Erst eine heiße Nacht - und dann?

– oder –

 

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Ein Interview mit dem Rodeostar Mark wäre der Durchbruch für die Reporterin Audrey. Nach einem Unfall meidet Mark die Öffentlichkeit. Also versucht es Audrey mit einem Trick. Ein Interview bekommt sie zwar trotzdem nicht. Aber dafür traumhafte Nächte voller Leidenschaft ...


  • Erscheinungstag 17.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759797
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du hast mir so gefehlt, Kleine“, flüsterte eine tiefe Stimme, und gleichzeitig schmiegte sich ein kräftiger männlicher Körper direkt an Audreys Rücken.

Sie schrie auf und versuchte, sich zu befreien, aber der Griff um ihre Taille wurde nicht gelockert. Jemand küsste ihren Nacken. Audrey war wie gelähmt vor Schreck, sie konnte sich nicht rühren – und dennoch verspürte sie eine seltsame süße Erregung.

Dann packte der Mann ihre Schultern und drehte Audrey zu sich herum. „Ich brauche dich heute, Baby.“ Der Mann nuschelte, er war kaum zu verstehen, und sein Atem roch nach Bier. Aber seine Stimme klang so sehnsüchtig, dass Audrey gegen ihren Willen gerührt war. Und als er sie küsste, war sie nicht fähig, sich zu wehren.

Sein Mund war fest und unglaublich geschickt. Der Mann zog Audrey dichter an sich heran, mit einer Hand glitt er tiefer bis zu ihrem Po. In diesem Moment erwachte Audrey aus ihrer Erstarrung. Mit einem Ruck löste sie sich von ihm, stieß ihn vor die Brust und trat ihn gegen das Schienbein.

„Verdammt!“, schrie der Mann und packte sein Bein mit beiden Händen. Langes Haar bedeckte eine Hälfte seines Gesichts, aber Audrey sah, dass er die Augen vor Schmerzen zusammengekniffen hatte. „Das war doch wirklich nicht nötig.“ Seine Jeans und das Flanellhemd waren zerknittert und er unrasiert. Audrey überlegte, ob sie die Idee, sich hier als Haushälterin auszugeben, nicht besser fallen lassen sollte. Es gab doch bestimmt einen weniger komplizierten Weg, eine Festanstellung als Reporterin zu bekommen.

Ihre Hände zitterten. „Sie … Sie haben mich einfach so angefasst.“ Auch ihre Stimme war unsicher, und ihr Atem kam schnell und unregelmäßig. Das hier konnte doch nicht der berühmte Rodeochampion sein, den sie interviewen wollte.

Er hob die Augenbrauen. „Keine Angst. Ich werde Ihnen nichts tun.“

Erschrocken starrte sie ihn an, als sie die berühmten blauen Augen erkannte. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein.

Mark Malone. Der Mann, der Lone Cowboy genannt wurde – der einsame Cowboy.

Der unzugängliche Rodeoreiter war vor fünf Monaten von einem Stier abgeworfen worden. Das Letzte, was die Öffentlichkeit von ihm gesehen hatte, war sein Abtransport aus der Arena auf einer Trage. Seit dem Tag hatte sein Agent jedes Interview verweigert. Audrey hatte sich Malone schon in einem Rollstuhl vorgestellt, wenn nicht in einem noch schlimmeren Zustand.

„Sie sind’s! Ich meine … Sie sind …“

„Ich bin wer?“ Mark rieb sich das schmerzende Schienbein. Jedenfalls erkannte er jetzt, dass die Frau vor ihm nicht Jo Beth war. Er hätte wissen müssen, dass Jo Beth sich nicht hier draußen blicken lassen würde. Nach seinem Unfall hatte sie sich den nächsten Rodeostar geschnappt. Mark hinkte zu einem Stuhl und ließ sich darauf fallen.

„Sie sind der Lone Cowboy.“

Er verzog den Mund zu einem sarkastischen Lächeln. „Nicht mehr.“ Er betrachtete die ausgebeulte Trainingshose und das unordentliche Haar der Frau. Wie zum Teufel war sie hier hereingekommen? War sie ein verrückter Fan, eine Journalistin? Wer sonst würde ungeladen zu seiner Ranch kommen? „Und wer sind Sie?“

Sie hob die Augenbrauen. „Ich bin die neue Haushälterin“, sagte sie, wobei ihr Ton beim letzten Wort in die Höhe ging, als wollte sie ihm eine Frage stellen.

