Erbin des Glücks

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Über Nacht Millionenerbin! Francesca hat die Hälfte des Minenimperiums ihres Großvaters geerbt - die andere Hälfte gehört dem attraktiven Bryn Macallan! Ausgerechnet Bryn, der ihr einmal das Leben gerettet hat und mit dem sie, nach dem Glauben der Einheimischen, nun für immer ein zartes Band verbindet … und der sie bald schon zum ersten Mal zärtlich küsst. Das Glück unter den Sternen des Südens scheint perfekt - bis eine zu allem entschlossene Rivalin einen gefährlichen Plan schmiedet: Sie will das Millionenvermögen und vor allem Bryn für sich …


  • Erscheinungstag 16.01.2010
  • Bandnummer 1828
  • ISBN / Artikelnummer 9783862951123
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Es kam, als niemand damit gerechnet hatte – wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Vorstandssitzung der bedeutenden Bergbaugesellschaft „Titan“ verlief spannungsvoller als sonst. Sir Francis Forsyth, Vorsitzender der Gesellschaft und Oberhaupt der reichsten Großgrundbesitzerfamilie des Landes, zeigte zunehmenden Ärger über einige Bedenken, die sein Sohn Charles, ein Mann mittleren Alters und einziger Erbe, zum Ausdruck brachte.

Der auch mit siebzig immer noch auffallend attraktive Sir Francis kniff die blauen Augen zusammen und wandte sich in einem Ton an seinen unglücklichen Sohn, der die anderen Vorstandsmitglieder vor Entsetzen erschauern ließ, als würden sie Zeugen einer öffentlichen Hinrichtung. Charles mochte nicht übermäßig begabt sein, aber er wurde – da waren sich alle einig – von seinem übermächtigen Vater unnötig gequält. Der stechende Blick, mit dem Sir Francis schonungslos seine Verachtung ausdrückte, war ein deutliches Anzeichen dafür.

„Wann begreifst du endlich, dass du hier zu einer unerträglichen Belastung wirst?“, herrschte er seinen Sohn an. „Etwas anderes bist du nicht. Für Probleme findest du nie eine Lösung. Nimm dir ein Beispiel an mir, und mach keine so verrückten Vorschläge. Als Geschäftsmann wirst du doch wohl wissen, dass es auf Profit ankommt … und darauf, dass unsere Aktionäre zufrieden sind. Du hörst jedoch nicht auf …“ Er verstummte abrupt, denn es meldete sich jemand zu Wort, um den kreidebleichen Charles zu verteidigen. Er hatte eine angenehme Stimme und wirkte absolut souverän.

„Ja, Bryn?“ Sir Francis wandte sich gespielt geduldig an den Mann, der rechts neben ihm saß.

Bryn Macallan war der hochbegabte Enkel seines verstorbenen Geschäftspartners Sir Theodore Macallan, des Mitbegründers von „Titan“. Alle Vorstandsmitglieder waren sich in ihrer Meinung über Bryn einig. Auch Sir Francis bewunderte ihn – und fürchtete ihn zugleich. Bryn Macallan hatte sich schon früh einen glänzenden Ruf erworben. Es steckte einfach in ihm. Mehr noch, er machte es für Sir Francis immer schwieriger, die alleinige Machtstellung zu behaupten, die er sich seit dem Tod seines Partners angemaßt hatte.

Sir Theodore war vor einigen Jahren gestorben, und sein Enkel hatte es unverhohlen auf die Position des Topmanagers abgesehen, die er lieber früher als später eingenommen hätte. Dagegen konnte Sir Francis herzlich wenig tun. War das vielleicht die Strafe des Himmels?

