Falsches Spiel oder wahre Liebe?

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"Ich will die Scheidung!" Tina kehrt nur aus diesem einen Grund zu ihrem einstigen Traummann Dev zurück. Doch überraschend verlangt er einen Aufschub, bevor er zustimmt: Noch zwei Monate lang soll sie seine ergebene, liebende Ehefrau spielen, während er den glücklichen Ehemann mimt. Natürlich nur, weil er unbedingt einen seriösen Eindruck bei seinen Geschäftspartnern hinterlassen muss. Aber warum ist er dann auch so charmant und verführerisch, wenn sie ganz allein mit ihm ist? Tina ahnt nicht, dass Dev einen geheimen Plan verfolgt …


  • Erscheinungstag 08.11.2016
  • Bandnummer 0023
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707125
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Tina Sharma stand vor ihrer Haustür und schloss die Augen. Sie atmete tief ein und genoss die heiße, aromatische Brise, die über ihre Haut strich und ihr leichtes Shirt flattern ließ. Die nächtliche Hitze und der vertraute Duft der tropischen Blumen hatten ihr gefehlt. Sogar nach dem chaotischen Lärm und der Energie Mumbais hatte sie sich gesehnt. Eine Zeit lang sogar geglaubt, all das für immer verloren zu haben, doch sie war wieder da und niemand konnte sie daran hindern zu bleiben.

Nicht einmal ihr Ehemann.

Zu ihrer Überraschung brannten plötzlich Tränen in ihren Augen, und ein Kloß schnürte ihr die Kehle zu. Nein, dachte sie entschlossen. Keine Tränen mehr, schon gar nicht seinetwegen. Genug geweint.

Ihre Lippen bebten und ihre Hände zitterten, als sich die unerwarteten Emotionen in ihrem Bauch zu einem Knoten verdichteten. Wut. Hass. Angst. Sie musste sich zusammenreißen, wenn sie schutzlos und allein in die Höhle des Löwen wollte.

Tinas Lider flatterten, als sie hörte, wie sich die Tür öffnete. Sie hatte die Luxusautos in der Einfahrt gesehen und die laute pulsierende Bhangra-Musik gehört, als sie sich dem Haus genähert hatte. Jetzt sah sie die Männer und Frauen zu dem primitiven Rhythmus in der Haupthalle tanzen. Offenbar war eine Party im Gange.

Eine Party, um ihre Abwesenheit zu feiern?

„Memsahib!“, begrüßte sie der alte Diener.

Tina zuckte zusammen. Sie war es nicht gewohnt, als verheiratete Frau angesprochen zu werden. Andererseits war sie ja auch erst seit weniger als einem Jahr verheiratet. Unter Aufwendung all ihrer schauspielerischen Fähigkeiten lächelte Tina und trat ein. „Guten Abend, Sandeep. Sie sehen gut aus.“ Zu ihrer Erleichterung klang ihre Stimme gefasst und freundlich, obwohl ihre Nerven blank lagen.

Der alte Diener blickte über seine Schulter, als wäre es ihm irgendwie unangenehm, dass in ihrem Haus eine rauschende Party stattfand. „Sahib hat mir nicht gesagt, dass Sie heute Abend zurückkommen.“

„Er weiß es nicht.“ Sie löste den dunkelblauen Schal von ihrem Kopf und ließ ihn auf die Schultern gleiten.

„Ihr Haar!“, rief Sandeep, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Dann erschrak er sich wegen seiner unbedachten Worte und senkte beschämt den Kopf.

„Ja, ich weiß“, seufzte Tina. Sie war nicht gekränkt. Ihr ging es immer noch genauso, wenn sie irgendwo ihr Spiegelbild sah. Verlegen fuhr sie sich mit den Fingern durch die kurzen Büschel. Früher waren ihr tiefschwarze Locken üppig über die Schultern gefallen, was ihr einen lukrativen Werbevertrag eingebracht hatte. Jetzt bedeckte das Haar kaum die Ohren. „Es war ein Fehler.“

Vorsichtig sah Sandeep wieder auf, und sein Blick kehrte zu den kurzen Locken zurück. „Und … wie war Ihr Urlaub?“

Tina erstarrte. Urlaub? So also nannte Dev es? Hielt er sie für unfähig, ihn zu verlassen? Brutal wie ein Messer fuhr ihr der Schmerz durch den Körper und lähmte sie.

