Entführt auf die Insel der Träume

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Ein schwacher Moment kann ein ganzes Königreich zu Fall bringen. Das weiß Prinz Zakary Montegova nur zu gut. Weshalb er sich keine Gefühle erlaubt. Bis er in heißer Leidenschaft für seine Assistentin Violet entbrennt. Das Verlangen zwischen ihnen ist stärker als jede Vernunft. Mit dramatischen Folgen für ihn, seinen Thron und sein Herz! Doch seinen Antrag lehnt Violet ab. Zakary handelt: Er entführt die bezaubernde Schönheit auf sein entlegenes Inselparadies in der Karibik. Kann er sie unter Palmen zu einem Ja verführen?


  • Erscheinungstag 20.10.2020
  • Bandnummer 2462
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714468
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Violet Barringhall rang sich ein Lächeln für den adrett gekleideten Boten ab, bevor sie ihre Wohnungstür wieder schloss. Widerwillig sah sie den dicken Umschlag an, den er ihr überreicht hatte.

Sie brauchte nicht hineinzusehen, um zu wissen, von wem er kam. Das goldene Wappen, das auf dem weißen Kuvert prangte, war unverkennbar. Dazu musste man nicht einmal über jahrelange Erfahrungen mit der Familie verfügen, die dieses Emblem voll Stolz und unverhohlener Überheblichkeit trug.

Zumal Violet momentan einer täglichen Extraportion ebenjener Arroganz ausgesetzt war – in Form von Seiner Königlichen Hoheit Prinz Zakary Philippe Montegova, dem Absender des Briefs, den sie in der Hand hielt.

Denn sie war seit drei Monaten sein Mädchen für alles. Es war die reinste Hölle. Der Prinz kommandierte sie ständig herum und stellte völlig überzogene Ansprüche an sie. Er verlangte sich selbst Höchstleistungen ab und erwartete, dass sein Umfeld es genauso machte.

Er war Geschäftsführer des Montegova-Fonds, einer Stiftung, die sich um die Wirtschaftsinteressen Montegovas im Ausland ebenso kümmerte wie um wohltätige Zwecke und Umweltschutzmaßnahmen rund um den Globus. Unter seiner Ägide hatte es die Stiftung zu internationalem Ruhm gebracht.

Nach dem Tod seines Vaters vor über zehn Jahren bestimmte seine Mutter, die Königin, zusammen mit ihm und seinem Bruder, dem Kronprinzen Remi Montegova, die Geschicke des Landes. Gemeinsam hatten sie das kleine, aber sehr wohlhabende Königreich am Mittelmeer noch weiter vorangebracht.

Während andere sich damit zufriedengegeben hätten, über mehrere Milliarden zu verfügen und respektiert und verehrt zu werden, arbeitete Zak wie ein Getriebener. Er gab stets hundert Prozent. Das galt auch für sein Liebesleben; er wechselte mit atemberaubender Geschwindigkeit die Partnerinnen.

Doch daran wollte Violet lieber nicht denken. Überhaupt hätte sie Zak Montegova gern für immer aus ihrem Gedächtnis getilgt.

Aber das war vorerst nicht möglich. Sie war vertraglich dazu verpflichtet, ihm während ihrer Tätigkeit für die Stiftung jederzeit auf Abruf zur Verfügung zu stehen. Und auch wenn sie Vorbehalte gegenüber Zak hatte, durfte sie nicht vergessen, dass die Arbeit für die Stiftung ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt in ihrem Lebenslauf war und nicht nur ihren Abschluss als Stadtplanerin perfekt ergänzte, sondern sie obendrein ihrem Ziel näher brachte, im Umweltschutz zu arbeiten. Das war auch der Grund dafür, dass sie die vorübergehende Versetzung nach New York ohne langes Zaudern angenommen hatte, obwohl ihr die Entscheidung nicht leichtgefallen war.

Denn abgesehen davon, dass sie jedes Mal im Erdboden versinken wollte, wenn sie an die vergangenen Erfahrungen mit Zak zurückdachte, spielte Violets Arbeit für seine Stiftung ihrer Mutter direkt in die Hände, die ihre Töchter unbedingt mit Männern der High Society verkuppeln wollte.

