Entehrt von einem Highlander

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Schottland, 1370. "Hure! Ehebrecherin!" Seit Catriona in glühender Umarmung mit dem Highlander Aidan MacLerie erwischt wurde, spuckt man im Dorf vor ihr aus. Doch bevor ihr Mann Gowan davon erfährt, fällt er auf dem Schlachtfeld. Was soll nun aus Catriona werden? Aus ihrem Heim wird sie verbannt, ihr Ruf ist durch Aidans wilde Zärtlichkeit zerstört! Da macht ausgerechnet dieser schottische Draufgänger der schönen Witwe das Angebot, in seinen Clan zu ziehen. Will er sie endlich auf seinem Lager haben? Mehr als seine Hure kann Catriona niemals für ihn sein! Denn Aidan steht kurz vor der Hochzeit mit einer anderen …


  • Erscheinungstag 26.07.2016
  • Bandnummer 325
  • ISBN / Artikelnummer 9783733765248
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie war keine von den Frauen, die seinen Blick üblicherweise auf sich zogen, und doch war genau das geschehen.

Aidan MacLerie beschloss, auf dem Weg zurück zur Feste eine Rast einzulegen und am Brunnen in der Dorfmitte seinen Durst zu stillen. Seine Männer waren bereits weitergezogen, voller Vorfreude darauf, ihre Frauen und Familien wiederzusehen, die ein Stück weiter hügelaufwärts auf sie warteten. Dies hier war einer seiner liebsten Orte, wenn ihm der Sinn nach weiblicher Gesellschaft stand, und bislang war er nur selten einmal enttäuscht worden.

Er tauchte seinen Becher in den Eimer und begann zu trinken. Über den Becherrand hinweg sah er sie näher kommen. Er bewunderte den Schwung ihrer weiblich gerundeten Hüften, während sie auf ihn zu schlenderte. Mit beiden Armen hielt sie einen Eimer gegen ihre Brüste gedrückt, die gewiss so wohlgeformt waren wie ihre Hüften. Da sie ihr Haar mit einem Tuch bedeckt hatte, war sie eine verheiratete Frau, vielleicht aber auch eine Witwe, was ihm nur recht sein konnte.

Witwen sprachen auf die Aufmerksamkeit an, die er ihnen widmete. Außerdem waren sie in der Liebe erfahren und wussten, dass sie sich keinen Illusionen hingeben durften, welche Bedeutung er einem Liebesabenteuer zumaß. Die Frau sah auf und lächelte ihn an. Sein Körper reagierte prompt darauf, Verlangen erwachte.

Zugegeben, sie würde anders sein als die Frauen, die sonst sein Bett teilten, aber Lust würden sie beide finden.

„Ich wünsche einen guten Tag“, grüßte er und erwiderte das Lächeln. Als sie den Brunnen erreichte, streckte er die Hände nach ihrem Eimer aus. „Kommt, lasst mich für Euch den Eimer auffüllen.“

„Vielen Dank, Mylord“, erwiderte sie mit einer Stimme, die sein Verlangen schürte. Sie hatte eine durch und durch weibliche Stimme mit einem satten, vollen Tonfall, der zu ihrer ganzen Erscheinung passte. Mit dieser Stimme würde sie schon bald seinen Namen rufen, wenn er mit ihr vereint war und sie zur Erfüllung ihrer Lust führte. Er lenkte sich von diesem Gedanken ab, indem er den an einem Seil befestigten Eimer des Brunnens in den Schacht fallen ließ und ihn wieder hochzog, nachdem er sich mit Wasser gefüllt hatte. Dann goss er es in ihren Eimer.

„Ihr wisst, wer ich bin?“, erkundigte er sich, da er sich nicht daran erinnern konnte, diese Frau jemals gesehen zu haben.

„Aye, Mylord.“ Sie nahm ihm den vollen Eimer ab. „Ihr seid der älteste Sohn des Earls.“

„Aidan“, bestätigte er. Er wollte hören, wie sie seinen Namen aussprach. Er wurde hart, und sein Blut geriet in Wallung. „Mein Name ist Aidan.“

„Aye, Mylord“, sagte sie und wich langsam zurück, wobei sie ihm höflich zunickte. Er hatte allerdings nicht vor, sie entkommen zu lassen, solange er nicht zumindest wusste, wer sie war.

„Ihr seid mir gegenüber im Vorteil. Ihr wisst, wer ich bin, während ich mich nicht daran erinnern kann, Euch begegnet zu sein.“

„In der Tat sind wir uns noch nie begegnet, Mylord. Mein Name ist Catriona MacKenzie“, antwortete sie und blickte ihm in die Augen. Da fiel ihm auf, dass sie älter war als er zunächst angenommen hatte.

„Was verschlägt eine MacKenzie nach Lairig Dubh?“ Die MacKenzies und die MacLeries waren lange Zeit verfeindet gewesen. Das hatte sich erst geändert, nachdem beide Clans von seinem Schwager Rob Matheson zu Verhandlungen gezwungen worden waren. Danach hatte es endlich eine Annäherung der beiden mächtigsten Clans in den Highlands gegeben.

„Ich habe Gowan MacLerie geheiratet.“ Diese simple und klare Aussage hätte die Hoffnungen eines einfacheren Mannes zerschmettern können. Doch das galt nicht für ihn.

Gowan gehörte zu Ruriks Leuten und war deutlich älter als seine Ehefrau. Er war ein geschickter Mann, der Krieger ausbildete und im Auftrag des Earls viel Zeit weit weg von Lairig Dubh auf den anderen Anwesen verbrachte. Aidan musste lächeln, da die Möglichkeiten mit jedem Herzschlag zahlreicher und vielversprechender wurden. Weil er sie noch nicht weggehen lassen wollte, machte er einen Schritt auf sie zu, nahm ihr den Eimer erneut aus den Händen und gab ihr ein Zeichen, damit sie vorging.

„Gestattet mir, dass ich den für Euch trage“, sagte er.

Sie machte den Eindruck, als wollte sie ihm widersprechen, da sie die Lippen öffnete und ihre tiefblauen Augen ihn kalt anfunkelten. Doch nach sehr kurzem Zögern drehte sie sich weg und ging vor ihm her einen schmalen Weg entlang, der zu einer Gruppe von Cottages führte. Diese Gelegenheit nutzte Aidan, um Catriona MacKenzie aufmerksam zu betrachten, während sie vor ihm her schritt.