„Einige Vorschläge von Charles erscheinen mir recht plausibel“, antwortete Bryn, ohne sich durch die Haltung des Vorsitzenden im Geringsten beeindrucken zu lassen. „Wir haben eine Verpflichtung gegenüber unseren Arbeitern. Der Sicherheitsbericht über Mount Garnet liegt vor. Wir hatten genug Zeit, ihn zu lesen.“ Er sah alle der Reihe nach an, um sich Bestätigung zu holen. „Ich würde gern selbst einige Bedenken vorbringen und zugleich darauf hinweisen, dass einige Veränderungen absolut notwendig sind. Die ganze Nation blickt auf uns. Wir sollten uns der großen Verantwortung voll bewusst sein.“

„Hört, hört!“ Einige Mitglieder spendeten lebhaften Beifall. Es waren die wichtigsten und einflussreichsten, was niemandem entging.

Bryn Macallan genoss mit Anfang dreißig bereits große Achtung. Sein Aussehen, seine Sprache und sein brillanter Verstand erinnerten alle nur zu gut an seinen verstorbenen, tief betrauerten Großvater. Bryn war der kommende Mann. Er ließ den armen Charles und jeden anderen, der vielleicht für die Spitzenposition infrage gekommen wäre, weit hinter sich. Die Aura, die ihn umgab, war einmalig.

Das spürte Sir Francis mehr als jeder andere. „Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst“, sagte er gelassen, denn er ging davon aus, dass Bryns Empfehlungen praktikabler und für „Titan“ günstiger sein würden. „Deine Tipps sind von großem Interesse für uns, das gilt allerdings nicht für Charles’ dummes Geschwätz. Man könnte meinen, er hätte einen Schuldkomplex.“

Charles saß wie gelähmt da. „Warum tust du mir das an, Dad?“, fragte er im Ton eines gekränkten Kindes. „Ich höre nie ein ermutigendes Wort von dir.“

Sir Francis zeigte so wütend mit dem Finger auf ihn, dass alle Anwesenden zusammenzuckten. „Du brauchst keine Ermutigung“, wies er ihn scharf zurecht. „Warum siehst du nicht endlich ein …“ Er unterbrach sich, um Luft zu holen, und bekam einen heftigen Hustenanfall.

Bryn reagierte zuerst. „Holt Sanitäter!“, rief er und sprang von seinem Stuhl auf. „Schnell!“ Die Lage war ernst, das spürte er instinktiv. Doch bevor er eingreifen konnte, sackte Sir Francis in sich zusammen und glitt zu Boden. Sein Gesicht war bleich wie bei einer Wachsfigur. Das Leben eines der reichsten und landesweit bedeutendsten Männer schien nur noch an einem seidenen Faden zu hängen.

Bryn begann sofort mit Wiederbelebungsversuchen, und er besaß zum Glück Übung darin. Minuten später erschienen die Sanitäter und lösten ihn ab. Doch sie wussten, dass sie sich vergeblich bemühten. Der „Eiserne Mann“ der Nation war tot.

Der plötzliche Schicksalsschlag traf Charles Forsyth so schwer, dass er weder aufstehen noch sprechen konnte. Irgendwie hatte er geglaubt, sein Vater würde ewig leben.

Er überließ es Bryn Macallan, tätig zu werden. Dieser spürte zwar die allgemeine Erschütterung, empfand selbst aber keine große Trauer. Sir Francis Forsyth hatte so erbarmungslos gelebt, wie er gestorben war – ein begabter Mann, der sich vielfach versündigt hatte. Unter dem Deckmantel immerwährender Freundschaft hatte er den Macallans seit Sir Theodores Tod geschäftlich schwer geschadet.

„Francis war schon immer ein geborener Schurke“, hatte Lady Antonia Macallan ihren Enkel nach der Beisetzung ihres Mannes gewarnt. „Nur dein Großvater hat ihm etwas entgegensetzen können. Jetzt ist Francis Alleinherrscher. Denk an meine Worte, Bryn, Darling. Von jetzt an müssen sich die Macallans vorsehen.“

Francis Forsyth und Theodore Macallan hatten beide Geologie studiert und „Titan“ in den späten Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts gemeinsam begründet. Unter der Führung des eingeborenen Fährtensuchers Gulla Nolan hatten sie am Mount Garnet im äußersten Norden von Westaustralien ein bedeutendes Eisenerzlager entdeckt und zu einem mächtigen Unternehmen ausgebaut. Dafür waren sie beide in den nicht erblichen Adelsstand erhoben worden.

