Erfüllst du mir meinen größten Traum?

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Erst Hochzeit - dann Liebe? Joanna bleibt keine andere Wahl, als Matt Bentley zu heiraten. Doch während sie an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zweifelt, sieht der vermögende Juniorchef in dieser Ehe eine großartige Chance: Er will die Frau seines Lebens für immer von seiner Liebe überzeugen!


  • Erscheinungstag 03.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747527
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Warum musste das Telefon ausgerechnet jetzt klingeln – fünf Minuten nachdem Grandma Esther sich zu einem Nickerchen zurückgezogen hatte? Joanna Johnson nahm schnell ab, damit das laute Geräusch ihre Großmutter nicht störte. „Hallo?“

„Hallo, Jo.“ Es war Matt.

Beim Klang seiner Stimme zog sich ihr Magen zusammen. Am liebsten hätte sie aufgelegt. In den vergangenen Tagen war sie ihm absichtlich aus dem Weg gegangen, doch jetzt hatte Matt Bentley sie bei ihrer Großmutter erwischt, die nun einmal seine Patin war.

„Einen Moment, ich sage Grandma Bescheid.“

„Ich wollte mit dir sprechen.“

Verdammt! Joanna lehnte sich gegen die Wand und versuchte, ruhig zu bleiben. „Ich verstehe. Und woher wusstest du, dass ich hier bin?“

„Ich habe es nur vermutet. Da du ja weder an dein Telefon zu Hause noch an dein Handy gehst und auch deine E-Mails nicht beantwortest, blieben mir nicht mehr viele Möglichkeiten, dich zu erreichen.“

Sie ballte die Hand zur Faust. „Wenn Grandmas Telefon ein Display hätte, würden wir auch jetzt nicht miteinander sprechen.“

„Das weiß ich. Schließlich haben mir deine Nachbarn gestern damit gedroht, die Polizei auf mich zu hetzen, wenn ich weiter Sturm klingele.“

Damit ihre Großmutter das Gespräch nicht mithören konnte, ging Jo mit dem Telefon in die Küche – obwohl sie wusste, dass aus dem Telefonat mit Matt kein lautstarker Streit werden würde. Dafür war sie viel zu beherrscht. Kühl erwiderte sie: „Dein Vater hat schließlich auch den Sicherheitsdienst in mein Büro gerufen. Warum sollten meine Nachbarn deinetwegen dann nicht die Polizei alarmieren?“

Plötzlich war in der Leitung ein leises Geräusch zu hören. Es klang wie das Klicken, wenn bei einem weiteren Telefon im Haus der Hörer abgenommen wurde. Nervös ließ Joanna den Blick zur Gästezimmertür gleiten. Hörte ihre Großmutter das Gespräch etwa mit?

„Jo, du gibst mir einfach keine Chance“, sagte Matt ungeduldig. Offenbar war ihm noch immer nicht bewusst, was für ein Chaos er in ihrem Leben angerichtet hatte. „Ist dir eigentlich klar, in was für einer komplizierten Lage ich mich befinde? Ich habe mit dem Vorstand und den Untersuchungen alle Hände voll zu tun und muss herausfinden, was wirklich passiert ist – und inwieweit du mit dem Ganzen zu tun hast. Es war wirklich nicht besonders hilfreich, dass du einfach davongestürmt bist. Und dann schickst du mich einfach in die Wüste und weigerst dich, mit mir zu reden …“

„Pst“, unterbrach Joanna ihn. Die Worte „inwieweit du mit dem Ganzen zu tun hast“ machten sie wütend, doch im Moment war ihre größte Sorge, dass ihre Großmutter vielleicht mithörte. „Moment.“

„Was?“

„Pst!“ Joanna hielt die Sprechmuschel mit der Hand zu, schlich zum Gästezimmer und lauschte. Es war ganz still. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Die Vorhänge waren zugezogen. Im Raum war es dunkel, aber sie konnte ihre Großmutter im Bett liegen sehen. Das Telefon befand sich in ihrer Reichweite. Joanna blieb eine Weile stehen, doch die alte Dame rührte sich nicht. Hatte sie vielleicht mitgehört und dann schnell wieder aufgelegt, als ihre Enkelin misstrauisch geworden war?

Nein, dachte Jo. Es sieht Grandma nicht ähnlich, heimlich andere Menschen zu belauschen. Wenn sie mich etwas fragen wollte, würde sie es ganz offen tun.

