Erpresst von dem griechischen Tycoon

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Heißes Verlangen spürt Ariston Kavakos, als er Keeley bei einer Vernissage in London wiedersieht. So provokant schön wie damals - aber sicher noch genauso berechnend! Während der griechische Tycoon ungehalten beobachtet, wie sie mit seinem Bruder Pavlos flirtet, kommt ihm ein brillanter Gedanke: Mit einer List wird er Keeley auf seine Privatinsel locken, sie verführen und damit für seinen Bruder uninteressant machen. Danach will er sie ein für alle Mal aus seinem Leben verbannen! Doch sein Plan geht gründlich schief …


  • Erscheinungstag 05.06.2018
  • Bandnummer 2339
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710194
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Person, die mit seinem Bruder sprach, verkörperte alles, was Ariston Kavakos an Frauen hasste. Ihre weiblichen Kurven sorgten garantiert dafür, dass jeder Mann sie begehrte, ob er es wollte oder nicht. Ariston wollte es definitiv nicht. Und dennoch war er von heftigem Verlangen gepackt worden.

Warum, zum Kuckuck, war Keeley Turner hier?

Sie stand dicht bei Pavlos. Die Deckenbeleuchtung der schicken Londoner Galerie ließ Keeleys blondes, welliges Haar glänzen. Sie hob die Hände, um eine Äußerung zu unterstreichen, und Aristons Blick fiel auf die wundervollsten Brüste, die er je gesehen hatte. Als er sich daran erinnerte, wie sie im Bikini aus dem blauen, schaumgekrönten Wasser der Ägäis aufgetaucht war, das ihr in kleinen Rinnsalen über den Bauch gerieselt war, musste er schlucken. Sie war eine Mischung aus Erinnerung und Träumerei, eine nie beendete Geschichte. Es war schon acht Jahre her, und doch hatte er für nichts und niemanden Augen als für Keeley Turner – und das trotz der atemberaubenden Aufnahmen seiner griechischen Privatinsel, die in der Galerie ausgestellt wurden!

Ob sein Bruder genauso eingenommen von ihr war? Ariston hoffte, dass es nicht so war, doch er konnte die Körpersprache der beiden aus der Entfernung nicht deuten. Er durchquerte die Galerie, doch falls Keeley und Pavlos sein Näherkommen bemerkt hatten, ließen sie es sich zumindest nicht anmerken.

Ariston spürte einen Anflug von Wut, die er rasch verdrängte, da sie kontraproduktiv gewesen wäre, das war ihm inzwischen klar. In komplizierten Situationen war eiskalte Ruhe wesentlich effektiver – sie war sein Schlüssel zum Erfolg. Das Mittel, mit dem er das schwächelnde Familienunternehmen wiederaufgebaut und sich einen Ruf verdient hatte als jemand, der alles zu Gold machte, was er berührte. Die Misswirtschaft seines Vaters war Geschichte, und nun war er, der älteste Sohn, zuständig. Inzwischen war die Kavakos-Reederei das profitabelste Schifffahrtsunternehmen der Welt, und er würde dafür sorgen, dass es so blieb.

Das bedeutete nicht nur, dass er mit Schiffsmaklern verhandeln und immer auf dem neuesten Stand sein musste, was die Weltpolitik betraf, sondern es hieß auch, dass er ständig ein wachsames Auge auf die leichtgläubigeren Familienmitglieder haben musste. Das Kavakos-Imperium strotzte vor Geld, und er wusste, wie Frauen sich in der Umgebung von Geld verhielten. Er hatte in jungen Jahren eine einschneidende Erfahrung mit der weiblichen Habgier gemacht; seitdem war er stets auf der Hut. Diese Grundhaltung führte dazu, dass manche Leute ihn für übervorsichtig hielten, doch Ariston sah sich selbst lieber als leitenden Impulsgeber – als Kapitän, der das Schiff steuerte. In gewisser Weise war das Leben ja wie eine Seereise. Eisberge umschiffte man aus gutem Grund – und Frauen waren wie Eisberge. Man sah nur zehn Prozent von ihrem wahren Ich, der Rest blieb unter der Oberfläche verborgen.