Obwohl die Geschichte mit Zak schon einige Jahre her war, hatte Violet die Angelegenheit noch immer nicht vergessen können. Wie ein ständig wiederkehrender Albtraum spielte sich die Szene jedes Mal vor ihrem inneren Auge ab, wenn sie mit Zak zusammen war.

Sie dachte an die herablassenden Worte, mit denen er sie an ihrem achtzehnten Geburtstag im Garten ihrer Mutter zurückgewiesen hatte, bevor er in der Gewissheit, dass sie zum Kreis seiner Verehrerinnen gehörte, davonstolziert war. Bei der bloßen Erinnerung daran errötete sie.

Kurz nach jenem denkwürdigen Abend vor sechs Jahren war ihr Vater an einem Herzinfarkt gestorben, und nicht lange darauf hatte sie erfahren, dass das luxuriöse Leben ihrer Familie auf Lügen aufgebaut gewesen war.

Die erschreckende Tatsache, dass der Graf und die Gräfin Barringhall nicht so wohlhabend gewesen waren, wie sie vorgegeben hatten, sondern dass sie kurz vor dem Bankrott gestanden hatten, war öffentlich bekannt geworden. Obwohl Violet damals weit weg von zu Hause an der Uni gewesen war, hatte man sie verhöhnt und über sie getratscht. Die sozialen Medien hatten ihren Teil dazu beigetragen, die Geschichte vom Absturz der Barringhalls auf der ganzen Welt zu verbreiten.

Nach Abschluss ihres Studiums hatte sich Violet in die Arbeit für den International Conservation Trust gestürzt. Und weil die gehobenen Posten bei der Umweltschutzorganisation stets an erfahrene Kollegen gingen, hatte sie die befristete Stelle bei Zak angenommen und ihrer Entsendung nach New York gern zugestimmt, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Und das, obwohl ihr klar war, dass ihre Mutter nichts unversucht ließ, sie unter die Haube zu bringen.

Zu gern hätte Violet ihrer Mutter Margot, die eng mit der Königin von Montegova befreundet war, begreiflich gemacht, dass ihre Bemühungen vergeblich waren. Zak Montegova hatte Violet bereits vor sechs Jahren unmissverständlich gezeigt, was er für sie empfand. Und auch während der vergangenen Wochen hatte er sie deutlich spüren lassen, dass sie für ihn so gut wie gar nicht existierte.

Darum fragte sie sich, warum er ihr einen Brief in ihre kleine Wohnung in Greenwich Village geschickt haben mochte. Sie schob einen Finger unter die Lasche und öffnete das Kuvert.

Es enthielt eine ebenso knappe wie herrische Nachricht:

Meine Sekretärin ist erkrankt. Sie werden mich an ihrer Stelle zur Wohltätigkeitsveranstaltung des Umweltschutzvereins begleiten, die in einer Stunde beginnt. Ein Chauffeur ist kurz vorher bei Ihnen. Ich möchte nicht enttäuscht werden.

Im letzten Satz schwang jener mahnende Unterton mit, der ihr in den vergangenen Wochen so viele schlaflose Nächte bereitet hatte wie zuvor kaum etwas in ihrem Leben.

Es war ihr ungeheuer wichtig, sich in jeder Hinsicht vorbildlich zu verhalten. Denn so konnte sie vielleicht verhindern, dass man den Verdacht bestätigt sah, sie sei ebenso eine Schmarotzerin mit Selbstbedienungsmentalität wie ihre Eltern. Bislang hatte es sich als relativ zermürbend erwiesen; die sozialen Medien und die Prestigesucht ihrer Mutter hielten die Gerüchteküche beständig am Kochen.

Also musste Violet sich mit harter Arbeit und vollem Einsatz ihren Platz in der Arbeitswelt erkämpfen. Musste denen, die wie Zakary Montegova an ihr zweifelten, beweisen, dass sie sich irrten. Und wenn sie dafür einen Abend lang seine Sekretärin spielen musste.

