Endlich zurück in deinen Armen

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Emma Williams ist zurück? Vor fünf Jahren hat sie Cadens Traum von einer gemeinsamen Zukunft zerstört, weil sie unbedingt in Hollywood Schauspielerin werden wollte. Jetzt ist sie wieder in Montana, und sie ist genauso schön und begehrenswert wie damals. Sofort lodert die Leidenschaft zwischen ihnen auf. Am liebsten würde Caden sie an sich ziehen und sie zärtlich verführen. Doch auch wenn Emma beteuert, dass sie sich geändert hat, ist er vorsichtig. Denn er weiß nicht: Kann er ihr wirklich vertrauen und ihrer Liebe eine echte zweite Chance geben?


  • Erscheinungstag 18.08.2020
  • Bandnummer 2146
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726317
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie ist wieder da!“

Verwundert blickte Caden Hale auf. „Wer denn?“

Niemand kannte ihn besser als sein Vormann Jack Franklin. Seltsam, dass ausgerechnet Jack ihn jetzt störte. Denn eigentlich wusste jeder, der auf der Ranch arbeitete, dass man den Boss – um Himmels willen – in Ruhe ließ, wenn er über dem gefürchteten Papierkram brütete. Leider war der unumgänglich, wenn man ein Unternehmen wie die Double H Ranch erfolgreich führen wollte.

Dabei hätte Caden sich tausendmal lieber aufs Pferd geschwungen und Zäune kontrolliert, sogar Ställe ausmisten wäre ihm willkommener gewesen, wenn er die Wahl gehabt hätte. Doch leider musste er sich mindestens einmal in der Woche selbst dazu verdonnern und sich hinter den Schreibtisch setzen, der einmal seinem Vater gehört hatte.

Vor diesem Schreibtisch stand Jack nun und musterte Caden mit einer befremdlichen Mischung aus Furcht und Schock. Caden machte sich auf das Schlimmste gefasst. Es musste eine echte Hiobsbotschaft sein, wenn sie seinen ältesten Freund dermaßen aus der Fassung brachte. Jack und er waren seit dem ersten Schultag befreundet, und als Caden vor zehn Jahren die elterliche Ranch übernommen hatte, hatte er Jack mit an Bord geholt. Den Mann konnte nichts erschüttern. Normalerweise.

Caden setzte sich aufrecht hin. „Was ist los? Du machst ein Gesicht, als wäre jemand gestorben.“

„Noch nicht.“ Jack riss sich den Stetson vom Kopf und schlug mit der Krempe mehrmals nervös gegen sein Bein.

Genervt beugte Caden sich vor, stützte die Unterarme auf die Tischplatte und warf seinem Vormann einen gereizten Blick zu. „Spuck’s aus, Mann! Von wem redest du, und was habe ich mit der Person zu schaffen?“

„Am besten gar nichts“, brummte Jack, „aber …“

„Jetzt aber raus damit!“

„Emma Williams ist wieder da!“

Schlagartig wurde aus einem schon üblen Tag ein richtiger Scheißtag. Ein eiserner Ring legte sich um Cadens Brust, und dass er mit den Zähnen knirschte, merkte er erst, als sein Kiefer schmerzte. Er zwang sich, tief einzuatmen und lockerzulassen. Von einer Frau, die er fünf Jahre lang nicht gesehen hatte, würde er sich doch wohl nicht die Laune verderben lassen! Allerdings hatte, wenn er ehrlich war, schon die Erwähnung ihres Namens genau das bewirkt.

Einen Moment lang schloss er die Augen, um das Gefühlschaos zu entwirren, das in seinem Inneren herrschte: Wut und Enttäuschung wetteiferten um den ersten Platz, dicht gefolgt von einer gewissen Erregung, den Überresten einer Liebe, von der er geglaubt hatte, dass sie ewig halten würde, und gerade so viel Begeisterung, dass er begann, sich Sorgen zu machen.

Emma war wieder da. Warum? Für wie lange?