Während er auf die beiden zuging, ließ er die Blondine nicht aus den Augen. Wenn im Leben seines Bruders etwas schieflief, würde er das klären – und zwar schnell. Ariston verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. Er würde sie so schnell wie möglich hinausbefördern.

„Pavlos, was für eine Überraschung“, sagte er ruhig, als er bei den beiden ankam, und bemerkte, wie die Frau auf der Stelle verkrampfte. „Ich hatte nicht erwartet, dich so kurz nach der Vernissage wieder hier zu sehen. Hast du auf einmal dein Interesse für die Fotografie entdeckt oder einfach nur Sehnsucht nach der Insel, auf der du geboren wurdest?“

Pavlos sah aus, als wäre er nicht gerade begeistert davon, unterbrochen zu werden, doch das war Ariston egal. Momentan konnte er an nichts anderes denken als an das, was gerade in ihm selbst vorging. Denn ärgerlicherweise hatte er offenbar keine Immunität gegen die grünäugige Sirene entwickelt, die er zum letzten Mal gesehen hatte, als sie achtzehn gewesen war. Damals hatte sie sich ihm mit einer Leidenschaft an den Hals geworfen, die ihm den Verstand geraubt hatte. Sie hatte sich sofort an ihn geschmiegt und hätte sich ihm sicher auch komplett hingegeben, wenn er das Ganze nicht gestoppt hätte. Indem er ihre Willigkeit verachtet und gleichzeitig betört davon gewesen war, hatte er genau die Doppelmoral an den Tag gelegt, die man ihm in Liebesdingen manchmal vorwarf. Es hatte seine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um von ihr abzulassen, aber es war ihm gelungen, auch wenn sein Körper sich hinterher monatelang nach ihr gesehnt hatte.

Er biss die Zähne zusammen. Sie war nichts weiter als ein Flittchen. Ein billiges, aufdringliches kleines Flittchen. Wie die Mutter, so die Tochter, dachte er. Diese Art von Frau war das Letzte, auf das sein Bruder sich einlassen durfte.

„Ach, hallo, Ariston“, sagte Pavlos auf seine lässige Art, die oft dafür sorgte, dass die Leute überrascht waren, wenn sie erfuhren, dass er Aristons Bruder war. „Ja, da bin ich schon wieder. Ich dachte, ich komme noch mal her und treffe mich bei der Gelegenheit mit einer alten Freundin. Du erinnerst dich doch noch an Keeley, oder?“

Einen Moment lang war es ganz still. Ariston spürte sein Herz heftig pochen, als sie mit ihren grünen Augen zu ihm aufsah. „Natürlich erinnere ich mich an Keeley“, antwortete er dann schroff.

Ihm entging die Ironie seiner Worte nicht. Die meisten Frauen waren für ihn nur Mittel zum Zweck, und er vergaß sie schnell wieder. Vielleicht erinnerte er sich ab und zu an ausgesprochen schöne Brüste oder einen besonders knackigen Hintern, und wenn eine Frau besonders geschickt mit dem Mund oder den Händen war, dachte er mit einem nostalgischen Lächeln an sie zurück. Aber Keeley Turner war eine andere Liga gewesen, und er hatte sie nie wirklich vergessen können.

Ob es daran lag, dass sie tabu gewesen war? Oder daran, dass sie ihm eine Kostprobe ihres unglaublichen Zaubers gegeben hatte, bevor er sich von ihr losgerissen hatte? Ariston wusste es nicht. Es war ebenso unerklärlich, wie es heftig war, und er musste feststellen, dass er sie mit derselben Aufmerksamkeit betrachtete wie die Umstehenden die Fotos an den Wänden.

