Falsche Verlobung mit dem italienischen Tycoon

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Seit Jahren verfolgt der italienische Tycoon Antonio Arcuri einen skrupellosen Racheplan: Er will seinen Feind vernichten! Nur noch einen Geschäftsdeal, dann hat er es geschafft. Aber ausgerechnet diesen letzten Verhandlungen steht sein berüchtigtes Playboy-Image im Weg. Kurzerhand verlangt er von seiner Assistentin Emma, seine Verlobte zu spielen. Zwar weiß Antonio genau, dass die aparte Schönheit sein finsteres Vorhaben ablehnt. Warum lässt sie sich dann trotzdem von ihm in einer heißen Nacht erobern?


  • Erscheinungstag 07.05.2019
  • Bandnummer 2386
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712167
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

London …

Antonio Arcuri signalisierte der zierlichen Brünetten mit einer Handbewegung, sie möge vor ihm in den Wagen steigen. Er war daran gewöhnt, Frauen, die er gerade erst kennengelernt hatte, zu seiner Limousine mit Chauffeur zu führen. Allerdings nicht, wenn es um etwas Geschäftliches ging. Das hatte er bisher niemals getan.

An diesem Tag blieb ihm jedoch keine Wahl, denn seine morgendliche Besprechung hatte viel zu lange gedauert. Jetzt konnte er weder dieses letzte Bewerbungsgespräch für die Position seiner neuen persönlichen Assistentin verschieben noch zu spät zu seinem Termin mit den beiden anderen Mitgliedern des Winners’ Circle, des Rennstalls, dessen Teilhaber er war, erscheinen.

Seit fast einem Jahr wartete Antonio auf dieses Treffen mit seinen engsten Freunden Dimitri und Danyl, die er als Brüder betrachtete. Also war er zum Multitasking gezwungen. Und nichts verabscheute er mehr als Zwang.

Die Brünette, Ms. Guilham, hatte angesichts der Verlegung dieses Bewerbungsgesprächs vom Büro in ein Auto nicht mit der Wimper gezuckt. Ein gutes Zeichen. Weniger gut hingegen war die Art, wie sie mit ihrem widerspenstigen Rock kämpfte. Er war ihr über die straffen, glatten Oberschenkel gerutscht, als sie sich auf der edlen Lederbank zurückgelehnt hatte, und das bildete nun eine höchst unwillkommene Ablenkung.

Antonio setzte sich neben Emma Guilham und musterte sie aus den Augenwinkeln. Sie war grazil. Schön, räumte er ein und hakte die Tatsache schnell ab. Ob seine künftige persönliche Assistentin attraktiv aussah oder nicht, spielte keine Rolle. Wenigstens hatte sie endlich aufgehört, an ihrem Rock zu zupfen.

In diesem Moment lenkte sein Chauffeur den Wagen aus der dunklen Tiefgarage des Londoner Bürogebäudes in den fahlen winterlichen Sonnenschein … und in den dichten Verkehr im Zentrum. Antonio fluchte innerlich und widerstand dem Impuls, auf seine Armbanduhr zu schauen. Er wusste, dass es spät war und dieses Gespräch kurz ausfallen würde.

„Ihr Chauffeur sollte über die St. James’s Street und Pall Mall fahren. Weihnachten und Regent Street, das geht gar nicht.“ Seine Begleiterin richtete den Blick ihrer haselnussbraunen Augen auf Antonio.

Dieser spürte plötzlich ein seltsames Ziehen in der Brust. In ihrem Blick lag kein verzweifeltes Bemühen, ihm zu gefallen, keine krampfhafte Aufregung. Auch nicht jenes spekulative Taxieren, das er oft erlebte, wenn Frauen ihn ansahen. Er wusste, dass er attraktiv war, und nutzte diese Tatsache weidlich aus. Wenn auch nie bei seinen Angestellten.

Aber noch wichtiger: Er las keine Heuchelei in ihren Augen. Das war sowohl ungewöhnlich als auch – für ihn – unbezahlbar.

Verglichen mit den drei anderen Bewerberinnen, die er gesprochen hatte, schindete sie zumindest auf dem Papier am wenigsten Eindruck. Mit ihren knapp zweiundzwanzig Jahren war Emma Guilham jung und schien im Moment schwerer aus der Ruhe zu bringen zu sein als die älteren Kandidatinnen. Dank seines exzellenten Gedächtnisses brauchte er keinen weiteren Blick auf ihren Lebenslauf zu werfen, um mit dem Gespräch fortfahren zu können.