Und, verflixt noch mal: Warum war ihm das nicht egal? Fünf Jahre lang hatte er nicht mit ihr gesprochen – ihre Anrufe hatte er ignoriert.

„Hast du sie selber gesehen?“

Jack schüttelte den Kopf. „Gwen hat sie heute Morgen in der Stadt getroffen. Im Supermarkt. Sie war mit einem Baby unterwegs.“

Vor Überraschung blieb Caden die Spucke weg. Ein Baby? Emma hatte ein Kind? Von wem? War der Vater auch dabei? „Das ist ja der Hammer“, stieß er schließlich hervor.

„Allerdings“, sagte Jack. „Ich hab mir gedacht, dass dich das umhaut, gleich als Gwen es mir erzählt hat.“

Calden war hin- und hergerissen zwischen seinen widerstreitenden Gefühlen. Ja, er war immer noch stinksauer über die Art und Weise, wie Emma ihn damals abserviert hatte. Trotzdem war es ihm in all den Jahren nicht gelungen, die Sehnsucht nach ihr loszuwerden. Wenn er nur an sie dachte, wurde sein Kopf leer und sein Körper beinhart. Aus diesem Grund hatte er sich in den vergangenen fünf Jahren bemüht, möglichst nicht an sie zu denken. Nur in seinen Träumen suchte sie ihn heim. Beinahe Nacht für Nacht!

„Hat Gwen mit ihr gesprochen?“ Jacks Frau kannte natürlich die ganze Geschichte. Wie jeder andere im Umkreis von etlichen Meilen. Typisch Kleinstadt eben.

Cache, Montana, hatte ungefähr fünftausend Einwohner, die nächste größere Stadt war das dreißig Meilen entfernte Kalispell. Für Caden war Cache gerade richtig. Hier fand er alles, was er brauchte. Es gab genügend Geschäfte, Schulen und einen historischen Stadtkern. Klein, aber fein. Jeder hatte zu allem eine Meinung und tat die auch freimütig kund. Caden gehörte dazu und fühlte sich wohl hier.

„Ja.“ Jack fuhr sich durch die Haare. „Anscheinend ist Emma gestern Abend angekommen. Völlig überraschend.“

Das erklärte, warum Gracie, Emmas Schwester, diesen Besuch gestern mit keiner Silbe erwähnt hatte. Caden hätte sein letztes Hemd darauf verwettet, dass Gracie mindestens genauso verdattert war wie er.

„Angeblich hat sie mit Hollywood abgeschlossen und will sich jetzt dauerhaft hier niederlassen.“

„Im Ernst?“ Zähneknirschend überlegte Caden, was das für ihn bedeutete: Sie würden sich ständig über den Weg laufen. Die alten Geschichten würden wieder ausgegraben werden, und die Leute in der Stadt würden sich über ihn lustig machen oder, schlimmer noch, ihn bemitleiden.

Andererseits war sie schon mal auf und davon gegangen. Wieso also nicht ein zweites Mal?

„Lass die alten Geschichten ruhen“, beschwor ihn Jack.

Caden warf ihm einen finsteren Blick zu. Sein ältester Freund wirkte bekümmert, aber das war sein eigenes Problem. Wenn Emma zurück war, würde Caden sie sich vorknöpfen und ein paar Dinge klarstellen. „Keine Chance! Ich habe noch ein Wörtchen mit ihr zu reden.“

„Das hat doch keinen Sinn mehr! Ihr habt vor fünf Jahren Schluss gemacht.“

Sie hat Schluss gemacht. Jetzt bin ich an der Reihe.“

„Was genau ist dein Problem, Gracie?“ Emma Williams packte ihre kleine Schwester am Arm, um sie daran zu hindern, fluchtartig das Zimmer zu verlassen, das Emma gerade betreten hatte.

Das Wohnzimmer hatte sich kein bisschen verändert. Von den großen Fenstern aus blickte man auf den Vorgarten und auf die lange Einfahrt, die von der Straße zum Anwesen der Familie führte. Die Möbel waren eher bequem als elegant, die Teppiche, die Emmas Mutter lange, bevor Emma geboren war, selbst gewebt hatte, waren inzwischen abgetreten und verblichen. Eine milchige Oktobersonne kämpfte sich durch die schmutzigen Fensterscheiben, um die Staubkörner, die in der Luft schwebten, zum Leuchten zu bringen.