Erleichtert über diese Einsicht, zog sie die Tür leise wieder zu. Ihre Großmutter sollte noch nicht erfahren, dass es mit Matt aus war. Sie würde nur alles wissen wollen – und sich ungebeten einmischen. Natürlich musste sie es eines Tages erfahren. Joanna wollte es ihr sagen, wenn sie sich ein wenig beruhigt haben würde. Jetzt war dafür allerdings wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.

„Jo, was ist los?“, erkundigte sich Matt, als sie den Hörer wieder ans Ohr hielt.

Schnell ging sie wieder in die Küche. „Nichts.“

„Wie geht es dir denn?“

Die Frage machte Joanna so wütend, dass sie beinah die Geduld verloren hätte. Doch sie hatte nicht umsonst gelernt, sich zu beherrschen. „Wie soll es mir schon gehen, Matt?“, meinte sie kühl. „Immerhin hast du mein Leben zerstört.“

„Sei nicht so melodramatisch“, erwiderte er ungeduldig. „Du übertreibst wirklich!“

„Wie bitte?“ Jo war empört. „Ich habe meine Stelle verloren, mein Büro wurde vom Sicherheitsdienst auf den Kopf gestellt, und mein …“ Sie suchte nach der passenden Bezeichnung für die Rolle, die Matt in ihrem Leben gespielt hatte. „Mein Liebhaber hat kein Vertrauen zu mir. Du kannst nicht im Ernst überrascht sein, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben möchte!“

„Natürlich vertraue ich dir, aber …“ Matt verstummte und fluchte. „Gib mir doch bitte die Chance, dir alles zu erklären“, fuhr er dann sanft fort. „Ich könnte heute Abend vorbeikommen und …“

Er versuchte, sie mit seinem Charme um den kleinen Finger zu wickeln. Aber diesmal würde es nicht funktionieren. Denn jetzt wusste Joanna, wie er wirklich zu ihr stand: Matt beschuldigte sie lieber zu Unrecht, ein Verbrechen begangen zu haben, als dass er sich öffentlich zu ihr bekannte. „Wir hatten so eine Unterhaltung schon einmal“, erwiderte sie kühl. „Es gibt nichts, worüber wir noch sprechen müssten. Und ich habe keine Lust auf eine Auseinandersetzung, Matt.“

„Das hast du doch nie“, bemerkte er. „Und genau darin könnte das Problem bestehen. Vielleicht sollten wir uns einmal so richtig streiten.“

„Es gibt kein ‚wir‘ mehr“, widersprach Joanna. „Das ist vorbei. Ruf mich bitte nicht mehr an.“

Matt fluchte wieder. „Nein! Es ist nicht vorbei, Joanna …“

Ohne ihm weiter zuzuhören, legte sie auf.

1. KAPITEL

Fünf Wochen später

Sie würde ihn doch wieder sehen müssen.

Joanna fluchte in Gedanken, als sie das kabellose Telefon abrupt aus seiner Halterung nahm und ins Wohnzimmer ging. Sie setzte sich aufs Sofa und legte eine alte Decke bereit, die ihr nötigenfalls ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln würde. Der Gedanke an ein Wiedersehen mit Matt war so beunruhigend, dass für eine Weile sogar die Sorge um ihre Großmutter in den Hintergrund gedrängt wurde.

Jo schlang die Arme um die Knie, während sie noch immer das Telefon in der Hand hielt. Dann war ihr plötzlich kalt, und sie zog sich die Decke um die Schultern. Außerdem verspürte sie ein heftiges Pochen in den Schläfen, seit Grandma Esther ihre Bitte geäußert hatte. Es hätte sie nicht überrascht, wenn sie jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben Migräne bekommen hätte. Eine Weile blickte sie starr das Telefon an und wunderte sich, weil ihre Finger nicht zitterten. Immerhin musste sie Matt anrufen und ihn bitten vorbeizukommen.

Es widerstrebte ihr sehr, denn eigentlich wollte sie ihm nicht wieder begegnen. Zwischen ihnen war zu viel vorgefallen, und fünf Wochen waren eine zu kurze Zeit, um den Schmerz und die Empörung zu vergessen. Doch sie hatte keine andere Wahl. Ihre Großmutter wollte ihren Patensohn Matt sehen, der überdies der Neffe ihres verstorbenen Mannes war und an dem sie sehr hing.