Ein paar dunkelbraune Strähnen waren ihrem Kopftuch entwischt. Aidan musste sich davon abhalten, ihr das Tuch herunterzuziehen, um ihr Haar zu berühren. Wie lang mochte es sein? Reichte es ihr gar bis zu den Hüften, wenn sie es offen trug? Er hielt den Eimer so vor sich, dass er mit einer Hand an seiner Hose ziehen konnte, die im Schritt kniff, weil er so erregt war. Er musste einen Weg finden, wie er Catriona MacKenzie in sein Bett bekam, damit sie sich nackt auf den Laken wand und sich ihm hingab.

Sie bog auf einen Weg ein, der nach links abzweigte. Vor dem letzten Cottage blieb sie stehen. Aidan sah sich um und lauschte aufmerksam auf Geräusche, die darauf hindeuteten, dass andere in der Nähe waren. Auch wenn er sich normalerweise keine verheirateten Frauen aussuchte, ignorierte er sie nicht, sofern sie ihm zu verstehen gaben, dass sie nicht abgeneigt waren. Wie immer würde er diskret sein und alles vermeiden, um sie oder ihren Ehemann in Verlegenheit zu bringen. Er war entschlossen, Catriona MacKenzie zu bekommen.

Und das schon bald.

Sie drehte sich zu ihm um und streckte die Hände aus, um den Eimer an sich zu nehmen. Er stellte ihn jedoch auf den Boden, nahm eine ihrer Hände und führte sie an seinen Mund. Ein kurzes Zucken verriet ihm, dass sie auf der Hut war. Dennoch ließ sie ihn gewähren.

„Ich danke Euch für Eure Unterstützung, Mylord“, sagte sie und versuchte auf Abstand zu ihm zu gehen. Vergeblich, denn er hielt ihre Hand fest.

„Bis zum baldigen Wiedersehen“, flüsterte er, küsste sie auf den Handrücken, drehte ihre Hand um und drückte die Lippen auf ihr Handgelenk. Dabei berührte er behutsam die Stelle, an der er ihren Puls dicht unter der Haut spüren konnte, mit der Zungenspitze. Ihr überraschtes Keuchen hallte in seinen Ohren wider.

Aidan ließ ihre Hand los und bemühte sich, nicht auf ihre Brüste zu starren, obwohl ihm nicht entgangen war, dass sich ihre Brustspitzen aufgerichtet hatten und sich unter dem dünnen Stoff ihres Kleids deutlich abzeichneten. Als sie hastig ihr Schultertuch um sich zog und die Arme vor der Brust verschränkte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich zum Gehen und kehrte auf dem Pfad zum Brunnen zurück, auf dem sie hergekommen waren. Aidan hatte ihr die Erregung angesehen, die sie auch mit ihrem flachen, hastigen Atmen verraten hatte. Beim nächsten Mal würde er im Schutz der Dunkelheit herkommen. Ein Plan, wie er sie erobern wollte, formte sich bereits in seinem Kopf.

Schon sehr bald würde Catriona MacKenzie sein Bett oder er das ihre teilen.

Cat stand starr wie eine Statue da, unfähig sich von der Stelle zu rühren oder den Blick von dem jungen Lord zu nehmen, der in die Dorfmitte zurückkehrte. Die Haut an ihrem Handgelenk war von seinem Kuss warm und feucht. So kühn hatte Aidan MacLerie sie geküsst, als wäre sie noch ein junges Mädchen, das an seiner Aufmerksamkeit interessiert war.

Dabei wollte sie doch gar nichts von ihm.

Dennoch sah sie ihm hinterher, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Etwas in ihr hoffte darauf, dass er sich noch einmal umdrehte, um sie anzuschauen. Mit seinen bernsteinfarbenen Augen hatte er sie unverwandt angeblickt, während er sie betrachtet hatte. Einmal hatte sie den Earl gesehen, und nun wusste sie, dass sein Sohn das gute Aussehen und die außergewöhnlichen Augen von ihm geerbt hatte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, aber über den Grund dafür wollte sie lieber nicht nachdenken.

Sie nahm den Eimer, den er vor ihr abgestellt hatte, und trug ihn ins Cottage. Sie legte das Schultertuch ab, damit es ihr nicht im Weg war, und goss fast das ganze Wasser in den bereitstehenden Kessel auf der Feuerstelle, mit dem Rest füllte sie die Kanne auf dem Tisch auf. Dann holte sie die Zutaten für den Eintopf, der bis zum Nachtmahl fertig sein sollte. Dabei versuchte sie die ganze Zeit über, nicht auf diese Gefühle zu achten, die sich mit einem Mal in ihr regten. Nachdem Fleisch und Gemüse im heißen Wasser garten, zog sie das Kopftuch ab und musste unwillkürlich lachen.

Langeweile musste sie dazu getrieben haben, am Brunnen mit diesem Mann zu schäkern. Einfach nur Langeweile, denn welchen anderen Grund hätte es sonst dafür geben sollen? Sie war älter als er. Sechs Jahre trennten sie beide. Und sie war mit einem der Krieger ihres Vaters verheiratet. Auch wenn ihr Blut durch seine Aufmerksamkeit in Wallung geraten war, so war sie doch eine ehrbare Frau, die ihr Ehegelübde ernst nahm.

Wieder musste Cat lachen und schüttelte den Kopf. Sie beschloss, das Ganze als das Schäkern eines jungen Manns abzutun, der sich die Zeit vertreiben wollte. Gowan war noch unterwegs und würde erst am Morgen heimkehren, aber sie musste eine Mahlzeit für seinen Sohn Munro und sich zubereiten.

Cat erledigte die anfallenden Arbeiten im Haus und begab sich nach dem Nachtmahl zur Ruhe. Nachdem sie sich auf ihrem Lager ausgestreckt hatte und darauf wartete, dass sich der Schlaf einstellte, gestattete sie sich, die Aufmerksamkeit eines jüngeren Manns zu genießen, die ihr für ein paar Augenblicke ein Wohlgefühl bereitet hatte. Zu mehr würde es jedoch nicht führen.

Sie hatte kein anstrengenderes Leben als die meisten anderen, die in Lairig Dubh zu Hause waren. Gowan hatte ihr die Ehe angeboten, wodurch sie ihren damaligen schrecklichen Lebensumständen hatte entkommen können und eine ehrbare Existenz erlangt hatte. Er verlangte nicht viel von ihr, und nichts von dem, was er von ihr wollte, war für sie Grund, ihm irgendwelche Vorhaltungen zu machen. Da er viele Jahre älter war als sie, hatte er das Thema Kinder für sich bereits abgeschlossen, und er teilte auch schon lange nicht mehr ihr Bett. Er hatte einen erwachsenen Sohn, er gehörte zu den Kriegern des Lairds, und er war ein einfacher Mann, der keine großen Ansprüche an sie stellte.