„Du bist das Problem, Emma.“ Gracie riss sich los. Sie war Emma erfolgreich aus dem Weg gegangen, seit die am Abend zuvor vor der Tür gestanden hatte, als wäre sie nur eine Stunde weg gewesen, nicht ganze fünf Jahre.

Emma hob abwehrend die Hände. „Kann gar nicht sein! Ich bin doch erst seit gestern hier.“

„Deshalb ja.“ Gracie schob sich die kurzen Locken aus dem Gesicht. „Erst lässt du dich jahrelang nicht blicken, und dann schneist du hier herein und erwartest, dass alle so tun, als wärst du nie weg gewesen. Als wäre alles noch so wie früher. Als würde es mit der Ranch nicht steil bergab gehen und Dad nicht schon ein Jahr lang nicht mehr aus dem Bett kommen.“

Gracies grüne Augen, die denen von Emma so ähnelten, funkelten, während Gracie ihre Schwester wütend ansah.

Endlich mal eine ehrliche Reaktion, dachte Emma. Denn bis zu diesem Augenblick hatte Gracie sich beharrlich geweigert, auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln. Auch Anschnauzen war eine Form von Kommunikation.

Doch jedes ihrer Worte schmerzte wie Nadelstiche. Emma hatte den Morgen genutzt, um sich auf der Ranch umzusehen, und musste ihrer Schwester recht geben. Es war offensichtlich, dass sie zu kämpfen hatten, und ihr Vater wirkte grauer und gebrechlicher als bei ihrem letzten Besuch.

„Du hast nie auch nur angedeutet, dass Dad krank ist“, verteidigte sie sich trotz ihres schlechten Gewissens.

„Ist er auch nicht. Er hat resigniert. Weil du abgehauen bist.“

Das saß, auch wenn Emma hoffte, dass es nicht stimmte. Leider klang es ziemlich plausibel, und die Schuldgefühle setzten sich wie ein dicker Kloß in Emmas Kehle fest. Ohne es zu wollen, hatte sie eine Spur der Verwüstung hinterlassen, als sie fortgegangen war. Dass sie das nicht beabsichtigt hatte, änderte nichts an den Tatsachen. „Du hättest doch mal was sagen können!“

„Wie denn? In einer E-Mail? Bei einem deiner berüchtigten Zwei-Minuten-Anrufe?“

Noch mehr Gewissensbisse. Na toll!

„Du kannst mir nicht für alles die Schuld geben, Gracie. Du warst die ganze Zeit hier, du hast es doch kommen sehen.“

„Aber ich konnte es nicht aufhalten.“ Tränen standen in Gracies Augen. Sie atmete tief durch, blinzelte die Tränen fort und sprach leise, aber beherrscht weiter: „Ich habe verzweifelt versucht, die Ranch über Wasser zu halten, während Dad vor lauter Sorge um dich dahingewelkt ist. ‚Die Arme, so mutterseelenallein in Kalifornien!‘ Mann, ich war auch allein, und zwar direkt vor seine Nase!“

Betroffen dachte Emma über die Worte ihrer Schwester nach. Es war schon richtig: Gracie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, wie es zu Hause lief, nachdem sie weggegangen war – nein, sie hatte absichtlich nicht darüber nachgedacht. An einem Punkt ziemlich genau vor fünf Jahren hatte es bei ihr plötzlich lick gemacht, und sie hatte gehen müssen, weg von einem vorgefertigten Leben. Sie musste einfach ihr Glück woanders versuchen.

