Er, sein Feind und ich

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Im Land der Pharaonen steht Catriona zwischen zwei faszinierenden Männern: Zu ihrem Boss, dem scharfsinnigen Forscher Lucas Kane, fühlt sich Catriona sehr hingezogen. Der reiche und faszinierende Omar Rafiq umwirbt sie mit Luxus. Beide suchen ihre Nähe - und das kann nicht gutgehen, da Lucas und Omar Erzfeinde sind …


  • Erscheinungstag 26.02.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776152
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Flugzeug landete kurz vor Mitternacht in Luxor und rollte die Landebahn entlang. Die Passagiere freuten sich, früher als erwartet anzukommen, und griffen nach ihrem Handgepäck. Catriona saß im Heck des Flugzeugs. Sie hatte Glück gehabt, denn in letzter Minute hatte jemand seine Reservierung rückgängig gemacht, sodass sie noch ein Ticket bekommen hatte.

Jetzt stieg sie aus, und warme Luft schlug ihr entgegen. Die Urlauber, die nun alle das Charterflugzeug verlassen hatten, hatten es eilig, durch die Zollabfertigung zu gelangen und in die wartenden Busse zu steigen, die sie zu Hotels oder Kreuzfahrtschiffen bringen sollten. Catriona ließ sich Zeit.

Die meisten Touristen waren nur für zwei Wochen hier, während sie selbst sehr viel länger bleiben würde. Neben einer Tasche, die ihre Ausrüstung enthielt, schleppte sie sich noch mit einer Reisetasche und einer Tüte zollfreier Getränke ab. Ein träger Beamter stempelte den Pass, und sie fand einen Gepäckwagen, auf dem sie ihre Taschen verstaute. Dann folgte sie den Touristen nach draußen.

Dort herrschte ein ziemliches Durcheinander, denn einige Busse ließen auf sich warten. Doch schließlich hatten die Reiseführer alle Urlauber untergebracht, und die Busse fuhren los. Ungeduldig hielt Catriona nach einem Jeep oder einem Kleintransporter Ausschau, mit dem sie abgeholt werden sollte.

Langsam wurde sie unruhig. Sowie sie am Morgen in England erfahren hatte, dass sie noch einen Platz im Flugzeug ergattert hatte, hatte sie mit dem Leiter des Universitätsinstituts für Ägyptologie telefoniert. Er hatte versprochen, das Grabungsteam in Ägypten zu verständigen, damit sie am Flugplatz abgeholt werden würde. Aber vielleicht hatte er niemand erreicht. Die Vorstellung, womöglich noch Stunden zu warten, behagte ihr gar nicht.

Sie schob ihren Gepäckwagen wieder ins Flughafengebäude und sprach einen europäisch aussehenden Mann an. „Entschuldigung, sprechen Sie Englisch?“ Als er nickte, fuhr sie fort. „Hat Dr. Kane von der Mem-Habu-Ausgrabungsstätte Sie geschickt?“

Der Fremde schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid. Ich bin hier am Flughafen angestellt.“

Catriona bedankte sich und ging wieder nach draußen. Weit und breit keine Spur von einem Auto. Ich gebe ihnen noch eine halbe Stunde, dachte sie. Dann werde ich mir die Telefonnummer heraussuchen und selbst im Grabungslager anrufen.

Da es nirgends eine Sitzgelegenheit gab, zog sie den Gepäckwagen zur Wand und lehnte sich erschöpft dagegen. Ganz in der Nähe warteten zwei Taxis, deren Fahrer ihr von Zeit zu Zeit neugierige Blicke zuwarfen. Schließlich schlenderte einer der Männer zu ihr herüber.

Er war jung, dunkelhäutig und grinste sie an.

„Wollen Sie Taxi?“, fragte er und musterte sie wohlgefällig.

Catriona schüttelte den Kopf. Sie war in der Eile nicht einmal dazu gekommen, etwas ägyptisches Geld einzutauschen. Außerdem wirkte der Mann nicht gerade Vertrauen erweckend.

Der griff jedoch nach ihrem Gepäckwagen. „Ich bringe Sie, wohin Sie wollen.“

„Nein, danke, ich werde abgeholt.“ Sie klang sehr energisch.