Das spielerische Schäkern eines jungen Mannes hatte also nichts zu bedeuten, dennoch hatte sie es genossen. Gleichzeitig versetzte es ihr auch einen Stich, da es sie an die Freuden des Werbens erinnerte, um die sie in ihrem Leben betrogen worden war. Als sie schließlich einschlief, sah sie in ihren Träumen nicht das Gesicht ihres Ehemannes, sondern das von Aidan MacLerie.

Diese Träume waren so hitzig und von leidenschaftlichem Liebesspiel erfüllt, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam, als Gowan sich am nächsten Tag dem Cottage näherte und schon von Weitem ihren Namen rief. Wie konnte eine so flüchtige Begegnung bei ihr eine solche Wirkung auslösen? fragte sich Cat verwirrt.

Mit Gowans Rückkunft kehrte ihr Leben in den Alltag zurück, und innerhalb der nächsten Woche konnte sie fast vergessen, wie der Sohn des Earls die Ehefrau eines Kriegers angesehen hatte.

Aber nur fast.

2. KAPITEL

Was hältst du davon, Aidan?“

Seinen Bericht mit den Ergebnissen seines jüngsten Auftrags hatte Aidan den Anwesenden längst erstattet, daher waren seine Gedanken von der laufenden Besprechung abgeschweift und bei den verführerischen Kurven der Frau angelangt, nach der er sich mehr verzehrte als nach jeder anderen. Er sah die Ältesten des Clans und die übrigen Berater seines Vaters an, hatte aber natürlich nicht die Absicht, ihnen die Fantasien zu offenbaren, die ihm durch den Kopf gegangen waren. Wie gut, dass er nicht sofort aufstehen musste, sonst wäre jedem der anderen Männer klar gewesen, was er sich im Geiste vorgestellt hatte.

Er überlegte, was gerade eben Gegenstand der Unterhaltung gewesen sein mochte, da fiel ihm etwas auf. Rurik, der loyalste Freund seines Vaters und Anführer all seiner Krieger, zwinkerte ihm zu. Er war sein Patenonkel und kannte ihn gut. Deshalb wusste Rurik um seine Begeisterung für das weibliche Geschlecht, und Aidan hatte ihn bereits einige Male um den einen oder anderen Ratschlag gebeten – nämlich immer dann, wenn es ihm als zu schwierig oder zu peinlich erschienen war, mit seinem Vater zu reden. Jetzt kam ihm endlich das letzte Gesprächsthema ins Gedächtnis zurück, und er sah seinen Vater an.

„Ich denke, du solltest die neuen Soldaten von ein paar erfahrenen Kriegern ausbilden lassen“, sagte er schließlich und hoffte, dass sein Vorschlag für die anderen vernünftig klang.

Sein Vater zog eine Augenbraue hoch, erwiderte aber eine Zeit lang nichts. Sosehr Aidan sich auch versucht fühlte, noch irgendetwas anzufügen, um diesem langen Schweigen ein Ende zu setzen, riss er sich zusammen. Er wusste, dass Connor MacLerie sich stets alles in Ruhe durch den Kopf gehen ließ und alle Vor- und Nachteile gegeneinander abwägte, ganz gleich, ob ein Vorschlag von seinem Erstgeborenen oder von einem seiner Berater kam. Er beobachtete, wie sein Vater einen Anwesenden nach dem anderen ansah und sich dann wieder ihm zuwandte.

„Und wem sollte ich diese Aufgabe übertragen?“, wollte er wissen.

Aidan stand auf und füllte seinen Becher wieder auf, ehe er antwortete. Verschiedene Namen fielen ihm auf Anhieb ein, jeder von ihnen ein erfahrener, fähiger Krieger. „Black Rob … Iain … Calum“, zählte er auf.

„Micheil“, ergänzte Rurik. „Angesichts so vieler neuer Soldaten werden wir noch einen mehr benötigen, Connor.“

„Gowan.“ Der Name kam Aidan über die Lippen, noch bevor er den Mann tatsächlich in Erwägung gezogen hatte. Aber er war aus vielerlei Gründen der Richtige, also wiederholte Aidan ihn: „Gowan sollte auch dazugehören.“

Gebannt wartete er darauf, dass sein Vater sich entschied. Diese Aufgabe würde viele Wochen in Anspruch nehmen, vielleicht sogar gut zwei Monate. Damit wäre Gowan weit genug weg, um seinen Plänen, die Catriona betrafen, nicht in die Quere zu kommen. So würde er viele Wochen Zeit haben, um ihr ungestört auf Schritt und Tritt zu folgen und ihren Widerstand zu schwächen, bis sie sich von ihm verführen ließ. Beinahe hätte er triumphierend gelächelt, und so trank er schnell einen großen Schluck Wein.

„Rurik, was hältst du von Aidans Vorschlag?“, wollte sein Vater wissen.

Der Hüne verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Stirn in Falten, was bei ihm alles Mögliche bedeuten konnte. Einige Augenblicke lang war es völlig unklar, welche Meinung er hatte. Schließlich nickte er zustimmend.

„Gib den Befehl aus und sorge dafür, dass alle notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, Rurik“, wies sein Vater ihn an und nickte den anderen Männern zu, während er seinen Becher auf den Tisch stellte.

Aidan stockte der Atem, da er sein Glück nicht fassen konnte. Schon morgen oder in höchstens zwei Tagen würde Gowan Lairig Dubh verlassen haben, und dann konnte er sich ganz ungestört der hübschen, reizenden Catriona widmen. Er sah zu, wie die Männer das Gemach verließen, bis nur noch sein Vater, Duncan und Rurik an der Tafel saßen. Die drei unterhielten sich über anstehende Besuche verschiedener schottischer Edelleute, die sich mit Connor MacLerie, dem Earl of Douran, gut stellen wollten. Das war weder für seinen Vater noch für ihn etwas Neues, sie alle kannten diese Leute, die die MacLeries allein wegen ihres Namens oder ihrer Verbindungen oder der Macht wegen schätzten, die großen Einfluss bedeutete.

Das Ganze dauerte nur kurz, und Aidan hörte desinteressiert zu, wer sich alles angekündigt hatte. Wichtig war ihm nur, dass Gowan Lairig Dubh verließ. Sein Vater nickte seinen engsten Beratern zu, die daraufhin ebenfalls gingen.

„Lass Jocelyn herkommen, Rurik“, rief er den beiden nach, bevor sie die Tür des Turmgemachs erreichten.

