Erwacht in starken Armen

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Schneeverwehungen zwingen Boone Connor zu einer Übernachtung im Motel - Seite an Seite mit einer fremden Frau! Aber wie wird die schöne Shelby reagieren, wenn sie erfährt, dass er ein Kind besuchen will, dessen Vater er sein könnte?


  • Erscheinungstag 18.10.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743000
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Boone Connor seufzte und stellte die Scheibenwischer an. Ihm blieb wirklich nichts erspart. Jetzt musste er auch noch durch einen Schneesturm, um über den Raton Pass zu kommen. Dabei war es fast Juni. Der Schnee hätte längst geschmolzen sein müssen. Aber in letzter Zeit hatte er ständig solch ein Pech.

Daher überraschte ihn auch die Straßensperre nicht, allerdings wurde er noch wütender. Aber sein Wagen würde es schaffen, und er hatte es wirklich eilig, auf die Rocking-D-Ranch zu kommen, um das Baby zu sehen. Denn höchstwahrscheinlich war er der Vater. Der Gedanke, dass er vielleicht eine Tochter hatte, machte ihn noch immer benommen.

Doch Petrus hatte anscheinend vor, ihm reichlich Schnee in den Weg zu legen.

Boone ließ das Fenster herunter, und eisige Kälte und Schnee wehten hinein. Er ignorierte beides und schob seinen Stetson hoch, um dem Polizisten in die Augen schauen zu können, während er den Mann zu überreden versuchte, ihn durchzulassen.

„Ich fürchte, Sir, Sie müssen umkehren“, meinte der Polizist jedoch. „Die Straßenverhältnisse dort oben sind schlecht und werden von Minute zu Minute schlechter.“

„Mein Transporter hat Vierradantrieb“, erwiderte Boone, obwohl er nicht mehr damit rechnete, den Mann umzustimmen. „Und ich bin diese Strecke schon Hunderte von Malen gefahren. Ich muss unbedingt nach Colorado.“

„Das verstehe ich ja, Sir.“ Der Polizist klang keineswegs verständnisvoll. Er hörte sich eher so an, als hätte er es satt, hier in der Kälte zu stehen und ständig das Gleiche sagen zu müssen. „Aber wir können nicht zulassen, dass Sie es riskieren. Erst wenn der Schneesturm vorüber ist und die Räumfahrzeuge durch sind, können Sie weiter, also schätzungsweise morgen früh.“

„Verdammt!“

„Ungefähr drei Meilen von hier gibt es ein Motel mit einem Café“, fügte der Polizist hinzu.

Boone kannte das Motel. Soweit er sich erinnerte, war es nicht besonders groß. „Wie viele Leute haben Sie schon dorthin geschickt?“, fragte er.

„Ein paar. Aber ich vermute, dass die meisten von ihnen zurück nach Santa Fe gefahren sind. Das Motel ist sauber, aber nicht gerade luxuriös.“ Der Polizist blickte hinter ihn. „Ich muss Sie bitten, zu wenden. Es wartet bereits der Nächste.“

Boone sah den weißen Kleinwagen im Rückspiegel und gab sich geschlagen. Er legte den Gang ein und fuhr hinüber auf die Gegenfahrbahn. Während er anhielt, um das Fenster wieder hochzukurbeln, blickte er nach hinten. Das Fenster des weißen Wagens wurde heruntergelassen, und er erhaschte einen Blick auf den Fahrer – jung, blond, weiblich. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengenommen, was sie noch jünger erscheinen ließ, als sie wahrscheinlich war. Sein Ärger legte sich ein wenig bei dem Gedanken, in welcher Gefahr diese Frau gesteckt hätte, wenn es keine Straßensperre gegeben hätte. Da hörte er sie mit dem Polizisten streiten und schüttelte verwundert den Kopf. Ohne die Straßensperre wäre sie tatsächlich so dumm gewesen, weiterzufahren.

Boone kurbelte sein Fenster hoch und fuhr in die Richtung, in der das Motel lag.

Als Shelby McFarland die Straßensperre sah, geriet sie in Panik, weil sie fürchtete, dass Mason Fowler sie bei der Polizei angezeigt hatte. Doch die Straßensperre war zum Glück nur wegen des Schnees errichtet worden, und der Polizist wollte, dass sie umdrehte. Das aber würde bedeuten, dass sie Mason, der ihr bestimmt schon auf den Fersen war, direkt in die Arme fuhr.

