Endlich werd ich dich erobern!

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Staatsanwältin Allison ist außer sich, als ihr Bruder den Chef einer Sicherheitsfirma zu ihrem Schutz engagiert. Connor ist überheblich, herablassend - und leider so überaus attraktiv, dass sie bald nur noch daran denken kann, wie es wäre, sich von ihm erobern zu lassen ...


  • Erscheinungstag 31.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747701
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Allison Whittaker starrte auf den Mann, der sie vielleicht töten wollte. Vorsichtig schob sie die Lamellen ihrer Jalousie ein wenig beiseite, um einen besseren Blick auf die dunkle Straße zu erhalten, die sich unter ihr erstreckte. Der gelbliche Schein einer altmodischen Gaslaterne kämpfte einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Dunkelheit der kühlen Aprilnacht.

Der Mann in dem schwarzen Wagen auf der anderen Straßenseite saß reglos auf dem Fahrersitz, das Gesicht im Dunkeln verborgen.

Letzte Nacht war er auch schon dort gewesen.

Sie hatte ihn bemerkt, da sie aus Prinzip aufmerksam war. Das wurde man nach vier Jahren als stellvertretende Bezirksstaatsanwältin in Boston. Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn war sie wesentlich naiver gewesen. Damals war sie frisch von der Universität gekommen und noch sehr idealistisch gewesen.

Wenn es nach ihrer vornehmen Familie gegangen wäre, hätte die nächste Stufe auf ihrer Karriereleiter ohnehin anders aussehen müssen als das, was sie jetzt machte. Ein netter ruhiger Job in einer renommierten Anwaltskanzlei wäre die Idealvorstellung ihrer Mutter gewesen, einer angesehenen Familienrichterin, über die soeben ein lobender Artikel im „Boston Globe“ erschienen war.

Allison hatte sich jedoch zur Überraschung aller für das harte Brot der Anklägerin entschieden. Und das nicht etwa in der prestigeträchtigen Stellung als stellvertretende Bundesanwältin, die mit den großen Fällen betraut war. Nein, sie hatte sich in die Niederungen der Justiz begeben und sorgte als Anklägerin beim Bezirksgericht dafür, dass der miese kleine Drogendealer oder Einbrecher von nebenan hinter Gittern landete.

Allison blickte immer noch auf die Gestalt im Auto und überlegte, dass ihre Familie sehr überrascht wäre, wenn sie plötzlich tot in ihrem Haus läge, die Kehle von dem geheimnisvollen Mann durchschnitten, der ihr Morddrohungen schickte. Nein, auf diese Zugabe konnte sie verzichten.

Sie hielt den Atem an, da der Mann im Auto sich plötzlich bewegte und die Fahrertür öffnete.

Als er ausstieg, spähte sie noch angestrengter durch die Lamellen, konnte sein Gesicht in der Dunkelheit jedoch nicht genau erkennen. Er war groß und muskulös, hatte braunes Haar und trug dunkle Kleidung.

Sie beobachtete, wie er die Straße hinauf und hinab blickte und dann auf ihr Haus zusteuerte. Wollte er etwa zu ihr? Unwillkürlich bekam sie Herzklopfen und atmete schneller. Ruf die Polizei! mahnte ihr Verstand.

Zweifellos würden ihre Nachbarn es hören, wenn er einzubrechen versuchte. Denn in Beacon Hill, dem exklusiven Wohnviertel, in dem sie lebte, müsste so etwas doch eigentlich auffallen.

Der Mann durchquerte den Lichtkegel einer Straßenlaterne, und plötzlich gewann Allisons Verstand die Oberhand über ihre Horrorvisionen von einem gewalttätigen Einbrecher.

Das Gesicht kenne ich doch! schoss es ihr durch den Kopf.

Ärger verdrängte ihre Angst. Keine leichte Verärgerung, sondern die heftig brodelnde Variante, die jeden ihrer drei älteren Brüder sofort hätte in Deckung gehen lassen.

Sie eilte die Treppe ins Erdgeschoss ihres Backsteinhauses hinunter, obwohl sie sich bereits ausgezogen hatte und nur ein kurzes Seidenhemdchen und einen passenden Morgenmantel darüber trug. Unten angelangt, war sie sich zwar vage bewusst, weder Klopfen noch Klingeln gehört zu haben, schloss jedoch auf und riss die Tür auf.