Seit Sir Theodores Tod hatten unerbittliche Rivalität und tiefe Abneigung alle Handlungen der Forsyths und Macallans bestimmt. Durch „Titan“ waren beide Familien untrennbar miteinander verbunden, doch von jetzt an würde nicht mehr Sir Francis, sondern Bryn den Kurs bestimmen.

Die Nachricht vom Tod des „Eisernen Mannes“ wurde durch Fernsehen, Radio und Internet in wenigen Minuten im ganzen Land verbreitet. Alle Angehörigen wurden sofort verständigt – bis auf Francesca Forsyth, die sich nicht in Perth befand. Sie war die Tochter von Sir Francis’ zweitem Sohn Lionel, der mit seiner Frau und dem Piloten bei einem Flugzeugabsturz zwischen Darwin und Alice Springs ums Leben gekommen war. Francesca war damals fünf Jahre alt gewesen.

Ihr Onkel Charles und ihre Tante Elizabeth hatten es übernommen, sie großzuziehen. Elizabeth hatte das verwaiste kleine Mädchen sogar besonders in ihr Herz geschlossen, obwohl sie ein eigenes Kind hatte: Carina. Sie war drei Jahre älter als Francesca und in dem Bewusstsein aufgewachsen, die anerkannte Forsyth-Erbin zu sein. Francesca hielt sich eher zurück und galt daher als „Zweitbesetzung“. Sogar die Presse hatte sich auf diesen Spottnamen festgelegt.

In der Öffentlichkeit und gehobenen Gesellschaft ahnte niemand, dass Carina Forsyth, die so bevorzugt aufgewachsen war, eine unerklärliche, tief sitzende Eifersucht auf ihre jüngere Cousine empfand, die sie geschickt zu verbergen wusste. Sie brachte es mit den Jahren sogar zu einer gewissen Meisterschaft darin, ihre wahre Natur hinter der Rolle der älteren und vernünftigeren Cousine, die sie vor aller Welt spielte, zu verbergen. In Wirklichkeit bemühte sie sich, Francesca um ihr Glück zu bringen, weil diese ihr angeblich die Zuneigung ihrer Mutter gestohlen hatte, was jedoch nicht stimmte. Elizabeth Forsyth liebte ihre Tochter und zeigte das auch. Doch ihr Herz gehörte der hübschen kleinen Francesca, die durch ihr liebenswürdiges Wesen so etwas wie eine Lichtgestalt war.

Francesca war intelligent und sensibel genug, um die Missgunst ihrer Cousine zu erkennen. Sie lernte instinktiv, Carina nicht zu reizen und möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie beneidete die andere nicht um die Rolle der Forsyth-Erbin. Großer Reichtum konnte nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch sein. Es kam dabei nur auf den Standpunkt an.

Auch äußerlich waren die Cousinen grundverschieden. Beide galten als Schönheiten. Carina war eine große Blondine mit strahlend blauen Augen, heller Haut, ausgeprägten weiblichen Rundungen und der extremen Selbstsicherheit der Reichen. Francesca hatte pechschwarzes Haar, eine dunkle Haut und Augen, die weder grau noch grün waren, sondern die Farbe ihrer jeweiligen Kleidung annahmen.

Bei den Festlichkeiten, an denen die Cousinen auf Wunsch ihres Großvaters teilnahmen, machten sie einen ausgesprochen gegensätzlichen Eindruck. Die eine wirkte wie eine goldene Göttin – manche bezeichneten sie böswillig auch als Showgirl –, die andere wie eine zarte, geheimnisvolle Erscheinung aus einer anderen Welt. Die eine reizte ihre zahlreichen physischen Vorzüge voll aus, die andere hielt sich zurück und versuchte, möglichst wenig aufzufallen.