Zierlich und doch unendlich weiblich gebaut, so stand sie da mit ihrem langen, gewellten blonden Haar. Sie trug ganz normale Jeans und einen unauffälligen dünnen Pullover, aber sie hätte selbst in einem Kartoffelsack unglaublich gut ausgesehen. Der billige synthetische Stoff spannte sich über ihre üppigen Brüste, und der blaue Denim umschmeichelte ihren runden Po. Sie trug keinen Lippenstift, und ihre Augen, aus denen sie ihn verunsichert ansah, hatte sie nur mit ein wenig Mascara betont. Ihr Look war nicht gerade modern, aber sie hatte etwas ganz Besonderes … Etwas, das ihn tief berührte und den Wunsch in ihm auslöste, sie auszuziehen und sich über sie herzumachen, bis sie seinen Namen schrie. Zu gerne wollte er mit ihr ins Bett. Aber noch lieber wollte er, dass sie hier verschwand – also musste er nun handeln.

Sie bewusst ignorierend, lächelte er seinen Bruder an. „Ich wusste gar nicht, dass ihr Freunde seid.“

„Genau genommen haben wir uns ein paar Jahre nicht gesehen“, antwortete Pavlos. „Nicht seit dem Sommer damals.“

„Ich denke mal, dieser Sommer ist einer, an den sich keiner von uns besonders gern erinnert“, erwiderte Ariston und beobachtete mit Genugtuung, wie sich Keeleys Wangen tiefrot färbten. „Habt ihr seitdem die ganze Zeit über den Kontakt zueinander gehalten?“

„Über soziale Medien halt“, erklärte Pavlos schulterzuckend. „Du weißt ja, wie das ist.“

„Nein, das weiß ich nicht. Du kennst meine Meinung über die sozialen Medien, und die ist alles andere als positiv.“ Ariston machte keinerlei Anstalten, seine Missbilligung zu verbergen. „Ich muss mit dir sprechen, Pavlos. Allein.“

Pavlos runzelte die Stirn. „Wann?“

„Jetzt.“

„Aber ich habe Keeley gerade erst getroffen. Kann das nicht warten?“

„Leider nicht.“ Ariston bemerkte den entschuldigenden Blick, den Pavlos Keeley zuwarf, als wolle er sie für das eigensinnige Verhalten seines Bruders um Verzeihung bitten. Aber das kümmerte ihn nicht. Er hatte stets alles darangesetzt, Pavlos von solchen Skandalen fernzuhalten, die ihre Familie in der Vergangenheit ins Elend gestürzt hatten. Sein Bruder sollte nicht denselben jämmerlichen Weg einschlagen wie sein Vater. Ariston hatte dafür gesorgt, dass Pavlos ein gutes Internat in England besucht hatte und dann zum Studieren in die Schweiz gegangen war. Außerdem hatte er behutsam Einfluss auf die Wahl seiner Freunde und Freundinnen genommen. Und er würde diesem hübschen kleinen Flittchen klarmachen, dass sein Bruder tabu war. „Es geht um etwas Geschäftliches“, erklärte er.

„Nicht schon wieder Ärger am Golf?“

„Etwas in der Art“, antwortete Ariston und fragte sich verärgert, warum sein Bruder sich nicht an die Regel hielt, dass geschäftliche Angelegenheiten nicht vor Fremden besprochen wurden. „Wir können in das Büro der Galerie gehen“, fügte er hinzu. „Der Besitzer ist ein Freund von mir.“

„Aber Keeley …“

„Um Keeley brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die kommt sicher gut alleine klar. Hier gibt es ja einiges für sie zu gucken.“ Mit einem unterkühlten Lächeln wandte Ariston sich ihr zu und fuhr mit warnendem Unterton fort: „Und jede Menge Männer, die meinen Bruder gern ersetzen werden. Just in diesem Moment gucken ein paar davon gerade her. Ich bin sicher, dass du viel Spaß mit ihnen haben könntest, Keeley. Du brauchst uns wirklich nicht länger aufzuhalten.“

Keeley erstarrte. Sie wünschte, ihr wäre eine passende vernichtende Erwiderung eingefallen, die sie dem mächtigen Griechen hätte entgegenschleudern können, der sie so missbilligend ansah und mit ihr redete, als wäre sie ein billiges Flittchen. Doch sie traute sich nicht, etwas zu sagen, weil sie fürchtete, dass sie nur Unsinn herausbringen würde. Das lag an der Wirkung, die er auf sie hatte. Die er auf alle Frauen hatte. Selbst wenn er voller Geringschätzung mit ihnen sprach – oder sollte man sagen: zu ihnen sprach? –, löste er ein Verlangen in ihnen aus, das man in Gegenwart der meisten anderen Männer nicht empfand. Er brachte einen dazu, von ihm zu träumen, obwohl er nichts als Finsternis ausstrahlte.