„Kein Auto da. Ich Sie fahren.“

Catriona zerrte an ihrem Gepäckwagen. „Nein! Ich habe kein Geld.“ Vielleicht würde ihn das abschrecken.

Offensichtlich glaubte er ihr nicht, denn er zuckte die Schultern und sagte wieder: „Ich Sie fahren.“

Die nächsten Minuten kämpften sie beide um den Gepäckwagen. Der Mann lachte, bis ein Auto neben ihnen hielt. Der Motor war so leise, dass Catriona den Wagen erst bemerkte, als der Fahrer ausstieg und etwas auf Arabisch sagte. Der scharfe Ton erschreckte den Taxifahrer, der sofort herumfuhr und zu seinem Auto eilte.

Er hatte den Gepäckwagen so plötzlich losgelassen, dass Catriona taumelte. Sie fing sich jedoch rasch und musterte enttäuscht den großen schwarzen Mercedes. Dieses brandneue Luxusauto würde wohl kaum zum Grabungsteam gehören. Doch der Fahrer trat zu ihr und fragte in gebrochenem Englisch: „Sie Lady aus England?“

Catriona nickte. „Ja.“

„Sie hier für Arbeit?“

„Ja.“

Er nickte zufrieden. „Ich Sie bringen nach Hause.“

Dankbar, dass sie endlich abgeholt wurde, wollte Catriona ihm mit dem Gepäck helfen, doch er hielt den Wagenschlag auf und bedeutete ihr, sich ins Auto zu setzen. Danach verstaute er die Taschen im Kofferraum.

Die weichen Lederpolster des Wagens rochen neu, die Klimaanlage sorgte für angenehm kühle Luft. Entspannt lehnte sich Catriona zurück. Das war ja noch einmal gut gegangen. Es hätte sicher keinen guten Eindruck auf ihren zukünftigen Chef Dr. Kane gemacht, wenn sie bereits am Flughafen in Schwierigkeiten geraten wäre. Andererseits hätte er selbst Schuld gehabt. Warum hatte er sie so lange warten lassen? Na ja, dafür hat er mir ja nun diese Luxuslimousine geschickt, dachte sie. Eigentlich hatte sie eher damit gerechnet, von einem alten, verbeulten Land Rover abgeholt zu werden.

Als der Fahrer einstieg und losfuhr, fragte sie: „Ist es weit?“

Doch er verstand nicht, was sie meinte.

Sie versuchte es noch einmal. „Das Haus, wie lange? Wie viele Meilen oder Kilometer?“

Er hob die Hand, öffnete und schloss sie fünf Mal.

Fünfundzwanzig also. Minuten, Meilen, Kilometer? Catriona war genauso schlau wie zuvor. Sie beschloss, die Dinge auf sich zukommen zu lassen und ein wenig zu schlafen.

„Lady, Lady!“

Erschrocken fuhr sie auf. Der Fahrer hielt ihr den Wagenschlag auf und bedeutete ihr auszusteigen. Hier ist also das Grabungsteam untergebracht, dachte Catriona und stellte fest, dass es bereits zwei Uhr morgens war. Überrascht bemerkte sie, dass sie sich nicht in einem Wüstendorf befand, wie sie angenommen hatte, sondern vor einem großen, von einem Garten umgebenen Haus stand, aus dem jetzt eine Frau trat, um sie zu begrüßen.

Es handelte sich offensichtlich um eine Ägypterin, die jedoch westlich gekleidet war. Sie war etwa Ende vierzig. Ihre strenge Kleidung deutete darauf hin, dass sie so eine Art Haushälterin sein musste. „Kommen Sie, Lady“, forderte sie Catriona auf.

Sie bat Catriona, ihr ins Haus zu folgen. Es war mit kostbaren italienischen Möbeln und venezianischen Kronleuchtern ausgestattet.

„Lady.“

Die Haushälterin winkte Catriona eine breite Treppe hinauf. Der Fahrer kam mit dem Gepäck hinterher. Sie gingen durch einen Rundbogen in einen anderen Gebäudeteil, von dem aus man auf einen großen Innenhof mit Springbrunnen blickte. Trotz der schlechten Beleuchtung erkannte Catriona, dass die Umgebung wunderschön war. Die Frau öffnete eine Tür und bat Catriona einzutreten.