Außerdem war die Veranstaltung eine einmalige Gelegenheit, ihren Horizont zu erweitern und andere Umweltschützer zu treffen. Warum also dachte sie vor allem an Zak? Warum klopfte ihr Herz wie verrückt bei der Vorstellung, ihn heute noch einmal zu sehen?

Als ihr Telefon klingelte, schreckte sie auf; sie ahnte, wer dran war, und richtig, es war ihr königlicher Arbeitgeber.

„Hallo?“

„Sie haben meine Nachricht erhalten?“

Es ärgerte sie, dass seine Stimme und sein leichter Akzent ihre Finger zittern ließen. „Ich bin sicher, dass Sie bereits Rückmeldung von dem Boten haben, der mir den Brief ausgehändigt hat, Eure Hoheit“, antwortete sie ein wenig schnippisch, weil es sie ärgerte, dass er ihren Puls so mühelos zum Rasen brachte.

Aber das war schon so, seitdem sie ihn mit zwölf zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte. Damals hatte sie ihn zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sage von ihrem Schlafzimmerfenster aus beobachtet. Sie hatte ihn gerade zum ultimativen Märchenprinzen auserkoren, als er hochgeguckt und ihr in die Augen gesehen hatte. Sie hatte sich vorgestellt, dass er sie aus diesem Elternhaus erlösen würde, in dem ständig getuschelt wurde und die Gespräche stets verstummten, wenn sie und ihre Schwestern den Raum betraten.

Später hatte sie das natürlich albern gefunden. So etwas gab es nur in Büchern. Sie hatte es nicht nötig, gerettet zu werden. Schon gar nicht von einem arroganten Prinzen wie diesem, der sie über das Lenkrad seines Sportwagens hinweg so geringschätzig und unterkühlt angesehen hatte.

Seine Königliche Perfektion reagierte nicht sofort auf ihre Spitze, und sein Schweigen zerrte an Violets ohnehin bereits überstrapazierten Nerven. Er hatte schon immer ein Talent dafür gehabt, sie dazu zu bringen, sich blöd vorzukommen.

Aber nur, weil du es zulässt!

Während sie sich mit zwölf oder achtzehn beeilt hätte weiterzureden, zwang sie sich nun, den Mund zu halten. Doch ihr Herz klopfte wie verrückt, ihre Hände wurden feucht, und sie musste daran denken, wie sie ihn damals einen Moment lang aus der Ruhe gebracht hatte.

Es machte sie rasend, dass sie diesen kurzen Augenblick nicht endgültig vergessen konnte. Diese kleine Kostprobe von Zak, an die sie sich nach all den Jahren noch so lebhaft erinnerte.

„Der Austausch mit Boten fällt nicht in meinen Aufgabenbereich, also verzeihen Sie mir meine Unwissenheit“, antwortete Zakary und holte sie damit ins Hier und Jetzt zurück. Und zu der Tatsache, dass er mit Staatsoberhäuptern und den Chefs der einflussreichsten Firmen der Welt kommunizierte – und sich nicht mit dem gewöhnlichen Fußvolk abgab. „Aber es freut mich, dass die Dringlichkeit meines Anliegens deutlich geworden ist. Dann sind Sie sicher aufbruchbereit?“

„Nein, bin ich nicht. Ich habe Ihre Nachricht erst vor fünf Minuten erhalten. Ich habe noch nicht einmal überlegt, was ich anziehe.“

„Dann überlegen Sie schnell, Violet. Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen.“

„Was? Da stand doch, dass ich in einer Stunde abgeholt werde.“

„Es hat eine kurzfristige Änderung gegeben. Das ist auch der Grund für meinen Anruf. Ein Minister möchte mich vor Beginn der Veranstaltung sprechen.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“

„Da Sie heute die Aufgaben meiner Sekretärin übernehmen, ist Ihre Anwesenheit bei dem Treffen erforderlich. Es sei denn, Sie fühlen sich der Aufgabe nicht gewachsen.“

„Vor nicht allzu langer Zeit habe ich drei Wochen damit verbracht, bei praller Sonne und wenig Schlaf Hunderte von verölten Seevögeln zu reinigen und zu markieren. Ich bin sicher, dass ich in der Lage sein werde, Notizen bei einem Treffen zu machen. Es sei denn, das Gespräch wird nicht in einer der fünf Sprachen geführt, die ich fließend beherrsche“, erwiderte sie und ärgerte sich über ihr Bedürfnis, sich ihm zu beweisen und ihm ihre Fähigkeiten unter die Nase zu reiben.