„Sie haben also Ihr Wirtschaftsstudium an der Londoner School of Oriental and African Studies abgeschlossen. Sie beherrschen mehrere Computerprogramme, reisen und lesen gern.“ Verblüfft stellte er fest, dass die haselnussbraunen Sprenkel in ihren Augen jetzt ins Meergrüne zu wechseln schienen. „Sie sind belastbar, wie der Finanzchef meines Londoner Büros betont hat. Dort sind Sie nach einem Jahr Teilzeit seit ein paar Monaten in Vollzeit beschäftigt. Gleichzeitig haben Sie Ihr Diplom gemacht. Noch etwas, das mein Finanzchef hervorgehoben hat.“

Emmas Reaktion beschränkte sich auf ein leichtes Kopfnicken. Antonio runzelte die Stirn. Normalerweise erläuterten Bewerber gern, was sie erreicht hatten, wenn er ihnen Gelegenheit dazu gab. Er wartete kurz, doch sie schwieg.

„Die zu besetzende Stelle ist in meinem New Yorker Büro. Ich beschäftige mich mit streng vertraulichen Firmenübernahmen, erwarte hohen Arbeitseinsatz, absolute Konzentration und hundertprozentige Diskretion, sowohl in geschäftlichen als auch in privaten Angelegenheiten. Ich selbst bin nicht ständig in New York, aber Sie würden es sein.“

„Natürlich.“

Er suchte nach der kleinsten Veränderung in ihrer Miene. Anders als die übrigen Bewerberinnen, deren Reaktionen ihm so missfallen hatten, wirkte sie weder aufgeregt noch überrumpelt.

„Sie scheinen sich nicht an dieser Unterhaltung zu beteiligen, Ms. Guilham.“ Er hatte keine Geduld mit Leuten, die seine Zeit verschwendeten. Auch keinen Bedarf an einer Jasagerin. Trotzdem. Das hier war … ungewöhnlich.

„Sie haben mir noch keine Frage gestellt, Mr. Arcuri“, erwiderte sie ohne die Spur eines vorwurfsvollen oder beleidigten Untertons. „Darf ich offen sein?“

Er bekundete sein Einverständnis mit einer knappen Handbewegung.

„Mr. Arcuri, ich habe drei Bewerbungsrunden für diese Stelle absolviert. Eine mit der Personalabteilung in Großbritannien, eine mit der in Nordamerika und eine mit Ihrer früheren persönlichen Assistentin. Ich mache mir keine Illusionen über meine im Vergleich zu reiferen Bewerberinnen begrenzte Erfahrung. Deshalb vermute ich, dass Sie mich nur aus Höflichkeit auf der Fahrt zu Ihrem Termin mitnehmen, und ich weiß die Geste zu schätzen.“

Jetzt klopfte sie an die Trennscheibe zwischen Chauffeur und Rückbank. „Nächste Straße links, danach die zweite rechts“, sagte sie und wandte sich wieder Antonio zu.

„Ich glaube, bei Ihrer Entscheidung geht es um Persönlichkeit. Und aus Ihrer Sicht als meinem künftigen Chef besitze ich keine. Sie wollen jemanden, der nur für Arcuri Enterprises lebt? Das kann ich Ihnen bieten. Sie wollen jemanden, der einen internationalen Terminkalender führt? Das schaffe ich mit geschlossenen Augen. Sie wollen jemanden, der Sie abschirmt und alles fernhält, was Sie dabei stören könnte, Ihre wertvolle Zeit so zu verbringen, wie Sie es wünschen? Dafür bin ich die Richtige. Alles andere über mich geht entweder aus Ihren Recherchen hervor, oder es ist unwichtig. Ich will für Sie arbeiten, weil Sie der Beste sind. So einfach ist das.“

Während Antonio ihre ebenso beeindruckende wie überraschende Rede verarbeitete, stoppte der Chauffeur die Limousine vor dem prachtvollen Gebäude des Asquith Club.

Ms. Guilham lächelte freundlich.