Die größte Gefahr lag darin, dass beide Frauen denselben Mann liebten: Bryn Macallan. Carina zeigte ihre Zuneigung mehr, als unbedingt nötig war. Sie behandelte Bryn, als gehörte er ihr allein, als wären sie besonders innig miteinander verbunden. Francesca litt unter ihrer Liebe zu ihm. Sie ging davon aus, dass er Carina bevorzugte, und ertrug still ihren Schmerz. Sie musste ihr Schicksal annehmen, auch wenn das bedeutete, ihre wahren Gefühle ständig zu verbergen. Sie wusste, was geschehen würde, wenn sie sich offenbarte. Im Ernstfall würde Carina gewinnen, denn sie bekam immer, was sie wollte.

Während Carina die Todesnachricht in der Familienvilla in Perth erhielt, befand sich Francesca auf der Rinderfarm „Daramba“, dem Flaggschiff der Forsyth-Ländereien in Queensland, die zusammen mit „Titan“ und weiteren Unternehmen den Forsyth-Konzern bildeten. Sie war eine begabte Malerin und hatte es sich nach Abschluss ihres Jurastudiums zur Aufgabe gemacht, der Kunst der Aborigines zu mehr Ansehen zu verhelfen und einzelnen Künstlern beim Verkauf ihrer Werke behilflich zu sein. Obwohl sie erst dreiundzwanzig war, hatte sie darin bereits beträchtlichen Erfolg erzielt.

Im Gegensatz zu ihrer strahlenden Cousine, die sich ständig stolz in der Öffentlichkeit zeigte, empfand Francesca ihren Reichtum als Verpflichtung. Sie wollte ihn mit anderen teilen. Dieser Wunsch steckte als treibende Kraft hinter ihrem Einsatz für weniger Glückliche und nicht so Begüterte.

Die Familie kam zu dem Entschluss, Francesca den plötzlichen Tod ihres Großvaters durch ein Mitglied persönlich mitteilen zu lassen und sie bei der Gelegenheit nach Hause zu holen. Zum Überbringer der Nachricht wurde Bryn Macallan bestimmt. Er war ein erfahrener Pilot und konnte mit der neuen Beech King Air umgehen. Jeder wusste, dass sich der verstorbene Sir Francis eine Verbindung zwischen Bryn und Carina gewünscht hatte. Man wusste auch, dass zwischen Bryn und Francesca ein besonderes Verhältnis bestand, das die starken Spannungen zwischen den Familien Forsyth und Macallan unbeschadet überstanden hatte.

Bryn war daher der richtige Mann, um Francesca heimzuholen.

1. KAPITEL

Der Anblick der uralten „Dreamtime“-Landschaft befreite Bryn von der doppelten Last des persönlichen Ehrgeizes und der Verantwortung für die Familie – wenn auch nur vorübergehend. Er liebte das Channel Country, in dem „Daramba“ lag. Er hatte es unzählige Male besucht, bis sein Großvater gestorben war. Inzwischen kam er seltener her, und seine Mutter und Großmutter blieben ganz fort. Nach Sir Theodores Tod hatte sich eine Kluft zwischen den bisher befreundeten Familien aufgetan, über die keine Brücke führte und die nur er überwinden konnte. Es gehörte zu seiner Strategie. Annette und Lady Antonia Macallan verstanden und unterstützten ihn dabei, aber „Daramba“ mieden sie.