„Hallo, Prinzessin.“

Wie stets beim Anblick dieses großen athletischen Mannes erhöhte sich ihr Pulsschlag und sie spannte sich innerlich an.

Frauen reagierten auf ihn nicht selten ziemlich albern und begannen kichernd zu flirten. Sie nicht. Dafür kannten sie sich zu lange und zu gut. Außerdem bezweifelte sie, dass sein Erscheinen bei ihr an diesem Abend purer Zufall war.

Die Arme vor der Brust verschränkt, fuhr sie ihn an: „Hast du die falsche Abzweigung genommen, Connor? Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, war Beacon Hill früher eine zu exklusive Wohngegend für ungehobelte Typen wie dich!“

Er besaß die Frechheit, amüsiert auszusehen, während er sie mit einem anerkennenden Blick maß. „Und du bist immer noch die stolze Prinzessin aus meiner Erinnerung – strahlend wie ein Diamant.“

„Wenn du dich mit Diamanten auch nur ansatzweise auskennst, dann weißt du ja wohl, dass man sich an ihnen die Zähne ausbeißen kann.“

„Was Diamanten betrifft, damit kenne ich mich seit neuestem bestens aus, Ally.“ Er tippte ihr mit dem Finger auf die Nasenspitze und trat ohne Aufforderung ein, so dass Allison gezwungen war, einen Schritt zurückzuweichen. „Ich habe entdeckt, dass sie bevorzugte Geschenke für Frauen aus deinen Kreisen sind.“

Allison versuchte die Vorstellung zu verdrängen, wie Connor Diamanten für seine Freundinnen kaufte. Und das vermutlich auch noch in einem Luxusgeschäft wie Van Cleef & Arpels. Zur Hölle mit dir, Rafferty! dachte sie. Er war zwar in einem rauen Viertel in Süd-Boston aufgewachsen, hatte sich jedoch ein millionenschweres Sicherheitsunternehmen aufgebaut, und seine Konten dürften sich im achtstelligen Bereich bewegen. Ein typischer Dynamiker, der es aus eigener Kraft geschafft hatte.

Sie schlug die Tür hinter ihm zu und schloss ab. „Fühl dich ganz wie zu Hause“, forderte sie ihn sarkastisch auf. Solange sie stichelte, brauchte sie nicht darüber nachzudenken, dass sie mit Connor und den turbulenten Gefühlen, die er unweigerlich in ihr wachrief, allein war. „Ich nehme doch an, dass du mir bei Gelegenheit verrätst, warum du mitten in der Nacht mein Haus beobachtest.“

„Wie kommst du denn darauf, dass ich so etwas tue?“ Er zog seine Jacke aus und warf sie über einen nahen Stuhl.

Allison tat, als überlege sie, und rieb sich das Kinn, während sie ihm ins Wohnzimmer folgte, wo er eine Lampe einschaltete. „Ach, ich weiß nicht. Könnte es daran liegen, dass du während der letzten halben Stunde bei ausgeschaltetem Motor auf der anderen Straßenseite in deinem Wagen gehockt hast?“

Sie bemerkte, dass er sich im Wohnzimmer umschaute und die vielen gerahmten Fotos betrachtete, die sie mit ihrer Familie, Freunden und ihrem Kater Samson zeigten, der vor vier Monaten an Altersschwäche eingegangen war. Da Connor ihr Leben anhand vieler aussagekräftiger Bilder vor sich ausgebreitet sah, fühlte sie sich verletzlich und schutzlos.

Sie war vor einem Jahr in dieses Stadthaus gezogen, nachdem sie ihre Eigentumswohnung verkauft hatte. Liz, ihre beste Freundin und Schwägerin, hatte ihr als Innenarchitektin geholfen, es in dem eleganten Stil einzurichten, der zu dem alten Patrizierhaus passte.

„Nette Stripshow“, meinte Connor und betrachtete ein Foto von ihr im Bikini an einem Strand in der Karibik. Ausgerüstet mit Taucherbrille und Flossen, lief sie lachend zum Wasser. „Seit der Pubertät hast du dich recht gut entwickelt“, stellte er fest.