Antonio spürte, dass sich seine Mundwinkel beinahe unmerklich hoben. „Eine Frage, Ms. Guilham.“

„Ja?“

„Wenn Sie auf einer einsamen Insel stranden würden und nur eine einzige Sache mitnehmen dürften – was wäre es?“

Im Lauf der Jahre hatte er viele Antworten gehört: Musik von Mozart, das Gesamtwerk von Shakespeare, ein Klavier. Doch ihre Antwort hatte er erst ein einziges Mal gehört – er hatte sie sich selbst gegeben.

„Ein Satellitentelefon.“

Er nickte, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Vielen Dank für die Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen, Mr. Arcuri. Ich freue mich darauf, von Ihrer Personalabteilung zu hören, und wünsche Ihnen einen angenehmen Lunch. Zum Büro komme ich schon selbst zurück.“

Mit diesen Worten ließ Emma Guilham ihn im Wagen sitzen. Zum ersten Mal seit Langem war er entgeistert. Und nicht nur er, denn auch sein Fahrer schaute ihr regelrecht ehrfürchtig hinterher.

Er stieg aus und ging auf den Clubraum zu, in dem Dimitri Kyriakou und Danyl Nejem Al Arain auf ihn warteten. Dabei verdrängte er die Erinnerung, wie Ms. Guilhams Hüften sich beim Gehen gewiegt hatten, als sie Richtung Piccadilly Circus gelaufen war, und rief sich gewaltsam zur Ordnung.

Die drei Männer, die sich in wenigen Minuten treffen würden, hatten sich als Studenten kennengelernt und während der dunkelsten Momente in ihrem Leben Freundschaft geschlossen. Sie hatten sich gegenseitig unterstützt, miteinander getrauert und gefeiert. Als Antonio nach dem Examen Startkapital für seine Firma brauchte, waren Dimitri, Danyl und sein Großvater mütterlicherseits die ersten Investoren. Natürlich hatte er ihnen das Geld mit Zinsen zurückgezahlt, obendrein doppelt so schnell wie versprochen. Dennoch vergaß er nie, was er seinen Freunden schuldete.

Ohne sie wäre er jetzt nicht hier, das wusste er genau. Dasselbe hätten sie über ihn gesagt. Nach einem Jahr würden die drei Männer – die regelmäßig in den Zeitungen als Top-Unternehmer auftauchten – endlich wieder im selben Zimmer sein.

Als er sich dem Tisch im privaten Essensbereich näherte, eilte eine kleine Blondine in entgegengesetzter Richtung an ihm vorbei und bedachte ihn mit einem finsteren Blick.

„Was habe ich verpasst?“, erkundigte er sich, als er vor seinen Freunden stand.

Eine ungerechtfertigte Haft hatte ihren Tribut von Dimitri gefordert, aber noch immer drehten sich die Frauen nach dem Griechen mit den markanten Gesichtszügen um. Und Danyl musste seinen Rang als Thronfolger des Scheichs von Terhren nicht an die große Glocke hängen. Der Mann besaß eine eindringliche, tiefgründige Ausstrahlung, wie Antonios letzte Assistentin angemerkt hatte.

Nur die Macht des amerikanischen Justizsystems hatte ihren vierteljährlichen Treffen – dem einzigen unveränderlichen Termin in Antonios immer vollerem Terminkalender – einen Riegel vorgeschoben. Doch nun war Dimitris Unschuld bewiesen und verkündet, und sie fanden endlich wieder zusammen.

„Ein Angebot“, antwortete Dimitri.

„In aller Öffentlichkeit? Mittags? Gentlemen, ihr stellt meinen skandalösen Ruf in den Schatten.“

„Ein geschäftliches Angebot“, stieß Danyl mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Sie …“, Dimitri nickte Richtung Ausgang, „… will für unseren Rennstall beim Hanley Cup antreten.“

„Wir haben schon einen Jockey“, mischte sich Danyl ein.

„Sie behauptet, dass sie alle drei Rennen gewinnen kann.“

Antonios Neugierde erwachte. „Das hat es nicht mehr gegeben, seit …“

„Seit ihr Vater vor zwanzig Jahren das Siegerpferd und dessen Reiter trainiert hat“, vollendete Dimitri den Satz.

Das war Mason McAulty?“, stieß Antonio hervor.

Danyl grummelte etwas wenig Majestätisches.