„Verstehen Sie doch“, sagte sie zu dem Beamten, der neben ihrem Wagen stand. „Ich muss hier durch. Der Zustand der Straße kann doch nicht so schlimm sein!“

„Ich fürchte, doch. Mit Ihrem Kleinwagen hätten Sie keine Chance.“ Er beugte sich vor und schaute ins Auto. „Und ich bin sicher, dass Sie mit dem jungen Mann dort nichts riskieren wollen.“

Shelby blickte zu Josh, der in seinem Kindersitz saß. Der Polizist hatte recht. Es wäre Wahnsinn. Womöglich landete sie mit Josh noch im Straßengraben.

Josh starrte den Polizisten fasziniert an. „Hast du eine Pistole?“, fragte er.

„Ja, Junge, die habe ich“, entgegnete der Beamte ernst.

„Mein Daddy hat auch eine Pistole“, erzählte Josh.

Shelby bezweifelte nicht, dass Mason eine Waffe besaß, aber der Gedanke, dass Josh damit in Kontakt gekommen war, machte ihr noch nachträglich Angst. „Woher weißt du das, Liebling?“

„Er hat sie mich gezeigt.“

Wenn sie noch einen Grund gebraucht hätte, um dieses Kind von Mason fernzuhalten, dann war es der. Mason präsentierte einem Dreijährigen eine Waffe!

„Ich hoffe, dass dein Daddy die Pistole immer gut und sicher aufbewahrt“, sagte der Polizist. „Waffen sind kein Spielzeug.“

„Der Polizist hat ganz recht, Josh“, fügte Shelby hinzu. „Du darfst eine Pistole niemals anrühren.“ Und wenn es nach ihr ginge, würde er auch nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Sie blickte zu dem Beamten. „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mich vor einer Dummheit bewahrt haben. Den Pass jetzt in der Nacht zu überqueren wäre glatter Selbstmord gewesen.“

„Ich und Bob hat noch nie Schnee gesehen“, erklärte Josh.

Der Polizist spähte ins Auto. „Hast du einen kleinen Hund dabei, der Bob heißt?“

„Nein“, sagte Shelby. „Bob ist Joshs ganz besonderer Freund. Er kann sich sogar unsichtbar machen.“

„Aha.“ Der Polizist lächelte verständnisvoll. „Ungefähr drei Meilen von hier gibt es ein Motel. Vielleicht sollten Sie dort warten, bis der Schneesturm vorüber ist.“

Das klang besser, als bis nach Santa Fe zurückzufahren. „Was meinen Sie, wie lange wird es dauern, bis die Straße wieder frei ist?“

„Schwer zu sagen. An Ihrer Stelle würde ich versuchen, ein Zimmer zu bekommen.“

Shelby holte tief Luft. Sie wusste nicht mit Bestimmtheit, dass Mason sie verfolgte, aber sie war sich ziemlich sicher. Er brauchte nur ihren Hausmeister zu fragen, wohin sie gefahren waren. Doch sie hatte immer noch einen gewissen Vorsprung, also war das Motel wohl das Beste für die Nacht. Zudem hatte sie keine große Wahl. „Okay“, meinte sie. „Wir versuchen es. Vielen Dank.“

„Gern geschehen. Auf Wiedersehen, Junge.“

„Wiedersehen, Herr Polizist.“

Shelby lächelte dem Beamten noch einmal zu, bevor sie das Fenster schloss. Dann wartete sie, bis er zur Seite getreten war, und wendete ihren Wagen.

Vor drei Tagen – die ihr vorkamen wie drei Jahre – hatte Mason angerufen, um ihr zu sagen, dass er am nächsten Tag mit Josh in den Zoo gehen wolle. Die Selbstherrlichkeit, mit der er ihr das mitteilte, ohne sie erst zu fragen, hatte sie stutzig gemacht. Seit Wochen hatte er immer wieder Bemerkungen fallen lassen, dass er Josh zu sich nehmen wolle, auch wenn das Gericht ihm das Sorgerecht nicht zusprechen sollte.