Grandma Esther zuliebe würde sie Matt also anrufen. Wäre es nach ihr gegangen, hätte Joanna allerdings lieber eine zweistündige Rede gehalten, wäre den ganzen Nachmittag lang über glühende Kohlen gegangen oder …

Joanna riss sich zusammen. Ich rufe ihn jetzt sofort an, sagte sie sich energisch, solange ich noch unter Schock stehe und nicht nachdenken kann. Denn sonst würde der Mut sie wohl allzu schnell wieder verlassen. Es ist schließlich gar nichts dabei, versuchte sie sich einzureden. Doch schon beim Gedanken daran, Matts Stimme zu hören, schlug ihr Herz heftig.

„Es ist vorbei“, sagte sie leise. Ich bin über ihn hinweg. Dann atmete sie tief ein und wählte Matts Nummer.

Noch fünf Wochen nach der Trennung drückte sie automatisch auf die Tasten, ohne überlegen zu müssen – wie damals, als sie Matt manchmal nur angerufen hatte, um seine Stimme zu hören und seine leidenschaftlichen Gefühle zu spüren, ganz gleich, wie weit sie voneinander entfernt waren.

Jetzt gab es diese Nähe zwischen ihnen nicht mehr, wie Joanna sich in Erinnerung rief. Trotzdem musste sie daran denken, wie Matts Stimme sich früher beim Telefonieren immer verändert hatte. Zuerst hatte sie nüchtern und sachlich geklungen, aber sobald er gehört hatte, dass sie es war, sanft und zärtlich.

Es ist vorbei, sagte Jo sich erneut. Matt bedeutet mir nichts mehr. Er ist nur der Patensohn meiner Großmutter, ein Freund der Familie – das ist alles. Doch als am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen wurde, zog sich ihr Magen vor Nervosität zusammen.

Du willst über Matt hinweg sein? dachte sie verzweifelt. Von wegen! Das hatte sie sich nur einreden können, weil sie nichts von Matt gehört und ihn auch nicht gesehen hatte. Auf Grandma Esthers Kamin stand noch immer ein Foto von ihm, zwischen den Bildern von Grandpa und ihr, Joanna. Sie hatte es allerdings unauffällig ein wenig zur Seite drehen können. So musste sie nicht jedes Mal in seine grünen Augen blicken, wenn sie das Zimmer betrat.

Doch jetzt hörte sie seine Stimme und hatte das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht fallen zu müssen.

„Hallo?“

Matt klang genau wie immer zu Beginn eines Gesprächs: ein wenig abwesend und sehr distanziert. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt.

„Hallo?“, sagte er noch einmal.

Wieso, um alles in der Welt, war sie nur so nervös? Es ist erst fünf Wochen her, rief Jo sich in Erinnerung. Bald wird es dir besser gehen. Die Zeit heilt alle Wunden. Vielleicht würde es ihr helfen, mit der Trennung fertig zu werden, wenn sie Matt zum ersten Mal, seit er ihr Exfreund war, sehen würde.

„Hallo, Matt, ich … ich …“, begann sie stockend. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Eigentlich hatte sie kühl und lässig klingen und ihn mit „Matthew“ ansprechen wollen. Stattdessen hatte sie seinen Spitznamen geflüstert – so wie damals, als sie noch …

Nein, daran durfte sie jetzt nicht denken. Auf keinen Fall wollte Joanna sich an die gemeinsamen Monate mit Matt erinnern – an sein erfreutes Lächeln, wenn sie ihn manchmal unerwartet geküsst hatte, oder daran, wie er sie morgens nach dem Aufwachen oft an sich gezogen und ihr gesagt hatte, wie sehr er sie den Tag über vermissen würde, obwohl sie im selben Unternehmen arbeiteten.

Sie versuchte, sich zu beruhigen. Vielleicht sollte ich einfach auflegen, überlegte sie. Matt wusste bestimmt nicht, wer angerufen hatte. Und Grandma Esther war immer noch kräftig genug, um selbst zum Hörer zu greifen.