„Gracie …“

„Sag jetzt bloß nicht, dass es dir leidtut. Das nützt mir nichts, außerdem meinst du es sowieso nicht ernst.“ Wütend strich Gracie sich eine einsame Träne von der Wange. „Du hast getan, was du wolltest. Wie immer.“

Allmählich wurde es Emma zu bunt. Sie hatte volles Verständnis dafür, dass ihre Schwester ein wenig Frust loswerden musste, aber sie sah nicht ein, dass sie als Sündenbock dienen sollte für alles, was Gracie belastete. „Was soll das denn nun wieder heißen?“

Emma bemühte sich, nicht laut zu werden, damit ihr Vater nichts mitbekam. „Wer hat denn nach Moms Tod die Familie zusammengehalten und sich um die Ranch gekümmert? Und überhaupt: Du tust doch selbst auch nur, was du willst. Wie war das denn, als du dir Dads Truck für eine Spritztour geborgt hast? Oder als du Schule geschwänzt hast, um zu einem Konzert zu trampen?“

„Olle Kamellen“, fiel Gracie ihr ins Wort. „Was Aktuelleres fällt dir nicht ein? Ach nein, wie auch? Du warst ja lange nicht mehr hier!“

Langsam könnte sie sich schon mal was Neues überlegen, dachte Emma genervt. „Es ist doch ganz normal, dass man irgendwann von zu Hause weggeht.“

„Aber die meisten Leute kommen wenigstens mal zu Besuch.“

„Wenn sie es sich leisten können.“

„Du hattest eine Rolle im Fernsehen“, schoss Gracie zurück.

„Aber doch nur eine Staffel lang.“ Emma konnte kaum glauben, dass sie sich bereits stritten, obwohl sie das Haus vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden betreten hatte. Sie hatte es sich viel einfacher vorgestellt, in ihr altes Leben zurückzukehren. Wenn sie früher in Hollywood von Sorgen und Ängsten überwältigt wurde, hatte sie die Augen geschlossen und sich von den Erinnerungen an die Ranch und die Familie wärmen und trösten lassen wie von einer Kuscheldecke.

Hier war sie zu Hause. Es war der Ort, an den sie auch dann noch zurückkehren konnte, wenn sich der Rest der Welt gegen sie verschwor. Wenn alles schiefgeht, hatte sie sich immer gesagt, kannst du immer noch nach Hause. Aber dieses Zuhause war nicht mehr dasselbe. Es war nicht mehr der Ort, den sie vorzufinden gehofft hatte. Oder hatte sich hier gar nichts verändert, nur sie selbst war nicht mehr dieselbe?

Ja, daran lag es vermutlich. Schließlich hatte sie in Kalifornien so viel erlebt, dass ihr Montana wie eine Traumwelt vorkam. Klar hatte sie Briefe und E-Mails nach Hause geschickt und geskypt, aber je länger sie fort war, desto tiefer wurde die Kluft, die sie von der Familie trennte. Besonders weil Emma verschwieg, wie ihr Leben in der Ferne wirklich aussah.

Wozu die Daheimgebliebenen beunruhigen, indem Emma ihnen erzählte, dass sie das schäbige kleine Apartment, in dem sie lebte, auch noch untervermieten musste oder dass sie oft hungrig war und häufig auch verzweifelt? Also hatte sie sich immer froh und glücklich gegeben während der kurzen Telefonate, die im Lauf der Zeit immer seltener geworden waren.

Frank, ihr Vater, hatte sich jedes Mal gefreut, von Emma zu hören, aber Gracie hatte sich ihr gegenüber mit der Zeit distanziert, und jetzt konnte sie es kaum ertragen, sich mit Emma im selben Raum aufzuhalten.

Wahrscheinlich hatte Emma es nicht anders verdient. Ihre Welt bestand aus zwei vollkommen voneinander getrennten Sphären: dem Leben, bevor sie Montana verlassen hatte, und der Gegenwart. Das Vorher mochte sie definitiv lieber, denn sich im Jetzt zurechtzufinden war das Schwierigste, das sie je bewältigen musste. Im Jetzt hatte sie es mit einem kränkelnden Vater zu tun, einer Schwester, die sie hasste, und einem Baby, das von ihr abhängig war.