Sein italienischer Freund ging im Geiste die Möglichkeiten durch: die Höhe des Preisgeldes, die Aufmerksamkeit der internationalen Medien. Über die Jahre hatte es mal mehr, mal weniger Nachrichten über den Winners’ Circle gegeben, doch niemand konnte ihnen den Erfolg absprechen. Kurz nach dem Studium hatten sie den Rennstall gegründet. Es war das perfekte Wagnis für drei Männer mit einer Vorliebe für hohe Einsätze beim Glücksspiel gewesen.

Früher war Antonio ein ernsthafter Anwärter auf einen Platz in der Polo-Nationalmannschaft gewesen, bevor Michael Steele seine Familie beinahe zerstört hatte. Er verdrängte die vertraute Wut, die bei der Erinnerung an jenen Mann in ihm aufbrodelte, und konzentrierte sich auf das Angebot. „Ist sie denn dazu in der Lage?“

Dimitri zuckte die Schultern.

Danyl hingegen schien überlegen zu müssen. „Höchstwahrscheinlich“, meinte er schließlich.

„Ich bin dafür“, verkündete Antonio. Würde Mason McAulty den Dreifachsieg erringen, wäre der Triumph unglaublich. Und falls sie scheiterte … Tja, gab es überhaupt so etwas wie schlechte Publicity? Das Vorhaben glich einem Ritt auf der Rasierklinge, und genau deshalb gefiel es ihm. Bei Herausforderungen blühte er auf.

„Warum nicht?“, warf Dimitri seinen Hut in den Ring.

Danyl nickte mit zusammengekniffenen Lippen widerstrebend. Antonio hatte keine Ahnung, warum sein Freund so wütend zum Ausgang schaute, durch den Mason McAulty eben gegangen war. Hoffentlich wusste sie, dass sie mit dem Feuer spielte.

„Whiskey?“, fragte Dimitri, als Antonio sich schließlich setzte.

„Unbedingt.“ Er lehnte sich zurück und betrachtete seine Freunde. „Schön, dass ihr hier seid.“

„Wenn du das noch einmal sagst, werde ich glauben, dass du ein Waschlappen geworden bist“, meinte Dimitri lapidar.

„Hätte ich einem Haufen Frauen beim Tratschen zuhören wollen, wäre ich zu Hause geblieben“, bemerkte Danyl.

„Du hast ja gar keinen Harem“, spottete Antonio. „Hättest du einen, würden wir dich nie zu Gesicht kriegen.“

Doch statt die vertraute Gesellschaft seiner beiden engsten Freunde zu genießen, ertappte er sich beim Gedanken an jene Frau, die er zu seiner neuen persönlichen Assistentin machen wollte: Emma Guilham …

1. KAPITEL

Achtzehn Monate später …

Emma strich sich die langen dunklen Locken aus der Stirn und fasste sie schnell in einem Knoten zusammen. Gelegentlich hatte Antonio Arcuri die Stirn gerunzelt, wenn einige Strähnen aus den Haarnadeln gerutscht waren. Doch selbst wenn sie seine Reaktion nicht bemerkt hätte, wusste sie instinktiv, dass ihr anspruchsvoller Chef genau drei Dinge von ihr wollte: Tempo, Effizienz und Diskretion.

Kritisch betrachtete sie ihr Spiegelbild im Waschraum des New Yorker Büros von Arcuri Enterprises. Zufriedenheit keimte in ihr auf, als ihr Blick auf die silberfarbenen verschlungenen Buchstaben A und E in der Ecke des langen Spiegels fiel.

Sie hatte es weit gebracht, seit sie das gemütliche Häuschen ihrer Mutter am Rand von Hampstead Heath verlassen hatte. Unwillkürlich musste sie an die anmaßende Art, mit der Antonio das Bewerbungsgespräch in der Limousine geführt hatte, die durch den Londoner Weihnachtsverkehr kroch, denken … Dreist war sie damals gewesen. Allerdings hatte sie geglaubt, dass ihre Chance, den Job zu bekommen, bei null lag. Sie hatte nichts zu verlieren gehabt und einfach die Wahrheit gesagt.

Jedes Wort war ihr voller Ernst gewesen, und in den letzten achtzehn Monaten hatte sie es bewiesen. So hart hatte sie gekämpft, um hier zu landen – in New York, als Antonio Arcuris persönliche Assistentin. Von seiner völlig untypischen, ungeplanten und immer näher rückenden Ankunft würde sie sich jetzt nicht aus dem Konzept bringen lassen.