Andererseits wusste sie aus eigener schmerzlicher Erfahrung, dass man bei Zak mit Zurückhaltung nicht weiterkam. Wenn man mit ihm nicht auf Konfrontationskurs ging, hatte man von vornherein verloren. Auch wenn er grundsätzlich kein Nein akzeptierte, konnte es nicht schaden, den Mann gelegentlich daran zu erinnern, dass sie sich nicht jedem seiner Befehle beugte.

„Ich bin mit Ihrem Lebenslauf vertraut, Lady Barringhall. Sie brauchen nicht daraus zu zitieren, vor allem nicht, wenn die Zeit knapp ist.“

„Natürlich nicht, Eure Hoheit. Und ich brauche Sie auch nicht daran zu erinnern, dass Sie derjenige sind, der mich angerufen hat und mich am Telefon festhält, während ich mich fertig machen müsste.“

„Ah“, antwortete er kühl, „ich war davon ausgegangen, dass Sie multitaskingfähig sind. Aber weil darüber nichts im Lebenslauf stand, muss ich mir diesbezüglich wohl mein eigenes Bild machen. Jetzt bleiben Ihnen noch fünfzehn Minuten, Lady Barringhall.“

Er legte auf, und Violet fluchte, bevor sie in ihr kleines Schlafzimmer sauste, um ihre magere Garderobe nach dem Kleid zu durchsuchen, das sie seit ihrem einundzwanzigsten Geburtstag nicht mehr getragen hatte.

Verdrossen dache sie daran, wie sehr jene Feier sich von der zu ihrem Achtzehnten unterschieden hatte. Von über dreihundert hatte sich die Gästeschar auf gerade mal fünfundzwanzig Personen reduziert, weil ein Großteil ihrer angeblichen Freunde den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, manche auf so grausame Weise, dass die Erinnerung daran immer noch schmerzhaft für Violet war.

Sie hatte das Fest nur über sich ergehen lassen, weil ihre Mutter darauf bestanden hatte, dass das Geld, das sie nicht hatten, für eine Party ausgegeben wurde, zu der keiner kommen wollte. Das Outfit, das sie damals getragen hatte, entstammte wohl eher einem Secondhandshop als einer exklusiven Boutique, wie ihre Mutter behauptet hatte. Doch wo immer das taubengraue Kleid herkam – es war schlicht, aber elegant. Das plissierte Oberteil mit den kurzen Ärmeln ließ Schultern und Rücken frei; der knöchellange Rock aus weich fallendem Chiffon umschmeichelte ihre Hüfte.

Weil sie vorgehabt hatte, früh ins Bett zu gehen, war sie bereits geduscht. Also brauchte sie nur noch in das Kleid zu schlüpfen und sich die Haare zu einem adretten Knoten zu stecken – die von ihrer Großmutter geerbte Perlenkette und ein Hauch ihres Lieblingsparfums würden das Ganze abrunden.

Gerade als sie ihre Schlüssel in die kleine, zu dem Kleid passende Tasche geworfen hatte, klingelte es. Violet öffnete die Tür und erstarrte. Wenn sie schon nicht erwartet hatte, dass der Chauffeur ins Haus kommen würde – damit, dass sie Prinz Zakary Montegova vor der Wohnungstür vorfinden würde, hatte sie ganz sicher nicht gerechnet. Hinter ihm standen die Leibwächter, ohne die er kaum einen Schritt machte.

„Sind Sie immer so unvorsichtig, Ihre Wohnungstür einfach aufzureißen?“, fragte er kühl.

