Es begann als heiße Affäre… Von der Geliebten zur Gemahlin (2 Miniserien)

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NUR EIN SINNLICHER LIEBESTRAUM? von JULIA JAMES
"Bitte, Vito", flüsterte Eloise leise, "sag mir, dass du sie nicht heiratest." "Doch", sagte er mit einer Stimme, die jemand anderem zu gehören schien. "Es ist wahr." Ich werde ihn finden, den Mann meiner Träume! So oft hat Eloise sich das gesagt – und dann geschieht es einfach so: Auf einem Flughafen fällt sie einem dunkelhaarigen Traummann praktisch in die Arme. Und Vito Viscari scheint ihre Begegnung genauso schicksalhaft zu finden. Er flirtet heiß mit ihr, und als er sie das erste Mal voller Leidenschaft an sich zieht, ist Eloise bereit für die Liebe. Eine leidenschaftliche Affäre beginnt – bis Eloise schockiert erfährt: Vito ist mit einer reichen Erbin verlobt, die Hochzeit längst geplant!

DIE GELIEBTE DES ITALIENISCHEN GRAFEN von JULIA JAMES
"Das ist mein Vorfahr, seine Frau – und seine Geliebte." Ein erregender Schauer überläuft die hübsche Journalistin Carla. Direkt neben ihr steht Conte Cesare di Mondave und kommentiert süffisant das historische Gemälde, über das sie schreiben will. Sie weiß, dass der italienische Graf bald heiraten wird. Aber warum schaut er sie jetzt voller Verlangen an? Möchte er wie all seine Urahnen Ehefrau und Geliebte haben? Carla wäre mit der zweiten Stelle in Cesares Herzen nie zufrieden! Das glaubt sie jedenfalls, bis er sie in seinen Palazzo einlädt …

ROMANTISCHE KÜSSE IN DER PROVENCE von SUSAN NAPIER
Schon als sie Luc das erste Mal in Paris sieht, verliebt sich Veronica Hals über Kopf in den Fremden und verbringt eine wundervolle Nacht mit ihm in der Stadt der Liebe. Doch am Morgen verlässt sie heimlich sein Appartement, davon überzeugt, Luc nie wiederzusehen. Aber das Schicksal will es anders, und schon bald blickt sie erneut in seine faszinierenden Augen. In einer romantischen Villa in der Provence wirbt Luc mit zärtlichen Küssen um ihr Herz. Fast wäre Veronica seinem Charme erlegen, da taucht eine wunderschöne schwangere Frau auf und bittet Luc um Hilfe …

DIE FARBEN DER LUST von TRISH WYLIE
Gold für den Busen, oder doch besser ein dunkles Rot? In einem sexy Spiel lässt sich die Galeristin Angelina von dem attraktiven Gabriel bemalen. Immer erregter wird sie, als er sich plötzlich zurückzieht. Will er sich rächen, weil Angelina ihn einst verschmähte?


  • Erscheinungstag 22.09.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520140
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Ralf Markmeier
Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Julia James
Originaltitel: „Claiming His Scandalous Love-Child“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2334 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Kara Wiendieck

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733710125

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Die klangvolle Musik schwoll zu einem letzten Crescendo an, bevor sie abrupt endete. Das leise Murmeln der Gemeinde verstummte, als der Priester die Hände hob, um in der uralten Zeremonie die Worte des Sakraments zu sprechen.

Vitos Herz schlug heftig. Er wandte sich der Frau zu, die neben ihm stand.

Ganz in Weiß gekleidet, das Gesicht hinter einem Schleier verborgen, wartete seine Braut auf ihn. Wartete darauf, dass er die Worte sprach, die sie in den heiligen Stand der Ehe erheben würden …

Eloise nippte an ihrem Champagner, während sie sich in dem mit vielen goldenen Dekorelementen verzierten Salon umblickte. Sie war in einem der berühmtesten Hotels an der Promenade des Anglais in Nizza im Süden Frankreichs.

Die anderen weiblichen Gäste trugen Abendkleider und Juwelen, die Männer elegante Anzüge. Aber Eloise wusste mit absoluter Sicherheit, dass kein anderer Mann an ihren Begleiter heranreichte. Denn er war schlicht und ergreifend der atemberaubendste Mann, den sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, beschleunigte sich ihr Puls. So wie jetzt.

Ihr Blick wanderte zu dem großen Mann neben ihr in dem maßgeschneiderten Smoking, den er auf unnachahmliche Weise perfekt ausfüllte. Sie betrachtete das römisch wirkende Profil, die schwarzen Haare, dazu sonnengebräunte Haut, hohe Wangenknochen und ein markantes Kinn. Sie bewunderte die Art und Weise, wie sich seine Lippen bewegten, während er sich in ihrem kleinen Kreis auf Französisch unterhielt. Was er ebenso wie seine Muttersprache Italienisch – und natürlich Englisch – perfekt beherrschte.

Geschieht das alles wirklich? Bin ich tatsächlich hier? Oder träume ich nur?

Manchmal glaubte sie Letzteres, denn die vergangenen Wochen kamen ihr wie eine turbulente Reise in den Armen dieses Mannes vor, dem sie buchstäblich vor die Füße gefallen war.

Erinnerungen, warm und lebendig, stiegen in ihr auf …

Eilig war sie durch das Flughafengebäude zu ihrem Check-in-Schalter gehastet, weil das Gate gleich schließen würde. Es war ihr erster Urlaub seit Jahren – unmittelbar danach würde sie ihren nächsten Job als Nanny antreten. Ihre bisherige Anstellung hatte ein Ende gefunden, als die Zwillinge, um die sie sich liebevoll gekümmert hatte, eingeschult wurden.

Eine Weile werden die beiden mich noch vermissen, sich aber bald an meine Abwesenheit gewöhnen, dachte Eloise. Das wusste sie aus eigener Erfahrung. Auch in ihrer Kindheit hatte sie eine Abfolge von Nannys und Au-Pair-Mädchen erlebt. Ihre Mutter hatte nicht nur einen extrem stressigen Job, es mangelte ihr auch an mütterlichen Gefühlen. Eloise hatte lange gebraucht, um das zu begreifen. Was sie ebenfalls hatte begreifen müssen, war, dass ihr Vater ihnen beiden den Rücken gekehrt hatte, nachdem ihre Mutter sich geweigert hatte, weitere Kinder zu bekomme. Er hatte sich eine neue Frau gesucht, die ihm den lang ersehnten Sohn schenkte.

Unwillkürlich presste Eloise die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, wie sie es immer tat, wenn sie daran dachte, wie ihr Vater sie für seine neue Familie verlassen hatte. Seither hatte er in ihrem Leben keine Rolle mehr gespielt.

Bin ich deshalb Nanny geworden? fragte Eloise sich manchmal. Um Kindern Wärme und Zuneigung zu schenken, die ihre Eltern nur selten zu Gesicht bekommen? So wie ich?

Auf jeden Fall liebte sie ihren Job – auch wenn ihre Mutter ihre Berufswahl nie verstanden hatte. Ebenso wenig wie sie begriff, wie sehr sich ihre Tochter nach ihrem Vater gesehnt hatte. Die Haltung ihrer Mutter war recht pragmatisch und nüchtern.

„Väter sind gänzlich unnötig, Eloise. Frauen sind absolut in der Lage, sich allein um ihre Kinder zu kümmern! Und das ist auch besser so. Früher oder später lassen dich Männer immer im Stich – es ist gut, sich gar nicht erst von ihnen abhängig zu machen.“

Eloise hatte auf den Hinweis verzichtet, dass sie von Nannys aufgezogen worden war und nicht von ihrer Mutter.

Aber ich werde nicht so sein – und ich werde keinen Mann auswählen, der mich wieder verlässt!

Nein, sie würde ein völlig anderes Leben führen als ihre Mutter. Diesen Entschluss hatte sie schon früh gefasst. Außerdem würde sie beweisen, dass ihre Mutter völlig falschlag. Sie würde sich in einen wundervollen Mann verlieben, der sie nie im Stich ließ, sie niemals wegen einer anderen Frau verließ und vor allem niemals ihre Kinder verstieß, die sie gemeinsam mit liebevoller Hingabe erziehen würden.

Nur wer dieser Mann sein sollte, das wusste sie nicht. Mit sechsundzwanzig hatte sie natürlich schon einige Freunde gehabt. Ohne eitel zu sein, wusste Eloise, dass ihre blonden Haare und ihr gutes Aussehen ihr problemlos männliche Aufmerksamkeit verschafften. Aber emotional hatte sie noch niemand wirklich berührt. Bisher …

Aber ich werde ihn finden, ich weiß es genau! Den Mann meiner Träume! Den Mann, in den ich mich verlieben werde! Eines Tages wird es passieren!

Als sie damals den Flughafen entlanggerannt war, hatte es sie nicht gestört, frei und ungebunden zu sein. Sie war bereit für schöne Ferien und reiste so bequem wie möglich. Darum trug sie nur Jeans, ein T-Shirt, eine leichte Jacke und gut eingelaufene Pumps.

Die Schuhe mussten ein bisschen zu gut eingelaufen sein, denn plötzlich stolperte sie ohne jeden Grund. Der Länge nach schlug sie auf dem harten Boden auf. Ihr Rollenkoffer verselbstständigte sich und kollidierte mit den Beinen eines anderen Reisenden. Sie hörte einen kurzen und scharfen Ausruf in einer fremden Sprache, kümmerte sich jedoch nicht darum. Der Schmerz in ihrem eigenen Knöchel war so heftig, dass sie laut aufstöhnte.

„Geht es Ihnen gut?“

In der akzentuierten Stimme lag eine tiefe und überaus attraktive Note. Eloise hob den Kopf. Von dem Sturz schmerzte ihr ganzer Körper. Unmittelbar vor ihr standen zwei unzweifelhaft männliche und überaus muskulöse Beine, eingehüllt in edlen hellgrauen Stoff.

Sie ließ ihren Blick weiter nach oben wandern. Ihr stockte der Atem. Sie starrte den Fremden an. Zu etwas anderem war sie nicht mehr in der Lage.

Ihr Blick traf auf zwei dunkle Augen, die sie besorgt musterten. „Sind Sie verletzt?“

Eloise versuchte zu antworten, doch ihr Mund war auf einmal wie ausgetrocknet.

„Ich …“, brachte sie krächzend hervor. „Es geht mir gut.“

Mühsam begann sie, sich aufzurappeln. Der Unbekannte half ihr auf die Füße, als wäre sie leicht wie eine Feder. Und dann schien die Schwerkraft vollends verschwunden zu sein. Sie hatte das seltsame Gefühle, fünf Zentimeter über dem Boden zu schweben.

Um sie herum liefen Menschen, lachten und unterhielten sich. Trotzdem kam es ihr so vor, als wären sie ganz allein auf dem Flughafen. Alles, was Eloise tun konnte, war, den Mann anzustarren, mit dem sie zusammengestoßen war.

„Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Soll ich einen Arzt rufen?“

Zu der Besorgnis in seiner Stimme hatte sich ein amüsierter Unterton gesellt, als wüsste er durchaus, dass sie ihn anstarrte.

Ihr wurde innerlich ganz heiß. Er ließ seinen Blick über sie wandern. Hitze breitete sich noch weiter in ihrem Körper aus.

„Ich glaube, das ist Ihr Gepäck“, meinte er und zog ihren Rollenkoffer heran.

„Vielen Dank“, erwiderte sie leise.

„Gern geschehen.“

Wieder lächelte er. Es schien ihn nicht zu stören, dass sie ihn noch immer unverwandt anschaute, seine dunklen ausdrucksstarken Augen, das schwarze Haar, die sinnlichen Lippen mit dem hinreißenden Lächeln, die hohen Wangenknochen, die sie an eine antike Marmorstatue erinnerten.

Eloise schluckte. Irgendetwas passierte mit ihr, das sie völlig aus der Bahn warf. Und es hatte nichts mit ihrem Sturz oder damit zu tun, dass ihr Koffer gegen seine Beine geprallt war.

Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Geht es Ihnen gut?“, rief sie bestürzt. „Mein Koffer ist gegen Sie gestoßen.“

Er machte eine abweisende Handbewegung. „ Niente … das war gar nichts“, versicherte er.

Mit dem Teil ihres Gehirns, der noch zu funktionieren schien, registrierte sie, dass er Italienisch sprach. Und dann bemerkte sie, dass er sie ebenso unverwandt anschaute wie sie ihn. Seine Augen verengten sich kurz, als würde er ein Detail an ihr ganz genau betrachten – und es hatte den Anschein, als würde ihm gefallen, was er sah.

Das Blut schoss ihr in die Wangen. Als er es ebenfalls bemerkte, funkelten seine dunklen Augen auf.

Oh, Gott, was passiert hier?

Eine so spontane und intensive Reaktion auf einen Mann hatte sie noch nie erlebt. Mittlerweile sprach er wieder, und sie zwang sich, ihm zuzuhören.

„Zu welchem Gate müssen Sie?“

Tief in ihrem Gedächtnis kramte sie nach der Nummer. Ihr Blick wanderte den Flughafen entlang zu ihrem Schalter, über dem jetzt das Wort „Geschlossen“ leuchtete.