Ihr „Urlaub“ war eher ein Gefängnis gewesen. Eine Hölle. Die Erinnerung an die endlosen weißen Wände, den sauren Geruch von Desinfektionsmitteln und die drückende Verzweiflung überwältigte sie. Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren. „Ich bin froh, wieder hier zu sein.“

Der Diener deutete eine Verbeugung an. „Ich werde Sahib suchen gehen.“

„Nicht nötig.“ Tina hob die Hand, um ihn aufzuhalten. Sie hatte die Überraschung auf ihrer Seite, und diesen Vorteil wollte sie nutzen. „Keine Sorge, ich finde ihn schon.“

Sandeep runzelte die Stirn, sprach die Fragen jedoch nicht aus, die ihm offensichtlich durch den Kopf gingen. Er streckte die Hand aus. „Soll ich Ihnen die Tasche abnehmen?“

Instinktiv zog sie ihre Schultertasche fester an sich. „Nein, danke“, sagte sie lächelnd. Sandeep war nicht der Feind, aber sie würde ihren Pass oder ihr Geld nicht aus der Hand geben. Beides war essenziell, um ihre Freiheit zurückzugewinnen. Das wusste sie nur zu genau, seit sie Dev während eines Drehs in Amerika verlassen hatte. Heutzutage würde sie nicht einmal die Boulevardzeitung aus der Hand geben, die eingerollt tief unten in ihrer Tasche verstaut war. Die mit dem Bild ihres Mannes auf dem Cover. Jenes Foto und der dazugehörige Artikel hatten ein Feuer in ihr entfacht, das immer noch loderte.

Tina betrat die große Eingangshalle und sog den Anblick, der sich ihr bot, in sich auf. Während sie den Geruch von Alkohol, Schweiß und Zigarettenrauch einatmete, erkannte sie einige Gäste. Es waren Promis und Schauspieler, deren Gesichter Reklametafeln und Filmplakate zierten. Sie sahen immer noch fantastisch aus, trotz verschwitzter Haare und Klamotten, die ihnen an der Haut klebten, während sie sich fieberhaft zum schweren Rhythmus der Trommeln bewegten.

Sie verengte den Blick und sah, wie zwei Gäste an der Bar um die Wette tranken. So hatte ihr Ehemann sich also die Zeit vertrieben, während sie fort gewesen war. Nach dem Artikel in der Klatschzeitung von letzter Woche hätte sie das nicht wundern sollen.

Tina fragte sich, was der Anlass der Party war. Es musste geschäftlich sein. Von Geburt an war Dev dazu bestimmt gewesen, über diese Welt zu herrschen. Doch es reichte ihm nicht, seinen rechtmäßigen Platz an der Spitze einzunehmen. Er strebte nach Erfolg und Macht. Geld war für diesen Mann zweitrangig, dennoch widmete er jeden Augenblick des Tages dem Geschäft.

Na ja, fast jeden Augenblick. Sie war die Ausnahme gewesen. Früher hatte sie das für den Beweis seiner Liebe gehalten. Jetzt wusste sie es besser.

Tina ging weiter. Sie fragte sich, ob er behaupten würde, es sei ihre Willkommens-Party. Dreist genug war er. Und warum auch nicht? Seine Lügen und leeren Versprechen hatten für ihn keine Konsequenzen. Dev war unantastbar.

Doch bis gestern hatte sie selbst nicht gewusst, dass sie zurückkommen würde. Jetzt fragte sie sich, ob es die falsche Entscheidung gewesen war. Früher hatte sie sich hier wohl und sicher gefühlt. Sie hatte es als ihr Zuhause betrachtet. In Richtung des Billardzimmers hörte sie eine Gruppe von Leuten laut klatschen und singen. Tina folgte den Stimmen, in der sicheren Annahme, dort ihren Mann zu finden. Attraktiv, männlich und mächtig wie er war, stand Dev stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Tina verdrehte die Augen, als sie den Song erkannte, den die Männer sangen. Er stammte aus Devs erstem Kinohit. Sie hatte ihn unzählige Male gesehen, wusste jedoch, dass ihr Mann heimlich nicht zufrieden damit war. Von sich aus würde er den Song nicht spielen, es sei denn auf Wunsch eines wichtigen Gasts.