„Haushälterin? Mein Vormann hat nichts von einer neuen Haushälterin erwähnt.“ Wieder ließ er den Blick über ihre Figur gleiten, die von ihrem schlichten Trainingsanzug nicht ganz verborgen wurde. Sie war viel zu jung, zu …

„Vielleicht waren Sie zu betrunken, um sich an das Gespräch zu erinnern.“ Kaum hatte sie ausgesprochen, schnappte sie erschrocken nach Luft und schlug sich mit der Hand vor den Mund.

Ganz schön dreist! Mark sah sie finster an. Sie warf ihm vor, er wäre betrunken? Nach den Neuigkeiten, die er heute von seinem Arzt erfahren hatte, hatte er das Recht auf ein paar Biere gehabt. „Selbst wenn er Sie eingestellt hat, ich feure Sie hiermit. Ich will Sie nicht hier haben.“ Wenn er sich den Rest seines Lebens mit ständigen Schmerzen abfinden musste, wollte er sich wenigstens in aller Ruhe betrinken können.

„John hat mich eingestellt. Sie können ihn fragen. Es tut mir leid, falls ich Ihnen wehgetan …“

„Falls? Lady, Sie haben mich fast …“ Er hatte sagen wollen, dass sie ihn fast zum Krüppel gemacht hätte, aber das war er ja bereits. „Sie sind gefährlich! Gehen Sie einfach dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind. Ich brauche keine Haushälterin.“

Sie drehte sich abrupt zu ihm um, die Hände auf den wohlgeformten Hüften. „Sie brauchen nicht nur eine Haushälterin, Sie brauchen ein Wunder!“ Und damit brauste sie an ihm vorbei und aus der Küche hinaus.

Geschafft. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass eine lästige dumme Gans wie die hier herumschnüffelte. Er griff nach einer Flasche Whiskey, ging in sein Arbeitszimmer und sackte in seinem Sessel zusammen. Er konnte genauso gut beenden, was er begonnen hatte. Sein verdammtes Bein brachte ihn um.

Eine halbe Stunde später hatte der Whiskey seinen Job aufs Beste erledigt. Mark spürte keine Schmerzen mehr und verfolgte mit halb geschlossenen Augen einen Film im Fernsehen. Plötzlich riss ihm jemand die Fernbedienung aus der Hand.

Er kam endgültig zu sich, als John den Fernseher abstellte. „Die neue Haushälterin hat gerade angerufen. Sie sagt, du hättest sie gefeuert.“

„Ich will sie nicht hier haben. Sie ist zu … vorlaut.“ John war eher ein Vater für Mark als ein Vormann.

John seufzte. „Mark, wann hast du das letzte Mal richtig gegessen?“

Mark nahm ihm die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher wieder ein. „Ich bin okay.“

„Mag ja sein, aber ich nicht! Ich ertrage es nicht mehr, dich so zu sehen!“

Mark biss die Zähne zusammen und blickte stur auf den Bildschirm.

Aber John stellte sich entschlossen zwischen ihn und den Fernseher und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hör zu, mein Junge. Ich bin sehr geduldig gewesen. Das Schicksal hat dir übel mitgespielt, aber du musst das jetzt einstecken und weiterkämpfen.“

„Lass es gut sein, John“, brachte Mark mühsam hervor. Das Einzige, was er wirklich gut konnte und was ihn hatte vergessen lassen, wer er wirklich war, gab es nicht mehr. Und er wollte nur, dass man ihn endlich in Frieden ließ.

John schüttelte den Kopf und fluchte leise, was er nur sehr selten tat. „Wie du willst. Versteck dich vor der Welt. Aber wenn du möchtest, dass ich bleibe, dann bleibt die Haushälterin auch. Es sind schon zwei andere vor ihr gegangen, und das Haus muss in einem guten Zustand sein, wenn du es verkaufen willst. Wir können von Glück sagen, dass die hier nicht auch gleich wieder fortgerannt ist.“ John sah ihn eine Minute stumm an, seufzte resigniert auf und drehte sich zur Tür um.

Mark runzelte die Stirn. Würde John ihn wirklich im Stich lassen?