„Oh, nein“, rief sie erschrocken. „Über dem Sturz habe ich meinen Flug verpasst.“

„Wohin wollten Sie denn fliegen?“

„Paris …“, erwiderte sie abwesend.

Etwas blitzte in seinen Augen auf. Dann sagte er mit sehr leise: „Was für ein überaus wunderbarer Zufall. Ich bin auch auf dem Weg nach Paris.“

War da eine winzige Pause, bevor er den Namen der Stadt aussprach? Aber Eloise blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, weil er bereits weitersprach.

„Da es meine Schuld ist, dass Sie Ihren Flug verpasst haben, müssen Sie mir erlauben, Sie dorthinzubringen.“

Einen Moment starrte sie ihn mit offenem Mund an. „Ich kann unmöglich …“, setzte sie an.

Fragend hob er eine Augenbraue. „Warum nicht?“

„Weil …“ Sie hielt inne.

„Weil wir uns nicht kennen?“, riet er herausfordernd und mit dem atemberaubenden Lächeln auf seinen Lippen. „Aber das lässt sich ja problemlos ändern.“

Sein Grinsen zauberte ein seltsam flaues Gefühl in ihren Magen.

„Mein Name ist Vito Viscari, ich stehe zu Ihrer Verfügung, Signorina , ich habe Sie aufgehalten.“

„Aber das stimmt nicht“, protestierte Eloise. „ich bin schuld. Ich bin gestolpert. Meine Tasche ist gegen Ihre Beine geprallt.“

„Wir haben doch bereits geklärt, dass das ohne Bedeutung ist“, entgegnete er unbeschwert. „Von Bedeutung ist jedoch, dass ein Arzt Ihren Fuß untersuchen sollte. Wir haben noch viel Zeit, bevor unser Flug nach Paris startet.“

Verwirrt schaute Eloise ihn an. „Ich kann nicht so einfach meinen Flug ändern. Mein Ticket gilt nur für den Flieger, den ich gebucht habe.“

Wieder funkelten seine Augen amüsiert auf. „Machen Sie sich keine Sorgen.“ Er schwieg einen Moment und sagte dann: „Ich habe Unmengen an Viel-Flieger-Meilen gesammelt. Wenn ich sie nicht verbrauche, verfallen sie nur.“

Eloise musterte ihn aufmerksam. Er sah wirklich nicht aus wie jemand, der sich auch nur im Geringsten um das Einlösen von angesparten Bonus-Meilen kümmerte. Alles an ihm, der maßgeschneiderte Anzug, die glänzenden schwarzen Schuhe und die Aktentasche aus Leder mit eingeprägtem Monogramm, verrieten ihr das.

Und als er sie jetzt auch noch mit einem warmen Ausdruck in den Augen anschaute, vergaß sie alles um sich herum und spürte nur noch ihren schneller werdenden Puls und die plötzliche Leichtigkeit in ihren Gedanken.

„Also …“, sagte er gerade. Sein italienischer Akzent weckte herrliche Gefühle in ihr. „Darf ich Sie nur mit bella Signorina ansprechen? Allerdings …“, fuhr er fort und blickte ihr dabei tief in die Augen, „entspricht das absolut der Wahrheit. Bellissima Signorina.

Sie atmete tief ein. „Eloise“, sagte sie hastig. „Eloise Dean.“

Diesmal raubte ihr sein Lächeln fast den Atem.

„Kommen Sie“, murmelte er. Wieder lag in seiner Stimme die tiefe samtige Note. „Stützen Sie sich auf mich, Eloise Dean. Ich kümmere mich um Sie.“

Auf einmal kam er ihr sehr groß vor. Und sehr attraktiv und hinreißend und …

Ihr stockte der Atem, während sie ihn aufmerksam betrachtete. Ein schiefes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Langsam senkte er den Blick.

„Oh, ja“, flüsterte er. „Ich werde mich sehr gut um Sie kümmern …“

Und genau das hatte Vito Viscari seither getan. Erst später hatte Eloise herausgefunden, dass er an dem Tag überhaupt nicht nach Paris hatte fliegen wollen, sondern nach Brüssel. Er hatte sein Ziel nur aus einem einzigen Grund geändert, wie er ihr gestand: um sie zu umwerben und zu erobern.

Das war ihm gelungen. Mit Leichtigkeit.

Tatsächlich hatte sie sich ohne den geringsten Widerstand umwerben und erobern lassen. In Wahrheit, musste Eloise sich eingestehen, hatte sie sich sogar aktiv daran beteiligt. Sich von einem überaus attraktiven Mann in eine der romantischsten Städte der Welt entführen zu lassen, kam ihr wie ein wahr gewordener Traum vor.

Selbst Wochen später fühlte es sich noch genauso an. Wochen, die wie im Flug vergangen waren und während derer ihre Füße kaum den Boden berührt zu haben schienen, weil Vito mit ihr quer durch Europa von einem Luxushotel zum nächsten reiste. Die Hotels waren seit vier Generationen im Besitz seiner Familie.

Er hatte ihr erzählt, dass er jedes einzelne seiner europäischen Häuser inspizieren wolle, die vor allem in den schönsten und ältesten Städten Europas von Lissabon bis St. Petersburg angesiedelt waren. Und Eloise hatte ihn begleitet, ohne auch nur einen Moment an ihren neuen Job in England zu denken. Wie hätte sie auch nur auf die Idee kommen sollen, Vito aufzugeben? Mit ihm zusammen zu sein, war so berauschend wie Champagner.

Aber selbst Champagner wird irgendwann schal … und am Ende der Nacht erwachen wir alle selbst aus den schönsten Träumen.

Das sollte sie besser nicht vergessen.

Auch jetzt, als sie neben ihm in dem prunkvollen Salon des Luxushotels inmitten der High Society stand, hörte sie die leise warnende Stimme in ihrem Kopf. Denn wie wundervoll romantisch es sich auch anfühlte, in Vitos Armen durch Europa zu reisen und Gefühle zu entdecken, die sie noch nie für einen Mann empfunden hatte, so blieben doch Fragen offen, denen sie sich nicht verschließen durfte.

Kann ich meinen Gefühlen vertrauen? Sind sie wirklich echt? Und was empfindet er für mich?

Dass er sie begehrte, daran bestand kein Zweifel! Aber war das alles , was er für sie empfand? Zumindest in diesem Moment, als er sich mit einem warmen Funkeln in den Augen zu ihr beugte, wusste sie, dass sein Begehren echt war. Und sie spürte dasselbe Verlangen in sich auflodern.

„Eloise?“

Vitos Stimme mit dem unvergleichlich sexy italienischen Akzent vertrieb ihre düsteren Gedanken.

„Das Essen wird serviert.“

Langsam schlenderten sie in den angrenzenden Saal hinüber, in dem ein üppiges Büfett aufgebaut worden war. Eine Frau trat auf Vito zu. Sie mochte ein paar Jahre älter sein als Eloise und trug ein umwerfendes eng anliegendes Kleid aus hellem Satin, das perfekt zu ihren blonden Haaren passte. Sie war die Gastgeberin der Party in dem Hotel in Nizza, zu der Vito natürlich eingeladen worden war.

Eloise hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass Vito sich in allen großen Städten Europas in den Kreisen der High Society bewegte. Sein Aussehen, sein Vermögen, seine Herkunft machten ihn zum Liebling dieser Gesellschaft … und nicht zu vergessen sein Status als Junggeselle. Vor allem Letzterer schien die Frauen wie magisch anzuziehen – inklusive der Gastgeberin des heutigen Abends.

„Vito, chérie ! Wie schön, dass du meine kleine Party beehrst! Ich muss dich später entführen, damit wir über alte Zeiten plaudern können.“

Die Frau lächelte kurz zu Eloise hinüber. Fast unmerklich trat ein frostiger Schimmer in ihre blassblauen Augen.

„Sie sind also die aktuelle Begleitung unseres schönen Vitos. Oh, er liebt hübsche Blondinen!“

Sie lachte hell auf, dann entfernte sie sich.

Mi dispiace “, erklärte Vito ein wenig zerknirscht, „meine Zeit mit Stephanie ist schon sehr lange her.“

Eloise schenkte ihm ein verzeihendes Lächeln. Seine früheren Beziehungen kümmerten sie nicht – ebenso wenig wie die Versuche anderer Frauen, mit ihm zu flirten. Er verhielt sich charmant und höflich, aber Eloise wusste, dass das brennende Verlangen in seinen Augen nur ihr allein galt.

Aber wird es halten? Wie lange werde ich die Frau in Vitos Leben sein?

Ein unmerklicher Schauer durchlief sie. Würde sie eines Tages die nächste Stephanie sein? Die nächste hübsche blonde Ex?

Oder ist zwischen uns mittlerweile etwas anderes gewachsen? Etwas, das uns beiden sehr viel bedeutet? Ist das möglich?

Wieder wirbelten die Fragen durch ihre Gedanken. Aber noch war es zu früh, um die Antworten zu finden. Mit Angelegenheiten, die das Herz berührten, rief sie sich ins Gedächtnis, musste man sehr vorsichtig sein.

Hatte sich ihre Mutter nicht Hals über Kopf verliebt und war voller romantischer Ideale vor den Traualtar getreten? Zu spät hatte sie herausgefunden, dass sie und ihr Ehemann auf vielen Ebenen nicht zueinander passten, die aber von großer Wichtigkeit für eine gemeinsame Zukunft gewesen wären. Diese Entdeckung hatte zu ihrer Scheidung geführt und der Tochter den Vater genommen.

Ich darf nicht denselben Fehler begehen. Es wäre so einfach zu glauben, dass ich in Vito verliebt bin. Vor allem, weil mein Leben gerade einem fantastischen Traum gleicht …

Doch die Reise würde bald ihr Ende finden, sie war lediglich Bestandteil von Vitos Plan, sich als zukünftiger Chef der Viscari Hotels zu präsentieren. Denn diese neue Rolle musste er nach dem unerwarteten Tod seines Vaters bereits mit einunddreißig Jahren übernehmen.

„Ich muss in große Fußstapfen treten“, hatte er Eloise betrübt erklärt. „Ich bin der einzige noch lebende Viscari, der Einzige, der das Erbe fortführen kann. Alles liegt jetzt in meinen Händen. Ich darf meinen Vater nicht enttäuschen.“

Hatte in seiner Stimme nicht eine gewisse Anspannung gelegen, die über die Trauer um seinen Vater hinausging? Mehr hatte sie jedoch nicht von ihm erfahren, außer, wie die Viscari Hotels Ende des neunzehnten Jahrhunderts von seinem Urgroßvater, dem ehrwürdigen Ettore Viscari, gegründet worden waren. Er hatte die Hotels seinem Sohn vererbt, und dieser hatte sie wiederum an Vitos Vater Enrico und dessen Bruder Guido, Vitos kinderlosen Onkel, weitergegeben.

Vor allem Guido war für die weltweite Expansion verantwortlich. Er hatte die Hotels zu einem der Hot Spots für die Reichen und Berühmten gemacht.

Eloise war völlig klar, dass Vito sich als einziger Vertreter der vierten Generation des Drucks überaus bewusst war, den sein Erbe mit sich brachte. Die Erwartungen und Forderungen an ihn waren groß und beeinflussten wiederum sein Privatleben, so wie heute Abend und an allen bisherigen Abenden, die sie an seiner Seite verbracht hatte.

„Sich mit den Menschen zu treffen, die Gäste in meinen Hotels sind oder sein werden, ist unvermeidlich. Und auch wenn es unendlich ermüdend ist, darf ich es mir nicht anmerken lassen.“ Der düstere Ausdruck in seinen Augen verflüchtigte sich. „Dass du an meiner Seite bist, macht alles viel weniger beschwerlich.“

Es tat unglaublich gut, das zu hören, und Eloise spürte ein vertrautes Prickeln in sich aufsteigen. Ein Prickeln, das noch intensiver wurde, als sie das Funkeln in Vitos dunklen Augen sah.

Bald – ganz bald – würde er sich bei der Gastgeberin für den gelungenen Abend bedanken, sich höflich von den anderen Gästen verabschieden und mit Eloise in seine Suite entschwinden, um sie ganz für sich allein zu haben und die Nacht in sinnlicher Ekstase zu verbringen.

Abermals durchlief sie ein Schauer der Vorfreude. Sich Vito hinzugeben, glich nichts, was sie bisher erlebt hatte. Seine zärtlichen Berührungen raubten ihr den Atem und weckten Empfindungen in ihr, von deren Existenz sie keine Ahnung gehabt hatte. Im Bett verschwanden all die Fragen und Sorgen, die sie sich wegen ihrer überstürzten Romanze machte.

Und als sie später in seinen Armen lag und ihrem noch wild pochenden Herzen lauschte, spürte sie, wie unbeschreibliche Gefühle in ihr aufstiegen. Plötzlich war sie von einer wilden Sehnsucht erfüllt.

Oh, Vito … sei der Eine für mich! Sei der richtige Mann für mich!

Es war so einfach – so gefährlich einfach – zu glauben, dass er der Mann war, den sie lieben konnte.

Aber wage ich es, mich wirklich darauf einzulassen?