Ihr war nicht entgangen, wie ihre eigene Mutter ihn angestarrt hatte. Und sie sah die Blicke der anderen Frauen in der Galerie, die ihn jetzt ansahen – voller Verlangen, aber auf der Hut, als würden sie ein fremdartiges Wesen beobachten, von dem sie nicht wussten, wie man damit umging. Als wäre ihnen klar, dass sie besser die Finger von ihm ließen, während sie sich weiterhin danach sehnten, ihn zu berühren.

Und das konnte sie ihnen nicht zum Vorwurf machen. Hatte sie sich nicht selbst an ihn herangeschmissen? Sie hatte sich an ihn gedrängt und gehofft, dass er das Verlangen stillen würde, das sie peinigte. Wie ein dummes Naivchen hatte sie sich benommen und die unangenehme Situation noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon gewesen war, indem sie eine simple Geste von ihm missverstanden hatte.

Nach ihrer letzten Begegnung war ihr Leben aus den Fugen geraten, und sie hatte sich davon noch immer nicht ganz erholt. Keeley kniff die Lippen zusammen. Sie hatte zu viel durchgestanden, um sich von einem arroganten Milliardär runtermachen zu lassen. Wahrscheinlich sollte sein spöttischer Blick sie dazu bringen, von hier zu verschwinden, doch den Gefallen würde sie ihm nicht tun. In ihr regte sich Widerstand. Dachte er wirklich, dass er sie einfach aus dieser öffentlichen Galerie werfen könnte, wie er sie damals von seiner Privatinsel geworfen hatte?

„Mach dir keine Sorgen um mich. Ich schaue mir gern noch eine Weile die Bilder von Lasia an“, sagte sie und sah, wie sich sein Blick verfinsterte. „Ich hatte ganz vergessen, wie schön die Insel ist, und komme gut alleine klar, bis ihr wiederkommt.“ Sie lächelte. „Ich warte hier auf dich, Pavlos. Lass dir ruhig Zeit.“

Das war eindeutig nicht die Antwort, die Ariston sich gewünscht hatte; sie sah, wie seine attraktiven Züge sich verhärteten.

„Wie du willst“, entgegnete er. „Aber es kann eine Weile dauern.“

Sie erwiderte den kalten Blick seiner blauen Augen mit einem unbekümmerten Lächeln. „Das macht nichts. Ich habe es nicht eilig.“

Er zuckte mit den Schultern. „Schön. Komm, Pavlos.“

Gemeinsam mit seinem Bruder entfernte er sich, und Keeley konnte nicht anders, als ihm hinterherzusehen, genau wie alle anderen Leute in der Galerie.

Sie hatte vergessen, wie beeindruckend er war, weil sie sich gezwungen hatte, ihn zu vergessen; sich gezwungen hatte, die Erinnerung an eine Sinnlichkeit auszuradieren, die sie berührt hatte wie nichts anderes zuvor oder danach. Doch jetzt kam es alles wieder: die sonnenverwöhnte Haut und die schwarzen Härchen, die unter seinem Kragen hervorlugten …

Allerdings hatte er ausgesehen, als würde er sich in seinem erstklassigen grauen Anzug nicht wohlfühlen. Sein durchtrainierter Körper wirkte dadurch eingeschränkt, so, als sei es ihm angenehmer, in abgeschnittenen Jeans herumzulaufen, so wie damals auf Lasia. Jeans, in denen seine muskulösen Schenkel zur Geltung gekommen waren, als er tief in das saphirblaue Wasser eingetaucht war, das seine Insel umgab.