„Hallo?“, fragte Matt wieder, diesmal etwas lauter. „Jo? Joanna? Bist du es?“

Er hatte ihre Stimme also doch sofort erkannt. Joanna schnitt ein Gesicht. Jetzt konnte sie nicht mehr einfach auflegen. Natürlich hätte sie damit rechnen müssen. Trotzdem war es ein Schock, Matt ihren Namen sagen zu hören.

Er klang nicht verärgert, aber ein wenig misstrauisch. Wieder erinnerte sie sich. Auch damals war Matt zuerst nicht wütend gewesen, eher überrascht und ein wenig gereizt, während er versucht hatte, das Problem zu vertuschen, anstatt ihr zu helfen. Erst als sie sich von ihm trennte, wurde er wütend. Doch sie konnte keine Beziehung mit jemandem führen, der ihr nicht traute und sich nicht zu ihr bekannte – obwohl er sie so vom Verdacht eines Verbrechens hätte reinwaschen können. „Wenn du wirklich Vertrauen zu mir hättest, würdest du mir zur Seite stehen“, hatte sie damals kühl erklärt. In Wirklichkeit aber hatte er ihr mit seinem Verhalten sehr wehgetan.

„Wenn du mich wirklich lieben würdest …“, hatte sie eigentlich damit gemeint. Auch sie hatte Matt zuliebe einiges auf sich genommen und ihre Beziehung bis zu seiner Rückkehr wie vereinbart geheim gehalten. Der Geschäftsführer durfte natürlich nicht mit einer Angestellten liiert sein, und so verlor sie kein Wort darüber, obwohl es sie später ihre Stelle und die Freundschaften kostete, die sie während ihrer Beschäftigung bei dem Unternehmen geschlossen hatte.

All das hatte ihr nicht viel ausgemacht, denn sie war sicher gewesen, dass Matt nach seiner Rückkehr alles aufklären würde. Und wenn er mich wirklich geliebt und mir vertraut hätte, wäre es auch so gekommen, dachte sie.

Dann verdrängte Jo den Gedanken. Hier geht es nicht um Matt und mich, rief sie sich ins Gedächtnis. Es geht um Grandma.

„Jo?“, fragte Matt noch ungeduldiger. „Du bist es doch, stimmt’s?“

Joanna schluckte und räusperte sich. „Ja, ich bin es. Hallo, Matthew. Ich rufe an, weil … Es geht um Esther. Ich bin gerade ein paar Tage bei ihr … also, eigentlich schon seit zwei Wochen, weil es ihr in letzter Zeit nicht gut geht. Grandma möchte dich sehen. Sie …“ Sie verstummte, weil ihre Augen sich mit Tränen füllten. „Wahrscheinlich übertreibt sie wieder – du kennst ja ihren Hang zur Dramatik. Aber sie … sie ist fest davon überzeugt, dass sie bald sterben muss. Und vorher möchte sie dich noch einmal sehen.“

Eine Weile herrschte Schweigen. „Ich komme so schnell wie möglich“, sagte Matt dann und legte auf, ohne sich zu verabschieden.

Jo atmete tief ein. Einerseits war sie zutiefst erleichtert, weil sie den Anruf hinter sich gebracht hatte. Andererseits geriet sie beim Gedanken an ein Wiedersehen mit Matt in Panik. Ganz ruhig, ermahnte sie sich, stand auf und ging zum Gästezimmer. Grandma will Matt sehen. Nur das ist jetzt wichtig.

„Kommt er?“, erkundigte sich ihre Großmutter, die so munter wirkte wie eh und je. Ihre blauen Augen leuchteten. Sie saß, gestützt von mehreren Kissen, aufrecht im Bett, neben sich einen Kassettenrekorder mit einem Hörbuch und unzählige Kreuzworträtselhefte. Es war ihr sehr wichtig, geistig rege zu bleiben.

Leider war sie gesundheitlich sehr angeschlagen. Esther war ihr Leben lang früh aufgestanden und hatte immer sehr viel Wert darauf gelegt, gut gekleidet und zurechtgemacht zu sein. Doch seit einigen Wochen fühlte sie sich zu schwach dafür und zog meist nur einen Morgenmantel über. Joanna war zwei Wochen zuvor zu Besuch gekommen – und hatte sie seitdem außer zum Arbeiten nicht mehr verlassen.