Darauf fand sie keine Antwort. Sie spürte nur, dass sie sich in Momenten wie diesen danach sehnte, das Wagnis einzugehen. Sie wollte glauben, dass er der Mann für sie war, und sehnte sich danach, ihn aufrichtig zu lieben.

2. KAPITEL

Vito legte den Gang ein und beschleunigte auf eine angenehme Reisegeschwindigkeit. Gerade hatten sie die französisch-italienische Grenze bei Mentone passiert, unterwegs zu seinem nächsten Ziel, dem Viscari San Remo an der Riviera di Fiori, der Blumenriviera.

Bereits am Morgen hatte er etliche Termine mit den Managern des Viscari Monte Carlo absolviert, hatte ihnen seine Strategie erläutert, war auf ihre speziellen Probleme eingegangen und hatte sich ihre Meinungen angehört. Erst jetzt, am späten Nachmittag, fuhren sie endlich auf der autostrada zurück nach Italien.

Innerlich fühlte Vito sich ein wenig zerrissen. Einerseits tat es gut, wieder in sein Heimatland zurückzukehren. Aber ihm war durchaus bewusst, dass er seine Reise quer durch Europa in vielerlei Hinsicht genossen hatte.

Sie hatte ihm erlaubt, aus Rom herauszukommen und ein wenig Distanz zwischen sich und die vielen Komplikationen, die dort auf ihn warteten, zu bringen. Komplikationen, auf die er gern verzichtet hätte.

In ein paar Tagen würde er wieder mit ihnen konfrontiert sein und sich darum kümmern müssen.

Aber noch nicht.

Er verbannte die düsteren Gedanken. Es bestand kein Grund, sich die letzten sorgenfreien Tage zu verderben. Nicht, solange Eloise an seiner Seite war.

Eloise! Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, sah ihr wunderschönes Profil und spürte, wie sich seine Stimmung hob. Wie froh und stolz er war, seinem ersten Instinkt gefolgt zu sein, als er ihr nach ihrem Zusammenstoß am Flughafen Heathrow auf die Beine geholfen hatte.

Natürlich waren es ihre blonden Haare gewesen, die ihn sofort gefesselt hatten. Wie hätte er einem solchen Geschenk widerstehen können? Schon als Teenager hatte er eine Vorliebe für blondes Haar entwickelt. Aber als er dieser hinreißenden langbeinigen Blondine dann ins Gesicht geschaut und ihre himmelblauen Augen gesehen hatte, hatte ihre Schönheit ihn vollends verzaubert.

Das Verlangen, das er daraufhin gefühlt hatte, war in Paris reichlich gestillt worden. Und es war ihm völlig natürlich vorgekommen, den Rest seiner Europatour mit ihr an seiner Seite zu absolvieren. An jedem neuen Ziel sah er sich von der Richtigkeit seiner Entscheidung bestätigt. Denn es lag nicht allein an Eloises Schönheit, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Anders als seine bisherigen Gespielinnen – wie zum Beispiel die elegante Stephanie in Nizza – besaß Eloise eine natürliche Anmut und Leichtigkeit, wie sie ihm noch bei keiner anderen Frau begegnet waren. Niemals war sie launisch, stellte nie Forderungen, wurde nie wütend. Immer war sie fröhlich und freundlich, immer lag ein unbeschwertes Lächeln auf ihren Lippen. Es schien sie glücklich zu machen, seine Wünsche zu erfüllen.

Vito richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. In ein paar Tagen würden sie in Rom eintreffen.

Werden wir dann noch zusammen sein?

Oder war allmählich die Zeit gekommen, ihre Affäre zu beenden? In seinen zahlreichen Liaisons war immer er es gewesen, der einen Schlussstrich gezogen und auf die nächste blonde Schönheit gewartet hatte. Solange eine Affäre dauerte, war er stets aufmerksam und treu, doch nach dem unweigerlichen Ende empfand er kein Bedauern darüber.

Ein Schatten huschte durch seine Gedanken. Würde es immer so sein? Eine belanglose Affäre nach der nächsten? Bis …

Bis was? Was will ich denn wirklich?

Das war eine Frage, die er sich nicht allzu eindringlich stellte. Trotzdem kannte er die Antwort. Vielleicht hatte er sie schon immer gekannt.

Ich will eine Frau finden, die ich ebenso aufrichtig und vollkommen lieben kann, wie mein Vater meine Mutter geliebt hat.

Das war immer sein Ziel gewesen. Aber war es auch erreichbar?

Vielleicht habe ich deshalb so viele Affären … weil ich nicht enttäuscht werden will. Ich habe Angst, dass es unmöglich ist, eine so glückliche Ehe zu führen wie die meiner Eltern.

Seine Eltern waren zusammen sehr glücklich gewesen. Und er, ihr einziges Kind, war von beiden über alles geliebt worden. Vielleicht hatten sie ihn sogar ein bisschen zu sehr verwöhnt.

Zu wissen, dass er ihr Augapfel war, hatte ihn gleichzeitig ein Gefühl großer Verantwortung ihnen gegenüber entwickeln lassen. Er wollte sich ihrer Liebe als würdig erweisen. Traurigkeit legte sich auf seine Stimmung. Aber da war noch etwas anderes. Seit dem frühen Tod seines Vaters war das Leben härter geworden – vor allem für seine trauernde Mutter. Vito wusste, dass der traurige Ausdruck nie wieder aus ihren Augen verschwinden würde.

Vielleicht wenn ich heirate … und ihr ein Enkelkind schenke? Vielleicht würde sie das glücklich machen?

Aber wer würde seine Braut sein? Kurz glitt sein Blick zu Eloise hinüber.

Was bedeutet sie mir? Und was möchte ich von ihr? Könnte sie wirklich die Frau werden, die mir alles bedeutet?

Er wusste es nicht. Noch nicht. Nicht, bis sie Rom erreichten und seine Reise ein Ende fand. Bis dahin würde er einfach die verbleibende gemeinsame Zeit genießen.

„Wusstest du, dass San Remo für seinen Blumenmarkt bekannt ist? Jedes Jahr schickt die Stadt ihre schönsten Blumen nach Wien. Damit wird dann der Goldene Saal des Musikvereins geschmückt, in dem die Wiener Philharmoniker ihr Neujahrskonzert spielen.“

„Wie schön!“ Eloises Lächeln war so warm wie immer. „Ich habe mir das Konzert immer gern im Fernsehen angeschaut. Und unsere Nacht in Wien werde ich nie vergessen!“ Sie lächelte noch herzlicher. „Erzähl mir mehr über San Remo.“

Unverwandt blieb ihr Blick auf ihn gerichtet, während Vito ihrer Aufforderung freudig Folge leistet.

Ihr Aufenthalt in San Remo war nur kurz. Bald darauf fuhren sie nach Genua, dann weiter nach Süden in Richtung Portofino und schließlich zu den kleinen Orten der Cinque Terre. Schließlich war Rom nur noch eine Tagesreise entfernt.

Als sie sich der Stadt näherten, spürte Eloise, wie sich ihre Stimmung veränderte. In den letzten Tagen hatte sie die Leidenschaft in Vitos Armen als noch intensiver wahrgenommen als zuvor. Sie hatte sich praktisch an ihm festgeklammert, als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen.

Aber ich will ihn ja auch nicht gehen lassen! Ich will nicht, dass es endet! Ich möchte bei ihm bleiben.

Genau diese Gedanken kreisten auch jetzt in ihrem Kopf, während jeder zurückgelegte Kilometer sie Rom näher brachte. Als sie die Stadt erreichten und Vito den Wagen geschickt durch den dichten Verkehr schlängelte, spürte sie, wie die Gefühle hinter diesen Gedanken immer eindringlicher wurden.

Wird er mich mit in sein Apartment nehmen? fragte sie sich, als sie ins Centro Storico, die Altstadt, einbogen, wo es Roms berühmteste Sehenswürdigkeiten zu bestaunen gab.

Aber dann erkannte sie, dass sie auf das Viscari Roma zusteuerten, dem ersten Viscari Hotel. Vito erzählte ihr gerade von seiner Geschichte – und sie hörte den Stolz in seiner Stimme. Sie sah, wie dienstbeflissen die Angestellten ihn begrüßten, während sie sich dem Aufzug näherten, der sie in den obersten Stock, dem einstigen Dachboden, brachte, der zu einem wundervollen Penthouse ausgebaut worden war.

Eloise ließ sich von Vito den kleinen Balkon zeigen, der einen herrlichen Blick auf die Stadt bot.

Roma “, seufzte er, legte einen Arm um ihre Taille und deutete auf die Sehenswürdigkeiten und die Umrisse der sieben Hügel, auf denen die Ewige Stadt errichtet worden war. Ihr kamen sie nicht sonderlich groß vor, dennoch betrachtete Eloise sie aufmerksam, weil sie Vito wichtig waren.

Und weil er mir wichtig ist.

Ganz unvermittelt hallte der Gedanke glasklar durch ihren Kopf. Sie schmiegte sich enger an ihn und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Als er sie anschaute, sah sie Verlangen in seinen dunklen Augen. Sie spürte, wie ihr Körper auf seinen reagierte, als er sich zu ihr hinunterbeugte und sie sanft auf die Lippen küsste.

Es dauerte nicht lange, bis sie zurück nach drinnen gingen und den Luxus und die Ungestörtheit des Schlafzimmers ausnutzten.

„Willkommen in Rom, meine süße Eloise“, flüsterte Vito.

Und jeder Gedanke daran, weshalb Vito sie nur in ein weiteres Hotel und nicht in sein eigenes Zuhause gebracht hatte, verflüchtigte sich in der Hitze der Leidenschaft.

Stirnrunzelnd beendete Vito das Telefonat und drehte sich verärgert in seinem Ledersessel vom Schreibtisch weg. Verdammt, das war nicht das, was er wollte! Aber seine Mutter war hart geblieben.

„Du musst heute Abend hier sein“, hatte sie mit angespannter Stimme erklärt.

Aber diese Party zu besuchen, war das Letzte, was er heute Abend tun wollte – vor allem, weil es sein erster Abend seit langer Zeit in Rom war. Viel lieber wollte er diesen Abend damit verbringen, Eloise seine Stadt zu zeigen.

Seine Miene entspannte sich. Eloise … allein, an sie zu denken, besserte seine Stimmung, was auch dringend nötig war, da er den ganzen Tag mit der Lösung von allerlei Problemen in seinem Büro verbracht hatte. Wenigstens den Abend wollte er mit Eloise verbringen. Aber er war jetzt der Kopf der Viscari-Familie und nicht mehr der zukünftige Erbe, während sein Vater und sein Onkel sich um die Geschäfte kümmerten. Jetzt ruhte die Verantwortung für die Hotels auf seinen Schultern.

Ein gequälter Ausdruck trat in Vitos Augen. Er lehnte sich in dem Sessel zurück. Der Sessel seines Vaters. Vier Generationen waren es mittlerweile. Sie alle hatten an dem Erbe mitgewirkt, das jetzt allein auf seinen Schultern lastete.

Außer … sein Blick verdunkelte sich. Das Erbe gehörte gar nicht ihm allein.

Vito umklammerte die Lehnen des Sessels. Sein Onkel Guido nämlich hatte seinen Anteil nicht, wie es seit Langem in der Familie kommuniziert wurde, seinem Neffen hinterlassen, sondern seiner Witwe! Diese katastrophale Entscheidung hatte die Herzerkrankung seines Vaters drastisch verschlimmert, das wusste Vito mit Sicherheit. Bis kurz vor seinem Tod hatte er vergeblich versucht, die Anteile von seiner Schwägerin Marlene zurückzukaufen.

Er wusste, dass seine Eltern Marlene schon immer für eine falsche Schlange gehalten hatten, die sich in die Familie Viscari eingeschlichen hatte, um ihren Hunger nach Macht und Einfluss zu befriedigen. Und genau aus diesen Gründen, so nahm Vito an, weigerte Marlene sich auch, ihre Anteile zu verkaufen. Trotz des kleinen Vermögens, das ihr dafür angeboten worden war.

Dazu kam noch eine weitere absurde Idee von Marlene. Als sie Guido vor zehn Jahren geheiratet hatte, hatte sie ihre Tochter Carla mit in die Ehe gebracht. Seit Guidos Tod schien sie geradezu besessen von einem Wunsch zu sein, mit dessen Erfüllung sie ihre Stellung innerhalb der Familie zementieren wollte.

Träum weiter, dachte Vito. Marlene durfte so viel träumen, wie sie wollte. Ihre Fantasie jedoch würde nie Wirklichkeit werden.

In diesem Punkt blieb Vito unnachgiebig. Niemals, egal wie sehr sie es sich auch wünschte, würde er ihre Tochter heiraten.

Als Vito ihre Suite im Viscari Roma betrat, leuchteten Eloises Augen auf. Sie stand vom Sofa auf, kam zu ihm und küsste ihn.

„Hast du mich vermisst?“, fragte Vito lächelnd. Er ließ sich aufs Sofa gleiten, löste erleichtert seine Krawatte und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes.