Je länger sie über seinen arroganten Ton während des Telefonats nachgedacht hatte, desto überzeugter war sie gewesen, dass Mason nicht die Absicht hatte, Josh zurückzubringen. Deshalb hatte sie einen Wagen gemietet, in der Hoffnung, Mason damit von ihrer Spur abzulenken, hatte ein paar Sachen gepackt und war mit Josh geflüchtet.

„Wo fährst du hin, Shelby?“, wollte Josh nun wissen. „Wieder nach Hause?“

„Nein, Josh. Aber wir können nicht weiterfahren, weil es zu sehr schneit. Also bleiben wir über Nacht in einem Motel und versuchen es morgen früh wieder, okay?“

„Okay, aber wann fahren wir nach Yellowstone? Bob will reiten.“

„Das machen wir auch.“ Eigentlich müsste sie ihre Pläne ändern, aber Josh war so aufgeregt, dass sie es nicht übers Herz brachte. Im Moment jedenfalls nicht.

„Bob weiß, wie man reiten tut. Er zeigt mir das.“

„Wie gut, dass Bob so viel weiß“, erwiderte Shelby. Im Augenblick wünschte sie, Joshs imaginärer Freund würde wirklich existieren, wäre mindestens eins achtzig groß und verfügte über kräftige Muskeln.

„Bob weiß so viel.“ Josh breitete die Arme aus und schaute zu ihr, als würde er Widerspruch erwarten. „Oder, Shelby?“

Sie lächelte. Josh war unverwüstlich, und ganz normal mit seiner Vorliebe für Basketball und seiner wunderbaren Fantasie. Ein Kinderpsychologe würde wahrscheinlich folgern, dass der imaginäre Freund gerade jetzt aufgetaucht war, weil Josh in letzter Zeit so viel durchgemacht hatte. Das könnte stimmen, und wenn es so war, dann war sie beeindruckt davon, wie der Kleine die Sache meisterte.

„Stimmt. Bob ist phänomenal.“

Shelby liebte ihren Neffen sehr. Schon vor langer Zeit hatte sie angefangen, ihn als ihr eigenes Kind zu betrachten. Er sah ihr ja auch sehr ähnlich, mit seinem blonden Haar und den blauen Augen. Patricia, ihre Schwester, hatte kaum Zeit für ihn gehabt, besonders, nachdem sie sich von Mason hatte scheiden lassen. Und während der Zeit, als diese Ehe auseinanderbrach, waren ihre Eltern so besorgt um ihre Lieblingstochter Patricia gewesen, dass sie ebenfalls nur noch wenig Zeit für Josh zu haben schienen. Und jetzt waren sie alle drei nicht mehr am Leben.

Shelby verspürte einen Stich im Herzen. Es war eine Warnung, dass sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle bringen musste, und zwar schnell. Seit dem Bootsunglück vor vier Monaten, bei dem ihre Eltern und Patricia gestorben waren, hatte sie sich wegen Josh zusammengerissen. Und das tat sie auch jetzt.

Kurz darauf fuhr Shelby auf den Parkplatz des Motels.

„Sind wir da?“, fragte Josh.

„Ja.“ Shelby musterte das etwas heruntergekommene Gebäude, das dringend einen neuen Anstrich benötigte. Ihre Eltern hätten angesichts dieser Unterbringung die Nase gerümpft, aber sie war schon dankbar, solange es sauber war. Viele Pkws und Laster standen auf dem Parkplatz, doch auf dem Neonschild im Fenster der Rezeption stand noch „Zimmer frei“.

Erleichtert nahm sie ihre Jacken vom Rücksitz und half Josh beim Anziehen. „Warte, ich komme herum und trage dich, dann brauchst du deine Stiefel nicht anzuziehen.“

„Ich kann gehen. Bin schon groß.“

„Ich weiß.“ Sie schlüpfte in ihre Jacke. „Aber es gibt schon Schneeverwehungen, und ich will nicht, dass du in einer darin verloren gehst.“

„Bob will im Schnee spielen.“

„Mal sehen.“ Aber sie würde es Josh nicht erlauben können, sich vor dem Motel aufzuhalten, denn dort konnte ihn jeder, der vorbeikam, sehen. Während sie ausstieg, wechselte das Schild im Fenster zu „Belegt“. „Oh, nein!“