Allison ärgerte sich, schwieg aber zunächst und presste die Lippen zusammen. Obwohl Connor Rafferty praktisch zur Familie gehörte, seit er mit ihrem ältesten Bruder Quentin in Harvard ein Zimmer geteilt hatte, fühlte sie sich in seiner Gegenwart nie wohl. Was zweifellos damit zusammenhing, dass sie in ihm nicht so etwas wie einen vierten Bruder sah.

„Warum bist du hier?“, fragte sie dann. „Und noch wichtiger: Warum lungerst du so spät am Donnerstagabend vor meinem Haus herum?“

Connor straffte die Schultern und schob die Hände in die Hosentaschen. „Habe ich dir Angst gemacht? Hast du mich für den Halunken gehalten, der dir diese hässlichen kleinen Briefe schreibt?“

„Nein!“ Eine Sekunde zu spät wurde ihr bewusst, dass die Heftigkeit ihres Leugnens sie als Lügnerin entlarvte. Offenbar machte Connor sie bereits wieder so nervös, dass sie zu Überreaktionen neigte. Wahrscheinlich hatte einer ihrer Brüder – vermutlich Quentin – ihm verraten, dass sie Drohbriefe erhielt.

Ironisch lächelnd fügte er hinzu: „Ich hätte ja nie für möglich gehalten, wie viel Begeisterung es bei dir auslöst, anstelle des Briefeschreibers mich zu sehen.“

„Krieg dich wieder ein.“ Als sie ihn erkannt hatte, war sie für den Bruchteil einer Sekunde tatsächlich erleichtert gewesen, doch dann hatte ihr Zorn auf ihn wieder die Oberhand gewonnen. „Und du weichst meiner Frage aus. Was tust du hier?“

Connor lehnte sich an die Rückseite des mit Chintz bezogenen Sofas, die Beine an den Knöcheln gekreuzt. „Ich mache nur meine Arbeit.“

„Nur deine …“ Sie brach ab, da ihr ein unliebsamer Gedanke kam, und betrachtete Connor forschend. „

Der legte den Kopf schräg und stellte lobend fest: „Du warst immer schnell von Begriff, Ally. Und ich muss zugeben, es ist faszinierend, zu sehen, wie rasch sich das Räderwerk in deinem kleinen abartigen Hirn drehen kann. Ich habe immer gesagt, du hättest als Rothaarige geboren werden müssen. Zu deinem hitzigen Temperament passen nur rote Haare.“

„Raus mit dir!“

Connor presste nur kurz die Lippen aufeinander und fragte: „Behandelt man so seinen zukünftigen Bodyguard?“

Allison ging weiter in den Raum hinein. Sobald sie den Kamin erreichte, fuhr sie zu Connor herum. Sie konnte nicht glauben, was hier passierte. „Ich weiß nicht, wer aus meiner Familie dich angeheuert hat, Connor“, begann sie und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, „und offen gesagt, es ist mir auch egal. Du besitzt vielleicht das beste Sicherheitsunternehmen des Landes, aber ich werde deine Dienste nicht in Anspruch nehmen. Du wirst hier nicht gebraucht, und ich werde nichts von dir verlangen. Kapiert?“

Er stieß sich vom Sofa ab und baute sich vor ihr auf, unverrückbar wie ein Gebirge. „Nach allem, was ich gehört habe, werde ich sogar dringend gebraucht. Und was das Verlangen angeht …“ Er zuckte gleichgültig die Schultern. „Man hat mich gebeten, eine Aufgabe zu übernehmen, und das werde ich tun.“

Verlangen. Allison stutzte bei dem Wort. Was immer sie für Connor empfand, hatte mit Verlangen zweifellos nichts zu tun.

Zugegeben, mit seinen braunen, von langen dunklen Wimpern eingerahmten Augen und dem hellbraunen kurzen Haar sah er wie ein männliches Model aus. Mal abgesehen von der leicht schiefen Nase, die offenbar einige Male gebrochen gewesen war, und der kleinen sichelförmigen Narbe am Kinn. Seine äußerlichen Vorzüge verblassten in ihren Augen jedoch wegen Herablassung, mit der er sie behandelte. Seine Arroganz war ein steter Stein des Anstoßes für sie. Außerdem hielt sie ihn für einen Spitzel ihrer Brüder.