Das alles lastete wie ein riesiges Gewicht auf Emmas Schultern, ein emotionaler Druck, unter dem sie beinahe in die Knie ging. Doch wenn sie ehrlich war, wog das alles zusammen noch lange nicht so schwer wie das Wissen, dass ihr das Wiedersehen mit Caden noch bevorstand.

Vor fünf Jahren hatte sie ihn zum letzten Mal gesehen, vor fünf Minuten zum letzten Mal an ihn gedacht. Er ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Vom ersten Moment an – sie hatten sich an der Highschool kennengelernt – kreisten ihre Gedanken nur um ihn. Sie wollte keinen anderen. Bis zu diesem einen Abend, an dem er wieder einmal laut über ihre gemeinsame Zukunft nachgedacht hatte: Heirat, Kinder, die Ranch … Oft genug hatten sie es sich genau so ausgemalt. So oft, dass es Emma vorkam, als gäbe es keinen anderen Weg.

An diesem speziellen Abend aber wurde ihr etwas klar: Wenn sie bei Caden blieb, in Montana, und nicht wenigstens den Versuch unternahm, ihre Träume zu verwirklichen, würde sie ihn eines Tages hassen und sich selbst dazu. Also war sie gegangen. Einfach so. Und sie hatte so eine Ahnung, dass Caden von ihrer Heimkehr noch weniger begeistert sein würde als Gracie.

Seit dem Augenblick, als sie ihr Elternhaus wieder betreten hatte, graute es Emma vor diesem Wiedersehen.

Die Stimme ihres Vaters holte sie in die Gegenwart zurück. „Kannst du mal herkommen, Emma? Meine Enkelin verlangt nach ihrem Fläschchen.“

Noch so eine Baustelle, dachte Emma frustriert, aber damit würde sie sich zu einem späteren Zeitpunkt befassen. „Wir reden später weiter, ja?“, sagte sie zu ihrer Schwester.

„Ne! Wir sind fertig miteinander“, lautete die Antwort, und Emma stieß einen lauten Seufzer aus und ging in die Küche.

Mit dem Auto brauchte man gerade einmal zwanzig Minuten von der Double H Ranch zum Hof der Familie Williams. Im Scherz hatten Caden und Emma gelegentlich davon gesprochen, eine Straße quer durch die Weiden zu ziehen, um die beiden Anwesen auf kürzestem Weg zu verbinden. Wie so vieles andere war aber auch dieser Plan im Sand verlaufen.

Unter normalen Umständen hätte Caden bemerkt, dass sich die Bäume entlang der Landstraße bereits herbstlich verfärbten. Heute aber beanspruchte die Erinnerung an Emmas Augen in der Nacht, als sie ihm Lebewohl gesagt hatte, seine ganze Aufmerksamkeit.

„Ich muss einfach fort“, wiederholte sie mit Nachdruck. „Ich muss es versuchen. Sonst ende ich wie meine Mom. Du weißt doch, was für eine tolle Stimme sie hatte. Aber sie hat ihren Traum, Sängerin zu werden, nie umgesetzt. Kurz vor ihrem Tod hat sie mir anvertraut, dass es das Einzige ist, was sie wirklich bereut hat: dass sie nie herausgefunden hat, ob sie es geschafft hätte.“

Caden bekam es mit der Angst. Sie waren schon so lange zusammen, und bis zu diesem Tag war er felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie dieselben Ziele verfolgten. Das hier kam aus heiterem Himmel, und er wusste nicht, was er davon halten sollte. „Was wird dann aus unserem Traum, die Ranch meiner Familie zu übernehmen?“

„Das ist dein Traum, Caden.“

Ihre Worte brannten ein Loch in sein Herz. Er schüttelte den Kopf, als hätte sie ihn geohrfeigt. Sie hatte doch selbst immer wieder neue Ideen entwickelt und seine Vorschläge begeistert angenommen. „Wollten wir nicht gemeinsam etwas völlig Neues aufbauen? Davon reden wir doch seit Jahren.“

„Ich weiß.“ Sie berührte seinen Arm, und die Hitze ihrer Hand fraß sich durch bis auf die Knochen. „Aber mein Herz hängt nun mal daran, Caden. Ich muss einfach herausfinden, ob ich gut genug bin.“

Warum wollte sie nicht begreifen, dass es für sie in Hollywood niemals eine auch nur annähernd so wichtige Rolle geben konnte wie die, die sie hier spielte? Für ihn?