Auf einmal wurde ihr klar, dass es egal war, was er trug und was er sagte, weil sich nichts geändert hatte. Nicht wirklich. Man sah ihn, und man begehrte ihn, ganz einfach. Dass der einzige Mann, den sie je gewollt hatte, ausgerechnet einer sein musste, der kein Geheimnis daraus machte, wie sehr er sie hasste, zeigte wieder einmal, wie gemein das Leben war – als hätte sie das nicht längst gewusst.

Sie riss ihren Blick von Ariston los und versuchte sich auf die Fotografien von der Insel zu konzentrieren, die seit Generationen den Kavakos gehörte. Lasia wurde aus gutem Grund als das Paradies der Kykladen bezeichnet, und Keeley hatte sich tatsächlich wie im Garten Eden gefühlt, sobald sie einen Fuß auf den hellen Sand der Insel gesetzt hatte. Begeistert hatte sie das erstaunlich üppige Inselinnere erkundet, bis ihre Mutter auf Lasia in Ungnade gefallen war, woraufhin sie den Aufenthalt auf der Insel sofort beendet hatten. Nie würde sie das Blitzlichtgewitter und die Horden von Journalisten vergessen, von denen sie empfangen worden waren, als sie von Bord des Bootes gegangen waren, das sie nach Piräus zurückgebracht hatte. Genau wie die Schlagzeilen, als sie nach England zurückgekehrt waren – oder die peinlichen Interviews, die ihre Mutter hinterher gegeben hatte und die alles nur noch schlimmer gemacht hatten. Der Skandal hatte auf Keeley abgefärbt, und sie hatte noch immer darunter zu leiden.

War das nicht der Grund dafür, dass sie heute Nachmittag hergekommen war? War sie nicht hier, um sich mit Pavlos zu treffen und sich daran zu erinnern, wie schön Lasia war? Um endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen? Sie hatte gehofft, ein paar von den scheußlichen Erinnerungen ausradieren und durch schönere ersetzen zu können. In der Zeitung hatte sie ein Bild gesehen, das Ariston auf der Vernissage zeigte, zusammen mit einer Rothaarigen, die wie eine Klette an ihm hing. Keeley hatte nicht damit gerechnet, dass er heute wieder hier sein würde. Sie fragte sich, ob sie gekommen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass sie ihm hier begegnen würde.

Natürlich nicht. Nie im Leben hätte sie sich freiwillig in seine Nähe begeben!

„Keeley?“

Sie wandte sich um; Pavlos war wieder da. Ariston stand ein Stück hinter ihm und lächelte triumphierend, als ihre Blicke sich trafen.

„Hallo“, sagte sie zu Pavlos und spürte, wie ihr ganz heiß wurde von Aristons durchdringendem Blick. „Das ging ja schnell.“

Ein reumütiger Ausdruck huschte über Pavlos’ Gesicht, und Keeley ahnte, was jetzt kommen würde …

„Ja, stimmt. Hör mal, ich muss leider weg, Keeley“, sagte er. „Wir müssen unser Treffen auf ein andermal verschieben. Ariston braucht mich; ich muss mich um ein Schiff im Nahen Osten kümmern.“

„Was, jetzt?“, fragte Keeley, bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte.

„Genau jetzt“, sagte Ariston und fügte hinzu: „Hätten wir dich vorher um Erlaubnis fragen sollen?“

Pavlos beugte sich lächelnd vor, um sie auf beide Wangen zu küssen. „Ich schicke dir nachher eine Nachricht, okay?“

„Okay.“ Sie stand da und sah zu, wie er wegging. Ihr war klar, dass Ariston sie noch immer ansah, aber sie wagte nicht, seinen Blick zu erwidern. Stattdessen versuchte sie krampfhaft, sich auf die Fotografie zu konzentrieren, die sie gerade angesehen hatte. Sie zeigte eine Bucht, in der man Meeresschildkröten ausmachen konnte, die in kristallklarem Wasser schwammen. Vielleicht würde er weggehen. Und sie in Ruhe weiter daran arbeiten lassen, ihn wieder zu vergessen.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du meine Anwesenheit nicht bemerkst“, sagte er mit seiner samtigen Stimme, „oder ob es dir einfach nur Spaß macht, mich zu ignorieren.“