Ihr stockte der Atem. Das Zimmer war das genaue Gegenteil von dem, was sie erwartet hatte. Übertrieben luxuriös, mit einem großen Bett, voluminösen Kleiderschränken und einer Ankleidekommode, die Platz für die Sachen einer ganzen Ballett-Truppe bot. Als sie die im Fußboden eingelassene Wanne im angrenzenden Badezimmer bemerkte, musste Catriona lachen.

Die Haushälterin runzelte fragend die Stirn, doch als Catriona ihr fröhlich zulächelte, entspannte sie sich wieder.

„Frühstück?“, fragte Catriona, machte Kaubewegungen und deutete auf ihre Armbanduhr.

Die Frau zuckte die Schultern und wies auf eine Klingel, die man vom Bett aus betätigen konnte. Daraufhin überließ sie Catriona ihrem Schicksal.

Dieser Luxus war wirklich unglaublich. Sie hatte immer gedacht, dass Grabungsteams jeden Pfennig umdrehen müssten und in eher primitiven Behausungen untergebracht seien. Offensichtlich hatte sich für diese Ausgrabung ein sehr großzügiger Sponsor gefunden.

Catriona wagte ihr Glück kaum zu glauben. Erstaunlich, dass die Stelle nicht an jemand mit mehr Erfahrung vergeben worden ist, dachte sie, als sie sich nach einer entspannenden Dusche ins weiche Bett legte.

Gegen neun Uhr morgens erwachte sie aus tiefem Schlaf und drückte auf die Klingel. Kurz darauf betrat die Haushälterin das Zimmer und servierte zwei Sorten Müsli, Omelette und Tomaten, Brötchen, Brot, Obst und Kaffee. Wenn man immer so verwöhnt wurde, war es ja kein Wunder, dass die Ausgrabungen jahrelang dauerten.

Mit neuer Zuversicht ließ Catriona es sich schmecken und kleidete sich danach an. Sie wählte eine cremefarbene Baumwollhose und eine dazu passende kurzärmlige Bluse. Vor dem großen Spiegel bürstete sie sich das lange goldblonde Haar und band es sich im Nacken locker zusammen. Dabei dachte sie über Dr. Kane nach, der an der Universität nur der Sklaventreiber genannt wurde. Sicherlich aus Neid, überlegte sie. Wäre ich sonst mit Frühstück im Bett verwöhnt worden?

Kritisch betrachtete sie ihr Spiegelbild. Sollte sie sich etwas Make-up auflegen? Ihr Teint war nach dem langen Winter in England und infolge der anstrengenden Arbeit in einer Textilfabrik ziemlich blass. Sie hatte lange dunkle Wimpern, große haselnussfarbene Augen und ein schmales, herzförmiges, fein geschnittenes Gesicht mit hübschem Mund. Ein bisschen zu dünn, stellte sie fest. Doch das lag daran, dass sie vor drei Monaten entlassen worden war, ohne dass man ihr letztes Gehalt gezahlt hätte. Sie hatte sich sehr einschränken müssen.

Catriona wirkte fast zerbrechlich, doch das täuschte. Sie hatte sich vieles in ihrem Leben hart erkämpfen müssen, auch das Studium. Vielleicht würde ihr diese Stelle endlich die ersehnte Anerkennung in ihrem Beruf bringen.

Sie beschloss, nur etwas Lippenstift und Puder aufzutragen, und tupfte sich gerade die Lippen ab, als es klopfte. Da sie die Haushälterin erwartete, rief sie: „Herein.“

Die Tür wurde langsam geöffnet, und Catrionas überraschter Blick fiel auf ein kleines Mädchen, das vorsichtig um die Ecke lugte und gleich wieder zurückwich. Sie hörte jemand aufgeregt flüstern. Im nächsten Moment wurde sie von zwei kleinen Mädchen scheu angeblickt. Beide hatten große dunkle Augen.

Catriona ging lächelnd auf sie zu und bat sie hereinzukommen. Hand in Hand betraten sie unsicher das Zimmer, das kleinere Mädchen lutschte am Daumen. Sie mussten etwa neun und fünf Jahre alt sein und waren offensichtlich Schwestern. Beide hatten lange dunkle Zöpfe und trugen zu den dunkelblauen Kleidern mit weißen Kragen und Manschetten Kniestrümpfe. Ob das wohl ihre Schuluniform ist? fragte sich Catriona.