Das letzte Mal hatte sie ihn vor ungefähr einem Jahr auf der Trauung ihres ältesten Bruders Quentin gesehen. Obwohl sich ihre Wege in letzter Zeit kaum kreuzten, war Connor ihr so vertraut wie ein Familienmitglied. Er selbst hatte fast keine Verwandten mehr. Noch vor seinem Studium hatte er beide Eltern verloren und deshalb alle Semesterferien bei den Whittakers verbracht.

Die Hände in die Hüften gestemmt, entschied Allison: „Du wirst hier keinesfalls irgendeine Aufgabe übernehmen, solange ich das nicht möchte!“

Er rieb sich einen Moment nachdenklich das Kinn. „Ich glaube, da irrst du dich. Da Quentin formal gesehen immer noch der Hausbesitzer ist, weil du noch nicht dazu bekommen bist, den Kauf mit ihm unter Dach und Fach zu bringen, werden wir als erstes mal für eine Alarmanlage vom Feinsten sorgen, wie mit ihm abgesprochen.“

Der vertraute Wunsch, Connor Rafferty zu erdrosseln, überkam sie wieder. Es stimmte, das Haus gehörte ihr noch nicht, aber das war eine reine Formalität. Quentin hatte das Haus ursprünglich als Investition gekauft und zwei Jahre leer stehen lassen. Sie hatte sich in den alten Kasten verliebt und angeboten, ihn Quentin abzukaufen. Wie auch immer, sie brauchte keinen Leibwächter. „Falls ich Schutz brauche, werde ich ihn mir selbst besorgen!“

„Nicht nötig. Ich werde an dir kleben wie Leim, bis wir herausgefunden haben, wer dir Drohungen mit der Post schickt und Obszönitäten auf deinen Mercedes sprüht.“

„Ich kann selbst auf mich aufpassen!“, beharrte Allison. „Dass ich dich in dem abgestellten Wagen vor meiner Tür entdeckt habe, beweist das ja wohl, wie wachsam ich bin, oder?“

„Und was war mit dem Kerl in dem abgestellten Wagen an der Straßenkreuzung? Oder hast du den etwa übersehen?“

Sie hatte.

Connor sah sie nur fragend an und deutete ihr Schweigen als Eingeständnis.

„Du kannst nicht mit Sicherheit sagen, dass der Typ hinter mir her war“, wandte Allison berechtigterweise ein, trotzdem beschlich sie eine leise Furcht.

„Stimmt, das kann ich nicht. Allerdings war er weg wie ein geölter Blitz, als ich sehen wollte, wie er reagiert, wenn ich aussteige.“

„Und du hast ihn nicht verfolgt?“

„Wie hätte ich sicher sein können, dass er hinter dir her war?“, konterte Connor, ihr eigenes Argument aufgreifend. Als er ihre Verärgerung bemerkte, fügte er beschwichtigend hinzu: „Es wäre sowieso zu spät gewesen. Ich hätte wieder ins Auto springen müssen, um die Verfolgung aufzunehmen. Außerdem konnte ich in der Dunkelheit weder das Kennzeichen noch die Automarke erkennen, ehe er verschwand. Also bin ich zu dir gekommen und habe gehofft, dass die Prinzessin in Nöten mir wenigstens für das Verscheuchen des bösen Ritters dankt.“

„Die Prinzessin in Nöten wäre dir vor allem dankbar, wenn du dich schleunigst wieder entfernen könntest.“ Ob sie Schutz brauchte, wollte sie immer noch selbst entscheiden. Und wenn sie einen Bodyguard brauchte, würde sie ihn selbst einstellen. Es fehlte ihr gerade noch, dass ihre überängstliche Familie ihr einen Leibwächter aufdrängte! Noch dazu einen, der sie so verwirrte und provozierte wie Connor Rafferty.

„Du kapierst es wirklich nicht, oder?“, fragte er gereizt.

Sie gab sich gelangweilt. „Ich vermute, du wirst es mir Dummchen gleich erklären.“ Sie wich nicht vom Fleck, als er auf sie zukam. Wenn er glaubte, sie einschüchtern zu können, hatte er sich getäuscht.