„Das heißt, du haust einfach ab?“

„Du kannst ja mitkommen.“

Er lachte ihr ins Gesicht. „Ich kann hier nicht weg.“

„Und ich kann nicht bleiben“, entgegnete sie. „Wenn ich nicht gehe, wird keiner von uns glücklich.“

An dieser Stelle hielt er den Film an und begrub ihn unter einer Ladung geballter Wut. Am Ende hatte Emma es so aussehen lassen, als täte sie ihm einen Gefallen, indem sie ihn verließ. Als wären die Pläne, die sie jahrelang gemeinsam geschmiedet hatten, völlig nebensächlich im Vergleich mit denen, die sie allein entwickelt hatte.

An jenem Abend hatte sie ihm das Herz gebrochen. Um nicht völlig unterzugehen, musste er anschließend sein Leben komplett umkrempeln. Aber er hatte überlebt. Er kam blendend zurecht ohne Emma, mit jedem Tag wurde es besser. Wenn er sie jetzt noch getroffen und ihr ordentlich die Meinung gesagt hatte, konnte er endlich weitermachen, als wäre nichts gewesen.

Während er den schwarzen, mit allen Schikanen ausgestatteten Dodge Ram über die Einfahrt zum Hof von Emmas Vater lenkte, fiel ihm auf, dass der Zaun dringend gestrichen gehörte und die Blumen im Vorgarten von Unkraut überwuchert waren. Das ganze Anwesen war Schritt für Schritt verfallen, nachdem Emma sich davongemacht hatte – ein weiterer Punkt auf ihrem Sündenregister.

Ihr Vater hatte praktisch aufgegeben, nachdem seine Älteste nach Hollywood aufgebrochen war. Er war immer davon ausgegangen, dass sie die Ranch übernehmen und eines Tages mit der von Caden fusionieren würde – so, wie die beiden es geplant hatten.

Emma hatte eine Menge Träume zerschlagen, als sie fortgegangen war, um ihren eigenen Traum zu verwirklichen.

Dennoch plagten Caden Gewissenbisse: Er hätte öfter mal bei Frank reinschauen und ihn besser unterstützen sollen. Noch vor Wintereinbruch würde er ein paar Männer herüberschicken, um den Zaun zu streichen. Hatte sich das Holz nämlich erst einmal verzogen oder zu modern begonnen, musste man am Ende den ganzen Zaun erneuern.

Eigentlich die perfekte Metapher, dachte er: Sie alle hatten sich komplett neu aufstellen müssen, nachdem Emma abgehauen war.

Doch jetzt war sie wieder da.

Mit einem Baby.

Er hielt vor dem Haus, schaltete den Motor aus und blieb einen Moment lang sitzen, um das Haus zu betrachten, in dem er so viel Zeit verbracht hatte. Es hatte zwei Etagen – im Obergeschoss befanden sich die Schlafzimmer –, war alt, aber stabil. Auf Wunsch von Emmas Mutter hatte man es in einem warmen Gelbton gestrichen, mit weißen Umrandungen für Türen und Fenster. Eine Veranda erstreckte sich über die gesamte Breite der Vorderseite. Caden kannte dieses Haus so gut wie sein eigenes.

Er und Emma waren seit Emmas erstem Jahr an der Highschool ein Paar. Caden war damals im dritten Jahr und musste sich viele dumme Sprüche anhören, weil er sich für so ein „Baby“ interessierte. Doch die Bemerkungen hatten ihn kaltgelassen.