Einen Moment lang dachte Violet, dass sie träumte, doch er stand tatsächlich in dem schummrig beleuchteten Hausflur. Der durchdringende Blick seiner grauen Augen, sein imposanter Körper und der allzu vertraute Duft seines Aftershaves waren nur zu real. „Ich … was machen Sie hier?“

Er sah sie nur spöttisch an.

„Ich meine – Sie hätten nicht hochzukommen brauchen. Sie hätten doch anrufen können. Oder einen Ihrer Bodyguards schicken.“

„Und auf diesen interessanten Einblick in Ihr Leben verzichten?“, entgegnete er und musterte Violet so gründlich, dass sie seinen Blick zu spüren meinte – auch an den Stellen, die er nicht sehen konnte.

Das machte sie nervös. Als wäre es nicht genug, dass er im Smoking noch anziehender wirkte als sonst. Seine erotisch-maskuline Ausstrahlung ließ ihn in Violets Augen einmal mehr überaus begehrenswert erscheinen.

Nun spähte er über ihre Schulter hinweg in die Wohnung. Sicher entgingen die Bücher über Umweltschutz seinem scharfen Blick ebenso wenig wie die billigen Möbel. „Störe ich? Hatten Sie gerade Besuch?“, fragte er.

Violet zog die Tür heran; auch wenn es sauber und ordentlich war, wollte sie nicht, dass er ihr kleines Reich zu Gesicht bekam. Zwar war es dafür, dass sie nur vorübergehend hier wohnte, recht gemütlich, aber sehr spartanisch eingerichtet. Und Violet wollte um jeden Preis alles vermeiden, was seine Annahme, die Bemühungen ihrer Mutter, sie vorteilhaft zu verheiraten, seien in Violets Sinne, bestärkte. „Sind Sie etwa hergekommen, um meine wertvolle Zeit damit zu verschwenden, dass Sie mich ausspionieren?“

„Ihre ‚wertvolle Zeit‘?“, erwiderte er. „Ich glaube, Sie haben einen Vertrag unterschrieben, der besagt, dass Sie mir während dessen Laufzeit voll zur Verfügung stehen. Schon vergessen?“

„Ich denke, Sie sehen das falsch. Sie können mir während meiner Arbeit für die Stiftung Anweisungen geben, aber ich brauche Ihnen keine Rechenschaft über die übrige Zeit abzulegen. Was ich in meiner Freizeit tue, geht Sie nichts an.“

„Sind Sie sicher?“, fragte er.

Aus irgendeinem Grund schlug ihr Herz schon wieder schneller. „Was soll das heißen?“

Einen sehr langen Moment sah er sie nur mit zusammengekniffenen Augen an. Dann gab er den Weg frei, sodass Violet die Wohnung verlassen konnte. „Über Ihre außerberuflichen Tätigkeiten müssen wir uns ein andermal unterhalten. Ich möchte den Minister nicht warten lassen.“

Seine ausweichende Antwort verwirrte Violet; sie wusste wirklich nicht, was er meinte. Denn mit ihrer Arbeit hatte es ja offenbar nichts zu tun.

Das sagte sie sich immer wieder, während sie neben ihm die Treppe hinunterging. Schon seine Haltung verriet, dass er kein gewöhnlicher Mensch war, sondern ein Mann, dessen Stammbaum sich ein halbes Jahrtausend lang zurückverfolgen ließ.

Im Erdgeschoss angekommen bedeutete er ihr vorauszugehen. Sie tat es und stutzte, als sie ihn scharf ausatmen hörte. Sie sah über ihre Schulter und meinte, einen Anflug von Verlangen in seinem auf ihren bloßen Rücken gehefteten Blick zu erkennen.

Einen Moment später wirkte Zak schon wieder so gefasst, dass sie sich fragte, ob sie sich seine Reaktion nur eingebildet hatte.

Denn Zak Montegova war ein wahrer Meister der Selbstbeherrschung. Was sicherlich spätestens dem hohen Rang bei der Luftwaffe Montegovas geschuldet war, den er in seinen Zwanzigern innegehabt hatte. Er gab nicht preis, was in ihm vorging.