„John“, rief er ihm nach und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. „In Ordnung. Sie kann bleiben.“

Nachdem John sie zurückgerufen hatte, zog Audrey sich aus, ließ sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht, die Küche zu schrubben, und ihr tat jeder Muskel weh. Aber das war nicht der Grund, weswegen sie nicht einschlafen konnte.

Das Bild, das sie sich einmal von ihrem Helden gemacht hatte, konnte sie wohl ein für alle Mal vergessen. Würde sie die Story nicht so dringend brauchen, wäre sie sofort nach Dallas zurückgefahren.

Enttäuschung schnürte ihr die Kehle zu. Sie war am Morgen auf der Ranch des Lone Cowboy angekommen und hatte eine romantische Westernatmosphäre erwartet. Aber das Haus hatte eher an einen Saloon nach einer Schlägerei erinnert. Der Geruch nach verdorbenem Essen, schalem Bier und Zigarettenrauch hatte alle Räume durchzogen. Auf dem Küchentisch türmten sich überquellende Aschenbecher, leere Bierflaschen und Reste von Fast-Food-Gerichten.

Sie holte tief Luft, drehte sich auf die Seite und drosch auf ihr Kissen ein. Sie konnte einfach nicht glauben, dass der ungepflegte, betrunkene Kerl von vorhin derselbe Mann war, der sie vor so vielen Jahren gerettet hatte. Sie schloss die Augen und erinnerte sich an die Nacht, als sie ihm das erste Mal begegnet war …

Sie hatte es sich in der Box seines Hengstes gemütlich gemacht und schrieb an ihrem Artikel für die Schülerzeitung.

„He, Miss Piggy, bist du nicht im falschen Stall? Die Schweine sind da drüben!“ Den grausamen Worten folgte grobes Gelächter.

Audrey war zusammengezuckt und hatte die Spitze ihres Bleistifts abgebrochen. Oh nein, nicht schon wieder! Es waren dieselben Jungen, die sie vorhin an der Verkaufsbude verspottet hatten. Sie straffte die Schultern und stand entschlossen auf.

Die Jungen kamen näher und grinsten verächtlich.

Audrey presste ihren Notizblock an die Brust und zwang sich, nicht vor ihnen zurückzuweichen. „Verschwindet, ihr Blödmänner!“

Der Anführer runzelte die Stirn und kam drohend auf sie zu.

„Was macht ihr alle hier?“, ertönte plötzlich eine tiefe Männerstimme.

Die Jungen wirbelten herum. Ein hochgewachsener, breitschultriger Mann blieb vor ihnen stehen. Audrey hielt den Atem an. Er war … Mark Malone.

Er trug ein langärmliges weißes Hemd, das sich über der Brust und den breiten Schultern spannte. Lederne Beinschützer schmiegten sich um seine muskulösen Schenkel und lenkten die Aufmerksamkeit auf die besonders maskuline Stelle seines Körpers, die von seiner Jeans bedeckt wurde.

Audrey war verzaubert.

„Das geht Sie nichts an, Mann“, sagte der Junge in der Mitte.

Mark Malone ließ den Blick von den Teenagern kurz zu Audrey schweifen und konzentrierte sich dann auf den Jungen, der gesprochen hatte. Er kniff die Augen leicht zusammen, und die Muskeln in seinem Kiefer spannten sich an.

Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er den Jungen am Hemd und zog ihn zu sich heran, sodass sie Nase an Nase standen. Er sagte leise durch zusammengebissene Zähne: „Ich verdiene mir mein Geld beim Rodeo mit Bullenreiten. Weißt du, was das bedeutet?“

Dem Jungen quollen fast die Augäpfel aus dem Kopf, und er schüttelte heftig den Kopf.

„Es bedeutet, dass es mir egal ist, ob ich lebe oder sterbe.“ Mark betonte jedes Wort, indem er am Hemd des Jungen zog. „Ich werde dich und deine Freunde liebend gern auf den Hof bitten und euch allen fünf den Hintern grün und blau schlagen, dass ihr drei Tage nicht sitzen könnt.“ Mark ließ den Anführer los, der zurücktaumelte und ihn anstierte, aber kein Wort hervorbrachte. Die Jungen wechselten betreten einige Blicke und machten sich dann hastig aus dem Staub.

Audrey nahm den Duft nach Seife und Rasierwasser wahr, als er näher kam. „Bist du okay?“, fragte er sanft.