Er war näher gekommen und hatte sich neben sie gestellt. Als Keeley zu ihm aufsah und den durchdringenden Blick seiner leuchtend blauen Augen auf sich gerichtet fand, stieg ihr das Blut in den Kopf. Und in die Brüste. Sie spürte, wie sie schwer und empfindlich wurden. Ihr Mund war plötzlich trocken. Wie machte Ariston das? Ihre Finger fühlten sich taub an, und ihr war ein wenig schwindelig. Trotzdem brachte sie es irgendwie fertig, eine einigermaßen schlagfertige Antwort von sich zu geben. „Wieso? Bemerken es immer alle Frauen, wenn du einen Raum betrittst?“

„Was meinst du denn?“

In diesem Moment wurde Keeley klar, dass sie bei diesem Spiel nicht mitmachen musste. Sie hatte nichts mit diesem Mann zu tun. Also musste sie aufhören, sich zu benehmen, als hätte er Macht über sie. Ja, sie hatte einen Fehler gemacht – na und? Das war lange her. Sie war jung und naiv gewesen, hatte dafür gebüßt und war ihm nichts schuldig. Nicht einmal Höflichkeit.

„Willst du es wirklich wissen?“ Sie lachte spöttisch. „Ich meine, dass du unglaublich unhöflich und arrogant und der aufgeblasenste Mann bist, dem ich je begegnet bin.“

„Und dir sind ja wohl schon einige Männer begegnet.“

„Sicher nicht annähernd so viele, wie du Frauen abgeschleppt hast, wenn man dem glauben kann, was man in der Zeitung liest.“

„Kann schon sein. Aber wenn du mir mit Zahlen kommst, kannst du nicht gewinnen.“ Seine Augen glitzerten. „Hat man dir nie gesagt, dass da für Männer und Frauen verschiedene Regeln gelten?“

„Nur in der rückständigen Welt, in der du zu leben scheinst.“

Ariston zuckte mit den Schultern. „Es ist eben so, auch wenn es ungerecht ist. Bei Frauen missbilligt man ein Verhalten, an dem sich bei Männern keiner weiter stört.“

Er hatte die Stimme gesenkt, und das samtene Raunen hatte genau die falsche Wirkung auf Keeley. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und wollte so schnell wie möglich weg von ihm. „Lass mich bitte vorbei“, sagte sie, um eine ruhige Stimme bemüht. „Ich muss mir dieses steinzeitliche Gequatsche nicht länger anhören.“

„Stimmt, das musst du nicht“, antwortete er, doch er hinderte sie am Weggehen, indem er eine Hand auf ihren Unterarm legte. „Aber bevor du gehst, möchte ich gern ein paar Dinge klären.“

„Was für Dinge?“

„Ich denke, du weißt, wovon ich spreche, Keeley.“

„Ich fürchte, da irrst du dich“, erwiderte sie. „Gedankenlesen war noch nie meine Stärke.“

Ariston sah sie scharf an. „Dann muss ich es dir wohl ganz deutlich sagen, damit es keine Missverständnisse gibt.“ Er hielt kurz inne. „Lass die Finger von meinem Bruder, verstanden?“

Keeley starrte ihn ungläubig an. „Wie bitte?“

„Du hast ganz richtig gehört. Lass ihn einfach in Ruhe. Such dir einen anderen, dem du schöne Augen machen kannst – sicher gibt es genügend Interessenten.“

Seine Hand ruhte noch immer auf ihrem Arm. Für Außenstehende musste es aussehen wie eine freundschaftliche Berührung zweier Menschen, die einander wiedergetroffen hatten, aber für Keeley fühlte es sich nicht so an. Sie spürte den Druck seiner Finger durch ihren Pullover, und ihre Haut glühte unter seiner Berührung.

