erneut. „Mrs. Smithton?“

Er bekam keine Antwort, obwohl er spürte, dass sie hinter der Tür stand. Gerade wollte er die Hand heben, um noch einmal zu klopfen, als er auf einmal verstand. Nicht schon wieder, hatte sie gesagt. Es war ein sonniger Tag gewesen, damals vor zwei Jahren, als die beiden Polizisten ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbracht hatten. Auch sie hatten ihr sicher ihre Dienstmarken gezeigt. Und jetzt glaubte sie, er wäre gekommen, um ihr wieder etwas Entsetzliches mitzuteilen.

Steve schalt sich selbst einen Dummkopf. Warum hatte er nicht einfach nur seinen Namen genannt? Kein Wunder, dass Taylor Smithton falsche Schlussfolgerungen gezogen hatte.

Bevor ihm noch etwas einfiel, womit er sie hätte beruhigen können, ging die Tür wieder auf.

„Entschuldigen Sie“, sagte sie. „Ich …“

„Ist schon gut“, erwiderte er schnell. „Ich bin nicht gekommen, um …“

„Es geht nicht um die Jungen?“

Das zwar schon, aber anders, als sie befürchtete. „Meines Wissens geht es ihnen prächtig.“

Taylor schloss für ein paar Sekunden die Augen und ließ sich kraftlos gegen den Türrahmen sinken. Dann atmete sie tief durch und richtete sich wieder auf. Sie lächelte ihn unsicher an. „Es tut mir leid. Ich habe auch nicht vergessen, wer Sie sind. Sie sind ein alter Studienfreund von Doug und waren damals auf der Beerdigung, nicht wahr?“ Sie öffnete ihm weit die Tür und lud ihn ins Haus ein.

Steve trat an ihr vorbei in das kühle Wohnzimmer. Die Vorhänge waren zum Schutz vor der Nachmittagshitze zugezogen. Auf dem Holzboden lag ein dunkelgrüner oder dunkelblauer Teppich. Auch das Sofa und die Sessel waren dunkel. Bilder mit Blumen und maritimen Motiven hingen an den Wänden. Steve kam sich vor, als stünde er auf dem Meeresboden.

Taylor zog die Vorhänge beiseite, und Licht durchflutete den Raum. Und auf einmal schien hier die Sommerfrische eingekehrt zu sein.

Eine Sommerfrische namens Taylor Smithton, dachte er zusammenhanglos.

Ihre Augen waren so blau wie der Himmel an einem Julinachmittag. Das dicke blonde Haar hatte sie zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie kam ihm wie die leibhaftige Verkörperung des Sommers vor. Natürlich war sie älter als auf den Fotos, die er von Doug kannte, aber sie erschien ihm noch schöner als damals.

„Normalerweise benehme ich mich nicht so kindisch“, sagte sie und lächelte ihn an.

Dieses Lächeln raubte Steve den Atem.

„Wollen Sie sich nicht setzen?“ Sie wies einladend auf das Sofa. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, vielleicht Eistee?“

„Nein, danke.“ Steve machte keine Anstalten, Platz zu nehmen. Je eher er von hier wegkam, desto besser war es für ihn und seinen Seelenfrieden. Alles an ihr ließ die Alarmglocken in ihm schrillen. Taylor war genau die Frau, die sich alle Mütter für ihre Söhne wünschten, und auf die alle Schwiegerväter stolz wären. Doris würde sie wahrscheinlich sofort zum Essen einladen und versuchen, ihn mit ihr zu verkuppeln.

Er zog den Brief, den die Drillinge ihm geschrieben hatten, aus der Hemdtasche und gab ihn ihr. „Deshalb bin ich gekommen“, erklärte er.

Taylor runzelte die Stirn und begann zu lesen. Als sie bei der dreifachen Unterschrift angekommen war, sah sie ihn ratlos an. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, meinte sie dann.

Steve wollte lächeln, wollte, dass sie lächelte, aber er nickte nur. „Glauben Sie, dass die Kinder alles nur erfunden haben?“ Es gefiel ihm, wie sie kaum merkbar die Schultern straffte und das Kinn vorschob. „Oder soll das eine Art Hilferuf sein, vielleicht ein Schrei nach Aufmerksamkeit?“ Er fand sich selbst ziemlich unerträglich.

„Ich habe keine Ahnung, warum die Jungen Ihnen diesen Brief geschrieben haben“, erwiderte Taylor kühl, und einen Augenblick lang beneidete er die drei um ihre Mutter, die sich sofort schützend hinter sie stellte.

Lächeln war jetzt die richtige Taktik, und er hoffte nur, dass sein Lächeln nicht zu unverbindlich routiniert wirkte. „Sind die Kinder zu Hause?“

Sie schüttelte den Kopf, keineswegs besänftigt. „Sie sind irgendwo draußen beim Spielen.“ Er sah durchs Fenster in den leeren Garten. „Irgendwo im Ort.“ Ihr Blick war so kühl wie ihre Stimme.

„Wäre es Ihnen vielleicht möglich, sie zu rufen?“, bat Steve höflich. „Das ist sicher nur ein harmloser Streich, aber er kann ernsthafte Folgen haben. Immerhin werden hier eine Reihe falscher Behauptungen aufgestellt.“ Er streckte die Hand nach dem Brief aus, und sie reichte ihm das Schreiben, als hätte sie sich die Finger daran verbrannt.

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging zur Tür, um ihre Söhne zu rufen. Ihre Stimme klang so klar und durchdringend, dass sie damit sogar einen Zug zum Halten gebracht hätte.

Steve lächelte breit. Auf einmal fühlte er sich in seine eigene Kindheit zurückversetzt. Genauso hatte seine Mutter ihn immer zum Essen gerufen, wenn er wieder einmal zu lange draußen herumgestromert war.

Autor

Marilyn Tracy
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