Aidan trank wieder einen Schluck und rätselte, was nun kommen würde. Mit seinem Vater allein zu sein, wäre für ihn kein Grund zur Sorge gewesen, Aber dass seine Mutter dazustoßen würde, das konnte nur bedeuten, dass Ärger auf ihn zukam. Schweigend saßen sie beide da, obwohl Aidan darauf brannte, nach dem Grund für dieses Beisammensein zu fragen.

Jocelyn MacCallum hatte es seinerzeit nach Lairig Dubh verschlagen, da sie gezwungen gewesen war, Connor Mackenzie, den Schrecken der Highlands, zu heiraten, um ihre Familie zu retten. Aber dann war es ihr gelungen, das Herz dieses Mannes zu gewinnen, von dem die meisten glaubten, er besitze gar kein Herz. Das Ergebnis ihrer Anstrengungen war eine lange und glückliche Ehe. Ganz gleich, was auch kommen mochte, Aidan wusste, sein Vater liebte seine Mutter mit Leib und Seele. Diese Liebe war immer da, wenn sie sich ansahen, ob in guten oder in schwierigen Zeiten.

Er selbst rechnete nicht damit, jemals so etwas zu finden. Dafür war er viel zu praktisch veranlagt. Außerdem wusste er, dass die Ehe seiner Eltern sich sehr von dem unterschied und weit über dem stand, was in diesen Zeiten üblich war.

„Und? Warum lässt du Mutter herkommen?“, fragte er schließlich doch, da er unbedingt wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon haben wollte, was ihn erwartete.

Sein Vater trank einen Schluck Wein und stellte den Becher weg. „Um über deine bevorstehende Heirat zu reden.“

Connor beobachtete seinen Sohn aufmerksam, als er ihm den Grund nannte. Überraschend konnte das für ihn nicht kommen, immerhin hatte der Junge schon vor einigen Jahren das heiratsfähige Alter erreicht. Das seitdem anhaltende Hinauszögern war seiner eigenen Schwäche zuzuschreiben. Er konnte einfach nicht anders als einzulenken, wenn seine geliebte Frau Jocelyn ihn anflehte, doch noch ein wenig zu warten, bevor der Junge verheiratet wurde. So viele aus ihrer Familie und ihrem Clan hatten sich in letzter Zeit vermählt, darunter ihre Tochter, dass Connor bereit gewesen war, Jocelyns Bitten nachzugeben. Dabei waren bereits zahlreiche Angebote unterbreitet und Absichten erklärt worden, seit Aidan sein zehntes Lebensjahr vollendet hatte. Einige besonders kühne Edelleute hatten das Thema sogar schon davor zur Sprache gebracht.

Mittlerweile wurde es jedoch Zeit, dass sein ältester Sohn und Erbe heiratete und mehr Verantwortung im Clan übernahm, indem er sich um die Verwaltung der Anwesen, der Geschäfte und der Kampftruppen kümmerte. Connor hatte lange genug zugesehen, wie sein Sohn von einem Bett zum nächsten wechselte und hinter jeder Frau her war, die sein Interesse weckte. Er hoffte, dass Aidan zur Ruhe kam, wenn er heiratete und Verantwortung zu tragen hatte.

Aber möglicherweise würde er sich nicht einmal dann ändern.

Dennoch konnten sie nicht länger über sein Verhalten hinwegsehen. Sein Sohn musste eine Familie gründen und die Aufmerksamkeit auf die Angelegenheiten des Clans richten, anstatt sich von fleischlichen Gelüsten treiben zu lassen. Aidan zu fragen, welche von seinen Leuten er losschicken würde, um die Ausbildung der neuen Soldaten zu übernehmen, war ein erster Schritt hin zu dieser Verantwortung. Connor hatte seinen Entschluss längst gefasst, aber durch die Frage, wen Aidan auswählen würde, war er in der Lage gewesen, die Menschenkenntnis seines Sohns auf die Probe zu stellen.

Connor drehte sich um und sah, dass seine Frau soeben das Gemach betreten hatte. Sie lächelte ihrem ältesten Sohn zu, als sie den Raum durchquerte.

„Und? Hast du ihm die Kandidatinnen schon genannt, Connor?“, fragte sie und sah ihn mit einem liebevollen Blick an. Sie hatte ruhig und gelassen gesprochen, doch davon ließ er sich nicht täuschen. Sie wollte noch immer nicht hinnehmen, dass für ihren Sohn die Zeit zum Heiraten gekommen war.

„Ich habe auf dich gewartet, meine Liebe.“

Aidan sah zwischen ihnen beiden hin und her. Connor fand, dass sein Sohn längst daran gewöhnt sein sollte, wie seine Eltern miteinander umgingen, aber nach seiner Miene zu urteilen, schien es ihn trotzdem zu überraschen.

„Und wen zieht Ihr in Betracht?“

„Nach vorausgegangenen Diskussionen haben wir drei vielversprechende Heiratskandidatinnen ausgewählt.“

„Wir?“, hakte Aidan nach. Fast hätte Connor gelacht, da sein Sohn die gleiche Haltung eingenommen hatte wie er – breitbeinig und die Arme vor der Brust verschränkt –, wäre da nicht dieser trotzige Gesichtsausdruck gewesen, den er von seiner Mutter geerbt hatte.

„Die Ältesten des Clans, Duncan, Rurik und deine Mutter“, antwortete Connor und deutete mit einem Nicken auf Jocelyn. „Sie hat darauf bestanden, bei jedem Gespräch über deine zukünftige Braut mitzureden.“

„Und wer sind diese drei Kandidatinnen?“, fragte Aidan.

„Die Erste ist Margaret Sinclair of Caithness“, erklärte Jocelyn.

„Die Großnichte des Earls?“

Rurik war der illegitime Sohn von Erengisi Sunesson, Earl of Orkney, der den Titel durch seine Heirat erlangt hatte. Allerdings war aus der Verbindung kein rechtmäßiger Erbe hervorgegangen. Zwar hatte es einen Sohn gegeben, Ruriks Halbbruder, doch dessen von niemandem beklagter Tod vor ein paar Jahren bedeutete, dass der Titel des Vaters nicht länger in der Familie verbleiben konnte. Jemand aus dem Clan der Sinclairs würde die Nachfolge antreten, sobald Erengisi Sunesson starb. Eine Ehe zwischen Aidan und Margaret würde die MacLeries mit einer der mächtigsten Familien des Nordens verbinden.

„Aye.“

„Und die Zweite?“, fragte Aidan beiläufig.

Connor bemerkte Jocelyns verwunderten Blick. Aidans Desinteresse an einer Ehefrau war noch viel stärker als von ihnen beiden erwartet. Er nickte ihr zu, damit sie fortfuhr, während er die Reaktion seines Sohnes beobachtete.