„Ja, Grandma, Matt ist schon auf dem Weg“, erwiderte sie und setzte sich wie immer ans Fußende. „Er sagte, er würde so schnell wie möglich herkommen.“ Sie warf einen Blick auf die Wanduhr. „Es könnte natürlich sein, dass er erst morgen hier ist. Er hat sofort aufgelegt, also konnte ich ihn nicht fragen, was er mit ‚so schnell wie möglich‘ meinte.“ Sie schnitt ein Gesicht. „Aber das ist ja nichts Neues.“

Ihre Großmutter nickte. „Ja, ich weiß. Er arbeitet einfach zu viel. Du musst ihn davon abbringen, Jo. Männern ist nicht immer klar, dass sie auch Zeit mit ihren Partnerinnen verbringen müssen – bis es zu spät ist. Du hast ihn sicher auch schon länger nicht mehr gesehen, stimmt’s?“

Jo rang sich ein Lächeln ab. „Matt ist eben sehr beschäftigt“, erwiderte sie ausweichend. „Aber immerhin nimmt er sich die Zeit, um dich zu besuchen.“

„Ich möchte nicht, dass er sich Sorgen macht, aber ich muss über einige wichtige Dinge mit ihm sprechen – zum Beispiel darüber, wie er dich in Zukunft behandeln wird. Es gibt da ein paar Grundregeln. Zum Beispiel sollte er zumindest dann und wann das Wochenende mit dir verbringen. Das hat er in letzter Zeit nicht getan, oder? Du warst die ganze Zeit hier, und er hat dich nicht ein einziges Mal besucht.“ Ihre Großmutter sah sie aufmerksam an.

Joanna senkte den Blick. Noch immer hatte sie ihr nicht von der Trennung erzählt. „Grandma, Matt hat einfach sehr viel zu tun“, antwortete sie. „Das akzeptiere ich. Er hat ja schließlich auch Verständnis dafür, wenn ich einmal wenig Zeit habe. Wir sind beide glücklich und zufrieden mit der Situation. ‚Grundregeln‘ brauchen wir wirklich nicht.“

„Ich werde mich auf keinen Fall aus dieser Welt verabschieden, ohne mit ihm über dich gesprochen zu haben“, erklärte die alte Dame energisch. „Ihr beide werdet schließlich euer Leben gemeinsam verbringen, und dafür kann ich Matt einige wertvolle Ratschläge geben. Immerhin habe ich siebenunddreißig Jahre mit deinem Großvater zusammengelebt.“ Sie strich ihr über die Hand. „Auch für dich habe ich ein paar Tipps: zum Beispiel, wie man mit übellaunigen Männern umgeht.“

Gegen ihren Willen musste Jo lächeln. „Matt kann ziemlich dickköpfig sein und glaubt, er hätte immer recht“, erwiderte sie. „Aber übellaunig ist er nicht.“

„Er verliert nie die Beherrschung“, sagte ihre Großmutter. „Allerdings hat er auch sehr starke Gefühle. Und er würde kämpfen wie ein Löwe, um seine Partnerin zu verteidigen.“

Seine Partnerin zu verteidigen. Joannas Lächeln verschwand. Genau das hatte Matt nicht getan. Grandma hat recht, dachte sie verzweifelt. Er würde für seine Partnerin alles tun – aber anscheinend war ich nicht die Richtige für ihn. Offenbar waren seine Gefühle für sie nicht stark genug gewesen.

„Am wichtigsten ist, dass ihr auch Zeit nur für euch habt. Ihr solltet also öfter einen Babysitter engagieren und euch ein paar schöne Stunden machen.“

„Babysitter?“, fragte Joanna entgeistert.

„Ja, ich weiß, das ist vielleicht etwas vorschnell von mir“, erwiderte die alte Dame lächelnd. „Bestimmt wollt ihr euch zuerst verloben und heiraten, bevor ihr Kinder bekommt. Aber ich habe nun einmal nicht mehr viel Zeit, um meine Lebenserfahrung an euch weiterzugeben.“

„Das glaube ich nicht“, entgegnete Jo energisch und versuchte, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Ihre Großmutter war offenbar überzeugt davon, dass sie jeden Moment sterben würde. Der Arzt hatte gesagt, in ihrem Alter müsse man natürlich mit allem rechnen, einen direkten Anlass zur Sorge könne er allerdings nicht feststellen. Später hatte er ihr jedoch anvertraut, dass manche Menschen diese Dinge im Voraus spürten.