Doch an jenem Abend …

Er war so voller Leidenschaft gewesen, so ungeduldig und atemlos vor Erregung. Auch wenn er hinterher so getan hatte, als sei nichts geschehen – sie hatte einen kurzen Moment lang hinter seine scheinbar undurchdringliche Fassade geschaut.

Und diesen kurzen Moment hatte sie nie wieder vergessen können. Ganz im Gegensatz zu ihm. Obwohl sie bei den wenigen Malen, die sie ihm danach begegnet war, immer das Gefühl gehabt hatte, dass er sie auf spezielle Weise ansah.

Doch seitdem sie in New York war, wusste sie, dass sie sich getäuscht hatte. Sie hatte sich das alles nur eingebildet. Und wenn sie in ihrem Leben vorankommen wollte, musste sie aufhören, auf diese Art an ihn zu denken.

Und das hatte sie getan. Weitestgehend zumindest.

Nur der letzte, wesentliche Schritt fehlte noch. Sie konnte nicht vergessen, wie wundervoll es sich angefühlt hatte, seine geschickten Hände auf ihrem Körper zu spüren. Konnte ihre eigene Erregung nicht vergessen, die sie länger unempfänglich für andere Männer gemacht hatte, als sie sich eingestehen mochte. Das war auch der Grund dafür, dass sie alle Avancen des anderen Geschlechts mittlerweile abschmetterte. Denn nach ein paar zaghaften Versuchen wusste sie, dass sie ihre Zeit verschwendete. Diese Episoden waren ohnehin von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, weil sich entweder ihre kuppelwütige Mutter eingemischt oder sich herausgestellt hatte, dass die beteiligten Männer nur an ihrem skandalträchtigen Namen interessiert waren. Aber vor allem hatte sie Zakary Montegova nicht vergessen können, diese unübertreffliche Erscheinung, diesen perfekten Märchenprinzen, neben dem jeder andere Mann ihr wie ein unzureichender Ersatz vorkam.

Er stand in dem Ruf, ein Genie zu sein. Während sein Bruder sich um die inneren Angelegenheiten Montegovas kümmerte, war Zak vor allem auf dem internationalen Parkett unterwegs. Staatsoberhäupter hörten auf ihn, was seinen Einfluss im Laufe der Jahre noch stärker hatte werden lassen.

In dem Moment, als sie auf den Bürgersteig hinaustraten, schlug ihnen New York bunt und laut entgegen. Und ein Fahrradkurier sauste so haarscharf an Violet vorbei, dass sie erschrocken zurückwich – und mit Zak zusammenprallte.

Er packte sie an den Armen, um sie am Straucheln zu hindern. Und sah sie mit einer Mischung aus Sorge, Verärgerung und einer unterschwelligen Glut an, die ihr den Atem raubte und ihre Umgebung vollkommen in den Hintergrund treten ließ. Das ungerechtfertigte Geschimpfe des Kuriers. Das Hupen der Taxis und das Zischen von Busbremsen. Den Geruch von Hot Dogs und warmen Brezeln.

Bis sie nichts mehr wahrnahm als Zaks Berührung, die so viel Raum in Violets Bewusstsein einnahm, dass ihr alles andere egal war. Bis sie merkte, dass sie das Atmen vergessen hatte. Und ihr klar wurde, dass sich gerade ihre schlimmste Befürchtung bestätigt hatte.

Hier, an dieser kleinen heruntergekommenen Straßenecke in New York, musste sie sich eingestehen, dass sich hinter Zaks reservierter Fassade immer noch der Mann verbarg, der sie damals in die Arme genommen, sie betörend fachmännisch geküsst und ihr dabei Worte auf Montegovanisch ins Ohr geraunt hatte. Dass sie diesen Mann, dem sie am Abend ihres achtzehnten Geburtstages beinahe ihre Unschuld geopfert hatte, noch immer begehrte. Und dass er der Grund dafür war, dass sie im Alter von vierundzwanzig Jahren nach wie vor Jungfrau war.