So etwas wie Panik begleitete sie, seit ein kurzer Pieps auf ihrem Handy um ein Uhr morgens die Nachricht angekündigt hatte, dass Antonio sich auf dem Rückflug aus Italien befand und in weniger als sechs Stunden im Büro sein würde. Du gerätst nicht mehr in Panik, hatte sie sich versichert. Rasch war sie aufgestanden, hatte die Termine ihres Chefs überflogen und festgestellt, dass nichts im Kalender diese unerwartete Rückkehr erforderte. Deshalb hatte sie keine Ahnung, was sie von ihrem grimmigen Chef erwarten sollte.

Inzwischen freute sie sich auf die Zeiten, wenn Antonio nicht im Büro war. Ob er an den festen Terminen mit den anderen Mitgliedern des Winners’ Circle teilnahm oder zu seinen Niederlassungen in London, Hongkong oder Italien flog – sie genoss es, wenn sie nur per E-Mail und in gelegentlichen Videokonferenzen mit ihm zu tun hatte. Denn in persona war Antonio einfach … überwältigend.

Nicht nur, weil er dermaßen gut aussah. Seine Augen, deren Farbton an dunkle Schokolade erinnerte, die hohen Wangenknochen und das markante Kinn hätten schon gereicht, um einen Mann für eine Frau gefährlich zu machen. Dazu kamen die sonnengebräunte Haut und seine geradezu verboten sinnlichen Lippen, bei deren Anblick Emma an süffigen Rotwein denken musste. Jeder Zentimeter seines Körpers war athletisch. Doch wirklich zogen sie Antonios Vitalität und seine Souveränität, die er so mühelos ausstrahlte, an.

Sie hatte gelernt, ihre Reaktion darauf zu zügeln. Schließlich war sie hier, um einen Job zu erledigen, und nicht, um ihren attraktiven Chef anzuschmachten. Außerdem hatte sie Ziele: Orte, die sie sehen, Dinge, die sie unbedingt tun wollte. Und Antonio Arcuri passte da nicht ins Bild.

Jäh wurde die Tür zum großen Waschraum aufgestoßen. Mehrere Frauen eilten herein, jede mit einem Schminktäschchen bewaffnet. Emma sah ihnen kurz dabei zu, wie sie alle möglichen Utensilien hervorholten, um körperliche Pluspunkte zu betonen und sich möglichst verführerisch herzurichten. Sorgfältig trugen sie unzählige Produkte auf, so wie sie selbst als Siebzehnjährige die Spuren der Chemotherapie hatte verdecken wollen.

Sie verdrängte die Erinnerung schnell. Schließlich lag Antonio absolut nichts an ihrem Erscheinungsbild. Für ihn zählte nur ihre Kompetenz. Angesichts von Arcuris weiblichen Angestellten vor dem Spiegel lächelte sie bedauernd. Ihr Chef hatte nun einmal so eine Wirkung auf Frauen. Und auch sie fand ihn unverschämt attraktiv, doch deshalb würde sie sich von ihm nicht ablenken lassen.

Weder von ihm noch von irgendeinem anderen Mann.

Als Emma wieder an ihrem Computer im Vorzimmer von Antonios Büro in der obersten Etage saß, zwang sie sich zur Ruhe. Dies war ihr Bereich, und sie liebte ihn.

Mit seinen klaren, von Chrom dominierten Linien übertraf das Büro des Vorstandsvorsitzenden im vierundzwanzigsten Stockwerk eines Wolkenkratzers in Manhattan all ihre Erwartungen. Das Gebäude mit der Glasfassade bot einen ebenso begehrten wie atemberaubenden Blick auf den Central Park. Hinzu kam die kostbare Einrichtung, die Emma genoss, auch wenn sie diese nur tagsüber genießen konnte und abends in ihr winziges Apartment in Brooklyn zurückkehren musste.

Der Flug nach New York war der erste Punkt gewesen, den sie auf ihrer Lebensliste hatte abhaken können. Nach fünf Jahren ohne Symptome durfte sie endlich glauben, dass die furchtbare Krankheit, die ihr so viel genommen hatte, besiegt war. Emma war glücklich.

„Weißt du, warum er herkommt?“

Vor ihrem Schreibtisch stand plötzlich James, ein nervöser Kollege, der sich noch am unteren Ende der Karriereleiter befand. Er sah genauso übernächtigt aus wie einige andere Kollegen.