Audrey hielt den Atem an, als sie in seine tiefblauen Augen sah.

Er nahm seinen schwarzen Stetson ab, und nun sah sie sein kastanienbraunes Haar, das ihm bis zum Hemdkragen ging. Auf seinem markanten Kinn zeigte sich ein Bartschatten. Mark streckte die Hand aus, so wie er es auch in ihren Träumen getan hatte. „Es ist in Ordnung. Sie sind fort.“

Sie hatte gelernt, sich mit ihrem Gesicht, das wenig Reizvolles hatte, und dem pummeligen Körper abzufinden, aber in diesem Moment wünschte sie sich verzweifelt, sie wäre so schön und schlank wie ihre Schwestern. Ein vertrauter, dumpfer Schmerz setzte sich in ihrer Brust fest.

Als sie sich gefasst hatte und Marks große, schwielige Hand berührte, war es, als ginge ein Stromstoß durch ihren Körper.

„Komm, ich bringe dich zum Coliseum.“ Die Skyline von Fort Worth glitzerte hinter ihm, als sie zusammen zur Arena gingen. „Wie alt bist du?“

„Sechzehn.“ Viel zu jung für einen zwanzigjährigen aufsteigenden Rodeostar. Audrey blickte auf den staubigen Boden und schluckte. „Vielen Dank für das, was Sie eben getan haben.“

Als er nicht antwortete, sah sie schüchtern zu ihm hoch. Der Ausdruck in seinen Augen war seltsam müde und resigniert. „Dafür sind wir Helden schließlich da, oder?“

Sie wunderte sich über seinen sarkastischen Ton.

Mark legte die Hand auf ihren Arm, und Audrey erschauerte. „Komm, ich bring dich zurück.“

Plötzlich erklang eine schrille Stimme und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Mark! Es wird langsam spät, Liebling, und du hast mir versprochen, mich noch zu Billy Bob zu bringen.“

Mark ließ Audreys Arm los und sah zu einer schönen Brünetten hinüber, die offensichtlich auf ihn wartete. Er zuckte die Achseln und schüttelte Audrey zum Abschied kurz die Hand. „Du kommst doch jetzt auch allein zurecht, oder?“

Sie nickte, und er schenkte ihr noch ein letztes hinreißendes Lächeln und schlenderte davon …

Mark wachte kurz vor Morgengrauen auf, steif und verspannt vom Übernachten in seinem Sessel. Verdammt! Sein Wadenmuskel hatte sich verkrampft, und Mark beugte sich vor, um ihn zu massieren. Er stolperte unsicher ins Bad, um nach einem Aspirin zu suchen. Als er das Licht anknipste, schloss er stöhnend die Augen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, fuhr sich mit den Händen durch das Haar und zog seinem Spiegelbild eine Grimasse. Wasser tropfte von seinem Bart, und seine Augen waren so blutunterlaufen, dass sie mit den Äderchen darin aussahen wie winzige Straßenkarten.

Leicht zu verstehen, warum die Frau den Lone Cowboy nicht sofort erkannt hatte. Er hatte sich in den vergangenen Wochen wohl ziemlich gehen lassen. Kein Wunder, dass John enttäuscht war. Mark konnte sich ja selbst nicht ertragen.

Er schluckte die Tablette und verließ das Badezimmer, fiel aufs Bett und kniff die Augen vor dem Tageslicht zusammen, das durch die Jalousien drang. Die flüchtige Erinnerung an weiche Lippen, eine volle Brust und sauberen Zitrusduft stieg in sein Bewusstsein. Jetzt würde er bestimmt nicht mehr einschlafen können. Er war zu unruhig.

Hatte er die arme Frau gestern Abend tatsächlich befummelt? Er war wirklich tief gesunken. Er würde sich duschen, zu ihr gehen und sich bei ihr entschuldigen. Als er sich herumrollte, um sich aufzusetzen, stöhnte er auf und hielt sich den hämmernden Schädel.

Mit der Entschuldigung würde er warten müssen, bis die Kopfschmerztablette zu wirken begann.

Audrey kam langsam die Treppe hinunter. Als sie die Küche betrat, erinnerte sie sich wieder an Marks Kuss. Selbst betrunken war Mark hinreißend. Die Erinnerung an seinen Körper ließ sie erschauern vor Sehnsucht. Mark Malone hatte jedenfalls nicht den Eindruck gemacht, verletzt zu sein.