Plötzlich fiel ihr ein, dass in der Szene auch eine Frau vorkam. Tanzte er mit einer Frau? Einer gewissen Frau? Bei dem Gedanken daran zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen, doch Tina ging weiter. Sie durfte sich nicht auf irgendwelche Quellen verlassen, sondern musste es mit eigenen Augen sehen. Sie musste es wissen.

Unbemerkt betrat Tina das Billardzimmer. In dieser illustren Runde war sie unsichtbar. Niemand drehte sich nach der Frau in zerknitterter Tunika und weiten Jeans um. Die Bollywood-Elite nahm sie nur am Arm ihres Ehemanns wahr.

Alle standen zur Mitte des Raumes, hüpften mit ausgestreckten Armen auf und ab und sangen. Sie blieb abrupt stehen, als sie Devs Lachen hörte. Es durchbohrte ihr das Herz.

Er klang … unbeschwert. Glücklich. Tina taumelte zurück, als sie die Erkenntnis traf. Wie konnte er glücklich sein, nach allem, was passiert war?

Tina zog die Schultern ein. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, für eine letzte Aussprache zurückzukehren. Sie hatte schon immer den Verdacht gehabt, dass Dev sie als Belastung empfand. Sie hatte geglaubt, er wäre verliebt gewesen, doch jetzt begriff sie, dass er sich nur verpflichtet gefühlt hatte, sie zu heiraten. Hinzu kam, dass seine Eltern die Verbindung mit ihr missbilligten.

Wer konnte es ihnen übel nehmen? Seine Eltern waren Bollywood-Legenden, und Tina stammte aus den Slums. Alle wussten, dass er sie früher oder später verlassen würde, denn sie glaubten, dass sie ihn in diese Ehe getrieben hatte. Sie verwechselten Tina mit den Bad-Girl-Rollen, die sie in Low-Budget-Filmen spielte.

Offenbar war Dev bereit, sein altes Playboy-Leben wiederaufzunehmen, und würde sicher nicht zulassen, dass eine Ehefrau ihn davon abhielt.

Und sie würde nicht zulassen, dass er noch Macht über sie hatte. Entschlossen, der Sache ein Ende zu bereiten, holte Tina tief Luft und tauchte in die Menge ein. Ihr Herz tat einen Sprung, als sie Dev in der Mitte des Kreises entdeckte. Gebannt sahen die Gäste zu, wie er mit unangestrengter Anmut die komplizierten Tanzschritte vollführte.

Tinas Brust zog sich zusammen. Dev Arjun. Ihre erste große Liebe. Ihr größter Fehler.

Atemlos starrte sie ihren Mann an, unfähig, den Blick abzuwenden. Dev war schlank und muskulös, dank des jahrlangen Trainings für seine erfolgreichen Action-Abenteuer-Filme. Tina durchlief ein Schauer, als sie daran dachte, wie sich sein starker, athletischer Körper anfühlte. Seine goldene Haut war warm und rau, und sie liebte es, wie sich sein steinharter Bauch anspannte, wenn sie ihn berührte.

Ihre Haut prickelte, und Tina errötete, während sie zusah, wie Dev seinen berühmten Tanz beendete und die anderen ermunterte mitzutanzen. Doch niemand konnte mit seinen souveränen, präzisen Tanzbewegungen mithalten.

Als er so die Hände hochhielt wie ein siegreicher Held, kam ihr Dev größer vor, als sie ihn in Erinnerung hatte. Überlebensgroß. Tina fiel das schwarze Hemd auf, das seine breite Brust betonte, wie die Jeans seine kräftigen Oberschenkel.

Sie wünschte, sie wäre immun gegen sein gutes Aussehen gewesen, doch er war ein Mann in der Blüte seines Lebens, strahlte Kraft und Vitalität aus. In der Vergangenheit hatte sie sich danach gesehnt, in diesen starken Arme zu liegen. Jetzt war sie klug genug, Abstand zu halten.