Bryn ließ sich immer noch von der Atmosphäre der Ranch verzaubern, die zu den Perlen des forsythschen Besitzes gehörte. Der Name, mit Betonung auf der zweiten Silbe, stammte aus der Sprache der Aborigines und bedeutete „Wasserlilie“. Die Pflanze war zugleich Symbol der Fruchtbarkeit und Wappen des Daramba-Stamms. Sie wuchs in den zahllosen Lagunen, die sich auf dem Anwesen befanden. In diesem Jahr, das nach langer Trockenheit endlich wieder Regen gebracht hatte, boten „Darambas“ Bäche und Flüsse, seine versteckten Sümpfe, in denen Pelikane brüteten, seine Lagunen und Billabongs einen märchenhaften Anblick. Doch den stärksten Eindruck machte nach wie vor das Land mit seiner roten Erde, die scharf vom tiefblauen Himmel abstach und sich bis zum Horizont mit einem bunten Teppich von Wildblumen überzogen hatte.

Bryn erinnerte sich noch lebhaft daran, wie Francesca als Kind in der Blütenpracht geschwelgt hatte. Blumen und Duft, so weit das Auge reichte! Ihre kindliche Fantasie war in dieser Traumwelt aufgegangen, die ihr geholfen hatte, den tragischen Verlust ihrer Eltern zu ertragen.

Er sah sie im Geiste aufgeregt davonlaufen, hinein in ein Meer weißer Gänseblümchen. Ihr silberhelles Lachen erfüllte die Luft, während sie eine Blumenkette flocht, die sie sich dann wie ein Diadem in das lange Haar drückte. Sie hatte wundervolles schwarzes Haar, das wie Rabengefieder glänzte. Meist hatte Carina das Glück zerstört, indem sie ihrer Cousine den Kranz vom Kopf riss und wegwarf – mit der Begründung, es könnte Ungeziefer darin sein. In Wirklichkeit lautete die Botschaft anders. Francesca sollte sich nicht vordrängen. Es war ihr bestimmt, in Carinas Schatten zu leben.

„Ich weiß nicht, wie das enden soll“, hatte Bryns Großmutter einmal gesagt und dabei besorgt die Stirn gerunzelt. „Carina hasst unsere kleine Francey. Das kann nur noch schlimmer werden.“

Und das war es auch. Obwohl die meisten Menschen es nicht bemerkten, war Carina äußerst schlau. Sogar Francesca ließ nichts auf sie kommen, das gehörte zu ihrer sanften Natur. Dabei hätte Bryn geschworen, dass sie Carinas Charakter richtig einschätzte und spürte, wie sehr sie ihrem boshaften und ränkevollen Großvater glich.

Bryn wusste auch, dass Carina auf ihn fixiert war. Das verrieten ihre Augen, sooft sie ihn ansah. In jungen Jahren hatte er eine kurze, heftige Affäre mit ihr gehabt. Carina war eine reizvolle junge Frau, er hatte jedoch begreifen müssen, dass sie einen bösen Zug hatte. Das störte ihn nicht, solange Francesca nicht darunter leiden musste. Francesca hatte Carinas Mutter mit ihrem sanften, engelhaften Wesen von Anfang an für sich eingenommen.

Elizabeth liebte sie wie eine zweite Tochter. Damit hatte alles angefangen.

Die Beech King Air B100, „Titans“ neueste Anschaffung, glitt wie ein Vogel durch die Luft. Sie unterschied sich wesentlich von den anderen Maschinen des gleichen Herstellers und war an den veränderten Düsen und Propellern leicht zu erkennen. Bryn flog leidenschaftlich gern. Er entspannte sich dabei und setzte auch jetzt mühelos zur Landung an. Das Metalldach des lang gestreckten Hangars glänzte so hell in der Sonne, dass es ihn fast blendete. Es musste Einbildung sein, aber er glaubte, das wilde Buschland schon jetzt riechen zu können. Nichts glich diesem Duft. Er war trocken und würzig und barg die endlose, blumengeschmückte Weite in sich.

Der Jeep für die Fahrt zum Wohnhaus stand bereit. Bryn hoffte, Francesca dort anzutreffen, was absolut nicht sicher war. Wahrscheinlich würde er nach ihr suchen müssen. Die Nachricht von Sir Francis’ Tod hatte die abgelegene Farm mit Sicherheit noch nicht erreicht. Nur gut, dass er die traurige Botschaft persönlich überbrachte.