Dio , es tat gut, Eloise wiederzusehen – auch wenn sie nur ein paar Stunden getrennt gewesen waren. Er spürte, wie die Anspannung, die sich seit dem Anruf seiner Mutter auf ihn gelegt hatte, nachließ.

„Bier?“, fragte sie und ging zur Bar hinüber.

„Definitiv“, erwiderte er dankbar. „Was würde ich nur ohne dich machen?“, fragte er anschließend und trank einen Schluck.

„Dir dein Bier selbst holen!“, antwortete sie lachend und kuschelte sich in seine ausgestreckten Arme.

Auch Vito lachte. Er spürte, wie Eloise sich an seiner Seite entspannte. Der sanfte Ausdruck in ihren blauen Augen war wie Balsam für seine gequälte Seele.

Ich muss mich um Guidos Anteile kümmern. Ich muss Marlene dazu bringen, mein Angebot anzunehmen.

In seinem Kopf materialisierte sich ein Bild, eine Erinnerung, die ihn schon lange verfolgte. Eine Stimme raunte bittend: „Zahle, was auch immer es dich kostet.“

Ein Gefühl wie ein Messerstich durchbohrte ihn, und Schmerz trat in seine Augen.

Vito trank noch einen Schluck, um sich von den kummervollen Erinnerungen abzulenken.

„Ist alles in Ordnung?“

In Eloises leiser Stimme schwang Besorgnis mit. Fragend blickte sie ihn an.

Ich wünschte, ich könnte sie heute Abend mitnehmen.

Die Party sollte in Guidos opulenter Villa stattfinden und fungierte gleichzeitig als Ausstellung einiger Kunstwerke aus dem Besitz der Viscaris. Marlene, das wusste Vito, würde seine Mutter genüsslich herumkommandieren. Diese wiederum würde innerlich vor Wut kochen und unentwegt schnippische Bemerkungen über ihre Schwägerin machen.

Eloise an seiner Seite zu haben, würde den Abend erträglicher machen. Vitos Augen blitzten auf. Und es würde Marlene ein deutliches Zeichen senden, dass er nicht das geringste romantische Interesse an ihrer Tochter hatte.

Carla und er kamen trotz der Reibereien ihrer Mütter erstaunlich gut miteinander aus. Sie war ziemlich attraktiv. Aber sie war eben auch brünett, und er stand nun einmal auf blond. Auf wunderschöne langbeinige Blondinnen mit blauen Augen.

Wieder ließ er seinen Blick über Eloises Gesicht wandern. Dabei spürte er ein seltsames Gefühl in sich aufsteigen. Eines, das er noch nie zuvor empfunden hatte und das er nicht benennen konnte. Einen Moment wünschte er, er hätte sie nicht ins Viscari Roma, sondern in sein Apartment gebracht. Aber wäre das klug gewesen? Würde das eine Botschaft senden, über deren Inhalt er sich noch nicht sicher war?

Oder bin ich mir sicher – und will es mir einfach noch nicht eingestehen?

Genau diese Frage ließ ihn zögern. Und es gab noch einen anderen Grund: Seine Mutter würde voreilige Schlüsse ziehen. Schlüsse, deren Folgen er noch nicht bereit war zu akzeptieren.

Wir brauchen Zeit. Eloise und ich … Zeit zu entdecken, was wir uns wirklich bedeuten.

Außerdem wollte er Eloise nicht völlig unvorbereitet den familiären Spannungen aussetzen, die momentan im Hause Viscari herrschten.

Erst muss ich Guidos Anteile zurückbekommen, dann kann ich mich richtig auf Eloise konzentrieren und herausfinden, was ich für sie und sie für mich empfindet.

„Heute Abend findet im Haus meines Onkels eine Feier statt, die ich besuchen muss“, beantwortete er ihre Frage. „Es lässt sich leider nicht ändern. Ich würde den Abend viel lieber mit dir verbringen. Eigentlich wollte ich dir Rom zeigen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln. „Den Trevi-Brunnen, die Spanische Treppe …“ Vito seufzte. „All das wird bis morgen Abend warten müssen.“

Er trank den letzten Schluck und stellte das leere Glas auf den Couchtisch. Gedankenverloren streichelte er Eloises Hand, bevor er sich aus ihrer Umarmung löste und aufstand.

„Okay, jetzt fühle ich mich deutlich besser. Zeit zu duschen und den guten alten Smoking anzuziehen.“

Geistesabwesend fuhr er sich mit einer Hand übers Kinn. Er musste sich auch rasieren. Vito warf einen raschen Blick auf seine goldene Armbanduhr … Vielleicht blieb noch genug Zeit für etwas Vergnüglicheres als duschen und rasieren …

Er streckte die Hand nach Eloise aus, die mit seltsam ausdrucksloser Miene zu ihm aufsah. Erst jetzt fiel ihm ein, dass dies der erste Abend seit ihrer Begegnung in Paris sein würde, den sie nicht gemeinsam verbrachten. Unwillkürlich beschleunigte sich sein Herzschlag. Noch ein Grund mehr, das Beste aus der kurzen Zeit zu machen, die ihnen blieb, bevor er sich seinen familiären Pflichten stellen musste. Aber daran wollte er im Moment noch nicht denken. Nicht, wenn ihm kostbare Zeit mit Eloise blieb.

Sie ergriff seine Hand, und Vito zog Eloise in seine Arme. Mit der anderen Hand streichelte er durch ihr Haar und legte sie dann auf ihren Nacken, um ihre süßen vollen Lippen in die richtige Position zu dirigieren.

Sie erwiderte den Kuss mit derselben Leidenschaft, wie sie es immer tat. Er spürte, wie sich ein Feuer in seinem Inneren entzündete … und in ihr.

Eloise! Die Frau, die ich will …

Das war der letzte klare Gedanke, den Vito für einige Zeit fassen konnte.

3. KAPITEL

„Nun, ich denke, es ist alles sehr gut gelaufen!“, verkündete Marlene Viscari zufrieden und schenkte Vito und seiner Mutter ein freundliches Lächeln. Wie schon den ganzen Abend über hielt seine Mutter sich mit versteinerter Miene unmittelbar an seiner Seite.

Allerdings trug nicht nur seine Mutter diesen Gesichtsausdruck. Auch Marlenes Tochter Carla Charteris wirkte völlig emotionslos. Vito hatte sie eine Weile nicht gesehen. Das Letzte, was er von ihr gehört hatte, war, dass sie sich in eine leidenschaftliche Beziehung mit Cesare di Mondave gestürzt hatte, immerhin der Conte von Mantegna. Wahrscheinlich, dachte er, ist sie ebenso erpicht darauf, zu ihrem Liebsten zurückzukehren, wie ich zu Eloise.

Marlene redete unterdessen weiter und lud ihn und seine Mutter ein, noch auf einen Kaffee zu bleiben.

„Wir haben noch so viel zu besprechen“, meinte sie. „Jetzt, da du von deiner kleinen Spritztour zurückgekehrt bist, Vito!“

Ihre aufgesetzte Freundlichkeit und dass sie seine Geschäftsreise als „Spritztour“ bezeichnete, reizte ihn gewaltig – genau wie alles andere an ihr ihm auf die Nerven ging.

Doch nur Sekunden später versetzten ihre nächsten Worte ihn in höchste Alarmbereitschaft.

„Außerdem müssen wir endlich hinsichtlich der Aufteilung von Guidos Aktienpaket eine Einigung finden, nicht wahr?“

Unwillkürlich versteifte er sich. Worauf wollte Marlene hinaus? Er hatte Augen und Ohren offen gehalten, hatte jedem Gerücht innerhalb des Hotelbusiness seine Aufmerksamkeit geschenkt, falls Marlene ihre Anteile nicht an ihn, sondern an einen anderen Bieter hätte verkaufen wollen. Aber er hatte keinerlei verdächtige Aktivitäten entdeckt.

Nicht einmal von Nic Falcone hatte er etwas gehört – und der hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er sehr an einem Anteil an den Viscari Hotels interessiert war. Diesen speziellen Rivalen hatte Vito besonders intensiv überwacht.

Vito wandte sich seiner Mutter zu. „Mamma, ich begleite dich zu deinem Wagen. Dann trinke ich noch einen Kaffee mit Marlene.“

Er musterte sie eindringlich, bis sie schließlich nickte. Sie bedachte ihre Schwägerin mit einem scharfen Blick, die wiederum so selbstzufrieden grinste wie eine Katze, die sich gleich über eine Schüssel Sahne hermachen würde.

Als Vito kurz darauf in den Salon zurückkehrte, hatte sich Marlenes Miene geändert. Sie saß auf dem Sofa, ihre Tochter Carla stand mit so versteinertem Gesichtsausdruck hinter ihr, dass er sich unwillkürlich fragte, ob mit ihr alles in Ordnung war.

Aber im Moment war es die Mutter, um die er sich kümmern musste. Sie musste er anhören. Von ihr war er abhängig.

Vor seinem geistigen Auge flackerten Bilder auf – bekannte verhasste Bilder. Sein Vater, wie er nach seinem Herzinfarkt im Krankenhaus lag, unmittelbar vor seinem Tod. Er hielt Vitos Hand fest umklammert, während seine Mutter weinend auf dem Stuhl neben dem Bett saß.

„Du musst diese Aktien zurückbekommen, Vito … du musst! Tu, was auch immer dafür nötig ist! Zahle, welchen Preis auch immer sie verlangt. Was auch immer es dich kostet. Versprich es mir … versprich es!“

Und er hatte es versprochen. Was hätte er auch sonst tun sollen?

Marlene ließ sich alle Zeit der Welt. Zunächst nippte sie seelenruhig an ihrer Kaffeetasse und erkundigte sich nach seiner Reise. Erst danach schaute sie sich kurz zu ihrer Tochter um, die ihren Kaffee nicht angerührt hatte.

„Und jetzt …“, sagte Marlene und richtete ihren Blick fest auf Vito, „müssen wir uns um die Zukunft kümmern. Um Guidos Anteile …“

Endlich! dachte Vito ungeduldig.

Ein freundliches Lächeln erschien auf Marlenes hübschen Lippen, erreichte allerdings ihre Augen nicht. Ihre nächsten Worte ließen ihn erstarren.

„Mein armer Guido hat seine Anteile mir anvertraut. Und natürlich muss ich sein Vertrauen ehren. Und deshalb …“, sie machte eine Kunstpause und schaute Vito unverwandt an, „kann ich mir nur eine einzige Lösung vorstellen. Was könnte besser sein, als die beiden Anteile zu vereinen, indem wir die beiden Hälfen unserer Familie zusammenführen und die beiden jungen Menschen der Familie miteinander vereinen!“

Vor Fassungslosigkeit fühlte Vito sich wie gelähmt. Ungläubig blickte er in der Erwartung zu Carla hinüber, auf ihrem Gesicht dieselbe Ablehnung zu sehen. Zu seinem Entsetzen blieb diese Reaktion aus. Stattdessen musterte sie ihn aufmerksam.

„Ich denke“, sagte sie, „das ist eine hervorragende Idee.“

Oh verdammt, dachte er.

Ruhelos wälzte Eloise sich auf dem Bett hin und her. Wie lange dauerte diese Party wohl noch? Es war schon nach Mitternacht. Sie hatte einen einsamen Abend verbracht. Das Essen, das sie beim Zimmerservice bestellt hatte, hatte sie praktisch nicht angerührt, sondern stattdessen gedankenverloren auf den Fernseher gestarrt. Sie vermisste Vito und fühlte sich alleingelassen.

Irgendwann hatte sie sich ins Bett verzogen – aber die große Matratze fühlte sich ohne Vitos muskulösen Körper leer an.

Sie versuchte, es positiv zu sehen. Vielleicht verbrachte er Zeit mit seiner Mutter, immerhin hatte er sie seit Wochen nicht gesehen. Es war doch nur natürlich, dass sie sich ausführlich mit ihm unterhalten wollte.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Vielleicht erzählt Vito ihr von mir!

Aber was würde er erzählen? Die elegante Französin in Nizza, eine seiner Ex-Freundinnen, wie er selbst zugegeben hatte, hatte sie seine neue blonde Eroberung genannt.

Hieß das, dass sie nur eine in einer langen Reihe war? Keine der Frauen hatte ihm etwas bedeutet.

Habe ich eine besondere Bedeutung für ihn? Und will ich das überhaupt? Ich möchte es herausfinden! Ich möchte Zeit mit ihm verbringen, eine richtige Beziehung führen. Ich möchte herausfinden, was er mir bedeutet und ich ihm.

Bestimmt konnte sie auch in Rom eine Anstellung als Nanny finden, während Vito sich um die Hotels kümmerte. Sie würde lernen, wie man in Italien kochte – sogar, wie man frische Pasta zubereitete.

In ihrer Fantasie sah Eloise, wie sie für Vito das Abendessen kochte und Teil seines Lebens war. Vorfreude regte sich in ihr und die Erkenntnis, wie attraktiv sie dieses Bild fand – und warum.

Es muss bedeuten, dass er mir wichtig ist – viel wichtiger, als eine flüchtige Romanze es sein könnte. Oder etwa nicht?

Abermals drehte sie sich von einer Seite auf die andere, ohne die richtige Position zu finden. Das Einzige, was sie sicher wusste, war, dass Vito bald zurückkehren sollte. Sie vermisste ihn.