„Du vermutest richtig.“

Er blieb so nah vor ihr stehen, dass Allison den Kopf in den Nacken legen musste, um Blickkontakt zu halten. Ein Muskel zuckte in seiner Wange. Offenbar brachte sie Connor mindestens so auf die Palme wie er sie. Die Feststellung bereitete ihr ein perverses Vergnügen.

„Weil du bei der Staatsanwaltschaft arbeitest, bildest du dir offenbar ein, mit allen Wassern gewaschen zu sein. Ich sage dir, das ist nicht so!“, belehrte er sie. Nach einem musternden Blick fuhr er fort: „Was die interessante Frage aufwirft, warum du deinen Dienst an der Gemeinschaft nicht lieber wie alle anderen Debütantinnen und Damen der gehobenen Gesellschaft durch das Organisieren von Wohltätigkeitsveranstaltungen und dergleichen ableistest. Warum ackerst du mit den harten Typen im Büro des Bezirksstaatswalts?“

Eine raue Kindheit auf den nicht minder rauen Straßen Süd-Bostons gab ihm noch lange nicht das Recht, sie ständig zu verspotten, weil sie mit einem silbernen Löffel im Munde geboren war. Schließlich warf er Quentin ja auch nicht vor, das Kind reicher Eltern zu sein.

Connor ließ nicht locker. „Lass mich raten. Du hast diese Laufbahn gewählt, weil du den Kick suchst. Stimmt’s, Ally? Ich frage mich, warum? Warum verschaffen dir die von Treuhandfonds verwöhnten Bubis aus dem Country Club nicht den Kick, den du brauchst?“

Allison sah sich nach einem Wurfgeschoss um, fand aber, ihre Erbstücke waren zu schade, um sie an seinen harten Schädel zu verschwenden. Außerdem würde sie nur Connors Vorurteile bestätigen, wenn sie handgreiflich wurde. „Du bist absolut sicher, allwissend zu sein, nicht wahr? Aber ich kann dich nur nachdrücklich erinnern, dass ich kein kleiner Teenager mehr bin, den du bei seinen Eltern verpetzen kannst.“

Sein durchdringender Blick und das kaum merkliche Blähen der Nasenflügel verrieten ihr, dass Connor alles andere als erfreut war. „Das verzeihst du mir wohl nie, was?“

Allison gab sich lässig, obwohl sie das Gefühl hatte, alle ihre Hautzellen reagierten mit Prickeln auf Connors Nähe. „Schmeichle dir nicht selbst.“ Connor hatte den Vorteil, sie zu überragen. Da sie jedoch daran gewöhnt war, sich gegen drei Brüder durchzusetzen, die sie alle überragten, ließ sie sich von seiner Körpergröße nicht aus der Fassung bringen und fuhr fort: „Wenn ich dir wirklich nicht verzeihen könnte, würde das ja heißen, dass mir der Vorfall von damals immer noch etwas bedeutet. Auf die Gefahr hin, dich zu verblüffen: Nichts ist mit gleichgültiger.“

„Auch gut. Trotzdem hast du seit damals nichts dazugelernt.“

„Im Gegenteil. Ich weiß zum Beispiel heute, dass man dir nicht trauen kann.“

„Du warst eine naive Siebzehnjährige, die sich mit den falschen Leuten abgegeben hat. Hast du denn geglaubt, dieser Motorradknabe in der Bar hat sich deshalb an dich herangemacht, weil er dich heimbringen wollte, um eine Cola mit dir zu trinken?“

„Du warst nicht mein Aufpasser, Connor!“ Sie verschwieg ihm, dass sie damals in diese Bar gegangen war, weil sie gehofft hatte, er würde dort auftauchen. Als Teenager war sie kurz – ganz kurz nur – in Connor verknallt gewesen. Das hörte schlagartig auf, als sie erkennen musste, dass er sie lediglich für so etwas wie ein lästiges Kind hielt, dessen Vertrauen man ruhig enttäuschen durfte.

Sie erinnerte sich deutlich an die peinliche Szene, als er sie ungeachtet ihres Schreiens und Strampelns kurzerhand wie einen Mehlsack aus der Bar zu seinem Wagen getragen hatte.