Nach zehn Minuten tauchte das Herrenhaus vor ihm auf. Das alte, im klassischen Kolonialstil errichtete Gebäude, das über hundert Jahre „Darambas“ Wahrzeichen gewesen war, existierte nicht mehr. Sir Francis hatte es nach dem Erwerb der Ranch in den späten Siebzigerjahren abreißen lassen, weil es nicht seinem Geschmack entsprach. An derselben Stelle stand jetzt ein modernes Gebilde, das viel von seinem Erbauer verriet. Auch der schöne alte Brunnen, der die Auffahrt geschmückt hatte, war nicht mehr da. Bryn erinnerte sich noch gut an die drei geflügelten Pferde, die auf ihren Vorderhufen die Hauptschale getragen hatten. Jetzt rauschte keine Fontäne mehr. Kein Windhauch sprühte die silberhellen Tropfen über den gepflasterten Hof.

„Allmächtiger!“, hatte Bryns Großvater geflüstert, als er zum ersten Mal zu Besuch gekommen war.

Bryn erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. Sir Francis hatte das Auto kommen gehört und war herausgetreten, um seinen Freund zu begrüßen und seine Meinung über den Neubau zu erfahren.

„Er gleicht dir sehr“, hatte Theodore geantwortet, ohne dass Francis die Ironie wahrnahm.

Dem kleinen Bryn war sie allerdings nicht entgangen.

„Fantastisch, Sir“, hatte er rasch hinzugefügt, denn der langjährige Freund und Partner seines Großvaters sollte sich nicht beleidigt fühlen. Außerdem war das neue Haus wirklich außergewöhnlich, obwohl es einer modernen Forschungsstation glich.

Jetzt stand Bryn wieder vor dem einstöckigen Ungetüm aus Beton, Stahl und Glas. Es war viermal so groß wie das alte Gutshaus und an drei Seiten mit breiten überdachten Veranden versehen – das einzige Zugeständnis an die Tradition. Es ein Haus oder sogar ein Heim zu nennen wäre falsch gewesen. Es war ein Stück Architektur, ein weiteres Monument, das sich Sir Francis Forsyth selbst errichtet hatte. Eine geschickt gestaltete Auffahrt hätte den nüchternen Eindruck vielleicht gemildert, aber davon konnte nicht die Rede sein. Der Besucher sollte erkennen, dass auch im Outback ein neues Zeitalter begonnen hatte.

Die Haushälterin Jili Dawson, eine auffallend attraktive Frau von Anfang fünfzig, begrüßte Bryn mit einem strahlenden Lächeln. „Wir haben uns lange nicht gesehen, Mr. Bryn.“

„Ich war zu beschäftigt.“ Er sah Jili in die dunklen Augen, die vor Freude leuchteten. Sie verrieten ihre Abstammung von den Aborigines. Ihre Mutter hatte einen weißen Rancharbeiter geheiratet, trotzdem lebte Jili ganz in den Traditionen ihrer mütterlichen Vorfahren. Ihr braunes Gesicht war völlig faltenlos, und sie hatte den typischen weichen Singsang der australischen Ureinwohner, wenn sie sprach. „Habe ich das Glück, Francey zu Hause anzutreffen?“

„Leider nicht.“ Jili machte eine weit ausholende Armbewegung, die das Land bis zum Horizont einschloss. „Sie ist draußen bei der Wungulla-Lagune … mit ihrer Malgruppe. Seit zwei Tagen hat sie sich nicht blicken lassen, aber es geht ihr gut. Francey kennt sich aus, außerdem achten meine Leute auf sie.“

„War das nicht schon immer so?“ Bryn dachte daran, wie sehr der Kontakt zu den Eingeborenen seine und Francescas Kindheit bereichert hatte. Carina war zu stolz gewesen, um sich mit ihnen abzugeben. „Ich bin aus einem ernsten Anlass hier, Jili. Wir haben nicht angerufen, weil ich persönlich kommen wollte, um Francey abzuholen.“

„Der ‚Eiserne Mann‘ ist tot.“ Es klang, als hätte Jili das Ereignis geahnt.