Schließlich musste sie doch eingeschlafen sein, denn irgendetwas weckte sie.

„Vito?“, flüsterte sie glücklich.

Er stand am Fenster des Schlafzimmers. Dunkel zeichnete sich seine Silhouette vor den hellen Vorhängen ab. Einen Moment rührte er sich nicht, dann schaute er sie an.

Eine düstere Vorahnung stieg in ihr auf. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.

Vito spürte die Angst in ihrem Blick. Nein, nichts war in Ordnung! Alles war das genaue Gegenteil von „in Ordnung“.

In seinen Hosentaschen ballte er die Hände zu Fäusten. Wieder und wieder hörte er in seinem Kopf Carlas Stimme.

„Ich denke, das ist eine hervorragende Idee.“

Ungläubige Wut war in ihm aufgestiegen. „Das kannst du unmöglich ernst meinen!“, hatte er erwidert.

Carla hatte nicht geantwortet, sondern nur die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Marlene hingegen hatte hell aufgelacht und war aufgestanden.

„Mein lieber Vito“, flötete sie, ohne die hilfreich ausgestreckte Hand ihrer Tochter zu beachten, „du musst doch wissen, wie gern ich dich zum Schwiegersohn möchte. Diesen Traum hege ich schon lange.“

Der triumphierende Ausdruck in ihren Augen fachte seine Wut nur noch mehr an.

Doch bevor er noch etwas sagen konnte, verließ sie das Zimmer. Also wandte er sich stattdessen an seine Stiefcousine.

„Was zur Hölle soll das, Carla?“ Es gelang ihm nicht mehr, seine Worte zu zügeln. „Du hast doch bislang auch jeden Versuch deiner Mutter abgeblockt, uns zu verheiraten. Und was Guidos Anteile angeht, ich habe dir mehr als einmal versichert, dass ich bereit bin, einen sehr angemessenen Preis zu zahlen

„Der Preis …“, fiel Carla ihm ins Wort, „ist eine Ehe mit mir, Vito.“

„Ich werde mich nicht an der erniedrigenden und ehrlich gesagt geschmacklosen Fantasie deiner Mutter beteiligen.“

Zwei hektische rote Flecken erschienen auf Carlas Wangen. „Du findest es erniedrigend und geschmacklos, mich zu heiraten?“

In ihrer Stimme schwang eine schrille Note mit, die Vito einen Moment schweigen ließ. „Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte er dann, atmete tief ein und musterte Carla aufmerksam.

„Carla, was geht hier vor? Ich dachte, du bist mit Cesare di Mondave zusammen … ihr beide wirktet so verliebt.“

Er sah, wie Carla blass wurde, sah eine Vielzahl an Emotionen in ihren Augen aufblitzen.

Ihm dämmerte die Wahrheit. „Das ist es also … er hat Schluss mit dir gemacht.“

Wieder erschienen die roten Flecken auf ihren Wangen. „Du bist nicht der Einzige, Vito, der es erniedrigend und geschmacklos findet, mich zu heiraten“, stieß sie gepresst hervor.

„Oh, Carla, das tut mir sehr leid.“ Sein Mitgefühl war aufrichtig. „Es tut mir leid, aber … um ehrlich zu sein, war eure Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Conte kann seine Blutlinie bis in die Römerzeit zurückverfolgen! Er wird nur eine Frau mit einem ebensolchen Stammbaum heiraten. Bis dahin wird er seine Affären genießen, aber er wird nie eine Frau heiraten, die …“

„Eine Frau, Vito“, fiel ihm Carla schneidend ins Wort, „die dabei ist, ihre Verlobung mit einem anderen Mann zu verkünden.“ Jetzt schwang eine gewisse Boshaftigkeit in ihrer Stimme mit. „Und mich zu heiraten, ist der einzige Weg, um Guidos Anteile zurückzubekommen.“

Damit war sie aus dem Zimmer gestürmt und hatte ihn mit dem unguten Gefühl zurückgelassen, Marlenes hinterhältigen Krallen hilflos ausgeliefert zu sein. Krallen, die er immer noch fühlte, während er nun zu Eloise schaute.

Eloise! Selbst sie konnte den Gedanken an die Falle nicht vertreiben, in die er getappt war.

Er legte sich neben sie ins Bett und zog sie in seine Arme. Ihr schlanker sinnlicher Körper schmiegte sich an ihn. Ihr Haar fühlte sich wie Seide an, ihre Haut weich wie Samt. Er schloss sie fester in seine Arme, während sie leise Worte in sein Ohr flüsterte. Worte, die sich wie Balsam auf seine gequälte Seele legten.

Genau hier wollte er sein! Hier, mit Eloise.

Abermals schloss er sie fester in seiner Arme, und dieses Mal fühlte er ihre wohlgeformten Brüste, deren harte Spitzen sich gegen sein Hemd drückten. Er berührte ihr Haar mit den Lippen, die zarte Haut an ihrem Hals, bedeckte ihre Kehle mit Küssen, dann ihr Kinn und erreichte schließlich sein Ziel: ihren Mund mit den süßen sinnlichen Lippen, die ihn sehnsüchtig zu erwarten schienen.

Er hörte, wie sie leise aufstöhnte – einen Laut, den er mittlerweile gut kannte: die Ankündigung ihres wachsenden Verlangens. Er genoss dieses Aufstöhnen, liebte es geradezu. Vito vertiefte den Kuss, während er gleichzeitig die Knöpfe an seinem Hemd öffnete. Fast kam es ihm vor, als könne er mit seinen Kleidern auch die Ereignisse der vergangenen Stunden abstreifen und sich frei für das machen, wonach er sich am meisten sehnte.

Eloise in seinen Armen zu halten. Zu spüren, wie ihr Körper sich an seinen schmiegte, wie sie ihre Lippen auf seine presste, wie ihre Brüste gegen seinen Oberkörper drängten, wie sie die Beine für ihn spreizte. Wie sie ihn in sich aufnahm und an den Ort entführte, an dem er wirklich sein wollte … an den Ort, an den nur sie ihn bringen konnte.

Der Rest der Welt verschwand aus seinem Bewusstsein. Alles verschwand, nur ihre Gefühle blieben noch übrig. Etwas anderes existierte nicht mehr. Und nichts anderes war mehr wichtig – nur das hier …

Nur Eloise.

Dann verschlang ihn das Feuer. Es verschlang sie beide und brannte noch lange Zeit. Nur allmählich wurden die Flammen kleiner. Zurück blieben ihre erhitzten, ineinander verschlungenen Körper. Erst jetzt formten sich wieder klare Gedanken in seinem Kopf.

Ich werde das hier nicht aufgeben.

„Ist alles in Ordnung?“

Besorgnis lag in Eloises Stimme. Sie hatte ihm diese Frage schon gestern Abend gestellt und keine Antwort darauf erhalten. Stattdessen war er mit ihr in das sinnliche Paradies gereist. Für die Sorgen und den Ärger, die sie auf seiner Miene zu lesen vermeint hatte, gab es dort keinen Platz.

Doch die Sorgen kehrten zurück, als sie jetzt auf der kleinen Terrasse ihrer Suite frühstückten. Trotz seines Lächelns und der fröhlichen Worte schien er von einer dunklen Wolke umgeben zu sein.

„Alles ist gut“, versicherte Vito ihr und zwang sich, so unbekümmert wie möglich zu klingen. Er würde seine Probleme nicht zu ihren machen.

Doch noch während er sie anschaute, blitzte vor seinem geistigen Auge das Bild einer anderen Frau auf. Carla. Er sah die Wut und den Schmerz auf ihrem Gesicht, weil ihr Geliebter sie zurückgewiesen hatte, um eine Frau seines Standes zu heiraten. Und die in der irrsinnigen Hoffnung, ihren Stolz auf diese Weise bewahren zu können, nun ihm ein absurdes Ultimatum stellte.

Es war die einzige Möglichkeit, Guidos Aktien zurückzubekommen.

Wieder drängte die Erinnerung an seinen Vater auf dem Totenbett in sein Bewusstsein. Mit seinem letzten Atemzug hatte er ihn angefleht, absolut alles zu unternehmen, um Viscari Hotels zu schützen.

Wie kann ich auch nur darüber nachdenken, das Versprechen zu brechen, das ich meinem Vater an diesem albtraumhaften Tag gegeben habe?

„Vito?“

Eloises Stimme durchdrang seine finsteren Gedanken. Es kostete ihn viel Kraft, aber er setzte ein fröhliches Lächeln auf.

Ich will sie nicht mit alldem belasten. Wenn all das hier vorüber ist … wenn ich die Anteile zurückbekommen habe, dann …

Dann würde er frei sein und tun können, was auch immer er wollte. Dann könnte er sich ganz auf Eloise konzentrieren und herausfinden, was sie ihm bedeutete.

Herausfinden, ob sie die richtige Frau für mich ist!

Aber im Moment war das unmöglich – nicht, solange er keinen Weg aus der Falle gefunden hatte, die Marlene ihm gestellt hatte.

„Es tut mir leid“, entschuldigte er sich. „In Gedanken plane ich schon meinen Arbeitstag. Da wir gerade davon sprechen … ich muss wirklich schleunigst ins Büro.“

Er schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln und trank seinen letzten Schluck Kaffee, während er bereits aufstand.

Eloise sah ihm nach, während er den Balkon verließ. Tränen füllten ihre Augen.

Macht er Schluss? Verhält er sich deshalb so distanziert?

Unvermittelt wirbelten die Fragen in ihrem Kopf. Und mit ihnen kam eine schmerzhafte Erkenntnis. Eine schmerzhafte Wahrheit.

Ich will nicht, dass meine Zeit mit Vito vorüber ist.

Vito saß an seinem Schreibtisch, der einst seinem Vater gehört hatte. In seinem Kopf hörte er wieder Carlas schrille Stimme: „Mich zu heiraten, ist die einzige Möglichkeit, die Anteile zu bekommen.“

Er unterdrückte die aufkeimende Wut. Vielleicht würde seine Stiefcousine im Licht des neuen Tages erkennen, wie unmöglich und absurd ihre Forderung war. Vielleicht kam ja auch Cesare di Mondave zurück und hielt um ihre Hand an.

Die kurz aufflackernde Hoffnung erstarb sofort wieder. Er kannte Cesare nicht gut, aber er wusste genug, um sicher zu sein, dass auf il Conte bereits eine adelige Braut wartete, die er heiraten würde, sobald er sich zur Genüge mit heißblütigen üppigen Frauen wie Carla Charteris vergnügt hatte.

Auf einmal empfand Vito Mitleid mit Carla. Wenn sie sich wirklich in Cesare verliebt hatte, konnte sie ihm nur leidtun. Jemanden zu verlieren, in den man verliebt war, tat höllisch weh.

Das ahnte er, auch wenn er sich noch nie verliebt hatte.

Plötzlich schob sich ein Bild von Eloise in sein Bewusstsein. Eloise, die ihm wortwörtlich vor die Füße gefallen war. Was auch immer er für sie empfand, eines wusste er mit absoluter Sicherheit: Er wollte sich nicht von ihr trennen – noch nicht!

Unvermittelt klingelte das Telefon. Der Leiter der Finanzabteilung meldete sich.

„Was ist los?“, fragte Vito.

„Ich habe gerade einen Anruf erhalten“, lautete die Antwort, und Vito hörte deutlich den alarmierten Unterton. „Ein Wirtschaftsjournalist, den ich kenne, hat mich um einen Kommentar zu dem Gerücht gebeten, dass Falcone mit Guidos Witwe um ihre Anteile verhandelt. Was soll ich ihm sagen?“

Vito erstarrte – und konfrontierte keine fünfzehn Minuten später seine Stiefcousine mit den Neuigkeiten in ihrem Apartment.

„Carla!“, herrschte er sie wutentbrannt an. „So kann das nicht weitergehen. Es ist völlig verrückt, und du weißt das.“

Offensichtlich hatte Marlene sich nur mit Falcone eingelassen, um ihre Hochzeitspläne zu beschleunigen. Bestimmt erkannte auch Carla nun endlich die Absurdität dieser Idee.

„Du hast doch nicht das geringste Interesse daran, mich zu heiraten“, stieß er hervor.

„Um ehrlich zu sein, doch“, fauchte sie zurück, wobei eine gewisse Bitterkeit in ihrem Gesichtsausdruck lag.

„Du willst doch etwas ganz anderes“, entgegnete Vito. „Cesare soll sehen, dass du mich heiratest, und darunter leiden. Du willst ihn eifersüchtig machen und ihn bestrafen.“

„Genau! Und dann kann er zur Hölle fahren … für immer!“

„Und nach der Hochzeit?“, erkundigte Vito sich sarkastisch. „Wenn Cesare erkennt, was er verloren hat? Was dann? Dann bist du immer noch mit mir verheiratet.“

Ihre Augen blitzten auf. „Ich werde Partys geben! Und jeder wird sehen, wie absolut und total glücklich ich bin.“

Vito seufzte. Mit „jeder“ war wieder nur Cesare gemeint. Er setzte alles auf seine letzte Karte. „Carla, ich kann dich nicht heiraten. Ich … ich bin mit einer anderen Frau zusammen.“

Da! Ich habe es gesagt!