„Alys MacKenzie“, sagte Jocelyn. Da sich die MacLeries den Mathesons und deren mächtigen Verbündeten aus den Highlands, den MacKenzies, angenähert hatten, war es durchaus sinnvoll, eine direkte Verbindung zu Letzteren in Erwägung zu ziehen.

„Nein“, sagte Aidan und schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Keine MacKenzie.“

Jocelyn schaute ihren Mann verblüfft an. Weder sie noch er hatte damit gerechnet, dass die bloße Nennung des Namens solchen Widerstand auslösen würde.

„Wir stehen noch ganz am Anfang der Unterhandlungen, Aidan. Hör dir einfach nur an, wen wir ausgesucht haben.“ Connor nickte seiner Frau zu, damit sie den dritten Namen nannte.

„Die Dritte ist Elizabeth Maxwell.“ Sie war die älteste Tochter von Lord Maxwell, ihre Familie war eng mit den Berkeleys in England verbunden – für die MacLeries eine gute Möglichkeit, um im benachbarten Königreich Einfluss zu nehmen.

Schweigen folgte der Namensnennung, und Aidans Miene zeigte keine Regung. War er desinteressiert? Oder resigniert? Connor vermochte es nicht zu sagen. Schließlich seufzte er gedehnt und nickte.

„Und was habt Ihr geplant, wie das ablaufen soll? Werde ich dabei irgendetwas mitzureden haben?“, fragte Adain.

„Deine Mutter hat mich davon überzeugt, dass du das letzte Wort haben solltest, da alle drei Kandidatinnen von unserer Seite aus akzeptabel sind.“ Connor stellte sich zu Jocelyn. „Alle drei sind eingeladen worden, Lairig Dubh zu besuchen, damit du sie kennenlernen und darüber urteilen kannst, welche von ihnen zu dir passt.“

„Wann werden diese Besuche stattfinden?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, nachdem wir an der Hochzeitsfeier deines Onkels teilgenommen haben.“

Aidan kannte die Geschichte: Sein Onkel Athdar hatte seinen Anspruch auf Ruriks Tochter angemeldet, nachdem Isobel sich im letzten Winter kurzerhand in seiner Feste versteckt hatte. Der Ehre halber war er mit ihr ein Handfasting eingegangen, nachdem er sie entdeckt hatte. Die kirchliche Trauung sollte den Bund besiegeln, der sich bereits als fruchtbar erwies.

Aidan spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel. Ihm blieb noch etwas Zeit. Auch wenn er wusste, zu heiraten war seine Pflicht und diente den Interessen des Clans, wollte er diesen Schritt noch nicht unternehmen. Er genoss sein Leben, und eine Frau an seiner Seite zu haben, die er zugunsten von Allianzen und Verträgen ehelichen musste, würde es für ihn schwierig machen, seinen persönlichen Vergnügungen nachzugehen. Immerhin hatte er sich längst viel zu sehr daran gewöhnt, das zu tun, was er wollte und mit wem er es wollte.

Aber zurzeit wollte er aus einem bestimmten Grund nicht nach einer Ehefrau Ausschau halten, und aus genau dem gleichen Grund wollte er auf dieser Liste möglicher Bräute keine MacKenzie sehen. Und dieser Grund hatte auch einen Namen: Catriona MacKenzie. Ihr am Brunnen zu begegnen, war ein glücklicher Zufall gewesen, und er wollte mehr Zeit haben und die Gelegenheit dazu bekommen herauszufinden, was sich hinter diesen Augen und diesem Lächeln verbarg. Er brauchte Zeit, frei von den Anforderungen seiner Familie, damit er sie verführen konnte.

„Dann also nach der Hochzeit“, sagte er und sah zwischen seinen Eltern hin und her. Dabei gab er sich Mühe, nicht allzu hoffnungsvoll zu wirken, während er auf die Entscheidung der beiden wartete.

„Ich werde Duncan sagen, dass er mit den Familien Verbindung aufnehmen soll“, verkündete sein Vater, der ihn so eindringlich ansah, als wollte er seine Gedanken lesen. „Die Straßen sind jetzt überall im Land wieder frei.“

Aidan atmete erleichtert auf. „Wenn es sonst nichts mehr gibt …?“

Sein Vater schüttelte den Kopf. Aidan ging zu seiner Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. So wie üblich nahm sie keine Rücksicht auf sein Alter. Sie fuhr ihm durchs Haar und berührte seine Wange, als wäre er noch ein kleiner Junge. „Wirst du zum Essen da sein?“

„Aye, das werde ich“, antwortete er.

Da es nichts weiter zu bereden gab und noch andere Aufgaben zu erledigen waren, verließ Aidan das Gemach und begab sich in den Hof, wo seine Freunde sich im Schwertkampf übten. Er fühlte sich rastlos und musste sich irgendwie betätigen. Da er um Catriona einen Bogen machen musste, bis ihr Mann abgereist war, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Kampf zu suchen.

Laut lachend überquerte er den Hof und rief seinen Freunden herausfordernde Bemerkungen zu. So, wie Catriona sein Blut zum Kochen brachte, würde es ein langer Nachmittag auf dem Übungsplatz werden.

3. KAPITEL

Zwei Tage waren vergangen, seit Gowan abgereist war, um seinen neuen Auftrag zu erledigen, und Cat kehrte wieder zu den Gewohnheiten zurück, die zu ihrem Alltag dazugehörten, wenn sie allein zu Hause war. Abgesehen von Munro, der an mehreren Abenden in der Woche zum Essen zu ihr kam, war sie auf sich allein gestellt, was die Erledigung der im Haus anfallenden Arbeiten betraf. Andererseits musste sie bei ihren Plänen für den jeweiligen Tag auch niemanden fragen. Wenn sie wollte, konnte sie faulenzen und einfach im Bett bleiben, auch wenn die Sonne schon längst aufgegangen war.

Sie streckte sich auf ihrem Lager und bemerkte, wie kühl sich die Luft an ihren Händen anfühlte. Ihr wurde klar, dass sie ein Feuer in dem kleinen Kamin entzünden musste, wenn sie nicht frieren wollte. Mit einem Mal war sie hellwach und wusste, dass sie nicht noch eine Weile schlafen können würde. Also schlug sie die Decke zur Seite und schauderte in der kühlen Luft. Sie beeilte sich, ein Feuer zu entzünden, und legte ein wenig Torf nach, als der Zündspan brannte. Dann schlang sie das Tuch um die Schultern, damit ihr warm genug war, während sie das Frühmahl vorbereitete.