Bryn runzelte die Stirn. „Woher wissen Sie das? Wurde es von einer anderen Ranch gemeldet?“ Das Outback hatte sein eigenes Nachrichtensystem, aber es gab noch eine andere Möglichkeit. Wie viele Eingeborene besaß Jili die unheimliche Gabe, in die Zukunft zu sehen.

„Ich wusste Bescheid, ehe Sie das erste Wort gesprochen hatten. Das war wirklich ein Teufelskerl … im Guten wie im Bösen. Die Dämonen, die ihn plagten, hatte er selbst zu verantworten. Das wissen wir beide, nicht wahr? Ich habe Ihren noblen, weisen Großvater verehrt, Mr. Bryn … wie Ihren Vater. Eine Tragödie, dass er damals von den Felsen erschlagen wurde. Jetzt sind sie bei ihren Ahnen und blicken nachts von den Sternen auf uns herab. Ich fühle mich den Macallans eng verbunden. Sie waren gut zu mir und haben mich immer wie einen Menschen behandelt. Jetzt liegt eine schwere Last auf Ihren Schultern, Mr. Bryn. Mich interessiert dabei vor allem, ob sich für Jacob und mich etwas ändert. Werden wir entlassen?“

Jacob war Jilis Ehemann und ebenfalls ein halber Aborigine. Er arbeitete seit Langem auf der Farm und war nach Bryns Überzeugung so unentbehrlich wie seine Frau. Bryn hätte ihn längst zum Aufseher gemacht und den unfähigen Roy Forster, der in allem Jacobs Ratschlägen folgte, auf eine Außenstelle versetzt.

„Das muss alles noch geklärt werden“, antwortete er mit einem tiefen Seufzer. „Charles ist der Erbe … ich darf nicht für ihn sprechen. Er selbst steht noch zu sehr unter Schock, um irgendetwas zu entscheiden.“

Jili ließ den Blick weit in die Ferne schweifen. „Er hat gedacht, sein Vater würde ewig leben. Wie haben es die anderen denn aufgenommen?“

„Mehr oder weniger gefasst“, gestand Bryn. „Einige sind sogar in gehobener Stimmung.“

„Warten Sie die Eröffnung des Testaments ab“, riet Jili. „Vielleicht hat der alte Sünder einiges gutgemacht. Es gibt mehr als eine offene Rechnung.“

Bryn antwortete nicht. Es war längst zu spät. Sein Vater und sein Großvater lebten nicht mehr. Er trat neben Jili und sah ins Land hinaus, über dem die heiße Luft flimmerte. Etwas war zu Ende gegangen, das spürten sie beide. Eine neue Ära hatte begonnen, aber sie war noch durch den alten Streit belastet.

Jili blickte Bryn von der Seite an. Für sie war er ein edler und schöner Prinz, der alle Untertanen gleich bewertete. Ein Prinz, der im Begriff war, sein rechtmäßiges Erbe zu übernehmen. Respektvoll legte sie ihm eine Hand auf die Schulter.

„Es wird alles in Ordnung kommen, Mr. Bryn“, sagte sie. „Das verspreche ich Ihnen. Doch ich muss Sie warnen. Die Zukunft birgt Unheil. Beschützen Sie Francey. Ihre Cousine wartet nur darauf, über sie herzufallen … wie der Falke über die kleine, liebliche Goldammer. Da lauert das Böse.“

Waren das nicht seine eigenen Befürchtungen?