Während das Publikum begeistert applaudierte, ließ Tina ihren Blick zu Devs Gesicht wandern. Erst jetzt bemerkte sie die dunklen Schatten und tiefen Falten um seine Augen. Er wirkte älter. Härter.

Dev verbeugte sich, bevor er sich von einem seiner Freunde einen Drink reichen ließ. Er setzte zu einem Schluck an, und in diesem Moment trafen sich ihre Blicke. Dev erstarrte. Das Glas hielt er noch in der Luft, während sich seine Augen weiteten. Tina konnte seinen Schock förmlich spüren.

„Tina?“

Sein Flüstern zehrte an ihren angespannten Nerven. Am liebsten wäre sie im Schutz der Menge untergetaucht. Davongelaufen. Sie war noch nicht bereit für das hier. Für ihn. Doch es war zu spät.

Es wurde ganz still im Raum. Sie konnte nicht sprechen, konnte sich nicht bewegen, während Dev seinen Drink hinunterkippte und auf sie zukam. Er bewegte sich mit einer Schnelligkeit, die ihr den Atem verschlug. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, das Herz pochte gegen ihre Rippen. Plötzlich war ihr kalt, und ihre Beine versagten ihr den Dienst.

Dev fing sie in seinen Armen auf und drückte sie fest an sich. Sie war gefangen. Sie atmete seinen würzigen Duft ein, und überwältigt von Erinnerungen, stiegen ihr Tränen in die Augen.

Tina hatte sich ausgemalt, was sie tun würde, wenn sie endlich mit Dev im selben Zimmer war. Das hier gehörte nicht zum Plan. Sie hatte sich vorgenommen, distanziert zu sein. Eiskalt. Ungerührt. So wie er in ihren letzten gemeinsamen Tagen. Es sollte der Augenblick sein, wo sie die Kontrolle übernahm und ihre Bedingungen stellte.

Stattdessen blieb sie stumm, als er mit den Fingern durch ihr kurzes Haar fuhr. Starrte ihn nur an, als er ihren Kopf zurückneigte. Ihre Lippen bebten erwartungsvoll. Sie wusste, er würde sie mit einem harten, besitzergreifenden Kuss zurückfordern.

Nein! Sie musste auf der Hut sein. Dieser Mann war gefährlich. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er ihre Abwehrmechanismen außer Kraft gesetzt. Und dann hatte er sich von ihr abgewandt, als sie am verletzlichsten war.

Plötzlich hob Dev sie in seine Arme. Tina schrie erschrocken auf und klammerte sich an seinem Hemd fest. Sie fühlte sich hilflos, verwirrt. „Was tust du?“

„Keine Sorge, Jaan“, sagte er und ein schiefes Lächeln milderte seine harten Gesichtszüge. „Ich halte dich.“

Das war ja das Problem! „Lass mich runter“, befahl sie und versuchte, sich zu befreien. Devs Griff wurde fester.

„Noch nicht.“ Sie sah das Funkeln in seinen dunkelbraunen Augen. Dann trug er sie vorbei an der johlenden Menge und durch die Tür, die zum Innenhof führte.

Sie reckte den Hals und sah sich in dem üppigen Garten um. Im Brunnen sprudelte kühles Wasser, und in den saftigen grünen Bäumen und Büschen hingen Girlanden mit winzigen weißen Lichtern. Sie hörte Devs Schritte auf dem Steinweg, doch sie konnte niemanden sonst entdecken.

„Lass mich runter“, wiederholte sie mit fester Stimme. „Ich weiß nicht, was du vorhast, aber die Vorstellung war unnötig.“

Dev neigte den Kopf. „Vorstellung? Ich habe meine Frau daheim willkommen geheißen.“

Das konnte nicht sein Ernst sein. Sie blickte zum obersten Stockwerk, wo das Schlafzimmer lag. Panik pulsierte durch ihre Adern, während ihre Haut vor Erregung prickelte. Sie schämte sich für die Reaktion ihres Körpers. Wie konnte sie so für Dev empfinden? Nach allem, was er ihr angetan hatte? Es war, als wäre sie auf seine Berührungen konditioniert.