Zwar war Munro am Abend zuvor zum Essen hergekommen, aber er übernachtete nie hier, und wenn sein Vater nicht zu Hause war, hielt er sich auch nicht länger auf, als er für die Mahlzeit benötigte. Unwillkürlich musste sie seufzen. Gowans Sohn war von dem Tag an gegen diese Ehe gewesen, als er von den Heiratsplänen seines Vaters erfahren hatte. Dass es eine reine Zweckehe war, kümmerte den jungen Mann nicht. Er hielt es für verfehlt, dass sein Vater sich, kaum dass er Witwer war, wieder verheiratet hatte. Zumal er keine Frau brauchte, denn es gab keine kleinen Kinder, die der Fürsorge einer Mutter bedurften. Allerdings fragte sich Catriona auch, ob es noch andere Gründe für diese strikte Ablehnung gab, da er ihr gelegentlich äußerst eindringliche Blicke zuwarf.

Sie schüttelte ihr Unbehagen ab und beschloss, nach dem Frühmahl das allem Anschein nach beständige Wetter zu nutzen, um abgebrochene Zweige einzusammeln, die die kleine Fläche gleich neben dem Cottage, die einmal ihr Garten werden sollte, übersäten. Wenn das Wetter endlich besser wurde, wollte sie versuchen, den Bereich zu vergrößern, auf dem sie Gemüse und Kräuter züchten konnte. Nachdem sie und Gowan nach der letzten Ernte von Herzen über die klägliche Ausbeute gelacht hatten, war sie entschlossen, in diesem Jahr ein besseres Ergebnis zu erzielen.

Ganz der nette und freundliche Mann, der er seit ihrer ersten Begegnung war, hatte er ihr vorgeschlagen, doch einmal mit Lady Jocelyn zu reden, unter deren Aufsicht die Gärten der Feste Jahr für Jahr aufblühten. Da sie noch nicht lange genug in Lairig Dubh war und sich nicht für bedeutsam genug hielt, um die kostbare Zeit von Lady Jocelyn zu vergeuden, hatte sie den Vorschlag dankend abgelehnt und stattdessen einige Frauen aus dem Dorf befragt, die mit ihren Gärten auch sehr erfolgreich waren.

Sie würde ihrem Gemahl auf jede nur mögliche Weise zeigen, dass sie es wert war, seine Frau zu sein. Gowans Handeln hatte ihr das Leben gerettet, und dafür würde sie sich niemals angemessen revanchieren können. Das konnte sie aber weder Munro noch sonst einem Menschen erklären, da sie dann gezwungen gewesen wäre, auch ihre schreckliche Schmach zu schildern. Also bemühte sie sich, alles zu tun, um Gowan das Leben so angenehm wie möglich zu machen, damit er keinen Grund hatte, es zu bereuen, sie zur Frau genommen zu haben. Der Garten sollte zu diesen Dingen gehören, die ihn hoffentlich mit Stolz erfüllen würden.

Nachdem sie sich angekleidet und gestärkt hatte, trat Cat vor das Cottage und begann mit ihrer Arbeit.

Der Morgen verging schnell, während sie die Zweige und kleinen Äste aufsammelte, die der letzte Sturm abgerissen hatte. Anschließend warf sie die Steine, die den harten Boden bedeckten, in einen Weidenkorb. Rücken und Schulter taten ihr von der anstrengenden Arbeit weh, aber als sie sah, wie viel sie letztlich geschafft hatte, gab das ihrer Stimmung gleich wieder Auftrieb.

Zurück im Cottage wusch sie sich die Hände und aß etwas Suppe und ein Stück Brot, ehe sie sich auf den Weg zu einer der Frauen im Dorf machte, die kurz zuvor ein Kind zur Welt gebracht hatte. Sosehr sie sich auch bemühte, dieses Gefühl von Leere von sich fernzuhalten, so scheiterte sie jedes Mal, sobald sie das Neugeborene ihrer Freundin sah. Und das Wissen, dass sie niemals ein eigenes Kind haben würde, verstärkte das Gefühl noch. Immer wenn sie den Säugling in den Armen hielt, kam es ihr vor, als würde ihr Herz zerdrückt werden. Um diese tief sitzende, von der Leere in ihrem Leben ausgelöste Traurigkeit zu bekämpfen, lenkte sie sich mit so viel Arbeit wie nur möglich ab.

Auf dem Weg zu Muirealls Cottage lief ihr auf einmal ein Schauer über den Rücken, da sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Doch als sie sich umsah, konnte sie niemanden entdecken, der ihr besondere Aufmerksamkeit widmete. Sie setzte ihren Weg fort. Erst kurz bevor sie das letzte Cottage erreichte, sah sie ihn.

Aidan MacLerie.

Der Sohn des Earls stand da und sah sie mit einem unverhohlen verlangenden Ausdruck in den Augen an. Er kam nicht näher und sprach sie nicht an, aber er wandte auch nicht den Blick zur Seite. Im Vorbeigehen nickte sie ihm zu, dabei sah sie ihm kurz in die Augen. Ihr Magen verkrampfte sich, ebenso ihre Brust, als sie durchzuatmen versuchte. Schweiß lief ihr in den Nacken, ein weiteres Anzeichen dafür, dass ihr die Aufmerksamkeit nicht gleichgültig war, die er ihr schenkte.

Cat zwang sich, ganz normal einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dabei versuchte sie einerseits der Anwesenheit dieses jungen Mannes keine besondere Bedeutung beizumessen, andererseits den Hoffnungsschimmer zu ignorieren, dass er sie ansprechen würde. Sie bog eben vom Hauptweg auf einen schmaleren Pfad ab, um zu Muirealls Cottage zu gelangen, da begrüßte er sie:

„Ich wünsche Euch einen guten Tag.“

Sie hielt inne und nickte. „Ich wünsche Euch auch einen guten Tag, Mylord.“ Cat wagte einen Blick in seine Richtung und stellte fest, dass er sich zwar nicht von der Stelle gerührt hatte, sie aber immer noch ansah. Die Haut begann an der Stelle, an der er ihr Handgelenk geküsst hatte, zu kribbeln und erinnerte sie an sein verwegenes Handeln.

„Aidan“, sagte er und kam zwei Schritte auf sie zu. „Ihr müsst mich Aidan nennen.“

Sofort schüttelte sie den Kopf und deutete einen Knicks an. „Das wäre unpassend, Mylord. Wir kennen uns nicht, und Ihr seid der Sohn des Earls.“

Seine Augen leuchteten auf, ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Ihr kam der Verdacht, dass sie soeben irgendeine Herausforderung ausgesprochen hatte, die anzunehmen für ihn ein besonderes Vergnügen darstellte. Er näherte sich ihr, bis er neben ihr stand. Cat schaute sich um, ob andere Dorfbewohner unterwegs waren. Auch wenn sie niemanden entdecken konnte, der ihre Begegnung neugierig beobachtete, minderte das ihre Unruhe nicht. Ganz im Gegenteil, der Sohn des Earls würde sich womöglich noch kühner geben, wenn er wusste, dass niemand in der Nähe war.