„Nein, mein Mädchen“, meinte die alte Dame jetzt und schüttelte den Kopf. „Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Und bitte seid nicht zu traurig, wenn ich gehe. Im Himmel werde ich bestimmt noch mehr Spaß haben als hier. Außerdem werde ich dir und Matt ein schönes Plätzchen reservieren.“

„Das kommt gar nicht infrage, Grandma. Wir brauchen dich doch hier!“

„Keine Angst, ich werde noch bleiben – bis ich mit Matt gesprochen habe. Ist das Haus eigentlich sauber und ordentlich?“, erkundigte ihre Großmutter sich besorgt.

Joanna musste lächeln. In manchen Dingen würde sich ihre Großmutter wohl nie ändern. „Ja, Grandma“, erwiderte sie beruhigend. „Alles ist in bester Ordnung. Nur der Abwasch steht noch in der Küche, aber den werde ich jetzt gleich erledigen.“

„Gut. Matt soll ja nicht denken, dass wir schlampig sind, stimmt’s?“

„Das würde er auch nicht.“

Die alte Dame sank seufzend in die Kissen. „In letzter Zeit bin ich wirklich zu nichts zu gebrauchen“, stellte sie bekümmert fest. „Schon wieder bin ich müde und muss ein Nickerchen machen. Aber wenn Matt kommt, bring ihn bitte sofort zu mir.“

„Natürlich.“ Jo stand auf und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann wies sie auf eine kleine Glocke, die in Reichweite auf dem Nachttisch lag. „Klingel einfach, wenn du etwas brauchst.“

Ihre Großmutter schlief schon fast, als Joanna auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlich.

Sie war erschöpft. Für die alte Dame zu sorgen machte nicht viel Arbeit, denn diese konnte die meisten Dinge noch selbst erledigen. Aber dass sie ständig von ihrem baldigen Tod sprach, belastete Joanna sehr. Sie sehnte sich nach der Unterstützung ihrer Eltern. Doch die waren irgendwo in Afrika und drehten einen Dokumentarfilm.

Sie ging in die Küche und räumte auf. Bestimmt macht Grandma sich Sorgen, dass meine hausfraulichen Fähigkeiten für Matt nicht ausreichen, dachte sie. Obwohl es Esther wichtig gewesen war, dass ihre Enkelin aufs College ging und eine gute Ausbildung erhielt, schien sie zu erwarten, dass Joanna sich nach der Hochzeit auf ein Leben als Hausfrau und Mutter beschränkte.

Hätte ich Matt doch bloß gefragt, wann er hier sein wird, überlegte sie. Bei ihm konnte „so schnell wie möglich“ alles bedeuten – von wenigen Minuten bis zu zwei Wochen!

Als alles blitzblank und perfekt aufgeräumt war, lief Jo unruhig in Wohnzimmer und Küche hin und her. Die beiden Räume hatten Fenster zur Vorderseite des Hauses. Sie wollte Matt abfangen, bevor er klingeln und Esther aufwecken würde. Sie musste unbedingt mit ihm sprechen und ihm erklären, warum ihre Großmutter noch nichts von der Trennung wusste.

Lange bevor sie mit seiner Ankunft gerechnet hätte, sah sie durch den Regen die Scheinwerfer seines Wagens in der Auffahrt. Sofort begann ihr Herz heftig zu schlagen. Er hat immer noch dasselbe Auto, dachte sie. Aber schließlich hatte sie vor nur etwas über einem Monat selbst noch darin gesessen. Sie schien unbewusst zu erwarten, dass sich alle Dinge ebenso rasant veränderten wie ihr eigenes Leben.

Joanna versteckte sich hinter der Gardine und beobachtete, wie Matt ausstieg, das Auto abschloss und zur Haustür ging. Er sah müde und sehr ernst aus.

Joanna öffnete. Sie versuchte, kühl und gelassen zu wirken, doch es gelang ihr nicht. Zu ihrer Verärgerung stellte sie fest, wie sehr ihr das Lächeln fehlte, mit dem Matt sie früher immer begrüßt hatte. Stattdessen nickte er nur kurz und musterte sie von Kopf bis Fuß.

„Hallo, Jo.“

Jo ließ ihn eintreten. Es machte sie nervös, Matt plötzlich wieder so nahe zu sein. Fast konnte sie seine Körperwärme spüren. Ihr wurde schwindelig. Und trotz allem, was passiert war, wünschte sie, er würde sie in die Arme schließen.