„Was ist, Shelby?“

„Nichts, Josh. Bleib sitzen. Ich hole dich.“ Shelby schnappte sich ihre Handtasche und lief um das Auto herum, ohne darauf zu achten, dass ihre Turnschuhe sofort durchnässt waren. Sie würde den Motelbesitzer dazu überreden müssen, sie in irgendeiner Abstellkammer schlafen zu lassen. Notfalls würde sie die Nacht im Sitzen verbringen, wenn Josh wenigstens eine Matratze haben konnte. Auf keinen Fall konnten sie die Nacht im Café verbringen, wo Mason sie sofort entdecken würde.

Nachdem sie sich ihre Handtasche umgehängt hatte, hob sie Josh aus dem Wagen.

Er hielt sein Gesicht in den Schnee und lachte vergnügt. „Das kitzelt!“

„Stimmt.“ Sie eilte zur Rezeption.

„Schnee schmeckt gut! Guck mal, ich hab welchen auf der Zunge.“

„Später, Liebling.“ Es tat ihr leid, dass sie Joshs Vergnügen nicht teilen konnte. Aber dieses ganze Durcheinander, dass die Situation so schrecklich kompliziert war, machte sie wütend. Verflixt, warum hatte für ihre Familie der Junge nicht an erster Stelle gestanden? Warum hatten sie unbedingt an solch einem nebligen Tag mit dem Schnellboot ihres Vaters hinausfahren müssen? Warum hatten sie sterben müssen? Jetzt hatte Josh außer ihr niemanden mehr.

Die Türglocke schrillte, als sie mit Josh auf dem Arm in das Motel trat. Ein Cowboy stand an der Rezeption und füllte ein Anmeldeformular aus. Er schien mindestens zwei Meter groß zu sein, aber Shelby vermutete, dass das an den Absätzen seiner Stiefel und an dem großen Hut lag.

Der ältere Mann, der hinter der Rezeption stand, blickte an dem Cowboy vorbei zu ihr. „Es tut mir leid, aber ich habe gerade das letzte Zimmer vermietet.“

„Sie können uns doch bestimmt noch irgendwo unterbringen. Wir brauchen nur ein Bett für Josh. Ich kann auch auf dem Fußboden schlafen. Bitte“, flehte sie.

Der Cowboy legte den Stift nieder und drehte sich zu ihr herum. Seine enorme Größe ließ sie instinktiv einen Schritt zurücktreten. Dann schaute sie ihm in die Augen, die unglaublich grün waren. Aber vor allem waren es die freundlichsten Augen, die sie je gesehen hatte. Und obwohl es keinen logischen Grund gab, sich jetzt besser zu fühlen, tat sie es.

„Du hast Bob vergesst.“ Josh legte seine kalten Hände auf ihre Wangen und drehte ihr Gesicht zu sich. „Bob muss auch schlafen“, erklärte er ernst.

„Ich weiß“, flüsterte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Nun, dann wird es wirklich schwierig“, meinte der Mann an der Rezeption. „Selbst wenn ich noch einen Platz für Sie finde, muss ich Ihnen leider sagen, dass Haustiere bei uns nicht gestattet sind.“

„Der Hund wird die Nacht im Auto wahrscheinlich überstehen“, sagte der Cowboy ruhig. „Sie und der Junge können mein Zimmer nehmen.“

Shelby merkte, wie angespannt sie war, als ihr fast die Tränen in die Augen traten. „Das kann ich nicht …“

„Bob ist kein Hund“, erklärte Josh. „Er ist mein Freund.“

Der Cowboy runzelte die Stirn. „Sie haben ein Kind im Wagen gelassen? Bei der Kälte?“

„Nein, es ist kein Kind“, versicherte Shelby schnell. „Bob ist …“

„Phänomenal!“, rief Josh.

„Genau“, sagte Shelby und hoffte, dass der Cowboy die Sache genauso schnell begriff wie der Polizist. „Er ist so phänomenal, dass er sich unsichtbar machen kann.“ Sie stellte Josh auf die Füße. „Ich weiß, dass Bob überall schlafen kann, Josh, denn das hat er mir selbst erzählt. Er könnte es sich sogar unter deinem Bett gemütlich machen.“

Der Kleine verzog nachdenklich das Gesicht. „Ehrlich?“

„Das ist einer seiner besonderen Tricks.“ Sie blickte den Cowboy an, um zu sehen, ob er es verstand.