„Dann wollt Ihr also sagen …“, begann er, wobei er ihr Kinn leicht anhob, damit er ihr in die Augen sehen konnte, „… wenn wir uns besser kennen würden, könntet Ihr mich ohne Mühe mit meinem Namen anreden?“ Zwar ließ er ihr Kinn wieder los, strich aber mit dem Finger über ihre Wange und weiter hinunter zum Hals. „Dann sollten wir uns doch einfach näher kennenlernen.“

Seine Berührung ließ in ihr eine Vielzahl von Gefühlen erwachen, doch sie wusste nur zu gut, dass dies die falschen Gefühle waren. Seine Stellung als Sohn und Nachfolger des Earls verlieh ihm große Macht über Menschen wie sie. Und ihr war bekannt, dass schon viele Frauen bereitwillig sein Bett geteilt hatten. Aber sie konnte keine von diesen Frauen sein. Niemals würde das möglich sein. Sie würde ihr Versprechen gegenüber ihrem Ehemann ehren. Dass sie Gowan zutiefst verpflichtet war, ließ sie zur Vernunft kommen. Sie wich vor Aidan zurück und schüttelte erneut den Kopf.

„Ich glaube, unsere Bekanntschaft sollte nicht vertieft werden, Mylord. Ich lebe im Dorf Eures Vaters, und ich weiß, wo mein Platz ist. Mir ist klar, dass ich keiner Eurer Forderungen widersprechen darf, aber ich flehe Euch an, mich meiner Wege gehen zu lassen.“

Sein Blick wanderte nach unten, sie folgte ihm und musste erkennen, dass sie sein Handgelenk umfasst hielt, als sie ihre Bitte vorgetragen hatte. Diese körperliche Nähe erschreckte sie, aber schlimmer noch war die Tatsache, dass sie einen anderen Mann als ihren eigenen berührt hatte. Hastig ließ sie ihn los und trat einen Schritt nach hinten. Während sie darauf wartete, wegen ihres Verhaltens von ihm getadelt zu werden, wagte sie es, ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Verlangen war einem überraschten Ausdruck gewichen.

„Ich bitte um Verzeihung“, sagte er, ging zur Seite und machte ihr so den Weg frei. „Ich wollte lediglich Eure Bekanntschaft machen, da ich Euch bislang nicht gekannt habe. Ich würde niemals etwas von Euch verlangen, das Ihr mir nicht aus freien Stücken geben möchtet.“

War sie einem Missverständnis erlegen? Hatte sie ihm soeben etwas vorgeworfen, das er gar nicht vorgehabt hatte? Sie besaß nur sehr wenig Erfahrung mit Männern, und noch schlechter war es um sie bestellt, wenn es um Männer ging, die so mit ihr zu schäkern versuchten, wie er das machte.

„Und ich bitte um Entschuldigung, Mylord, falls ich Euch beleidigt haben sollte. Meine Freundin wartet bereits auf mich.“ Zum Beweis hielt sie ihren Beutel hoch, in dem sich Flickwäsche befand, der ihr das Gefühl gab, einen Schutz gegen den Mann zu bieten, damit er nicht noch einmal zu nahe kam. „Habe ich Eure Erlaubnis, mich zu entfernen?“

„Einen guten Tag, Catriona MacKenzie“, entgegnete er nur.

„Einen guten Tag“, erwiderte sie. „Mylord“, kam ihr dann noch über die Lippen, ehe sie es verhindern konnte. Die Antwort darauf war ein tiefes, sehr männliches Lachen.

Welcher Teufel hatte sie dazu angespornt, ihn noch einmal herauszufordern? Als sie vor der Tür von Muirealls Cottage stand, wagte sie einen flüchtigen Blick über die Schulter. Er stand noch immer da und beobachtete sie. Sie klopfte an, dann öffnete sie die Tür und trat ein, wobei sie Muirealls Namen rief. Sie hoffte, dass die Aufgaben, die in dem kleinen Haus auf sie warteten, sie von dem Mann da draußen ablenken würden. Sie begrüßte die frischgebackene Mutter, die auf einem Stuhl saß und ihr Neugeborenes stillte.

„Du hast so einen roten Kopf, Catriona“, wunderte sich Muireall. „Geht es dir nicht gut?“

„Doch, doch, es geht mir gut.“ Sie legte den Beutel mit Wäsche auf den Tisch und begann die Kleidungsstücke herauszuholen und der Größe nach zu ordnen. Als ihr auffiel, dass Muireall schwieg, drehte sie sich um und bemerkte deren amüsierten Blick. „Hast du noch mehr, was gestopft werden muss? Oder kann ich irgendetwas anderes für dich erledigen?“, fragte sie.

„Du versuchst nur mich davon abzuhalten, dass ich merke, wie rot deine Wangen sind und wie sehr du außer Atem bist.“ Muireall hob den Säugling hoch und legte ihn an ihre Schulter, damit sie ihm über den Rücken reiben konnte. Sie stand auf und stellte sich zu Cat. „Irgendetwas oder irgendjemand hat dich so erröten lassen.“

„Muireall, ich bin eine verheiratete Frau! Ich würde niemals …“

„… Spaß haben wollen?“ Ihre Freundin lachte und strich ihr über die Wange. „Du bist Gowan eine gute Ehefrau, aber das bedeutet nicht, dass du deswegen niemals lachen oder keinen Spaß haben darfst.“

„Ich verdanke ihm so viel“, begann Cat und verstummte gleich wieder.

„Ich weiß, dass du das glaubst. Aber du darfst nicht vergessen, dass du Gowans Leben wieder mit Freude erfüllt hast. Damit ist jede Schuld beglichen, die du ihm gegenüber zu haben glaubst.“

Muireall war eine von den wenigen, die die Wahrheit über ihr Leben wussten und denen auch bekannt war, wie Gowan sie gerettet hatte. Aber sie kannte nicht alle Einzelheiten.