Und damit nicht genug. Trotz seines Versprechens, ihren Eltern nicht alles zu sagen, wenn sie sich ruhig verhielt, hatte er sie doch bei ihnen angeschwärzt. Nicht nur, dass sie sich eine Standpauke über Alkoholmissbrauch und über Erwachsene, die Sex mit Minderjährigen hatten, hatte anhören müssen, man hatte ihr auch einen Monat Stubenarrest aufgebrummt und von da ihr Kommen und Gehen genau überwacht.

„Was die Unfähigkeit betrifft, aus der Vergangenheit zu lernen, bist du selbst das beste Beispiel, Rafferty. Du führst dich schon wieder wie mein Aufpasser auf, und ich möchte wirklich mal wissen, woher du das Recht dazu nimmst.“

Connor riss die Geduld. „Verdammt, bist du stur!“, schimpfte er. „Es kann doch wohl nicht angehen, dass du aus purer Dickköpfigkeit Hilfe ablehnst, obwohl dein Leben in Gefahr ist!“

„Ich und dickköpfig? Wenn ich mich nicht sehr täusche, gehört Dickköpfigkeit doch wohl zu deinen hervorstechendsten Eigenschaften.“

Sie wollte sich an ihm vorbeidrängen, doch er hielt sie an den Armen fest und zwang sie, ihn anzusehen. Seine finstere Miene ließ keinen Zweifel an seiner Verärgerung. „Du bist störrisch und unvernünftig!“

Allison stemmte die Hände gegen seine Brust. „Danke gleichfalls.“ Connors Gesicht war nah vor ihrem, und außer dass Allison spürte, wie Adrenalin ihren Puls beschleunigte, empfand sie eine gewisse Genugtuung darüber, seine Selbstbeherrschung nach jahrelangen vergeblichen Versuchen endlich erschüttert zu haben.

Plötzlich neigte Connor den Kopf und presste hart und fordernd den Mund auf ihre Lippen. Was er mit ihr machte, war wie eine Mischung aus Kuss und Bestrafung, und Allison versuchte zurückzuweichen. Doch das gelang ihr nicht, weil Connor eine Hand auf ihren Hinterkopf gelegt hatte.

Sie stieß einen Laut des Protests aus, zu mehr war sie nicht mehr fähig.

Mit siebzehn hatte sie oft davon geträumt, Connor Rafferty zu küssen. Aber ihre Fantasien von damals glichen nicht annähernd dem, was sich hier abspielte. Er küsste, wie er alles andere machte: mit anmaßender Selbstsicherheit. Er schritt kompromisslos zur Tat und machte keine halben Sachen.

Als er den Kuss beendete, waren sie beide außer Atem. Allison entnahm seinem herausfordernden Blick, dass sie es nicht wagen sollte, einen spöttischen Kommentar abzugeben. Offenbar wollte er weder zum Kuss etwas hören noch darüber, dass sie beide gerade eine unsichtbare Grenze überschritten hatten.

Trotzdem wollte sie etwas sagen, aber sie schloss gleich wieder den Mund, als sie Connors zornige Miene bemerkte. Die Atmosphäre knisterte geradezu vor Spannung. Und dann, ohne dass Allison hätte sagen können, wie und warum, geschah es. Plötzlich lag sie in seinen Armen, seine Lippen berührten auf ihre, und sie reagierte, wie sie es immer geträumt hatte, mit dem Unterschied, dass sie jetzt die Realität erlebte.

Conners Lippen konnten ebenso weich und sanft sein, und er ließ sie liebevoll über ihre gleiten, um sie zu einer zärtlichen Erwiderung aufzufordern. Auch fuhr er nicht gierig mit den Händen über ihren Körper, sondern legte ihr eine Hand zwischen die Schulterblätter, die andere an auf die Taille und zog Allison behutsam an sich.

War sein erster Kuss zornig gewesen, so war dieser die reine Verführung, so zärtlich lockend strichen seine Lippen über ihre.

Unwillkürlich gab Allison seinem sanften Drängen nach und teilte die Lippen. Connor ließ sich nicht lange bitten und begann ein verführerisches Spiel mit ihrer Zunge. Gleichzeit umarmte er Allison fester, je mehr sie sich ihren Gefühlen überließen.