Er tat es. Sein Zwinkern bestätigte es ihr.

Sein verständnisvolles Lächeln ließ sie wohlig erschauern und erinnerte sie an Freuden, die sie schon seit Langem nicht mehr genossen hatten. Und so, wie die Dinge lagen, würde es auch noch eine ganze Zeit dauern, bis das wieder der Fall wäre. „Dann ist es also abgemacht“, sagte er. „Sie, der Junge und Bob können in Nummer sechs schlafen.“

„Aber was ist mit Ihnen?“ Shelby sehnte sich verzweifelt nach einem Zimmer, aber sie hatte ein schlechtes Gewissen.

„Kein Problem.“

Sie blickte in sein markantes, attraktives Gesicht. Im Film würde sie jetzt vorschlagen, sich das Zimmer mit ihm zu teilen, aus reiner Hilfsbereitschaft natürlich … Noch einmal durchfuhr ein wohliger Schauer sie. Aber sie waren nicht im Film. „Gibt es noch eine andere Möglichkeit? Vielleicht eine große Abstellkammer oder …“

„Ich komme schon zurecht“, unterbrach der Cowboy sie. „Machen Sie sich keine Sorgen. Das Café ist durchgehend geöffnet. Ich werde es mir dort auf einer Bank gemütlich machen.“

„Aber …“

„Nichts aber. Ich bin daran gewöhnt. Wenn das Wetter nicht so furchtbar wäre, hätte ich gar nicht hier angehalten.“ Er blickte zu Josh. „Ich möchte aber sicher sein, dass der junge Mann hier seine Nachtruhe bekommt.“

Es war wie ein Wunder. Gerade als sie einen edlen Ritter gebraucht hatte, war er aufgetaucht. „Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll“, sagte sie. „Sie sind sehr nett.“

„Nicht der Rede wert.“ Er tippt kurz an seinen Hut, bevor er an ihr vorbei nach draußen ging.

„Ein wahrer Gentleman“, erklärte sie, und das war wirklich eine passende Beschreibung für den Cowboy.

„Das ist er tatsächlich“, meinte der Mann an der Rezeption.

„Ich werde mir etwas ausdenken, um mich bei ihm zu bedanken“, murmelte Shelby, während sie ihre Kreditkarte aus der Handtasche zog. Zu spät fiel ihr ein, auf das Anmeldeformular zu schauen, das der Cowboy auf dem Tresen liegen gelassen hatte. Sie konnte gerade noch den Namen Boone Connor lesen, bevor der Mann das Formular nahm und wegwarf.

Josh zog an ihrer Jeans. „Kann ich und Bob die da lesen? Die sind mit Pferden.“

Shelby blickte zu den Zeitschriften, auf die Josh zeigte, und dann zu dem Mann. „Ist das in Ordnung? Er weiß, dass er keine Seiten herausreißen darf.“

„Natürlich ist das in Ordnung.“ Er lächelte Josh an. „Geh nur und lies die Zeitschriften, mein Junge.“

Josh ging zu dem Tisch und suchte sich eine Zeitschrift aus, kletterte mit ihr auf einen Stuhl, blätterte langsam die Seiten um und murmelte vor sich hin, so als würde er lesen.

„Ein netter Junge“, sagte der Mann. „Sie können stolz auf Ihren Sohn sein.“

„Oh, ich …“ Diesmal unterließ Shelby es, darauf hinzuweisen, dass sie nicht Joshs Mutter war, obwohl sie sich wie eine Mutter um ihn kümmerte.

Sie hatte einmal überschlagen, dass sie von Anfang an mehr Zeit mit ihm verbracht hatte als Patricia. Was sich letztlich als Segen herausgestellt hatte. Denn wenn Josh seiner Mutter und seinen Großeltern näher gestanden hätte, wäre er sehr viel unglücklicher gewesen, als sie aus seinem Leben verschwanden. So war er zwar traurig und auch ein bisschen verwirrt, aber nicht erschüttert.