Und sie war sich sicher, dass er all das wusste. Sie erkannte es an seinem Blick und spürte es daran, wie er mit dem Daumen über ihre bloße Haut strich – um zu sehen, ob Violet schwach wurde?

Ein Schauer durchlief sie.

Ohne mit der betörenden Liebkosung aufzuhören, unterbrach Zak den Blickkontakt für einen Moment, um ihre Reaktion zu studieren. Es entging ihm sicher nicht, dass ihre Brustwarzen sich aufrichteten – und dass ihr Herzschlag sich ebenso beschleunigte wie ihre Atmung.

Wie betäubt beobachtete sie, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte und etwas Berechnendes bekam. Es war nicht schwer, zu erraten, dass er überlegte, wie er seine Wirkung auf sie ausnutzen könnte.

Er gab einen Laut von sich, der wie eine Mischung aus einem frustrierten Stöhnen und einem befriedigten Brummen klang.

Dieses Geräusch riss Violet aus der Erstarrung.

Sie durfte nicht zulassen, dass Zak durch weitere Zärtlichkeiten bekräftigte, was ihr gerade klar geworden war.

Um keinen Preis.

2. KAPITEL

Schwache Momente konnten ganze Königreiche zu Fall bringen. Zakary Montegova wusste das nur zu gut.

Darum ließ er Violet los, als sie zu der Limousine hastete, die am Straßenrand wartete, und folgte ihr gemessenen Schritts.

Er durfte auf keinen Fall dem heftigen Verlangen nachgeben, das der Anblick ihres bloßen Rückens und ihres knackigen Pos in ihm ausgelöst hatte.

Hatte sein Vater ihm nicht noch über seinen Tod hinaus als abschreckendes Beispiel dafür gedient, was passierte, wenn man sich nicht im Griff hatte? Der Schock war so groß gewesen, dass die Nachwirkungen auf das Königshaus noch immer unübersehbar waren. Man spürte sie in der zurückhaltenden und umsichtigen Art von Zaks Bruder Remi.

In dem stillen Kummer seiner Mutter, den sie hinter der Fassade königlicher Verpflichtungen verbarg. Und in den Kapriolen seines unehelichen Halbbruders Jules – der fleischgewordenen Manifestation der Schwäche seines Vaters.

Wie gefährlich diese Schwäche gewesen war, hatte Zak nur wenige Stunden nach dem Tod seines Vaters und dem Bekanntwerden der Untreue des verstorbenen Königs erfahren. Machthungrige Generäle und schamlose Opportunisten hatten die Instabilität des Königreichs für einen Putschversuch genutzt.

Darum standen bei Zak harte Arbeit und gewissenhaftes Handeln an erster Stelle. Darum misstraute er seinen Mitmenschen. Darum ließ er Frauen nie wirklich an sich heran.

Wie konnte es also sein, dass ihm Violet Barringhall vor sechs Jahren so sehr unter die Haut gegangen war?

Eigentlich hatte er nicht zu der Geburtstagsfeier gehen wollen. Er hatte Besseres zu tun gehabt, als der Freundschaft seiner Mutter zu der verschrienen Margot Barringhall auch noch Vorschub zu leisten. Die glamoursüchtige Klatschbase verkörperte alles, was er verachtete. Doch seine Mutter hatte darauf bestanden, dass er hinging.

Vom ersten Moment an war er von der erwachsenen Version des Mädchens gefesselt gewesen, dem er bis dahin nur zweimal kurz begegnet war. Aus der Stunde, die er hatte bleiben wollen, waren schnell zwei und schließlich vier Stunden geworden. Obwohl ihm das Verhalten ihrer zunehmend betrunkenen sogenannten Freunde missfallen hatte, war er geblieben. Und verzaubert von ihrer schüchternen und zugleich verführerischen Art war er Violet in den Garten gefolgt.

Hatte sie berührt. Hatte sie geküsst. Und danach hatte er sich monatelang nach ihr verzehrt. Er hatte ohne Gewissensbisse Nachforschungen zu den Barringhalls angestellt. Nach dem Tod seines Vaters hatte er es sich zur Routine gemacht, jeden zu überprüfen, der mit dem Königshaus in Verbindung stand.