Er hatte nur Augen für Emma gehabt, und daran hatte sich nichts geändert – bis zu dem Abend, an dem sie ihn verließ. Jetzt sah die Sache anders aus. Emma hatte ihn einmal sitzen gelassen. Warum sollte er ihr also abkaufen, dass sie diesmal bleiben wollte? Was zwischen ihnen gewesen war, war vor fünf Jahren gestorben.

Doch noch während sein Kopf diesen Gedanken ausformulierte, regte sich sein Körper bei der Aussicht, sie gleich wiederzusehen.

Plötzlich flog die Haustür auf, und Gracie, Emmas jüngere Schwester, kam herausgestürmt. Caden kletterte gerade rechtzeitig aus dem Pick-up, um sie aufzufangen, als sie sich in seine Arme stürzte.

„Die Frau ist unglaublich“, murmelte sie, eng an seine Brust geschmiegt. „Platzt hier einfach unangekündigt rein und erwartet, dass wir vor Freude ausflippen.“ Sie sah zu ihm auf. „Von wegen ausflippen! Ich bin stinksauer!“

Gracie war fünfundzwanzig und mit ihren kurzen, dunklen Locken und den grünen Augen, die nur eine Nuance blasser waren als die ihrer Schwester, eine echte Schönheit. Seit Caden denken konnte, war sie für ihn wie eine jüngere Schwester gewesen, deswegen erkannte er sofort, dass sie, bei aller Wut, im Innersten tief verletzt war.

Er konnte das sehr gut nachvollziehen. „Gwen hat sie heute Morgen im Supermarkt getroffen. Stimmt es, dass sie bleiben will?“

Gracie löste sich aus der Umarmung und wischte sich eine einzelne Träne von der Wange. „Das behauptet sie jedenfalls. Was immer das heißt. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sie einfach abhaut, oder?“

Caden konnte sich nicht entscheiden, ob er es als gutes oder als schlechtes Zeichen werten sollte, dass Gracie genauso dachte wie er.

„Aber Dad ist selig.“ Sie schob sich das Haar aus der Stirn und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Zur Feier des Tages hat er heute tatsächlich das Bett verlassen.“

Das war doch mal was! Frank hatte jeden Lebensmut verloren, nachdem Emma weggegangen war. Schritt für Schritt hatte er sich aus dem Alltag zurückgezogen. Anfangs klammerte er sich noch an die Hoffnung, dass Emma ihren Fehler einsehen und reumütig nach Hause zurückkehren würde, aber nachdem er begriff, dass sein kleines Mädchen vermutlich für immer von zu Hause ausgezogen war, hatte ihn die Lebensfreude verlassen. Nicht einmal Gracie war es gelungen, ihn aus seiner Depression zu locken.

Es würde ihn umbringen, wenn Emma wieder ging.

„Sie darf nicht bleiben“, sagte Gracie. „Was, wenn sie es herausfindet? Sie wird es Dad sagen, und dann …“

„Dann sag du es ihm“, flüsterte Caden. Er war der einzige Mensch, dem Gracie ihr großes Geheimnis anvertraut hatte, und er würde es unter keinen Umständen verraten, auch wenn er der Ansicht war, dass sie anders damit umgehen sollte.

„Das schaffe ich nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Gerade jetzt nicht.“

„Hallo, Caden.“

Schlagartig verkrampfte sich Cadens Körper. Obwohl er die tiefe, rauchige Stimme viel zu lange nicht mehr gehört hatte, übte sie noch dieselbe Wirkung auf ihn aus wie früher. Er wandte sich um. Emma stand an der Haustür. Sein Mund fühlte sich auf einmal staubtrocken an, die Jeans zu eng, und irgendwie hatte er vergessen, wie man atmete.

Zuletzt hatte er sie im Fernsehen gesehen. Sie spielte die Hauptrolle in einer faden, schwachsinnigen Sitcom, machte ihre Sache aber richtig gut, wie Caden anerkennen musste, wenn auch widerstrebend. So gut, dass er sich, nachdem er sich genau eine Folge angesehen hatte, sinnlos betrank und den Fernseher nie wieder einschaltete. Sie hatte ihn für Hollywood verlassen, und es wurmte ihn gewaltig, dass sie es dort zu etwas gebracht hatte.