„Hallo“, sagte sie.

„Hallo“, antwortete das ältere Mädchen.

„Wie heißt du?“, erkundigte sich Catriona.

„Nadia.“

„Und wie heißt du?“, wollte Catriona danach von dem kleineren Mädchen wissen, das sich jedoch nur scheu hinter seiner Schwester versteckte.

„Dorreya“, erklärte Nadia.

„Ich bin Catriona.“ Als die beiden sie verständnislos ansahen, wiederholte sie ihren Namen ganz langsam.

Die Mädchen übten ein wenig, bis sie ihn richtig aussprechen konnten. Sicher sind sie die Töchter eines der ägyptischen Teamkollegen, dachte Catriona.

In diesem Moment erschien die Haushälterin an der offenen Tür und betrat das Zimmer. Als sie die Kinder entdeckte, wurde sie böse und scheuchte sie hinaus, obwohl Catriona protestierte.

Dann musterte sie Catriona abschätzend von oben bis unten und bedachte sie mit einem Schwall Arabisch, von dem diese natürlich kein Wort verstand. Ungeduldig zupfte die Haushälterin an Catrionas Bluse und Hose und schüttelte missbilligend den Kopf, bevor sie zum Kleiderschrank ging, Rock und langärmlige Bluse herausnahm und Catriona bedeutete, sich umzuziehen.

„Warum?“

Ein weiterer Catriona unverständlicher Wortschwall war die Antwort. Doch da es offensichtlich war, was die Haushälterin wollte, tauschte Catriona Hose gegen Rock, bestand trotz heftigen Protests jedoch auf der kurzärmligen Bluse. Die Frau redete wieder auf sie ein, doch Catriona verstand nur das Wort Pascha. Schließlich gab die Haushälterin nach, sah auf die Uhr und machte Catriona verständlich, dass sie ihr folgen solle.

Jetzt würde sie sicher das Team kennenlernen. Oder wenigstens einige Kollegen. Die meisten werden beim Ausgrabungsort sein. Wahrscheinlich wird Dr. Kane mich in mein Aufgabengebiet einführen. Hoffentlich würde sie seinen Ansprüchen genügen, denn seit dem Universitätsexamen vor zwei Jahren hatte sie keine Gelegenheit gehabt, auf dem Gebiet der Konservierung altertümlicher Textilien zu arbeiten. Allerdings hatte sie viel darüber gelesen, besonders während der vergangenen Woche, als man ihr die Chance gegeben hatte, nach Ägypten zu kommen.

Wie würde die erste Begegnung mit Dr. Kane verlaufen? Sie hatte gehört, dass er hohe Ansprüche stellte. Daher hatte sie in ihrem Bewerbungsschreiben praktische Erfahrungen stark übertrieben, um überhaupt in die engere Wahl für diese Stelle zu kommen. Sie war jedoch bereit, hart zu arbeiten. Allerdings machte es sie stutzig, dass Dr. Kane darauf zu bestehen schien, dass seine Kolleginnen Röcke trugen. Wahrscheinlich war er schon ziemlich alt und zudem weltfremd.

Die Haushälterin führte sie über den Innenhof, in dem der Springbrunnen plätscherte und exotische Blumen blühten, und klopfte kurz darauf an eine Tür. Sie wies Catriona an hineinzugehen, bevor sie sich zurückzog. Offensichtlich handelte es sich um die Bibliothek. Catriona war darauf gefasst, einen älteren Engländer kennenzulernen, doch der Mann, der ihr von seinem Schreibtischstuhl aus entgegenblickte, war keineswegs alt, dunkelhaarig und Ägypter.

Überrascht musterte er sie, legte seinen Füller aus der Hand und begrüßte sie förmlich. „Guten Morgen.“

„Guten Morgen.“ Catriona hatte sich schnell gefangen. Dr. Kane hatte es also seinem ägyptischen Verbindungsmann überlassen, sie zu begrüßen. Für einen Angestellten war er allerdings viel zu elegant und teuer gekleidet. Er trug einen dunklen, gut geschnittenen Anzug, eine Goldarmbanduhr und verschiedene Ringe. Einer von ihnen funkelte in der Sonne. Aber für einen Diamanten ist der Stein zu groß, fand Catriona. Der Mann schien Ende dreißig zu sein, hatte einen dunklen Teint und ein rundliches Gesicht.