Sie, Shelby, war eindeutig die wichtigste Person in seinem Leben. Deshalb und weil jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt war, um kundzutun, dass Josh ihr Neffe und nicht ihr Sohn war, klärte sie den Irrtum diesmal nicht auf. Außerdem hoffte sie, dass sie eines Tages auch formal seine Mutter sein konnte.

Wenn Patricia doch bloß ein Testament hinterlassen hätte, dachte sie, dann wäre das alles nicht so verdammt schwierig.

Shelby schob diesen unerfreulichen Gedanken beiseite und lächelte. „Ja, ich bin auch sehr stolz auf Josh.“

2. KAPITEL

Die sechs Nischen in dem kleinen Café waren belegt, aber damit hatte Boone gerechnet. Nachher, wenn die Leute auf ihre Zimmer gingen, würde es leer werden. Dann konnte er sich eine Bank für die Nacht suchen.

Er hatte vergessen gehabt, dass solche Bänke hart und mit Plastik bezogen waren. Aber er hätte auch nicht anders gehandelt, wenn er daran gedacht hätte. Eine Frau mit einem kleinen Kind brauchte ein Zimmer nötiger als er. Eine hübsche Frau. Er verscheuchte den Gedanken. Hübsche Frauen waren im Moment nichts für ihn.

Nachdem er sich auf einen Hocker an den Tresen gesetzt hatte, bestellte er einen Kaffee bei der einzigen Kellnerin. Das Namensschild an ihrer Bluse verriet, dass sie Lucy hieß. Außerdem stellte Boone fest, dass sie schwanger war und ziemlich erschöpft wirkte, wahrscheinlich, weil sie mehr Gäste als üblich zu bewirten hatte.

„Wohnen Sie hier in der Gegend, Lucy?“, fragte er sie, als sie ihm Kaffee einschenkte.

„Nicht allzu weit weg. Warum?“

Boone warf einen Blick aus dem Fenster. „So wie es jetzt schneit, sollten Sie lieber zusehen, dass sie nach Hause kommen, solange es noch geht.“

Lucy lächelte ihn müde an. „Das ist aber nett von Ihnen, daran zu denken. Ich werde in ungefähr einer Stunde gehen, sobald wir die Leute hier mit Essen versorgt haben. Jetzt braucht Mr Sloan ja auch nicht mehr an der Rezeption zu sein, da alle Zimmer vermietet sind. Er wird wohl gleich herkommen und seiner Frau helfen, damit ich dann gehen kann.“ Sie wollte noch etwas hinzufügen, als sie gerufen wurde. „Entschuldigen Sie mich bitte.“ Lucy eilte davon.

Boone hätte ihr die Arbeit gern abgenommen, allerdings wäre er als Kellner wohl eher eine Last als eine Hilfe. Er nippte an seinem Kaffee und dachte darüber nach, ob Jessica auch so hart gearbeitet hatte, als sie mit Elizabeth schwanger gewesen war. Sie hätte ihn sofort benachrichtigen sollen, als sie herausfand, dass sie ein Baby bekam. Bei dem Gedanken, dass sie Schwangerschaft und Geburt allein hatte durchstehen müssen, bekam er wie jedes Mal ein schlechtes Gewissen.

Er holte den kurzen Brief, den er von Jessica erhalten hatte, aus seiner Brusttasche. Bereits tausend Mal hatte er ihn gelesen, trotzdem musste er ihn immer wieder anschauen, um sich davon zu überzeugen, dass es kein Albtraum war.

Lieber Boone, ich baue darauf, dass Du Elizabeth ein guter Patenonkel bist und Dich um sie kümmerst, bis ich sie wieder abholen kann. Deine Ruhe und Stärke sind genau das, was die Kleine im Moment braucht. Ich habe sie bei Sebastian auf der Rocking-D-Ranch gelassen. Bitte glaub mir, dass ich mich nicht an Dich wenden würde, wenn ich nicht in einer verzweifelten Lage wäre.

Voller Dankbarkeit, Jessica

Das Datum des Briefes lag über zwei Monate zurück. Jessica hatte ihn mit einer falschen Postleitzahl versehen, sodass er ewig gebraucht hatte. Als er schließlich in Las Cruces eintraf, war Boone, der Hufschmied war, auch noch beruflich unterwegs gewesen.