Insgeheim hatte er mit dem Gedanken gespielt, eine Affäre mit ihr anzufangen. Doch seine Nachforschungen hatten ergeben, dass die Barringhalls alles andere als ehrbare Leute waren. Sie standen bis zum Hals in der Kreide; das vordem beträchtliche Vermögen der Familie hatte der Graf verprasst. Seine Witwe, die einen allzu freundschaftlichen Umgang mit der Regenbogenpresse pflegte, war erpicht darauf, ihren hohen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Seitdem ihre Töchter volljährig waren, versuchte sie, die drei Schwestern zu verheiraten – dabei waren ihr alle Männer recht, die eine einigermaßen dicke Brieftasche hatten.

Zak war ebenso enttäuscht wie erschrocken über das Ergebnis seiner Nachforschungen gewesen; es hatte ihn wütend gemacht, dass er beinahe in die Falle getappt wäre, die Margot Barringhall ihm gestellt hatte. Fortan hatten sie und ihre Töchter ganz oben auf seiner Liste der mit Vorsicht zu genießenden Personen gestanden.

Die Bitte seiner Mutter vor drei Monaten, Violet vorübergehend bei der Stiftung anzustellen, hatte bei ihm alle Alarmglocken klingeln lassen.

Seitdem Violet in New York war, überhäufte er sie mit Drecksarbeit, um sie zur Kapitulation zu bewegen – und dazu, ihre Mutter zu bitten, helfend einzugreifen.

Doch bislang hatte sie sich wacker geschlagen. Aus irgendeinem Grund ärgerte es ihn entsetzlich, dass er sich in ihr getäuscht hatte, weshalb er ihr noch mehr Arbeit aufgebürdet hatte.

Und sie hatte sich noch mehr angestrengt und dabei ein erstaunliches Talent an den Tag gelegt, wenn es darum ging, die Bedürfnisse der Stiftung zu erkennen.

Violet Barringhall war eine härtere Nuss, als er erwartet hatte. Außerdem konnte er sich zu gut daran erinnern, wie sie sich ihm entgegengedrängt und vielversprechende leise Seufzer von sich gegeben hatte. Und dann ihre Scharfzüngigkeit, die so gar nicht zu ihrem schüchternen Auftreten passte! Mehrere Male war es ihr damit fast gelungen, seinen eingerosteten Humor zu reaktivieren.

All das zusammen machte sie so gefährlich. Normalerweise ließ er sich nicht so leicht beeindrucken. Doch diese Frau faszinierte ihn so sehr, dass er drauf und dran gewesen war, einen Riesenfehler zu machen, mit dem er seine Familie ins Unglück hätte stürzen können.

Darum ging er dieser schlanken, aber wohlproportionierten Frau mit ihrem glänzenden kastanienbraunen Haar und den türkisfarbenen Augen lieber aus dem Weg.

Er stieg in den Wagen und sah zu, wie sie ihre Beine auf sonderbar elegante Weise übereinanderschlug und sich dadurch dezent von ihm wegdrehte. Ihr würdevolles Auftreten war ihr sicher in der teuren Benimmschule eingedrillt worden, die ihre Familie sich kaum hatte leisten können. Sie saß kerzengrade da und sah geradeaus; die Hände hatte sie über der Handtasche gefaltet, die auf ihrem Schoß lag.

Doch ihr Puls verriet, dass sie nicht so ungerührt war, wie sie tat. Der Puls, der an ihrem grazilen Hals zu sehen war. Unter der zarten Haut, die er so gern berührt hätte.

Zak merkte, dass er auf dem Sitz herumrutschte. Um Himmels willen, seit wann war er ein solcher Zappelphilipp?

Er ließ seinen Blick über ihren Körper schweifen, über das Dekolleté ihres Kleides, das nervenaufreibend wenig von ihrem Brustansatz zeigte, und sagte sich, dass er einfach nur gereizt war. „Sie scheinen nichts zum Schreiben dabeizuhaben. Wie wollen Sie denn Notizen machen?“

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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