Den ersten Kuss hätte Allison vielleicht noch als Zufall abgetan. Aber dieser hier war nicht anders als sensationell zu bezeichnen. Connor Rafferty konnte küssen, und er hatte die sanftesten Lippen, die sie je kennengelernt hatte. Und das schloss die von Ben Thayer auf der High School ein, der alle Tricks des epochalen Werkes „100 kreative Küsse – Knutschen mit Selbstvertrauen“ beherrscht hatte.

Connor ließ die Hände tiefer gleiten und umfasste ihren Po, um Allison noch enger an sich zu pressen. In diesem Moment begannen die Alarmglocken in ihrem Kopf zu läuten. Sie packte Connor bei den Schultern, um ihn zurückzustoßen, als sie merkte, dass nicht die Alarmglocken läuteten, sondern ihr Telefon, und zwar mit größter Penetranz.

Connor legte ihr kurz die Hände auf die Schultern, als sie sich voneinander lösten.

Allison schaute sich auf der Suche nach dem schnurlosen Telefon verwirrt und vorerst vergeblich in ihrem Wohnzimmer um.

Schließlich sah sie es unter einem Sofakissen hervorlugen und zog es vorsichtig heraus. „Hallo?“, meldete sie sich, leicht atemlos von dem aufregenden Kuss.

„Ich erwische dich“, sagte eine raue Männerstimme am anderen Ende der Leitung.

„Wer spricht da?“

„Leg deine Fälle bei der Staatsanwaltschaft nieder, oder dein letztes Stündchen hat geschlagen!“

Allisons Finger schlossen sich fester um den Hörer. Sie wusste, dass sie den Anrufer zum Reden animieren musste, um mehr Hinweise auf ihn zu bekommen. „Ich bin nicht so leicht ins Bockshorn zu jagen.“

Aus den Augenwinkeln sah sie Connor stirnrunzelnd innehalten und wandte sich ab, da er auf sie zukam.

Ein makaberes Lachen ertönte aus dem Telefon. „Jede Wette, Daddy würde ein hübsches kleines Sümmchen springen lassen, um dich zurückzubekommen – tot oder lebendig.“

Plötzlich wurde ihr das Telefon aus der Hand gerissen. „Wag es, sie anzurühren, und ich mache dich fertig, wie es Abschaum deines Schlages verdient!“, drohte Connor, und es war unüberhörbar, dass er meinte, was er sagte. „Ich werde an dir kleben wie ein Schatten. Du kannst nirgendwo mehr hingehen, ohne dir ständig über die Schultern zu sehen!“

Offenbar war die Leitung bereits tot, denn Connor drückte etliche Knöpfe, lauschte einige Sekunden und warf den Telefonhörer auf einen Sessel. „Ich hätte mir denken können, dass der Anruf nicht zurückzuverfolgen ist.“

„Warum hast du das getan?“, fragte Allison angriffslustig. „Du hast mir keine Zeit gelassen, ihm weitere Hinweise zu entlocken!“

„Hinweise entlocken?“, wiederholte er ungläubig. „Das kannst du vergessen, Süße. Glaub’s mir. Ich habe weit mehr Erfahrung mit Kriminellen als du, auch wenn du bei der Staatsanwaltschaft arbeitest. Das hier ist ein gerissener Bastard, dem du gar nichts entlockst. Der kommt nur aus seinem Versteck, wenn er dir an deine hübsche kleine Gurgel gehen will.“

„Es besteht kein Grund, grob zu werden“, konterte sie.

„Was hat er genau gesagt?“, wollte Connor wissen.

„Er hat mich gewarnt. Ich soll die Fälle abgeben, an denen ich arbeite.“

„Und?“

„Und was?“

„Was sonst noch?“

Um Ablenkung bemüht, richtete sie ein Kissen auf dem Sofa. „Und er deutete an, dass eine Entführung nicht ausgeschlossen sei.“ Die Sache mit dem Lösegeld verschwieg sie. Es hatte wenig Sinn, Connors Zorn weiter anzustacheln.

Autor

Anna De Palo
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