Der Ägypter, der zur Begrüßung nicht einmal aufgestanden war, musterte Catriona immer noch. Jetzt meinte er: „Sie sind wesentlich jünger, als ich erwartet hatte. Ihr Bewerbungsschreiben kann also von Ihnen kaum wahrheitsgemäß verfasst worden sein.“

Schuldbewusst dachte Catriona daran, wie sie ihre praktischen Erfahrungen übertrieben hatte, und antwortete hastig: „Ich habe aber wirklich viel Erfahrung. Sie werden sicher mit mir zufrieden sein.“

„Wie alt sind Sie?“

„Ich bin dreiundzwanzig, fast vierundzwanzig.“

Der Mann ergriff ein vor ihm liegendes Blatt Papier und überflog es, bevor er Catriona eisig anblickte. „Dann können Sie kaum über die Erfahrung verfügen, die Sie in Ihrem Bewerbungsschreiben angegeben haben. Wie ist es zum Beispiel möglich …“

Er wurde unterbrochen, als es an der Tür klopfte und die beiden kleinen Mädchen gleich darauf hereinstürmten. Sofort änderte sich sein Gesichtsausdruck. Zärtlich sah er die Kinder an, ermahnte sie jedoch gleichzeitig.

Doch Dorreya beachtete die Strafpredigt gar nicht, sondern lief zu Catriona und fasste sie an der Hand. „Ca-tri-o-na“, sagte das Mädchen strahlend.

Herzlich erwiderte Catriona das Lächeln und beugte sich hinunter. „Hallo, Dorreya.“

„Hallo“, wiederholte sie und wandte sich stolz dem am Schreibtisch sitzenden Mann zu.

Der Ägypter beobachtete die Szene genau, gleichzeitig neigte er sich zu dem kleineren Mädchen hinab, das ihm gleich darauf etwas ins Ohr flüsterte. Er schwieg eine Weile, ehe er bemerkte: „Anscheinend haben Sie meine Töchter schon kennengelernt.“

„Ach, das sind Ihre Kinder?“ Catriona lächelte. „Die beiden sind hinreißend. Sicher sind Sie sehr stolz auf sie.“

„Natürlich.“ Wieder betrachtete er sie eingehend, bevor er sich den beiden Mädchen zuwandte und ihnen bedeutete, nun das Zimmer zu verlassen. Nachdem sie gehorsam die Tür hinter sich zugezogen hatten, sagte er: „Meine Töchter scheinen Sie zu mögen.“

„Danke.“

„Vielleicht sollte ich es mit Ihnen versuchen. Obwohl es mir widerstrebt, jemand einzustellen, der es in seinem Bewerbungsschreiben offensichtlich mit der Wahrheit nicht genau genommen hat.“

Catriona wurde verlegen. So stark hatte sie nun auch wieder nicht übertrieben. Kühl fragte sie: „Wann lerne ich die anderen Teamkollegen kennen?“

„Team?“ Fragend hob er die Augenbrauen. „Es gibt kein Team. Sie sind allein verantwortlich.“

Ungläubig sah Catriona ihn an. „Aber es muss doch noch andere Leute geben?“

„Nein. Die Kinder verbringen hier ihre Schulferien und befinden sich in Ihrer alleinigen Obhut. Mrs Aziz, meine Haushälterin, wird Sie natürlich unterstützen, wenn es nötig ist. Das habe ich doch in meinem Schreiben deutlich gemacht, Miss Welland.“

Catriona fuhr zusammen. „Wie haben Sie mich genannt?“

„Miss Welland. So heißen Sie doch wohl, oder etwa nicht?“

Catriona schüttelte den Kopf und blickte den Mann unglücklich an. „Nein. Hier muss ein Missverständnis vorliegen.“

Aufgebracht fragte er: „Sind Sie etwa nicht Miss Welland aus London, die ich für die Dauer der Sommerferien als Englischlehrerin für meine Töchter eingestellt habe?“

„Nein.“

„Wer sind Sie dann? Was tun Sie hier?“

„Ich heiße Catriona Fenton und habe am Flughafen darauf gewartet, abgeholt zu werden. Ihr Fahrer sprach mich an und fragte, ob ich aus England gekommen sei, um in Luxor zu arbeiten. Natürlich habe ich Ja gesagt, und nun bin ich hier.“

„Sind Sie gar nicht auf die Idee gekommen, sich beim Fahrer nach dessen Auftraggeber zu erkundigen?“ Der Ägypter war jetzt sichtlich verärgert.