Sie zwang sich wieder in die Wirklichkeit zurück und setzte Kaffee auf. Dann konzentrierte sie sich darauf, Würstchen zu braten. Warum hatte er gestern Abend getrunken? Sie hatte nie gehört, dass ihm besonders viel an Partys lag. Selbst als sehr junger Mann hatte er immer ein absolutes Saubermann-Image gehabt. In einigen der damaligen Interviews hatte gestanden, dass er seinen Privatjet benutzte, um Waisenkinder zu den nationalen Rodeowettkämpfen zu fliegen, und alten Wildpferden und Stieren auf seiner Ranch ein Zuhause gab.

Audrey knetete den Teig für die Brötchen und schob sie in den Ofen, dann öffnete sie den Kühlschrank. Ein Sechserpack Bier stand ganz vorn. Sie schob ihn beiseite und griff nach den Eiern. Mit seinen neunundzwanzig Jahren hatte Mark für einen Bullenreiter eine lange Karriere gehabt. Er hätte sich vermutlich auch ohne den Unfall bald zurückgezogen. Was für Verletzungen hatte er nur davongetragen?

Sie musste mehr in Erfahrung bringen. Und am besten fragte sie gleich seine Angestellten beim Frühstück.

„Tag.“ Ein älterer Mann mit einer großen Hakennase stand an der Hintertür. Er hielt Audrey seine rechte Hand hin, nahm gleichzeitig den Hut ab und kratzte sorgfältig an einem Eisen neben der Schwelle den Schmutz von den Stiefeln ab. „Willkommen auf der Double M. Ich bin John Walsh, der Vormann.“ Er räusperte sich. „Ich habe gestern Abend mit Ihnen telefoniert, glaube ich.“

„Ja. Guten Morgen.“ Audrey sah über seine Schulter zu den anderen Männern, die noch auf der Veranda standen. „Kommen Sie doch herein und setzen Sie sich. Das Frühstück ist fast fertig.“

Audrey machte Rührei und holte die Brötchen aus dem Ofen, während die Männer einer nach dem anderen hereinkamen und ihre Hüte an Holznägel neben der Tür hängten.

„Lassen Sie mich alle vorstellen.“ John wies auf das Dutzend Männer, das um den Tisch herumstand. „Jungs, das ist Miss Audrey Tyson.“ Er wies auf den Mann neben sich. „Miss Tyson, das hier ist Jim. Trauen Sie ihm nicht über den Weg. Er hat es faustdick hinter den Ohren.“

„Morgen, Ma’am.“ Jim hob grüßend die Hand.

Als Nächstes wurde ihr Dalt vorgestellt, der mit seinem blonden Haar, den schokoladenbraunen Augen und den Grübchen in den Wangen ein sehr gut aussehender Mann war. Er nahm ihre Hand in seine beiden und hob sie an die Lippen. „Ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Audrey“, sagte er mit verführerisch tiefer Stimme und einem genauso verführerischen Südstaatenakzent.

„Flirten ist nur in deiner Freizeit erlaubt, Dalt“, fuhr John ihn an.

Audrey stellte überrascht fest, dass auch eine Frau unter den Cowboys war. Ruth war allerdings über eins achtzig groß, hatte kurzes, lockiges dunkles Haar, das sehr schick geschnitten war, und sie trug Make-up, aber sie sah trotz allem aus, als könnte sie es mit jedem einzelnen der Männer aufnehmen.

Abgesehen von ihr, handelte es sich bei den Cowboys alles in allem um einen netten, freundlichen Haufen hart arbeitender Männer.

Aber Mark Malone war heute Morgen nicht unter ihnen.

Audrey stellte Würstchen, Eier und Brötchen auf den Küchentisch, als plötzlich ein wunderschöner Collie zu ihr getrottet kam und freundlich mit dem Schwanz wedelte.

„Curley!“, tadelte John den Hund. „Raus aus der Küche, mein Junge.“

Der schwarz-weiße Hund schmiegte sich an ihre Beine, und Audrey hockte sich neben ihn und flüsterte: „Keine Sorge, Curley. Ich heb dir ein wenig vom Frühstück auf.“

Sie setzten sich alle, und Audrey wich hier und da einem Ellbogen aus, während sie geschickt die Kaffeetassen füllte. Sie beschloss, den Sprung sofort zu wagen. „Wie ist es denn, für den berühmten Lone Cowboy zu arbeiten?“

Eine seltsame Stille legte sich plötzlich über alle.