Boone schaute noch einmal aus dem Fenster und in das heftige Schneetreiben. Der Schnee hatte ihm die ganze Sache auch eingebrockt. Vor gut zwei Jahren hatte er sich von seinen drei Freunden – Sebastian Daniels, Travis Evans und Nat Grady – überreden lassen, mit ihnen zum Skifahren nach Aspen zu fahren. Er gehörte genauso wenig auf Skier wie ein Bulle auf Rollschuhe, aber Sebastian zuliebe war er mitgefahren. Beinahe wären sie damals alle bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen.

Jessica Franklin hatte an der Rezeption des Skihotels gearbeitet, und es war ein Glück gewesen, dass sie an jenem Tag angeboten hatte, mit ihnen zu gehen. Sonst wäre Nat jetzt nicht mehr am Leben. Jessica hatte geahnt, wo er verschüttet gewesen war, hatte die Ruhe bewahrt und dafür gesorgt, dass sie ihn rechtzeitig befreiten.

Boone seufzte. Wenn er im letzten Jahr doch bloß nicht noch einmal hingefahren wäre. Er hatte die Idee, den Jahrestag dieser gefährlichen Rettungsaktion zu feiern, für etwas makaber gehalten, sich aber erneut von den anderen überreden lassen. Außerdem hatte er damals eine Ablenkung gebraucht. Darlene hatte ihm gerade mitgeteilt gehabt, dass sie sich von ihm trennen wolle, um diesen Trottel Chester Littlefield zu heiraten.

Nat hatte es aufgrund eines anderen Termins dann doch nicht geschafft mitzufahren, sodass Jessica, Sebastian, Travis und er allein gefeiert hatten. Normalerweise trank er nicht viel, denn er hatte bei seinem Vater erlebt, was ein Mann anrichten konnte, wenn er betrunken war.

Doch in jener Nacht hatte er ständig an Darlene denken müssen und alles Mögliche in sich hineingekippt. Auch Sebastian und Travis hatten einen tiefen Blick in die Flasche geworfen, nur Jessica war nüchtern geblieben, um sie zurück zur Hütte fahren zu können. Bevor sie schließlich ins Bett getaumelt waren, hatte sie noch sichergestellt, dass sie alle eine Aspirin nahmen.

Und das, so vermutete er, war wohl der Moment gewesen, als er zu weit gegangen war und Jessica mit sich ins Bett gezogen hatte. Nüchtern wäre er niemals auf solch eine Idee verfallen. Doch so sturzbetrunken und niedergeschmettert, wie er wegen der Trennung von Darlene gewesen war, könnte es durchaus geschehen sein.

Jessica wusste bestimmt, dass er das mit klarem Kopf nie gewollt hätte, dass er sie nie so behandelt hätte. Also hatte sie die ganze Sache allein durchgestanden, als sie herausfand, dass sie schwanger war. Nun war sie jedoch in irgendwelchen Schwierigkeiten und hatte ihn gebeten, sich des Kindes anzunehmen.

Die Sache mit dem Patenonkel glaubte er keine Sekunde. Er war der Vater des Babys. Als er auf der Rocking-D-Ranch angerufen hatte, hatten Sebastian und Travis ihm erzählt, dass sie ebenfalls einen solchen Brief von Jessica bekommen hatten. Aber diese Briefe waren seiner Meinung nach nur ein Ablenkungsmanöver. Sebastian war viel zu ehrenhaft und Travis viel zu erfahren, um so leichtsinnig zu sein. Außerdem hätte Jessica die beiden leicht abwehren können, so betrunken, wie sie gewesen waren.

Aber selbst in betrunkenem Zustand war er, Boone, so stark wie zwei Männer. Jessica hätte keine Chance gehabt zu entkommen. Er hoffte sehr, dass er ihr nicht wehgetan hatte. Er würde den Rest seines Lebens damit verbringen, es wieder gutzumachen, dass er sich wie ein Mistkerl verhalten hatte. Und er würde nie wieder einen Tropfen Alkohol anrühren.

„Mr Connor?“

Die sanfte Stimme brachte ihn zurück in die Gegenwart. Neben ihm standen die blonde Frau und ihr kleiner Junge. Hastig faltete er Jessicas Brief zusammen und steckte ihn wieder in seine Brusttasche. Dann erhob er sich.