Jetzt war sie wieder hier … und sah immer noch verdammt scharf aus.

Die wilden, dunkelbraunen Locken, die sie gehasst hatte, fielen ihr jetzt ein gutes Stück über die Schultern. Sie trug ein langärmeliges, rotes Flanellhemd und schwarze Jeans, die sich verführerisch um ihre Hüften und die langen, schlanken Beine schmiegten. Uralte Cowboystiefel vervollständigten das Outfit, das auf Caden wirkte, als hätte sie sich verkleidet, um dazuzugehören.

Als wäre die Hollywood-Emma die echte Person und die, die vor ihm stand, nur jemand, der eine Rolle spielte.

Sie war heiß, trotzdem versuchte Caden, so zu tun, als würde ihn ihr Anblick kaltlassen, und rief sich stattdessen die weniger schönen Erinnerungen ins Gedächtnis, die er mit ihr verband. Die grün-goldenen Augen glänzten so klar wie eh und je, aber es kam Caden so vor, als hüteten sie ein Geheimnis. Das war neu. Und es gefiel Caden nicht.

„Willst du nicht mal Hallo sagen?“, fragte sie.

Diese Stimme hatte ihn bis in seine Träume verfolgt. Diese Frau hatte sein Leben in einen Albtraum verwandelt. Sie hatte ihn vor fünf Jahren sitzen gelassen und ihm keine Träne nachgeweint. Und jetzt besaß sie die Dreistigkeit, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Gleich würde sie ihn auf einen Drink hereinbitten, um in alten Erinnerungen zu schwelgen. Oder ihn bitten, aufs Baby aufzupassen. Tja, das konnte sie sich abschminken.

Gracie krallte die Finger so fest um seinen Arm, dass er sie sogar durch den dicken Stoff seiner schweren, braunen Jacke spürte, und erinnerte ihn dadurch daran, wem seine Loyalität inzwischen galt. Denn Gracie war geblieben. Sie hatte all die Aufgaben übernommen, vor denen Emma weggelaufen war. Also würde er es an Gracies Seite mit der Frau aufnehmen, die sie beide verlassen hatte.

„Was willst du hier, Emma?“

Sie hob trotzig den Kopf und blickte ihm fest in die Augen. „Hier bin ich zu Hause.“

„Das scheinst du fünf Jahre lang vergessen zu haben.“

Sie biss sich auf die Unterlippe, und plötzlich schoss ein Feuerstrahl durch seinen Unterleib, den Caden jedoch, so gut es ging, ignorierte.

„Aber jetzt bin ich wieder da“, erwiderte Emma. „Und ich habe vor, zu bleiben.“

„Ach ja?“ Er glaubte ihr kein Wort.

„Allerdings. Mit Hollywood bin ich fertig.“ Unwillkürlich reckte sie das Kinn vor.

Woher der plötzliche Sinneswandel, fragte er sich. Sie war doch ganz erfolgreich gewesen, wie er sich widerstrebend eingestehen musste. Was zog sie nach Hause? Und warum, verflixt noch mal, interessierte ihn das überhaupt?

„Was ist passiert?“ Die Frage rutschte ihm heraus, ehe er sich bremsen konnte.

„Ich habe mich verändert.“

„Hatten wir das vor fünf Jahren nicht schon mal? Wann müssen wir mit der nächsten Veränderung rechnen?“

„Das war die letzte.“

„Glaub ihr kein Wort“, flüsterte Gracie.

„Worauf du dich verlassen kannst.“ Mit einer gewissen Befriedigung stellte Caden fest, dass plötzlich etwas in Emmas Augen aufblitzte. Wut? Betroffenheit? Egal, solange sie begriff, auf wessen Seite er stand.

Aber obwohl er wusste, dass er ihr nicht über den Weg trauen konnte, fühlte er sich unwiderstehlich zu dieser Frau hingezogen. „Geh schon mal rein, Gracie“, bat er. „Ich würde gerne unter vier Augen mit Emma sprechen.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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