Na ja, sie kauten schließlich alle. Einen Moment wollte Audrey ihnen noch geben.

Aber eine Minute verging und noch eine, und keiner der Cowboys sah auf. Na schön. Vielleicht war es doch besser, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. „Er hat eine wirklich unglaubliche Karriere gehabt, nicht wahr? Die Vereinigung der Profistierreiter möchte ihm einen Platz in ihrer Ruhmeshalle geben. Immerhin hatte er den Weltmeistertitel im Stier- und Wildpferdzureiten, mit und ohne Sattel. Und er hat mit dem Stierreiten erst nach dem Ende der Highschool angefangen.“

Jim sah sie an. „Sind Sie ein Rodeofan?“

Audrey nickte. „Mein Dad war 1973 selbst Weltmeister im Zureiten von Wildpferden.“

„Wirklich? Wie heißt er?“, fragte Dalt.

Jetzt machte sie endlich Fortschritte. So schwierig war das gar nicht. „Schon mal von Glenn Tyson gehört?“

„Nein“, meinte Dalt grinsend. „Wollte nur wissen, ob Tyson Ihr Mädchenname ist. Sie tragen zwar keinen Ehering, aber man weiß ja nie. Haben Sie einen Freund, Süße?“

Dalt machte sich ausgerechnet an sie heran? Er musste es wirklich sehr nötig haben in dieser hinterwäldlerischen Gegend. Selbst an ihren guten Tagen hatte ihr Aussehen noch nie jemanden zum Flirten verleitet. Wie sollte sie nur das Gespräch wieder auf Mark bringen? „Nun, ich spare mich für den Lone Cowboy auf. Er ist doch nicht verheiratet, oder?“ Gott, hatte sie das wirklich gesagt?

Jim verschluckte sich an seinem Kaffee, und die anderen Cowboys grinsten und lachten. Ruth sah Audrey an, als hätte sie gerade vorgeschlagen, Hannibal Lecter zu heiraten. „Audrey, meine Liebe. Verschwenden Sie lieber nicht Ihre Zeit“, warnte sie sie.

„Was heißt das? Hat er eine Freundin?“

Ruth schüttelte den Kopf. „Ich arbeite schon lange auf der Double M, und Mark hatte nie eine Beziehung, die länger als ein paar Monate dauerte. Er geht mit Frauen aus, aber er traut ihnen nicht.“

„Sie sind doch auch eine Frau“, wandte Audrey ein.

„Ja, aber ich bin nicht an seinem Herzen interessiert, sondern an seinen Rindern.“ Ruth lächelte und stand auf. „Was mich daran erinnert, dass es Zeit ist, zu ihnen zu gehen.“

Audrey dachte nach. Sie war auch nicht an seinem Herzen interessiert. Nur an seiner Lebensgeschichte. Sie wandte sich ab, ging zum Ofen und holte die Lunchpakete heraus, die sie vorbereitet hatte.

Ruth und die Cowboys nahmen jeder eine Tüte und verließen die Küche, steckten ihren Proviant in die Satteltaschen, stiegen auf und ritten davon. Audrey winkte ihnen von der Veranda aus nach und rieb sich in der kühlen Morgenluft die Arme. Wie hatte sie sich nur einreden können, dass sie ihr Ziel erreichen könnte?

Aus reiner Verzweiflung wahrscheinlich.

Zwei Jahre lang hatte sie bei der Zeitung auf ihre Chance gewartet. Aber damit war jetzt Schluss. Die neue Audrey würde sich nehmen, was sie haben wollte. Sie hob das Kinn, straffte die Schultern und erinnerte sich an ihren Entschluss, ihr Leben zu ändern. Sie hatte an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag allein zu Hause gesessen, die ereignislosen Jahre ihres Lebens betrachtet und beschlossen, neue Wege einzuschlagen.

Heute Abend beim Essen würde sie diskreter vorgehen. Wenn sie ein wenig geduldiger war, würden die Cowboys sich ihr vielleicht öffnen. Sie brauchte Informationen für ihre Story. Sie musste wissen, warum der Lone Cowboy sich vor aller Welt versteckte.