„Und warum haben Sie Ihren Fahrer nicht angewiesen, nach Miss Welland zu fragen?“ Catriona wurde nun auch ärgerlich. „Außerdem war ich die einzige Frau, die am Flughafen wartete.“

Ungläubig blickte der Ägypter sie an. „Außer Ihnen war keine Engländerin da?“

„Nein.“

„Ich möchte mal wissen, was in diese Frau gefahren ist. Sie hat sich nicht bei mir gemeldet.“

Da konnte Catriona ihm auch nicht weiterhelfen. Verzweifelt dachte sie über ihre Situation nach. Offensichtlich war das Empfangskomitee des Ausgrabungsteams erst nach ihrer Abfahrt vom Flughafen eingetroffen. Jetzt war Dr. Kane sicher wütend auf sie, weil er dachte, sie sei nicht gekommen. Sie musste sich so schnell wie möglich mit ihm in Verbindung setzen, damit er nicht noch jemand anders aus England anforderte. Aber wie soll ich ihm erklären, wo ich gewesen bin? dachte sie verzweifelt.

Der Ägypter schien zu einem Entschluss gekommen zu sein. „Es macht nichts. Sie werden meine Kinder unterrichten.“

Catriona lachte. „Das ist unmöglich. Ich bin keine Lehrerin.“

Missbilligend sah er sie an: „Sie sind Engländerin und drücken sich gewählt aus. Mehr verlange ich gar nicht. Übrigens ist die Bezahlung gut. Mit Miss Welland hatte ich fünfzehntausend Pfund für zwei Monate Arbeit vereinbart, zuzüglich Reisekosten natürlich.“

„Fünfzehntausend Pfund? Ach so, Sie meinen ägyptische Pfund.“ Sie rechnete den Kurs schnell um und stellte fest, dass es immer noch wesentlich mehr war, als sie bei den Ausgrabungen verdienen würde. Trotzdem lehnte sie ab. „Es tut mir leid, Mr … Wie war doch gleich Ihr Name?“

Der Ägypter antwortete ziemlich arrogant: „Ich bin Omar Rafiq. Und Sie befinden sich auf meinem Landsitz, dem Garten des Nils.“

„Mr Rafiq also. Tja, es tut mir wirklich leid, aber ich habe schon den Auftrag, bei einer Ausgrabung mitzuwirken.“

„Dann sind Sie keine Reiseleiterin?“

„Nein, ich bin Textilspezialistin und kurzfristig für jemand eingesprungen, der aus familiären Gründen nach England zurückfliegen musste. Sie werden verstehen, dass ich meine Kollegen nicht im Stich lassen kann.“ Catriona fragte sich, ob Dr. Kane wohl schon in England angerufen hatte, um herauszufinden, wo sie steckte.

„Ihre Unterkunft an der Ausgrabungsstätte lässt an Komfort zu wünschen übrig“, behauptete Rafiq. „In meinem Haus ist es viel angenehmer. Also werden Sie hierbleiben.“ Die letzten Worte fügte er im Befehlston hinzu.

Selbst wenn Catriona bereit gewesen wäre, den Job anzunehmen, hätte sie spätestens jetzt abgelehnt. Dieser Mr Rafiq war absolut anmaßend. Kühl entgegnete sie: „Ich habe Ihnen meine Absage schon mitgeteilt. Es tut mir leid, dass ich Ihnen Umstände gemacht habe, aber dafür können Sie sich bei Ihrem Fahrer bedanken. Bitte bringen Sie mich jetzt unverzüglich zur Ausgrabungsstätte.“

Omar runzelte ärgerlich die Stirn, griff dann jedoch zum Telefon. „Wo ist sie?“

„Der Ort heißt Mem Habu und befindet sich wohl nordwestlich von Luxor und …“ Sie zögerte, als sie Omar Rafiqs überraschte Miene bemerkte.