„Entschuldigung“, sagte die Frau. „Sie brauchen nicht aufzustehen. Ich wollte Sie nicht stören.“

„Kein Problem“, erwiderte er. „Woher wissen Sie meinen Namen?“

Sie errötete leicht. „Ich habe auf das Anmeldeformular geschaut, bevor der Mann an der Rezeption es wegwarf.“ Sie reichte ihm die Hand. „Ich heiße Shelby McFarland.“

„Nett, Sie kennenzulernen, Shelby.“ Vorsichtig nahm er ihre zarte Hand und bemühte sich, sie nicht zu heftig zu drücken.

Er genoss den Hautkontakt, er genoss ihn sogar mehr, als gut für ihn war. Es gefiel ihm auch sehr, in ihre blauen Augen zu schauen. Ihr Blick war warm und aufrichtig. Allerdings wirkte sie auch ein bisschen ängstlich, als hätte sie etwas auf dem Herzen. Ihm fiel ein, dass sie mit dem Polizisten gestritten hatte, um durch die Straßensperre gelassen zu werden, und er vermutete nun, dass sie vor etwas oder vor jemandem davonlief.

„Und das hier ist Josh.“ Sie schob den Jungen ein Stück vor. „Josh, kannst du Mr Connor die Hand schütteln?“

Josh nickte, streckte ihm die Hand hin und musterte ihn. „Du bist so groß wie ein Elefant“, sagte er.

„Josh!“ Shelby errötete.

Bonne lachte laut auf. „Da hast du vollkommen recht, mein Junge. Ich bin auch ungefähr genauso hübsch.“ Er blickte sich um. „Ich fürchte, die Tische sind alle belegt, wenn Sie also etwas essen wollen, dann müssen Sie sich hier am Tresen einen Hocker suchen.“ Bei der Aussicht, dass sie neben ihm sitzen würde, lief ihm ein Prickeln über die Haut. Schnell erinnerte er sich jedoch an den Brief in seiner Brusttasche und den Grund, weshalb er überhaupt hier war.

„Oh, nein, wir bleiben nicht“, erklärte sie. „Wir nehmen uns nur schnell etwas mit und essen es in dem Zimmer, das Sie uns netterweise überlassen haben. Deshalb wollte ich auch gern noch einmal mit Ihnen sprechen. Ich möchte mich revanchieren. Ihnen das Essen zu bezahlen, macht es kaum wieder gut, aber es ist das Mindeste, was ich tun kann.“

Sie berührte sacht seinen Arm. Es fühlte sich an wie das Schnuppern eines scheuen Fohlens. Und genauso ängstlich wirkte sie auch. Sie hatte schon mehrfach zur Tür gesehen. Seine Neugier wuchs.

„Gibt’s du ihm einen Stern?“, fragte Josh. „Wenn ich lieb bin, wenn ich nicht vergesse, mein Zimmer aufzuräumen, dann krieg ich auch einen Stern.“

Erneut überzog eine leichte Röte ihre Wangen. „Das ist natürlich eine gute Idee, Josh, aber ich bin nicht sicher, ob Mr Connor …“

„Sagen Sie Boone, und ich würde mich sehr über einen Stern freuen.“ Das hätte er wahrscheinlich lieber nicht sagen sollen, aber irgendwie fiel es ihm schwer, die Distanz zu wahren.

„Na gut.“ Shelby sah etwas verlegen aus, wühlte aber in ihrer Handtasche und zog schließlich goldene Sternenaufkleber heraus. Sie zog einen ab. „Wohin möchten Sie ihn denn?“

Auch wenn er sich damit vermutlich neue Probleme schaffte, genoss er das alles. „Auf meinem Hemd würde er sich bestimmt gut machen.“

Autor

Vicki Lewis Thompson

Eine Karriere als Liebesroman – Autorin hat Vicki Lewis Thompson viele wunderbare Dinge eingebracht: den New York Times Bestsellerstatus, einen Fernsehauftritt, den Nora – Roberts – Lifetime – Achievement Award, Tausende Leser und viele gute Freunde. Ihre Karriere hat ihr ebenso Arbeit eingebracht, die sie liebt. Sie hat mehr als...

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