Matt sah genauso aus wie immer: das dunkle Haar, in dem Regentropfen glitzerten, die faszinierenden grünen Augen …

Natürlich ist er noch derselbe, ermahnte sie sich. So schnell veränderten Menschen sich nicht – es sei denn, in ihrem Leben geschah irgendetwas, das alles aus den Fugen geraten ließ. Offensichtlich war das bei ihm nicht der Fall, dachte sie.

Matt schloss die Tür hinter sich, schaltete das Licht im Flur ein und blickte sie an. Jetzt wirkte er nicht mehr ernst, sondern überrascht. „Du hast dich verändert, Jo.“ Er atmete tief ein und streckte den Arm nach ihr aus. Doch kurz bevor er ihr Haar berührte, zog er die Hand zurück. „Was, um alles in der Welt, hast du denn mit deinen Haaren gemacht?“ Er klang sehr aufgebracht.

Nervös strich Joanna sich über die Schläfe. Da Matt von ihrem Haar immer so begeistert gewesen war, hatte sie es abgeschnitten. Jetzt war es fast kürzer als seins.

„Das geht dich überhaupt nichts an“, hätte sie am liebsten erwidert. Stattdessen lächelte sie kühl und sagte: „Hallo, Matthew. Schön, dass du so schnell herkommen konntest.“

Noch immer konnte er den Blick nicht von ihrer neuen Frisur abwenden. Er mochte sie vielleicht nicht wirklich geliebt haben, doch ihr Haar hatte ihn immer fasziniert. Sie war plötzlich sehr zufrieden mit ihrem neuen Äußeren.

Matt betrachtete ihr Gesicht. Kopfschüttelnd kniff er die Augen zusammen. „Du siehst furchtbar aus, Jo“, stellte er fest. „Und so dünn! Hast du nicht genug gegessen?“

Täuschte sie sich, oder klang er schuldbewusst? Dachte er vielleicht, sie würde ihm nachtrauern?

Mit aller Macht verdrängte Joanna den Gedanken. Es geht jetzt nur um Grandma, rief sie sich ins Gedächtnis. Alles andere war nebensächlich. „Danke, dass du gekommen bist“, wiederholte sie betont freundlich. „Esther wird sich sehr freuen, dich zu sehen.“

Matt wandte den Blick von ihr ab und sah zur Treppe. Er streifte die Handschuhe ab und steckte sie sich in die Jackentaschen. „Wie geht es ihr?“

Jo zuckte die Schultern. „Wir wissen es nicht genau“, erwiderte sie mit bebender Stimme. „Grandma selbst glaubt, dass sie bald sterben muss. In letzter Zeit hat sie die meiste Zeit im Bett gelegen, weil sie sich so schwach fühlte. Richtig krank scheint sie allerdings nicht zu sein – nur alt.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Der Doktor konnte nichts Konkretes feststellen. Aber sie ist so überzeugt von ihrem baldigen Tod, dass ich mir trotzdem Sorgen mache …“

Matt blickte sie mitfühlend an und streckte wieder die Hand nach ihr aus, doch Joanna wich zur Seite. Erschrocken stellte sie fest, wie sehr sie sich danach sehnte, von ihm berührt zu werden.

„Grandma wollte dich unbedingt sprechen“, sagte sie. „Deshalb habe ich dich angerufen.“

Ohne sich die Jacke auszuziehen, wollte er die Treppen hinaufeilen. Sie hielt ihn am Arm fest. Das kühle Leder fühlte sich weich und vertraut an. „Warte. Grandma macht gerade ein Nickerchen. Und sie schläft auch nicht oben, sondern hier unten im Gästezimmer.“

Matt blieb stehen, und sie ließ seinen Arm los.

„In den letzten Tagen hat sie schlecht geschlafen. Deshalb ist es besser, wenn wir ihr etwas Ruhe gönnen“, fuhr Joanna fort. „Ich habe ihr eine kleine Glocke auf den Nachttisch gelegt. Wenn Grandma etwas braucht, wird sie einfach klingeln.“ Sie schwieg kurz und fragte schließlich: „Oder hast du es wegen deiner Arbeit sehr eilig? Dann würde ich sie natürlich wecken.“

Autor

Hannah Bernard
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