Bryn legte einen anderen Gang ein, als er die offene Ebene erreichte, wo hohe Gräser die rote Erde bedeckten. Ihre Spitzen schwankten wie goldene Federbüsche im Wind. Das erinnerte ihn an die Savannen des tropischen Nordens, wo der Regen die gleichen Wunder vollbrachte. Der Jeep durchfurchte das wuchernde Gras wie ein Bulldozer. Er drückte es flach zu Boden, aber es richtete sich frisch und elastisch gleich wieder auf. Ein einsamer Emu jagte auf seinen langen grauen Beinen davon. Er war zwischen den dichten Halmen, wo er nach zarten Spitzen und Samenkörnern pickte, kaum zu sehen gewesen.

Die malerischen Geistereukalypten, die botanisch eigentlich nicht zu den Eukalypten gehörten, hoben sich wie einsame Wächter vom tiefblauen Himmel ab. Sie waren an ihren weißen Baumstämmen eindeutig zu erkennen.

Rechts reihten sich mehrere Lagunen aneinander, deren Ufer von Akazien gesäumt waren. Eine Schar Papageien flatterte durch die Baumkronen. Immer wieder blitzte ihr buntes Gefieder auf. Australien – Land der Papageien. Die Skala prächtiger Farben war nahezu unerschöpflich: knallrot, türkis, smaragdgrün, violett, orange und gelb in allen Nuancen.

In einer dieser Lagunen – der mittleren, tiefsten und längsten, die auch bei anhaltender Dürre nicht austrocknete und die Koopali hieß – wäre Francesca mit sechs Jahren beinahe ertrunken. In jenem Jahr hatte es ebenfalls stark geregnet, sodass Koopali zu einem bewegten Meer angeschwollen war. Die neunjährige Carina hatte vom Ufer aus zugesehen, starr vor Schrecken, als hätte sie die Gewalt über ihren Körper verloren.

Wie durch ein Wunder war Bryn rechtzeitig aufgetaucht und hatte größeres Unheil verhindert. Später erzählte Carina unter Schluchzen, sie hätten sich von den anderen entfernt und Francesca sei trotz ihrer ausdrücklichen Warnung zu nah ans Ufer gegangen. Ein Kind konnte sich leicht zwischen den Wurzeln der üppig blühenden Lilien verfangen und unter Wasser gezogen werden. Francesca hatte gerade erst schwimmen gelernt und war durch den Verlust ihrer Eltern seelisch angeschlagen gewesen.

Hatte sie wirklich die Ermahnung ihrer älteren Cousine missachtet? Leichtsinn oder Ungehorsam war bisher niemandem bei ihr aufgefallen.

Als das Verschwinden der beiden Mädchen bemerkt wurde, brach in der Gesellschaft, die ein Picknickausflug in die Nähe der Lagunen geführt hatte, Panik aus. Jeder wusste, dass die wilde Schönheit des Outback Gefahren aller Art einschloss. Bryn rannte sofort in Richtung Koopali los. Warum tat er das? Weil eine der umherziehenden Aborigines, eine uralte, fast blinde Frau, mit ihrem Stock dahin gezeigt hatte.

„Koopali“, hatte sie gemurmelt und mit dem Stecken heftig auf den Boden gestoßen.

Bryn wusste bis heute nicht, warum er der Alten so bedingungslos vertraut hatte. Jedenfalls war er gerade noch rechtzeitig dort erschienen und hatte sich kopfüber in das dunkelgrüne Wasser gestürzt, aus dem Francescas Kopf zum letzten Mal auftauchte. Währenddessen hatte Carina angefangen, hysterisch zu schreien …

So lagen die Tatsachen. Bryn hatte Francesca das Leben gerettet und besaß damit – nach Ansicht der Eingeborenen – einen Teil ihrer Seele. Carina war so verstört, dass niemand wagte, ihr ein Versäumnis vorzuwerfen. Welche Heldentaten waren von einem neunjährigen Kind schon zu erwarten? Darüber vergaß man, dass sie sehr gut schwimmen konnte und trotzdem keinen Versuch gemacht hatte, ihre Cousine zu retten.

Autor

Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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