„Sprechen Sie von der Ausgrabung, die von Lucas Kane geleitet wird?“

Sie nickte. „Dr. Kane, genau. Kennen Sie ihn?“

„Ja, flüchtig.“ Omar ließ den Telefonhörer los und lehnte sich zurück. „Sie sind also Kanes neue Textilspezialistin.“ Unvermittelt brach Omar in schallendes Gelächter aus.

Catriona fühlte sich unbehaglich. Sein Lachen klang irgendwie triumphierend. „Was ist daran so komisch?“, fragte sie unsicher.

Rafiq wurde wieder ernst. „Die Tatsache, dass Sie ausgerechnet dorthin unterwegs sind.“

Verständnislos blickte sie ihn an. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Unwichtig.“ Wieder musterte er sie von oben bis unten, und Catriona fühlte sich noch unbehaglicher.

Entschlossen sagte sie: „Ich werde jetzt meine Sachen packen. Bitte weisen Sie Ihren Fahrer an, mich in einer halben Stunde zur Ausgrabungsstätte zu bringen.“

Rafiq schien sich zu amüsieren. „Es würde Ihnen dort nicht gefallen, Miss Fenton. Die Unterkunft ist sehr primitiv und Dr. Kane …“ Rafiq machte eine vielsagende Geste, und in seiner Stimme schwang kaum verhohlene Abscheu mit, als er hinzufügte: „Er kann sehr ungeduldig sein, und er wird kaum Verständnis dafür haben, dass Sie am falschen Ort gelandet sind. Bei mir würden Sie sich wirklich sehr viel wohler fühlen, Miss Fenton.“

„Nein, danke.“ Energisch lehnte sie ab. „Sagen Sie nun Ihrem Fahrer Bescheid oder nicht?“

„Ich fürchte, er ist heute sehr beschäftigt.“

Sie wussten beide, dass das gelogen war. Rafiq erwiderte Catrionas wütenden Blick spöttisch lächelnd. „Dann werde ich mir ein Taxi nehmen, Mr Rafiq.“

„Tun Sie sich keinen Zwang an.“

„Bitte bestellen Sie mir eins.“

„Wenn Sie ein Taxi wollen, müssen Sie es schon selbst rufen, Miss Fenton. Hier ist das Telefonbuch.“

Er nahm ein dickes Buch aus der Schreibtischschublade und reichte es ihr. Catriona nahm es. Rafiqs Gesichtsausdruck behagte ihr gar nicht. Sie begann, im Telefonbuch zu blättern und hielt irritiert inne, als sie die arabischen Schriftzeichen sah. „Sie wissen genau, dass ich das nicht lesen kann“, sagte sie kurz angebunden. „Was bezwecken Sie eigentlich mit Ihrem Verhalten?“

„Ich will Sie natürlich hierbehalten.“ Rafiq stand auf und kam auf sie zu. Diesmal versuchte er es mit Charme. „Meine Kinder mögen Sie, Miss Fenton, und es wäre sehr aufwendig, in England nach einer anderen Lehrerin zu suchen. Dieses Haus ist doch sehr komfortabel, und die Bezahlung ist gut. Ich wäre sogar bereit, Ihnen zwanzigtausend Pfund zu zahlen, wenn sie hierbleiben würden.“

Für jemand, der lange Zeit knapp bei Kasse gewesen war, war die Versuchung natürlich groß. Doch Catriona hatte das Gefühl, dass Omar Rafiq sie nicht nur als Lehrerin für seine Töchter bezahlen wollte. Seine Blicke sprachen für sich. Sie gewann den Eindruck, dass er Frauen nur benutzte, sie nicht respektierte und sie in erster Linie zum Zeitvertreib brauchte. Dazu kam noch seine unglaubliche Arroganz zu glauben, sie würde ihr Vorhaben aufgeben, um nur für ihn da zu sein.