Verärgert schüttelte sie seine Hand ab. „Ich fasse es nicht, dass du es tatsächlich wagst, mir so etwas zu sagen.“

„Warum nicht? Es ist nur zu seinem Besten.“

„Willst du damit sagen, dass du regelmäßig herumgehst und Pavlos’ Freunde vergraulst?“

„Bislang habe ich mich damit begnügt, ein wachsames Auge auf sie zu haben, aber heute wollte ich auf Nummer sicher gehen.“ Er lächelte ironisch. „Ich kenne deine Trefferquote bei Männern ja nicht, aber ich nehme mal an, dass sie ziemlich hoch ist. Jedenfalls denke ich, dass ich deine etwaigen Hoffnungen besser zunichtemache, indem ich dir sage, dass Pavlos schon eine Freundin hat. Eine schöne, respektable Frau, die er sehr liebt und bald heiraten wird.“ Seine Augen funkelten. „Also würde ich an deiner Stelle keine weitere Zeit mit ihm verschwenden.“

Es erstaunte Keeley, wie herrisch er selbst in dieser Angelegenheit war. Er benahm sich, als würden alle springen, wenn er mit den Fingern schnippte. „Hat er da nicht auch ein Wörtchen mitzureden?“, fragte sie. „Hast du schon den Verlobungsring ausgesucht? Und einen Termin für die Trauung angesetzt?“

„Halt dich einfach von ihm fern, verstanden?“

Nun war es so, dass Keeley nie romantische Gefühle für Pavlos Kavakos gehegt hatte. Sie waren damals eng befreundet gewesen, aber rein platonisch, und sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen. Ihre gegenwärtige Freundschaft – wenn man das überhaupt so nennen konnte – bestand daraus, dass sie ab und zu den „Like“-Button oder einen Smiley drückte, wenn er ein Bild postete, das ihn inmitten von schönen jungen Menschen zeigte. Ihn heute wiederzusehen, war wohltuend gewesen, weil ihr klar geworden war, dass ihm egal war, was damals passiert war. Aber ihr war bewusst, dass sie in grundverschiedenen Welten verkehrten: Er war reich – sie nicht. Sie hatte nicht gewusst, dass er eine Freundin hatte, und es hatte keine Bedeutung für sie, aber Aristons anmaßender Befehl wirkte wie ein rotes Tuch auf sie.

„Ich lasse mir von niemandem sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe“, sagte sie. „Von dir nicht und auch von niemand anderem. Du kannst die Leute nicht wie Schachfiguren herumschieben. Ich treffe mich mit wem ich will, da kannst du machen, was du willst. Wenn Pavlos mich sehen will, werde ich nicht Nein sagen, nur weil du das so willst. Verstanden?“

Keeley sah seinen erst ungläubigen und dann wütenden Gesichtsausdruck – als würde es kein Mensch wagen, ihm so offen zu widersprechen. Sie versuchte, das ungute Gefühl beiseitezuschieben, das sie beschlich. Nun hatte sie ihm die Meinung gesagt und musste schleunigst hier weg, bevor sie anfing, darüber nachzudenken, wie es sich angefühlt hatte, von ihm berührt zu werden.

Sie wandte sich ab und verließ unter Aristons durchdringendem Blick die Galerie. Der gläserne Aufzug war zwar schnell da, dennoch zitterte Keeley am ganzen Körper, als sie ins Erdgeschoss hinuntersauste. Und als sie in die Londoner Luft hinaustrat, war ihre Stirn feucht.

2. KAPITEL

Während der Rückfahrt zu ihrer Wohnung in New Malden dachte Keeley unablässig daran, wie unverhohlen geringschätzig Ariston sich ihr gegenüber verhalten hatte. Doch das hatte ihre Brustwarzen nicht davon abgehalten, sich unter seinem arroganten Blick aufzurichten. Es hatte auch nichts daran geändert, dass sie jedes Mal, wenn sie in seine leuchtend blauen Augen gesehen hatte, von dieser dummen Sehnsucht gepackt worden war. Und nun musste sie von Neuem versuchen, ihn endgültig zu vergessen.