Die Nachricht von Antonios bevorstehender Ankunft musste sich wie ein Lauffeuer verbreitet haben. Es war nicht ungewöhnlich, dass manche der Angestellten schon frühmorgens sofort loslegten, aber an diesem Tag schienen es alle zu tun. Auch diese Wirkung hatte Antonio. Er fragte nicht – er erwartete. Er befahl nicht, weil er es einfach nicht musste.

„Ist er schon da?“, stellte James die zweite Frage, ohne die Antwort auf seine erste abzuwarten.

„Mr. Arcuri muss sich um etwas Geschäftliches kümmern, das ist alles“, beruhigte sie ihn, ohne zu wissen, ob es stimmte.

„Ich meine bloß … angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftslage …“

„Arcuri Enterprises ist stark genug, um jede Lage zu überstehen“, ertönte in diesem Moment Antonios Stimme völlig überraschend.

Emma hasste es, wenn er lautlos wie ein Panther auftauchte, und sie fühlte mit dem armen James, der jetzt hochrot und gedemütigt die Flucht ergriff.

„Warum blicken alle drein, als würden sie gleich entlassen?“, fragte Antonio ärgerlich.

Emma unterdrückte einen Seufzer.

„Es ist ein bisschen ungewöhnlich, dass Sie einen Aufenthalt in Italien so plötzlich abbrechen.“

„Ich möchte umgehend eine Telefonkonferenz mit Danyl und Dimitri abhalten. Stellen Sie die Verbindung her, und starten Sie eine Recherche über Benjamin Bartlett. Finden Sie alles über ihn und seine Firma heraus“, sagte er auf dem Weg in sein Büro über die linke Schulter hinweg.

„Ich setze die entsprechenden Leute sofort darauf an.“

„Nein.“ Er blieb stehen. „Niemand sonst soll davon erfahren. Ich will, dass Sie sich persönlich darum kümmern.“

Dann betrat er sein Büro und knallte die Tür hinter sich zu.

Seufzend klappte Emma den Aktenordner für die Benefizgala der Arcuri Foundation zu, in die sie bereits viel Freizeit gesteckt hatte. Diese Akte würde sie heute mit nach Hause nehmen müssen.

Antonio Arcuri befahl seinem Körper, die Ausschüttung von weiterem Adrenalin einzustellen. Er warf sein Jackett auf das Sofa. Statt am Schreibtisch Platz zu nehmen, ging er zur Fensterfront, ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder.

Während des Rückflugs vom Haus seiner Mutter in Sorrent hatte er beschlossen, Emma mit der Recherche über Benjamin Bartlett zu beauftragen. Seine persönliche Assistentin, die sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, hatte ihn im Lauf der letzten achtzehn Monate beeindruckt. Achtzehn Monate, in denen er sein höchst unwillkommenes sinnliches Interesse an ihr energisch unterdrückt hatte. Seit jenem Moment, als sie in seine Limousine gestiegen und zum Asquith Club mitgefahren war.

Natürlich half ihm der Umstand, dass sie sich wie das Gründungsmitglied einer konservativen Religionsgemeinschaft kleidete und kein Interesse an ihm zeigte, das über geschäftliche Belange hinausging.

Manche seiner früheren Assistentinnen hatten die Brauen hochgezogen und nur ungern indiskretere Aufträge erledigt. Darunter fiel beispielsweise, Ex-Geliebte abzuwimmeln oder angemessene Trennungsgeschenke zu besorgen. Ungeachtet dessen, was ihre Kleidung nahelegte, kümmerte sich Emma um jede Aufgabe, ohne sie zu beurteilen oder zu kommentieren. Das Einzige, worum sie ihn bat, war seine Zustimmung zu den Kosten.

Kurz gesagt: Emma Guilham machte ihren Job ausgezeichnet.

Genau deshalb hatte er ihr auch die Recherche über Benjamin Bartlett anvertraut. Er konnte es sich nicht leisten, dass etwas über sein Interesse an dem Mann durchsickerte, bevor er einen Termin mit ihm vereinbart hatte. Allerdings war Bartlett selbst für ihn unwichtig. Antonio brauchte dessen berühmte Traditionsfirma nicht in seinem Portfolio. Ihm ging es um den anderen potenziellen Investor. Den wollte er am liebsten mit dem Absatz zermalmen, bis keine Spur von ihm übrig blieb.