Fast unheilvoll hallten die Worte in seinem Kopf nach. Doch von seiner Stiefcousine erntete er nur ein höhnisches Lachen.

„Was? Wieder eine Neue in deiner endlosen Blondinenparade? Komm mir nicht so, Vito! Ich kenne dich. Die Frauen in deinem Leben kommen und gehen. Keine hat dir je etwas bedeutet.“ Plötzlich veränderte sich ihre Miene, und Schmerz blitzte in ihren Augen auf. „So wie ich Cesare nichts bedeutet habe …“

Sie hielt inne. Die Wut kehrte in ihr Gesicht zurück, nur in ihren Augen lag weiterhin ein gequälter Ausdruck. „Wenn du nicht willst, dass meine Mutter ihre Anteile an Falcone verkauft, verkündest du unsere Verlobung! Sofort, Vito, auf der Stelle!“

Ihre Stimme wurde immer schriller, immer hysterischer. Einen langen Moment konnte er sie nur ansehen. Jedes ihrer Worte traf ihn wie ein Messerstich. Dann flüchtete er wortlos aus ihrem Apartment, bebend vor Wut und Zorn.

Seine eigenen Worte gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin mit einer anderen Frau zusammen …

Eloise! Er sah ihr wunderschönes Gesicht vor sich.

Ich kann ihr das nicht antun.

Vito fasste einen Entschluss. Was auch immer es ihn kostete, er würde einen Weg finden, um Marlenes Falle und Carlas verzweifeltem Klammergriff zu entrinnen.

Als er in seinen Wagen stieg, klingelte sein Handy. Wütend starrte er auf das Display. Es war seine Mutter, also musste er den Anruf annehmen. Sie durfte nichts von Marlenes Plan erfahren. Doch schon nach den ersten panischen Worten seiner Mutter begriff er, dass es dafür zu spät war.

„Vito! Diese Frau hat mich gerade angerufen! Sie hat gedroht, Guidos Anteile an Falcone zu verkaufen, wenn du nicht deine Verlobung mit Carla verkündest. Also musst du es tun! Du musst einfach!“

„Mamma“, erwiderte er dumpf, „du kannst doch nicht ernsthaft meinen …“

Ein ersticktes Aufschluchzen am anderen Ende der Leitung ließ ihn innehalten. „Vito, du hast deinem Vater ein Versprechen gegeben. Mit seinem letzten Atemzug hat er dich darum gebeten. Du hast versprochen, Guidos Anteile zurückzubekommen. Du darfst dieses Versprechen nicht brechen!“

Er schluckte. „Mamma, ich kann Marlenes Forderung nicht erfüllen.“

„Du musst, Vito! Du musst!“ Pure Verzweiflung lag in ihrer Stimme.

Irgendwie musste er seine Mutter beruhigen. Vito schloss die Augen. „Mamma, hör mir zu. Ich werde es verkünden, okay?“

Es war nicht okay, es war das genaue Gegenteil von okay, aber damit konnte er sich Zeit erkaufen. Zeit, um nachzudenken und einen Ausweg zu finden.

„Gott sei Dank.“ Die Erleichterung war seiner Mutter deutlich anzumerken. „Ich wusste, du würdest dein Versprechen niemals brechen, mein geliebter Sohn.“

Es ist nur eine Ankündigung, nicht die Hochzeit! Und das ist alles, was Carla will: Cesare ihre Verlobung unter die Nase reiben, um ihr Gesicht zu wahren. Damit kann ich leben … zumindest für den Moment. Bis ich einen Weg finde, um sie zu beruhigen und zur Vernunft zu bringen, damit wir gemeinsam Marlene überzeugen, Guidos Aktien an mich zu verkaufen.

Es war ein Spiel auf Zeit, mehr nicht. Er ließ Marlene in dem Glauben, sie hätte ihn in der Hand, er gab Carla, was sie wollte, und beruhigte gleichzeitig seine Mutter.

Dann fuhr er zurück ins Büro. Oberste Priorität – nachdem er diese verdammte Ankündigung autorisiert hatte – hatte nun die Eindämmung des Gerüchts, dass Falcone Anteile an Viscari Hotels in die Finger bekam. Er würde mit seinen direkten Untergebenen sprechen müssen, mit dem Aufsichtsrat, mit Wirtschaftsjournalisten … In Gedanken erstellte er eine lange Liste.

Und natürlich musste er mit Eloise reden. Er musste ihr erklären …

Was erklären? Dio mio! Ich muss ihr erklären, dass ich mich mit einer anderen Frau verlobt habe.

Vito stieß eine ganze Reihe Flüche und Schimpfwörter aus.

Ich will das alles nicht tun. Alles, was ich will, ist, mit Eloise in Rom sein … nur sie und ich. Ich will unsere Beziehung ergründen und herausfinden, was wir uns bedeuten. Ich möchte Zeit mit ihr verbringen.

Aber Marlene und Carla zerschmetterten seine Wünsche in tausend Teile. Sie kümmerten sich nicht darum, was ihm wichtig war. Sie interessierten sich nicht für die Komplikationen, die ihre Pläne für sein Leben bedeuteten.

Wie sollte er Eloise vor dem ganzen Schmutz und den Lügen beschützen, die nach seiner öffentlichen Ankündigung der Verlobung unweigerlich über sie hereinbrechen würden?

Auf einmal kam ihm eine Idee.

Ich bringe sie nach Amalfi. Sie kann dort bleiben und auf mich warten. Ich erkläre ihr alles und bitte sie um Geduld und Vertrauen, während ich mir einen Ausweg einfallen lasse.

Doch obwohl Vito wusste, wie wichtig es war, Eloise aus Rom fortzubringen, verspürte er bei dem Gedanken daran ein immenses Gefühl von Verlust. Er wollte sie nicht irgendwo parken – und sei es auch nur für eine kurze Weile. Plötzlich spürte er überdeutlich den Druck, der von allen Seiten auf ihm lastete. Von seinem Onkel, der die Hälfte des Viscari-Vermächtnisses weggegeben hatte. Von Marlene, die wild entschlossen war, ihn zur Ehe zu zwingen. Von Carla, die es dem Mann heimzahlen wollte, der sie verlassen hatte. Von seinem Vater, der ihm eine unverhältnismäßige Last aus Liebe und Loyalität aufgebürdet hatte. Und von seiner Mutter, die sich darauf verließ, dass er diese Bürde akzeptierte.

Vor seinem inneren Auge tauchte auf einmal eine Vision auf – eine Vision, die so verführerisch schien, dass er beinahe die Hand ausgestreckt hätte, um sie zu berühren.

Er und Eloise, wie sie Hand in Hand einen tropischen Strand im Mondlicht entlangschlenderten. Hin und wieder umspülten karibische Wellen ihre nackten Füße. Sie waren weit, weit weg von hier … weit entfernt von allem, was hier auf ihn niederprasselte! Endlich waren sie frei.

Sollte Marlene doch ihre Drohung wahr machen! Sollte sie ihre Anteile doch verkaufen!

Ich könnte es tun – könnte es einfach zulassen. Ich könnte Eloise an die Hand nehmen und mit ihr irgendwohin fliegen … alles hinter mir lassen. Einfach mit ihr zusammen sein.

Kostbar wie ein Juwel strahlte die Vision in seinem Kopf. Oh, wie sehr wünschte er sich, er könne sie Wirklichkeit werden lassen. Doch dann ließ er sie los. Er konnte nicht weglaufen, er musste seine Pflicht erfüllen und sich seiner Verantwortung stellen.

Aber eine Sache war Vito absolut klar. Welchen Preis er auch immer für Guidos Anteile zahlen musste, Carla würde er niemals heiraten.

4. KAPITEL

Eloises glücklich überraschte Miene bei seiner Rückkehr in die Suite am späten Nachmittag war wie Balsam für Vitos Seele. Während er ihre Hände ergriff und sie auf die zarten Lippen küsste, spürte er, wie seine Laune sich besserte.

„Das ist ja wunderbar“, rief sie. „Ich habe dich erst heute Abend erwartet und wollte gerade zum Pool gehen. Heute Vormittag habe ich die nähere Umgebung erkundet. Ich habe die Spanische Treppe und den Trevi-Brunnen gefunden.“

Vito lächelte und genoss es, die Begeisterung auf ihrem Gesicht zu sehen. Er würde alles daransetzen, die Zeit, die sie sich in Amalfi verstecken musste, so kurz wie möglich zu halten.

Ich werde ihr erzählen, was ich tun muss, ihr den Grund für alles erklären. Und sie wird mich verstehen. Ich weiß es.

Er konnte ihr vertrauen, das wusste er. Ursprünglich hatte er sie von all dem Chaos fernhalten wollen, das sich um die Wiederbeschaffung von Guidos Anteile ausbreitete. Aber jetzt blieb ihm keine andere Möglichkeit. Doch Vito wusste, er konnte sich auf ihr Mitgefühl, ihre Kooperation und ihre Geduld verlassen.

Vito zog sein Jackett aus, machte eine kurze Bemerkung über ihren Ausflug und sagte dann so beiläufig wie möglich: „Ich muss ein paar Anrufe erledigen. Vielleicht kannst du währenddessen ein paar Sachen einpacken?“ Er lächelte. „Wir verbringen das Wochenende in Amalfi.“

Er erwartete, dass sie darauf mit derselben Freude reagierte wie bisher, wenn er ein neues Reiseziel angekündigt hatte. Aber stattdessen zeichneten sich Verwirrung und Verunsicherung auf ihrem Gesicht ab.

„Aber wir sind doch gerade erst in Rom angekommen.“

„Ich weiß“, erwiderte er. „Aber … nun …“ Seine Gedanken rasten. „Mir ist etwas dazwischengekommen, deshalb möchte ich, dass wir das Wochenende außerhalb der Stadt verbringen.“

„Werden wir nur das Wochenende weg sein?“, fragte sie.

„Ach, warum packst du nicht gleich alles ein?“, sagte er, wieder so beiläufig wie möglich. „Vielleicht …“, fuhr er dann fort, als hätte er gerade einen Einfall gehabt, „magst du ein bisschen dortbleiben? Der Küstenabschnitt ist wunderschön, und das Viscari Amalfi liegt direkt auf einer Felskuppe. Die Aussicht ist atemberaubend. Ich bin sicher, es gefällt dir dort viel besser als in Rom.“

Er schenkte ihr ein warmes und beruhigendes Lächeln. Doch die Zweifel und die Verunsicherung in ihren Augen blieben.

„Ich komme wieder, so schnell ich kann“, sagte er und küsste sie auf die Stirn. „Die Dinge hier sind im Moment ein bisschen … angespannt.“

Ihm war unbehaglich. Er wollte dieses Gespräch nicht führen. Heute Abend, wenn sie im Viscari Amalfi eincheckten, würde er ihr alles erklären. Jetzt war es von allergrößter Wichtigkeit, jegliche Spekulationen im Keim zu ersticken, dass Nic Falcone Anteile an Viscari Hotels in die Finger bekam.

Vito sah auf seine Uhr. „Eloise, ich muss jetzt telefonieren. Du packst in der Zwischenzeit, okay?“

Damit wandte er sich um und ging in das kleine Büro, das zu der Suite gehörte. Er wählte die Nummer des Leiters seiner Finanzabteilung. Und als der Anruf durchgestellt wurde, konzentrierte er sich ganz auf seine Arbeit.

Für den Moment – und nur für den Moment – würde Eloise warten müssen.

Lustlos öffnete Eloise ihren Koffer. Sie wusste, dass sie undankbar war, aber sie wollte nicht nach Amalfi. Seit Wochen lebte sie nun schon aus dem Koffer, checkte in einem Hotel nach dem nächsten ein.

Aber Vito wollte es so.

Während sie Kleider aus dem Schrank holte und in den Koffer legte, spürte sie, wie sie Angst bekam. Was hatte Vito damit gemeint, als er gesagt hatte, dass sie vielleicht länger als das Wochenende in Amalfi würde bleiben wollen?

Wollte er nicht mit ihr zusammen sein? War das der Grund? War das seine Art, mit ihr Schluss zu machen?

Ihre Miene verhärtete sich, als ihr Magen sich schmerzhaft zusammenzog. Mochte sie bislang unsicher gewesen sein, was Vito ihr genau bedeutete, so wurden ihr ihre Gefühle bei dem Gedanken daran, dass er mit ihr Schluss machte, schlagartig klar.

Ich will nicht, dass es endet.

Dieser Wunsch beherrschte ihr ganzes Denken, während sie weiterpackte. Sie wusste immer noch nicht, ob sie in Vito verliebt war, ob sie überhaupt wollte, dass er der richtige Mann für sie war … aber sie empfand einen stechenden Schmerz, wenn sie daran dachte, dass vielleicht alles vorbei war.

Schweren Herzens schloss sie den Deckel ihres Koffers. Unvermittelt klingelte es an der Tür der Suite. Bestimmt war es für Vito, vermutlich bekam er irgendwelche Unterlagen aus dem Büro geschickt.