Nachdem sie einen riesigen Berg von Geschirr abgewaschen hatte, legte Audrey eine kleine Pause ein, bevor sie das Esszimmer in Angriff nahm. Sie schenkte sich ein Glas Eistee ein und ging auf die überdachte hintere Veranda hinaus. Sie atmete tief die frische, nach Kiefern duftende Luft ein, hörte dem Gesang der Spottdrossel zu und dem Wind, der durch die Bäume rauschte. Sie nippte an ihrem Tee und schloss die Augen. Osttexas war so friedlich. Kein Smog, kein lärmender Verkehr. Vielleicht würde ein Leben fern der Großstadt doch nicht so schlecht sein. Und sie war nur dreißig Meilen von Tyler entfernt, sollte sie sich mal verzweifelt nach einem Einkaufszentrum oder einem Kino sehnen.

Ein Geräusch, das aus der Küche kam, riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah durch die Tür und unterdrückte einen Aufschrei. Mark stand mitten in der Küche, ungeduldig und offenbar verdutzt. Was für ein beeindruckender Mann er doch war.

Sein Haar war noch feucht von der Dusche, und er trug eine saubere Jeans und ein sauberes kariertes Flanellhemd. Er war noch unrasiert, aber er war unglaublich sexy. Er strahlte eine so überwältigende männliche Energie aus, dass Audrey erschauerte. Aber seine Augen waren auch heute blutunterlaufen und voller Schmerz.

Mühsam brachte sie ein fröhliches Lächeln zustande. „Guten Morgen!“

Das Erste, was Mark sah, war die helle Morgensonne, die auf ihr langes dunkelblondes Haar schien. War das dieselbe Frau wie gestern Abend? Auf ihren Lippen lag ein sinnliches Lächeln. Wie lange war es her, dass eine Frau ihn so angelächelt hatte? Und er las Respekt und ehrliches Interesse in ihren schönen grünen Augen.

Trotz gestern Abend.

Sie nahm ihm den Atem, und zu seiner Verlegenheit merkte er, wie sein Körper auf sie zu reagieren begann. „Ich wollte mich entschuldigen.“ Er räusperte sich. „Wegen gestern Abend. Ich habe Sie für jemand anders gehalten.“

Ihr Lächeln verschwand, und sie biss sich leicht in die Unterlippe. „Und mir tut es leid, dass ich Sie getreten …“

„Vergessen Sie’s. Das hatte ich verdient.“

Sie fuhr sich mit der Zunge über die vollen Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust, wobei sie ihre bemerkenswerten Rundungen nur betonte. War ihr klar, was sie einem Mann damit antat?

Seine neue Haushälterin war keine Schönheit im klassischen Sinn. Sie besaß kein besonders ungewöhnliches Gesicht, aber ihre Lippen waren schön geschwungen und sinnlich, und ihre grünen Augen blickten lebhaft und intelligent. Sie war klein, aber sehr gut proportioniert. Das weite T-Shirt konnte die Umrisse ihrer vollen Brüste nicht ganz verbergen.

Er hatte schon immer Frauen vorgezogen, die nicht nur aus Haut und Knochen bestanden. Bei dieser Frau konnte ein Mann wenigstens sicher sein, dass sie nicht zerbrechen würde, wenn er sich auf sie legte. Plötzlich entstand das Bild vor seinem inneren Auge, wie er die Hände auf ihre herrlichen großen Brüste legte.

Verdammt noch mal, er begehrte sie, dabei kannte er sie überhaupt nicht. Ein Zeichen dafür, wie lange es her war, dass er eine Frau gehabt hatte.

„Was ist? Habe ich mich bekleckert?“, rief sie aufgebracht, ihre Augen glitzerten empört.

„Hm? Oh …“ Reiß dich zusammen, Malone. Hol tief Luft und hör auf, ständig ihre Brüste anzustarren. „Gibt es noch Frühstück?“

„Ja, sicher. Lassen Sie mich …“

„Das kann ich schon allein.“

Sie achtete nicht auf seinen Einwurf, sondern machte sich an die Arbeit, holte Plastikbehälter aus dem Kühlschrank, erhitzte die Würstchen in der Pfanne und legte einige Brötchen dazu.

Autor

Juliet Burns
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