Als sie den Bahnhof verließ, wurde sie von einem Frühlingsschauer überrascht. Das Wetter im April war berühmt für seine Unberechenbarkeit, aber Keeley hatte es versäumt, einen Schirm mitzunehmen. Als sie endlich in ihrer Wohnung ankam, war sie klatschnass und durchgefroren; ihre Finger zitterten, als sie die Tür hinter sich zuzog. Doch statt sich auszuziehen und eine Tasse Tee zuzubereiten, ließ sie sich auf den erstbesten Stuhl fallen und kümmerte sich nicht weiter um ihre klammen Klamotten. Sie starrte aus dem Fenster, doch sie bemerkte den Regen kaum, der auf die Dächer prasselte. Auf einmal saß sie nicht mehr zitternd in einem unscheinbaren Außenbezirk Londons. Sie sah einen breiten, silbrigen Strand und dahinter schöne Berge. Einen paradiesischen Ort. Lasia.

Keeley schluckte. Auf diesen plötzlichen Ansturm der Erinnerungen war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie dachte an ihre Zeit auf Lasia zurück, auf der Privatinsel der mächtigen Kavakos-Familie. Sie und ihre Mutter hatten auf der nahe gelegenen Insel Andros Urlaub gemacht. Ihre Mutter hatte den gesamten Aufenthalt lang über die – damals erst kurz zurückliegende – Scheidung von Keeleys Vater gejammert und versucht, ihren Kummer mit zu viel Retsina wegzuspülen.

Doch Aristons Vater war einer jener Männer gewesen, die sich von Promis angezogen fühlten, selbst wenn es nur B-Promis waren. Und als er gehört hatte, dass sie Schauspielerin und ihre jugendliche Tochter in der Nähe war, hatte er darauf bestanden, dass die beiden ihren Urlaub auf seiner Privatinsel fortsetzten.

Keeley war es unangenehm, sich fremden Leuten aufzudrängen, aber ihre Mutter freute sich über die kostenlose Aufwertung des Urlaubs, zumal sie das Zusammentreffen mit so vielen reichen und mächtigen Männern kaum erwarten konnte. Sie legte eine Extraschicht Kriegsbemalung auf und zwängte sich in einen Bikini, der für eine Frau ihres Alters viel zu knapp war.

Keeley wollte mit der Feierei des Jetsets nichts zu tun haben – das Partyleben fand sie langweilig. Trotz ihres zarten Alters hatte sie längst genug von den dekadenten Festen, zu denen ihre Mutter sie geschleppt hatte, seitdem Keeley laufen konnte. Die künstlich verlängerte Mädchenhaftigkeit ihrer Mutter trug dazu bei, dass sich Keeley, trotz der ihr lästigen sehr weiblichen Figur, eher burschikos gab.

Wie sehr freute sie sich, als sie dem sportlichen Pavlos begegnete, mit dem sie sich von Anfang an hervorragend verstand. Der griechische Teenager brachte ihr in den kristallklaren Buchten das Schnorcheln bei und ging mit ihr in den Bergen wandern. Körperlich fühlte sie sich nie zu ihm hingezogen, weil sie – wie so viele Kinder, deren Eltern ein ausschweifendes Leben führten – eher prüde war. Keeley empfand nie auch nur einen Anflug von Verlangen, und der Gedanke an Sex war ihr eher unangenehm. Sie und Pavlos waren wie Geschwister und erkundeten gemeinsam die Insel.

Dann kam eines Morgens sein großer Bruder Ariston mit seinem glänzenden Boot an. Mit seinem zerzausten schwarzen Haar, der sonnengebräunten Haut und den meerblauen Augen sah er hinter dem Steuer aus wie ein griechischer Gott. Keeley beobachtete ihn vom Strand aus, und ihr Herz klopfte ungewohnt heftig. Ihr Mund wurde trocken, als er in den Sand sprang und die silbernen Körnchen wie Weihnachtsglitter um seine braunen Beine stoben.

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
Mehr erfahren