Er stand vor der Fensterfront und nahm keinen einzigen Millimeter des üppigen grünen Rückzugsorts mitten im geschäftigen Treiben von New York wahr. Statt des Central Park sah er nur den Sieg zum Greifen nah vor sich.

Endlich bot sich ihm die Chance, Steele in die Knie zu zwingen, ihn zu vernichten, und zwar ein für alle Mal.

Schon lange kaufte Antonio immer wieder kleinere Anteile an Steeles Unternehmen auf. Bei jeder Transaktion dachte er dabei an seine Mutter und seine Schwester. An den Schock, den Ruin, in den Steele seine Familie rücksichtslos getrieben hatte. Der Schmerz hatte seine Mutter fast zerstört und seine Schwester dazu gebracht, ihren Körper zu quälen, bis der kaum noch existierte. Jahrelang hatte er für die Chance, Steele auszulöschen, Reichtum angehäuft.

Das Summen der Sprechanlage riss ihn aus seinen Gedanken. Emma kündigte an, dass sie Danyl und Dimitri in der Leitung habe.

„Was ist schiefgelaufen?“, erkundigte sich Danyl.

Viele Menschen hätten seinen Unterton für Verärgerung gehalten, doch Antonio wusste, dass es Sorge war.

„Nichts. Ganz im Gegenteil.“

„In New York kann es doch erst … was … sechs Uhr morgens sein“, meinte Dimitri. „Sogar du fängst normalerweise etwas später an.“

„Es ist sieben.“

„Deine Assistentin tut mir leid“, bemerkte Danyl. „Sie hat sich eben mit meinem Assistenten eine Schlacht geliefert, damit ich deinen Anruf annehme, statt mit dem Außenminister von Terhren zu telefonieren.“

„Bemitleide sie nicht“, entgegnete Antonio. „Sei lieber beeindruckt.“

„Das bin ich. Jeder, der meinen Assistenten von Staatsgeschäften abbringen kann, ist sein Gewicht in Gold wert.“

„Ich kenne ihn übrigens. Den Weg, um Steele endgültig auszuschalten.“

Seine beiden Freunde wussten, was Antonio das bedeutete – seit er sechzehn war.

„Wie?“, fragte Dimitri.

„Zuverlässigen Quellen zufolge sucht Benjamin Bartlett einen zahlungskräftigen Investor für seine Firma. Das wäre Steeles letzte Chance, sich finanziell abzusichern. Er hat ausreichend Kapital für die Investition, aber nicht genug, um ohne sie zu überleben.“

„Und du willst sicherstellen, dass du selbst den Zuschlag bekommst“, folgerte Dimitri. „Was auch immer du von mir dafür brauchst – du bekommst es.“

Antonio lächelte. „Nicht nötig. Ich kann jedes Angebot überbieten, das er Bartlett macht.“

„Ich habe Bartlett kennengelernt und bin überrascht, dass er überhaupt einen Investor sucht.“

„Du kennst ihn? Woher?“ Antonio überlegte schon, wie er diesen Umstand zu seinem Vorteil nutzen konnte.

„Er ist ein Pferdenarr und regelmäßig Gast bei den internationalen Rennen.“

„Allerdings bleibt er gern für sich“, mischte sich Danyl ein. „Er hält sich von den lebhafteren Bereichen fern, wo wir uns amüsieren. Vermutlich wird er zum ersten Durchgang des Hanley Cup nach Argentinien fliegen. Weißt du, warum er einen Investor sucht?“

„Der Grund ist egal. Ich werde alles tun, damit sich Bartlett für mich und gegen Steele entscheidet.“

Schweigen folgte seiner Ankündigung. Antonio befürchtete schon, die Leitung könnte zusammengebrochen sein.

„Sei vorsichtig“, warnte Dimitri ihn. „Verzweiflung macht einen Mann gefährlich, das weiß ich besser als irgendwer sonst.“

„Ich werde schon mit ihm fertig“, erwiderte Antonio bissig.

Autor

Pippa Roscoe
<p>Pippa Roscoe lebt mit ihrer Familie in Norfolk. Jeden Tag nimmt sie sich vor, heute endlich ihren Computer zu verlassen, um einen langen Spaziergang durch die Natur zu unternehmen. Solange sie zurückdenken kann, hat sie von attraktiven Helden und unschuldigen Heldinnen geträumt. Was natürlich ganz allein die Schuld ihrer Mutter...
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