Eloise ging in Richtung Tür. Aus dem Büro hörte sie Vito hektisch italienisch sprechen. Er klang anders als sonst. Obwohl sie nicht verstand, was er sagte, wirkte seine Stimme sehr angespannt,

Wieder ertönte die Klingel. Eloise öffnete die Tür.

Eine Frau stürmte in die Suite. Sie war ungefähr in ihrem Alter und trug ein knallrotes Kleid. Sie hatte sehr viel Make-up aufgelegt und die braunen Haare im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt. Sie sah, das musste Eloise neidlos anerkennen, absolut umwerfend aus.

Einen winzigen Augenblick glaubte sie, im Gesicht der Fremden einen gequälten Ausdruck zu entdecken. Dann war er verschwunden. Die Frau starrte an ihr vorbei in Richtung Schlafzimmer, wo ihr Koffer auf dem Bett lag.

„Gut“, sagte sie. „Sie packen.“

Eloise blinzelte. Was für eine seltsame Begrüßung, vor allem, weil sie die Frau überhaupt nicht kannte.

„Ja“, erwiderte sie. „Vito und ich reisen nach Amalfi.“

Abrupt änderte sich die Miene der Fremden. „Oh, nein, das werdet ihr nicht tun!“

Verwirrt starrte Eloise sie an. Erst jetzt wurde ihr klar, dass die Frau Englisch mit ihr gesprochen hatte – und zwar ohne Akzent.

„Entschuldigung, wer sind Sie?“

Die Unbekannte trat einen Schritt auf sie zu. „Dann hat Vito es Ihnen noch nicht erzählt?“

Abermals blitzte der gequälte Ausdruck in ihren Augen auf.

„Was denn?“

„Ich bin Vitos Verlobte.“

Die Welt schien zu kippen, Eloise konnte nicht mehr atmen. Sie rang nach Luft, aber kein Sauerstoff strömte in ihre Lungen. Ihr wurde schwindelig und speiübel.

Eloise machte einen Schritt rückwärts, taumelte, stützte sich an der Wand ab, um nicht zu fallen. „Was?“, flüsterte sie. „Das … das kann nicht sein.“

Die Brünette schaute sie wütend an. „Tja, ich bin es aber.“

In ihrer Stimme lag eine Trostlosigkeit, von der Eloise aber nichts mitbekam. Alles, was sie sah, war die gequälte Miene der anderen Frau, die ihre eigene Fassungslosigkeit widerspiegeln musste.

Die Frau seufzte. „Schauen Sie“, sagte sie und jetzt lag ein seltsames Mitleid in ihrer Stimme. „Sie müssen wissen … Vito hat immer irgendeine Blondine an seiner Seite. Glauben Sie also nicht, Sie wären etwas Besonderes. Er hätte sowieso bald mit Ihnen Schluss gemacht. Das ist es, was alle Männer tun. Alle!“ Eine schrille Note hatte sich in ihre Stimme geschlichen, und in ihren Augen lagen Kummer und Bitterkeit. „Verschwinden Sie, solange Sie noch können! Kehren Sie nach England zurück. Vito wird mich heiraten. Die Gründe würden Sie ohnehin nicht verstehen, aber das brauchen Sie auch nicht. Aber hierbleiben können Sie auf keinen Fall. Seien Sie froh, dass Sie ihn los sind. In Wahrheit tue ich Ihnen einen Gefallen!“

Ihre Worte schmerzten wie Messerstiche. Eloise war kreidebleich geworden. Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Plötzlich hörte sie Schritte, die sich schnell aus Richtung des kleinen Büros näherten. Mit wütendem Gesichtsausdruck kam Vito in den Salon.

„Vito!“, rief Eloise und warf sich in seine Arme. „Sag mir, dass das nicht wahr ist. Diese Frau behauptet, sie sei deine Verlobte. Sag mir, dass es nicht stimmt.“

Sie spürte, wie Vitos Muskeln sich anspannten, als er sie fester in die Arme schloss. Unwillkürlich drehte sie sich zu der fremden Frau um, die diese Bombe gerade hatte platzen lassen. Sie hörte, wie Vito etwas auf Italienisch sagte, was sie nicht verstand.

Die Brünette antwortete auf Englisch. „Denk nicht einmal daran, nach Amalfi zu flüchten.“ Sie musterte Eloise. „Ich werde es nicht zulassen“, fauchte sie. „Haben Sie das begriffen?“

Basta , Carla. Das reicht jetzt“, fiel Vito ihr ins Wort. In seiner Stimme lag Zorn – und noch eine ganze Menge mehr.

„Bitte, Vito“, flüsterte Eloise leise, „sag mir, dass du sie nicht heiratest.“

Ihre Augen waren weit aufgerissen. Verwirrung lag in ihrem Blick. Und Fassungslosigkeit.

Vito sah, wie Carla unwirsch das Gesicht verzog.

„Ja, Vito“, flötete sie. „Sag es ihr.“

Zwei gegensätzliche Kräfte zerrten an ihm. Auf der einen Seite gab es Eloise, die seiner Beruhigung bedurfte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als Carla in die Wüste zu schicken – und ihre Mutter gleich mit. Wie gern hätte er ihnen gesagt, sie sollten sich zum Teufel scheren. Auf der anderen Seite hörte er die eindringliche Bitte seines Vaters: Ich flehe dich an, mein Sohn, mit meinem letzten Atemzug bitte ich dich …

Was sollte er tun? Was sollte er Eloise, was Carla sagen? Zeit … er brauchte mehr Zeit! Wenn es ihm gelänge, Carla jetzt abzuwimmeln, könnte er Eloise alles erklären. Sie würde seine Lage verstehen.

Und es gab nur einen einzigen Weg, Carla loszuwerden – hysterisch, wie sie im Augenblick war. Denn wenn nicht …

Denn wenn ich die Verlobung jetzt leugne, wird sie schnurstracks zu Marlene rennen. Marlene wird auf der Stelle Falcone anrufen. Und Falcone wird keine Sekunde zögern und die Anteile kaufen. Er wird mit einem Schlag zerstören, was vier Generationen von Viscaris in über einem Jahrhundert aufgebaut haben.

Ich hätte meinen Vater betrogen, meine Familie verraten … hätte ein Erbe vernichtet, obwohl es meine Pflicht ist, es zu bewahren. Meine Mutter wäre am Boden zerstört.

Er atmete tief ein. Er musste sich Zeit erkaufen. Er musste Carla in dem Glauben fortschicken, sie habe ihr Ziel erreicht, damit er Eloise endlich ins Vertrauen ziehen konnte.

In seinem Kopf formten sich Worte zu Sätzen. Worte, die ihn mehr kosten würden, als er sich je hätte vorstellen können.

Er schaute Eloise an. „Ja“, sagte er mit einer Stimme, die jemand anderem zu gehören schien. „Es ist wahr.“

Ein Schrei entrang sich ihrer Kehle. Schrill und nicht von dieser Welt. Es war, als würde ihm ein Messer ins Herz gerammt. Abrupt rückte sie von ihm ab. Er streckte die Hände nach ihr aus.

„Nein! Rühr mich nicht an!“ Sie wich vor ihm zurück.

„Eloise … es tut mir leid. Es tut mir so leid.“

Schuldgefühle drückten ihn nieder. Die Worte, die er hatte sagen müssen, die er nicht mehr zurücknehmen konnte. Aber sobald der richtige Moment gekommen war, würde er sie korrigieren.

Plötzlich spürte er, wie jemand sein Handgelenk umfasste. Er blickte nach unten, auf knallrot lackierte Fingernägel. „Zeit zu gehen, Vito“, sagte Carla. In ihren Augen lag immer noch dieser verzweifelte, fast manische Ausdruck. „Wir müssen einen Verlobungsring kaufen.“

In seinem Kopf drehte sich alles. Er bedachte sie mit einem wutentbrannten Blick. Aber er konnte nichts tun, außer Eloise anzusehen.

„Ich muss mit dir reden“, sagte er heiser und eindringlich. „Es ist wichtig, dass ich dir alles erkläre.“

„Vito!“ Carlas Nägel bohrten sich in sein Handgelenk.

Er befreite sich aus ihrem Griff und machte einen Schritt auf Eloise zu. Sie zuckte zurück. Es war kaum zu ertragen, dass er nicht offen mit ihr sprechen konnte. Es tat so weh, das Entsetzen in ihrem Gesicht zu sehen. Und es quälte ihn sondergleichen, dass sie vor ihm zurückwich.

Er griff nach ihrer Hand, fest entschlossen, sie nicht eher gehen zu lassen, als bis er gesagt hatte, was ihm auf der Seele brannte. „Ich will, dass du Teil meines Lebens bist, Eloise. Ich will dich, und ich werde einen Weg finden. Irgendwie finde ich eine Lösung.“

Aber in Eloises kummervollen Augen blitzte kein Verstehen auf. Dort lagen nur Schock und Panik.

„Nein, das wirst du nicht tun“, schrie Carla. „Du wirst sie nicht als deine Geliebte behalten. Du wirst mich nicht bloßstellen … kein Mann wird mich je wieder blamieren! Und sie wirst du auch nicht lächerlich machen!“

Vito ignorierte sie und konzentrierte sich auf Eloise.

Er sah, dass Carlas Worte sie tief getroffen hatten. Ihr Gesicht war weiß wie ein Laken. Dio … er musste mit ihr reden! Aber im Moment war das nicht möglich. „Eloise“, sagte er noch mal mit aller Eindringlichkeit, zu der er fähig war. „Warte auf mich … bitte, Eloise … Ich muss dir alles erklären.“

Seine Worte klangen abgehackt, fast unzusammenhängend. Für Eloise schienen sie wie aus weiter Ferne zu kommen – von jenseits eines tiefen Grabens, der sich plötzlich aufgetan hatte, nachdem ein Erdbeben ihre Welt erschütterte hatte.

Sie wirbelte herum und schlug die Hände vors Gesicht. Ihre Brust bebte, ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Auf einmal war ihr furchtbar schlecht. Sie rannte zurück ins Schlafzimmer, um das angrenzende Bad rechtzeitig zu erreichen.

Vor dem Waschbecken blieb sie zitternd stehen. Die unterschiedlichsten Gefühle durchströmten sie. Worte donnerten in ihrem Kopf.

Was soll ich nur tun? Lieber Gott, was soll ich tun?

Ausdruckslos starrte sie sich im Spiegel an. Hier konnte sie nicht bleiben.

„Ich muss dir alles erklären …“

In ihrem Kopf hörte sie Vitos Stimme. Erklären? Was gab es da zu erklären? Die Fremde hatte doch bereits alles gesagt. Sie war seine Verlobte – und Vito hatte es nicht abgestritten, sondern vielmehr bestätigt.

Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Und ich habe mich gefragt, ob er der Mann meines Lebens sein könnte! Die Liebe meines Lebens … mein Ehemann!

Heiße Tränen brannten in ihren Augen. Wie dumm sie gewesen war.

In ihrem Kopf hörte sie die Stimme der Frau: „Glauben Sie ja nicht, dass Sie etwas Besonderes sind!“

Eloise schloss die Augen. Genau das hatte sie geglaubt … gehofft …

Aber für ihn war ich nur eine weitere Blondine, mit der er sich die Zeit bis zu seiner Hochzeit vertreiben konnte.

Abermals spürte sie Übelkeit in sich aufsteigen. Nein, es war sogar noch viel schlimmer: nicht nur bis zur Hochzeit.

„Du wirst sie nicht als Geliebte behalten!“

Sie schluchzte auf. Vor Kummer, Demütigung und Schmerz. Doch beim nächsten Aufschluchzen zwang sie sich, ihr unglückliches tränennasses Gesicht im Spiegel anzusehen.

Hier kann ich nicht bleiben.

Vito hatte zwar gesagt, er müsse ihr alles „erklären“, weil er hoffte, sie würde ihn „verstehen“. Ihre Miene verhärtete sich. Nun, da hoffte er vergebens. Die Frau, seine Verlobte, hatte recht: Er würde sie nicht zum Narren machen.

Mit steifen Bewegungen wandte sie sich vom Spiegel ab und ging ins Schlafzimmer. Zum Glück hatte sie bereits gepackt. Ein weiteres Schluchzen wollte sich seinen Weg bahnen, aber sie hielt es zurück.

Eloise griff nach Koffer und Handtasche und verließ das Schlafzimmer, die Suite, das Hotel … und Vito, in dessen Leben es keinen Platz mehr für sie gab. In dessen Leben es nie einen Platz für sie gegeben hatte, ganz gleich, was sie naiverweise einmal angenommen hatte.

Als sie in das Taxi stieg, das der Portier für sie herangewunken hatte, sagte sie nur ein einziges Wort zu dem Fahrer: „ L’aeroporto .“

Nackte Angst stieg in Vito auf, während er zum wiederholten Mal auf Senden klickte. Eloise reagierte weder auf seine Anrufe noch auf seine Textnachrichten. Seit er Carla mit einem großen glitzernden Diamanten am Ringfinger bei ihrer Mutter abgeliefert hatte, hatte er ununterbrochen versucht, Eloise zu erreichen.