„Und? Wer hat es geschafft, dir so viel Farbe ins Gesicht steigen zu lassen?“

Catriona behagte es gar nicht, wie dicht Muireall an der Wahrheit war. Lachend winkte sie ab und nahm ihr den Säugling aus den Armen. Sie drückte den kleinen Donald sanft an sich und rieb ihre Wange am Kopf des Jungen, während sie gegen diese Sehnsucht ankämpfen musste, die sich in der Gegenwart kleiner Kinder immer regte. Doch Kinder hatte ihr Gowan keine versprochen, sondern nur ein sicheres Zuhause und jemanden, der für sie sorgte. Es war egal, wonach sie sich sehnte, sein Angebot war gut gewesen, und sie bereute es bis zum heutigen Tag nicht, dass sie es angenommen hatte.

„Hat Hugh dir schon einmal erzählt, wie beharrlich ich sein kann, wenn ich etwas Bestimmtes will?“, fragte Muireall. „‚Wie ein Hund, der es auf einen Knochen mit saftigen Fleischresten daran abgesehen hat‘, sagt er immer dazu.“ Ihre Freundin lachte ausgelassen und nahm ihr Kind wieder an sich. „Also noch einmal: Wer hat dir dieses Lächeln auf deine Lippen gezaubert?“

Catriona zögerte aus vielerlei Gründen, doch dann flüsterte sie den Namen, weil sie das Gefühl hatte, wenn sie ihn geheim hielt, verlieh ihm das Macht über sie. „Aidan MacLerie.“

„Er ist ein stattlicher Bursche, nicht wahr? Er kommt ganz nach seinem Vater … auch was seine Größe angeht“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.

Angesichts von Muirealls freimütiger Beurteilung von Aidans … Größe bekam Catriona den Mund nicht mehr zu!

„Auch wenn ich verheiratet und Mutter bin, heißt das nicht, dass ich einen gut aussehenden jungen Mann wie ihn nicht wahrnehme“, gestand Muireall. Was Catriona an ihrer Freundin so mochte, war diese bodenständige, ehrliche Denk- und Lebensweise. Sie wusste, Muireall liebte ihren Ehemann von ganzem Herzen, und von einem gut aussehenden jungen Mann Notiz zu nehmen, hatte im Hinblick auf diese aufrichtige Liebe nichts zu bedeuten. „Ich würde mir eher Sorgen um dich machen, wenn ein Mann wie Aidan MacLerie dich nicht erröten ließe.“

„Aye, Muireall, ich habe den Jungen bemerkt“, gab sie zu und musste ungewollt lächeln, sowohl über ihr Eingeständnis als auch über die Erinnerung an den jungen Mann. Dann sortierte sie weiter die Kleidung und hoffte, dass das Thema nun abgeschlossen war.

„Junge?“, wiederholte Muireall amüsiert. „Dieser Junge ist schon seit Langem ein Mann!“

Cat musste kurz lachen, dann zuckte sie mit den Schultern. „Das ist für mich ohne Belang.“

„Er wird nach seinem Vater den MacLerie-Clan führen. Nach allem, was ich von meinem Bruder höre, hat der junge Aidan bei seinem Vater einen guten Stand.“ Ihr Bruder Gair war der Steward des Earls und befand sich damit in einer Position, die es ihm erlaubte, das Können und die Stärken und Schwächen des Erben einzuschätzen.

Cat ging zur Truhe neben der Schlafstatt und legte die Kleidung hinein. Da sie nicht im Dorf aufgewachsen war, wusste sie nicht viel über den Earl und seine Familie. Jedenfalls nicht annähernd so viel wie Muireall.

„Wie alt ist Aidan?“, fragte sie, nachdem ihre Neugier geweckt worden war.

„Er ist zweiundzwanzig Jahre alt.“ Also fünf Jahre jünger als sie. So alt wie Munro.

„Und wohl auf der Suche nach einer Braut?“ Während sie die Frage in einem hoffentlich beiläufig klingenden Tonfall stellte, vermied sie es, Muireall anzusehen. Aber da ihre Freundin keine Antwort gab, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu ihr umzudrehen. Muirealls Augen funkelten vergnügt, nein, nicht nur vergnügt, sondern auf eine unheilvolle Art schelmisch.

„Ja, ich bin neugierig“, gab sie zu. „Aber das ist auch schon alles.“

„Ah, dann bist du also doch aus Fleisch und Blut. Ich hatte schon daran gezweifelt, Catriona.“

Muireall war eine besondere Sorte Frau – eine, die das Leben genoss und die nicht einen Augenblick verstreichen ließ, ohne etwas oder jemanden in ihrer Umgebung wertzuschätzen. Ob es der Sonnenschein nach einem Unwetter war, das Lächeln ihres Kindes, der Klang der Stimme ihres Ehemannes, alles genoss sie mit Leib und Seele. Mit ihrem fröhlichen, unbeschwerten Wesen zog sie andere Menschen an wie Nektar die Bienen, und auch Cat fühlte sich zu ihr hingezogen. So gern wäre sie wie Muireall gewesen. Sie besaß all das, was sie auch für sich hätte haben wollen. Doch schließlich hatte sie sich eingeredet, auch ohne diese Dinge leben zu können.

Konnte es sein, dass sie zu allen anderen auf Abstand gegangen war, weil sie mit aller Macht versucht hatte, für Gowan das zu sein, was er brauchte und wollte? Genau genommen hatte er nie gesagt, was er eigentlich von ihr erwartete, weder als er sie bat seine Frau zu werden, noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt. Sie tat das, was eine gute Ehefrau ihrer Meinung nach tun sollte, wenn sie die zweite Ehefrau war und keine Kinder zu versorgen hatte. Sie putzte, sie nähte, sie flickte, sie kochte und sie putzte. Ihre Aufmerksamkeit galt ihm, wenn er daheim war. War das nicht letztendlich das, was sie tun sollte?

„Um deine Frage zu beantworten: Er sollte längst verheiratet sein, aber bislang hat er sich dagegen gesträubt. Ein junger Mann, der das tut, wonach ihm der Sinn steht.“

„Junge Frauen verführen?“, entgegnete Cat, hielt sich aber gleich darauf die Hand vor den Mund, weil sie etwas so Dreistes gesagt hatte.

Danach zu urteilen, wie er mit ihr geschäkert hatte, war er sehr, sehr gut in dem, was junge Männer so machten. Und es gab zahlreiche Frauen, die nichts dagegen einzuwenden hatten, das Bett mit dem Sohn des Earls zu teilen. Doch sie war keine von diesen Frauen.

Autor

Terri Brisbin
<p>Das geschriebene Wort begleitet Terri Brisbin schon ihr ganzes Leben lang. So verfasste sie zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bis sie 1994 anfing Romane zu schreiben. Seit 1998 hat sie mehr als 18 historische und übersinnliche Romane veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade ihr Leben als Liebesromanautorin in New Jersey genießt, verbringt...
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