Was bildet der sich eigentlich ein, dachte sie wütend. „Ich habe Ihr Angebot schon abgelehnt und werde mein Versprechen halten, bei der Ausgrabung mitzuwirken. Bitte rufen Sie mir jetzt ein Taxi.“

Doch Rafiq lächelte nur. „Warum denken Sie nicht noch einmal darüber nach? Sehen Sie sich das Haus in Ruhe an. Es hat sogar einen Swimmingpool. Die Kinder werden Sie herumführen. Später unterhalten wir uns beim Essen weiter.“

Catriona wurde jetzt richtig wütend. „Bitte hören Sie mir zu, Mr Rafiq. Ich muss so schnell wie möglich nach Mem Habu kommen. Dr. Kane wird sich schon Sorgen um mich machen. Wahrscheinlich hat er bereits in England angerufen, um zu fragen, wo ich bleibe.“

Überrascht stellte sie fest, dass Rafiq sich amüsierte. Offensichtlich waren die Männer sich nicht gerade sympathisch. „Kane kann warten“, erklärte Rafiq.

Bevor sie eine passende Antwort geben konnte, hatte er eine Klingel betätigt, um die Kinder wieder hereinzurufen. Er sprach arabisch mit ihnen. Sie lachten und zogen Catriona danach aus dem Zimmer. Rafiq machte die Tür hinter ihnen zu.

Obwohl Catriona ihre Wut kaum unterdrücken konnte, ließ sie sich von den Mädchen Swimmingpool, Tennisplatz und Sporthalle zeigen. Dann wurde sie durch den Garten geführt und schließlich zu einem großen, im ersten Stockwerk des Hauses befindlichen Wohnzimmer. Von hier aus hatte man eine wunderbare Aussicht auf den Nil, der sich in etwa zweihundert Meter Entfernung befand.

Catriona genoss den Blick auf diesen berühmten Strom und beobachtete die Feluken, deren weiße Segel in der Sonne aufblitzten.

Mrs Aziz betrat das Zimmer und redete auf die Kinder ein. Nadia wandte sich Catriona zu. „Wir gehen …“ Ihren Gesten war zu entnehmen, dass sie sich Gesicht und Hände waschen sollten.

„Uns waschen“, erklärte Catriona.

Die kleinen Mädchen wiederholten es, ehe sie davonliefen. Catriona hielt Mrs Aziz auf. „Sprechen Sie Englisch?“

„Etwas.“

Catriona deutete zu dem auf einem Tisch stehenden Telefon. „Bitte rufen Sie mir ein Taxi.“

Doch die Haushälterin schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Pascha Omar sagt kein Taxi.“

„Bitte. Ich muss wirklich fort. Es ist wichtig.“

Doch die Frau wandte sich wortlos um und verließ das Zimmer.

Was soll ich bloß machen? dachte Catriona ratlos. Was sollte dies alles? Erst bei der Erwähnung von Dr. Kane hatte Rafiq auf stur geschaltet. Was hatte das nur zu bedeuten? Sie überlegte hin und her. Gegen ihren Willen konnte man sie ja nicht festhalten. Entschlossen griff sie zum Telefon und probierte verschiedene Nummern aus, um die Vermittlung zu bekommen. Als sich endlich jemand meldete, fragte Catriona schnell: „Sprechen Sie Englisch?“

Anscheinend nicht, doch nach einer Weile erkundigte sich jemand anders: „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich brauche die Nummer eines Taxiunternehmens. Denn ich benötige dringend ein Taxi.“

„Wo sind Sie?“

„In der Nähe von Luxor.“

„Wählen Sie die folgende Nummer.“ Rasch notierte Catriona die Ziffern.

Sie rief an und musste wieder warten, bis jemand an den Apparat kam, der Englisch sprach. Dann bat sie um ein Taxi nach Mem Habu.

„Wo soll es Sie abholen?“

„Am Haus von Omar Rafiq. Es heißt ‚Garten des Nils‘.“

„In welchem Bezirk liegt es?“

„Das weiß ich nicht. Könnten Sie die Adresse nicht im Telefonbuch nachschlagen?“

Autor

Sally Wentworth
Ihren ersten Liebesroman „Island Masquerade“ veröffentlichte Sally Wentworth 1977 bei Mills & Boon. Nachdem ihre ersten Romane für sich stehende Geschichten waren, entdeckte sie in den neunziger Jahren ihre Leidenschaft für Serien, deren Schauplätze hauptsachlich in Großbritannien, auf den Kanarischen Inseln oder in Griechenland liegen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Donald...
Mehr erfahren