Was Carla mit dem Ring tat, interessierte ihn nicht. Seinetwegen konnte sie damit vor dem Mann auf und ab stolzieren, der sich weigerte, sie zu heiraten. Alles, was er wollte, war, zurück zu Eloise zu kommen. Er musste ihr erklären, in welche Falle er geraten war und dass er nur mehr Zeit brauchte, um sich daraus zu befreien.

Ich muss unsere Beziehung in Ordnung bringen. Ich darf sie nicht aufs Spiel setzen. Eloise ist zu wichtig für mich.

Noch während sich der Gedanke in seinem Kopf formte, erkannte Vito die dahinterliegende Wahrheit. Dabei hatte er sie eigentlich schon in dem Moment gekannt, als Eloise vor ihm zurückgewichen war. Noch immer spürte er den Schmerz in seinen Eingeweiden, wenn er daran dachte.

Wenn ich ihr alles erkläre, wird sie mich verstehen. Ich weiß es! Sie versteht immer alles …

Aber zuerst musste er zu ihr kommen. In fiebriger Hast tippte er noch eine SMS, in der er ihr versicherte, er würde gleich bei ihr sein und sie solle bitte auf ihn warten.

Doch als der Wagen vor dem Eingang des Hotels hielt, kam der Portier auf ihn zu. Was er Vito sagte, ließ ihn erstarren.

Der Transatlantikflug schien Ewigkeiten zu dauern. Endlos dröhnten die Motoren in Eloises Ohren. Und ebenso endlos war die trostlose Bitterkeit, die sie erfüllte. Wieder und wieder spielte sich vor ihrem geistigen Auge die albtraumhafte Szene mit Vitos Verlobter ab, die sie zwang, die Wahrheit über den Mann anzuerkennen, dem sie so blindlings ihr Vertrauen geschenkt hatte.

All die Leidenschaft, all die Romantik, all die Hingabe … hatten nichts bedeutet. Rein gar nichts.

Denn die ganze Zeit über hatte Vito natürlich gewusst, dass es in Rom eine Frau gab, die er heiraten würde.

Kein Wunder, dass er mich nicht mit in sein Apartment genommen hat! Kein Wunder, dass er allein zu der Party im Haus seiner Tante an unserem ersten Abend in Rom gegangen ist! Denn selbstverständlich war seine Verlobte auch dort.

Er hatte nicht einmal gewollt, dass sie in Rom blieb!

Er wollte mich in einem kleinen Liebesnest in Amalfi parken, damit er mich jederzeit besuchen kann, wenn ihm der Sinn nach amourösen Spielchen steht.

Wieder spürte sie Übelkeit in sich aufsteigen. Dazu gesellte sich das bittere Gefühl, betrogen worden zu sein. Sie schloss die Augen. Trotzdem liefen ihr heiße Tränen über die Wangen. Es tat so weh!

Dann drängten andere Erinnerungen in ihr Bewusstsein. Angefangen bei ihrer ersten Begegnung am Flughafen, als sie mit ihm zusammengestoßen war. Sie hatte nach ihrem Sturz auf dem Boden gesessen, zu ihm hinaufgesehen – und er zu ihr hinunter. Vom allerersten Moment an war sie von ihm und seinen dunklen Augen fasziniert gewesen.

Plötzlich war alles wieder da. Die Aufregung, das Staunen, das langsam wachsende Verlangen. Die erste unvergessliche gemeinsame Nacht, in der er sie an einen so wunderbaren paradiesischen Ort geführt hatte, von dessen Existenz sie keine Ahnung gehabt hatte. Und danach jeden Tag, jede Nacht wieder. Vito …

Eloise unterdrückte ein Schluchzen. Alles vorbei. Ende, aus, vorbei. Von einer so hässlichen Wahrheit hinweggefegt, dass es kaum zu ertragen war.

Doch irgendwie musste sie es ertragen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Also flüchtete sie, innerlich zerbrochen und unendlich traurig. Gleichzeitig empfand sie lodernde Wut auf ihn, weil er sie angelogen hatte – nicht mit Worten, aber mit Taten.

Er hatte nicht das Recht, mich zu verführen. Nicht das Recht, eine Affäre mit mir einzugehen. Kein Recht, mich glauben zu lassen …

Kein Recht, sie glauben und hoffen zu lassen, dass sich aus ihrer Leidenschaft Gefühle entwickeln könnten, die sie für den Rest ihrer Leben miteinander verbanden.

Dabei hatte er für sich die ganze Zeit über eine ganz andere Zukunft geplant.

Und dann sah sie die Bilder wieder vor ihrem inneren Auge: Seine Verlobte stürmte ins Zimmer, prangerte seine Taten an, bemitleidete Eloise und nahm ihr ihre dummen, dummen Illusionen.

Eloise verschränkte die Hände im Schoß und schloss die Augen.

Als das Flugzeug eine Ewigkeit später endlich in New York landete, wusste sie, dass es nur einen Entschluss gab, an dem sie festhalten musste. Und den hatte sie Vito in einer einzigen kurzen SMS verkündet, die sie ihm geschickt hatte, nachdem sie all seine Nachrichten ungelesen und ihre Mailbox ungehört gelöscht hatte.

Du bist der abscheulichste Mensch, den ich kenne. Halte dich von mir fern. Für immer. Eloise

5. KAPITEL

Obwohl seit ihrer Flucht aus Rom so viele Stunden vergangen waren, war es in New York erst später Nachmittag. Doch in Eloises Kopf herrschte eine seltsame Leere, sodass sie während der Taxifahrt nach Manhattan nicht viel von ihrer Umgebung mitbekam.

Noch am Flughafen hatten sie eine SMS geschrieben. Die Antwort lautete, sie solle sofort zur Wohnung ihrer Mutter kommen. Nachdem sie den Schlüssel beim Concierge abgeholt hatte und der Aufzug sie nach oben fuhr, spürte sie die mittlerweile bekannte Übelkeit in sich aufsteigen. Eloise ignorierte das Gefühl. Gleich darauf verspürte sie nur noch Müdigkeit – eine Müdigkeit, die über körperliche Erschöpfung hinausging. Sie brauchte Schlaf, um endlich ihren kreisenden Gedanken zu entkommen.

Im Apartment ging sie sofort in das Gästezimmer, in dem sie schon öfter übernachtet hatte. Es gelang ihr kaum noch, die Augen offen zu halten. Mit Mühe streifte sie die Schuhe ab, dann schlüpfte sie unter die Bettdecke.

Sekunden später war sie eingeschlafen.

Als sie erwachte, war es bereits Morgen. Eloise schlug die Augen auf und blinzelte. Eine Tasse mit dampfendem Kaffee wurde auf den Nachttisch neben sie gestellt.

Eloise richtete sich auf und schaute die Person an, die ihr den Kaffee gebracht hatte.

„Hallo, Mum“, sagte sie.

„Habe ich das wirklich richtig verstanden?“

Die Stimme ihrer Mutter klang schrill und schmerzte in ihren Ohren.

„Du hast dir von einem verwöhnten und egoistischen italienischen Playboy auf die Füße helfen lassen und bist dann, ohne auch nur einen Moment nachzudenken, mit ihm mitgegangen? Ohne zu zögern, bist du in weniger als vierundzwanzig Stunden in seinem Bett gelandet und dann die nächsten Wochen wie ein kleiner Pudel hinter ihm hergelaufen, bis du entdeckt hast, dass es nicht nur eine Verlobte gibt, die in Rom auf ihn wartet, sondern er auch plant, dich als seine Geliebte zu behalten? Eloise, wie konntest du dich mit einem solchen Mann abgeben?“

Eloise schloss die Augen. „Ich weiß es nicht …“, flüsterte sie. „Er schien so wundervoll zu sein.“

Ihre Mutter schnaubte. „Tja, nun, Frauen machen sich ständig zum Gespött.“ Sie atmete tief ein. „Ich muss es am besten wissen. Ich habe mich wegen deines Vaters zum kompletten Idioten gemacht … Du kannst so lange bleiben, wie du willst, aber verschwende deine Zeit nicht damit, diesem Mann nachzuweinen. Du kannst froh sein, dass du ihn los bist!“ Ihre Stimme wurde nüchtern. „Am besten fängst du schnell wieder an zu arbeiten. Ich höre mich in meinem Bekanntenkreis um, wer eine Nanny braucht. Das wird dich von ihm ablenken.“

Eloise wurde blass, ein ängstlicher Ausdruck schimmerte in ihren Augen.

„Du kommst über ihn hinweg“, versicherte ihre Mutter endlich ein wenig mitfühlend. „Und du bist gerade noch rechtzeitig aufgewacht … im Gegensatz zu mir damals. Du warst schon auf der Welt, als dein Vater uns verlassen hat. Bei dir liegt die Sache anders. Die Geschichte hat keine Folgen, Gott sei Dank.“

Sie blickte auf ihre Uhr. „Ich muss los, sonst komme ich zu spät zur Arbeit.“

Flüchtig hauchte sie einen Kuss auf die Wange ihrer Tochter, dann eilte sie aus dem Zimmer. Eloise ließ sich ins Bett zurücksinken, ihr Gesicht war kreidebleich.

Keine Folgen, hatte ihre Mutter gesagt. Aber damit lag sie falsch, völlig falsch.

In Vitos Augen lag ein dunkler und gleichzeitig leerer Ausdruck. Seit dem Tag, an dem er Eloises kurze Nachricht gelesen hatte, war dieser Ausdruck nicht mehr verschwunden. Die Worte hatten sich tief in sein Gehirn gebrannt.

Du bist der abscheulichste Mensch, den ich kenne. Halte dich von mir fern. Für immer. Eloise

Tagelang hatte er ihre Anweisung ignoriert und sie weiterhin mit SMSen und Nachrichten auf der Mailbox bombardiert. Seine Versuche, mit ihr Kontakt aufzunehmen, wurden immer verzweifelter. Er musste sie finden, mit ihr sprechen, ihr erklären … Aber kurz darauf hatte sie seine Mobilnummer blockiert.

Er hatte sie nicht gefunden. Sie war zum Flughafen gefahren und verschwunden. Wahrscheinlich war sie zurück nach Amerika geflogen, aber er musste erschrocken feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wo sie sein könnte. Sie arbeitete als Nanny und lebte im Haus ihrer Arbeitgeber. Also hatte sie nicht einmal eine eigene Adresse. Sie konnte überall sein.

Er hatte Detektive auf sie angesetzt, aber auch deren Recherchen waren im Sande verlaufen.

Sie will nicht, dass ich sie finde. Sie will nichts mehr mit mir zu tun haben.

Mit jedem verstreichenden Tag musste er diese Erkenntnis ein Stück mehr akzeptieren: Eloise war fort.

Ihre Abwesenheit hatte ein großes dunkles Loch in seiner Seele aufgerissen. Das Gefühl des ungeheuren Verlusts lieferte ihm leider auch endlich die Antwort auf die Frage, die er sich seit ihrer ersten Begegnung gestellt hatte. Die Frage, ob sie etwas Besonderes für ihn war und ihm mehr bedeutete als jede andere Frau, die er bisher kennengelernt hatte.

Vitos Mundwinkel zuckten. Nun wusste er es. Sie bedeutete ihm viel, viel mehr als jede andere Frau in seinem Leben. Er wusste es, weil er sich unaufhörlich nach ihr sehnte. Er wollte nichts lieber, als sie vor sich sehen, wollte ihre Umarmung spüren, wollte bei ihr sein, neben ihr, in jedem Moment …

Die Antwort jetzt zu kennen, war eine wirklich grausame Ironie des Schicksals. Genauso grausam wie der seelische Schmerz, den er in jeder Sekunde empfand.

Mit jedem Tag, der verging, wurde ihm die Tatsache bewusster, dass er Eloise nicht finden würde. Infolge dieser Erkenntnis breitete sich allmählich ein kalter Fatalismus in ihm aus. Wenn Eloise fort war und nicht gefunden werden konnte, welchen Grund gab es dann noch, sich Marlenes groteskem Plan zu verweigern und damit sein Versprechen am Totenbett seines Vaters zu erfüllen? Er würde Viscari Hotels vor der Zerstückelung bewahren. Er würde sein Erbe schützen, wie es seit seiner Geburt seine Pflicht war.

Carla würde ihre protzige Hochzeit bekommen und konnte der Welt verkünden, dass sie mitnichten von ihrem adeligen Geliebten verlassen worden war, sondern sich vielmehr für die wirtschaftlich bessere Partie entschieden hatte. Seine einzige Bedingung lautete, dass die Ehe nach sechs Monaten annulliert werden musste. Carla konnte sich dafür jeden Grund ausdenken, der ihr beliebte, um ihr Gesicht zu wahren. Vito war das völlig gleichgültig. Er würde Guidos Aktien behalten und Carla bei ihrer Trennung deren aktuellen Marktwert ausbezahlen.

Und dann wäre es vorbei. Endgültig.

Wieder spürte er, wie die alles betäubende Gefühllosigkeit von ihm Besitz ergriff. Eine Leere, die sich nicht so bald abschütteln lassen würde.

„Zeit, deine Spielsachen aufzuräumen, Johnny.“

Eloise Stimme klang fröhlich. Und ein bisschen brüchig.

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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