„Bitte lass mich runter.“ Tina zappelte und trat um sich. Ihre Bewegungen wurden immer wilder, bis Dev nachgab und sie vorsichtig absetzte. Sofort wich sie einen Schritt zurück.

Sein Blick verengte sich, als sie mit einem weiteren vorsichtigen Schritt noch mehr Distanz schuf. „Ich habe nicht damit gerechnet, dich wiederzusehen“, gestand Dev.

„Ich weiß“, flüsterte sie. Das war auch nicht geplant gewesen.

„Wo warst du?“, fragte er heiser.

Oh, das würde sie ihm ganz bestimmt nicht auf die Nase binden. „Offenbar war ich ein paar Monate im Urlaub.“

Dev runzelte die Stirn. „Was sollte ich sonst sagen?“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes schwarzes Haar. „Wo bist du gewesen?“, fragte er mit trügerisch sanfter Stimme.

Tina reckte trotzig das Kinn. „Das geht dich nichts an.“

„Wie kannst du das sagen?“ Dev fixierte sie so intensiv, dass sie fröstelte. „Du bist meine Frau. Ich habe dich gesucht.“

Das ergab keinen Sinn. Er hatte ihre Ehe abgeschrieben, lange bevor sie den Mut gefunden hatte zu gehen. „Warum?“

„Warum?“ Seine Stimme klang scharf wie eine Peitsche.

Das Herz klopfte ihr in den Ohren. „Ja, warum? Du hast doch, was du die ganze Zeit wolltest. Oder hast du dir Sorgen gemacht, dass ich im falschen Moment wieder auftauche?“

Dev biss die Zähne zusammen. „Du hast keine Ahnung, was ich will.“

„Jedenfalls keine Ehefrau“, meinte Tina, während sie ihre Handtasche an die Brust presste, als wäre sie ein Schutzschild.

Schwarze Wut verdunkelte seine Augen. „Tina …“

„Und heute Abend“, sagte Tina, „werde ich dir diesen Wunsch erfüllen.“

2. KAPITEL

Tina konnte den Blick nicht von Dev lösen. Sie sah das Feuer in seinen Augen, doch er rührte sich nicht. Die Luft zwischen ihnen knisterte. Devs Körper bebte vor Anstrengung, seinen Zorn zurückzuhalten. „Du denkst nicht logisch“, sagte er heiser.

Wie oft hatte sie ihn das sagen hören? „Und deshalb willst du das für mich übernehmen? Nein, danke.“ Er hatte versucht, über ihr Leben zu bestimmen. Erfolgreich für eine Weile. Sie war zu unglücklich, zu verzweifelt gewesen, um sich dagegen zu wehren.

Dev schloss die Augen. „Ich hätte dich nie mit nach Los Angeles nehmen sollen.“

„Warum hast du es getan?“ Sie ignorierte den Schmerz in seiner Stimme. Obwohl sie sich zu schwach zum Reisen fühlte, hatte Dev darauf bestanden, dass sie ihn in die Staaten begleitete, während er dort einige Szenen seines Blockbusters drehte.

Langsam öffnete Dev die Augen wieder und starrte sie an. „Jemand musste auf dich aufpassen. Nach der Fehlgeburt warst du nicht mehr dieselbe.“

Ihre Blicke trafen sich, und Tinas Haut wurde kalt. Fehlgeburt. Ihm kam das Wort mühelos über die Lippen, doch sie brachte es ins Schleudern. Es versetzte sie in jene beklemmende Zeit zurück, wo Angst ihr ständiger Begleiter gewesen war. Als sie allein war und niemand ihre Wünsche oder Gebete erhörte. Als die Ärzte ihr sagten, sie habe ihr Baby verloren.

„Ich war nicht dieselbe? Woher willst du das denn wissen?“, fragte sie. „Du warst ja nicht da. Du hast ziemlich deutlich gemacht, dass du nicht mehr mit mir verheiratet sein wolltest. Dass es für dich keinen Grund mehr gab.“

Ihm stockte hörbar der Atem. „So siehst du das?“

Tina wandte den Blick ab. Sie wollte nicht mehr daran denken, wie Dev das Interesse an ihr verloren hatte, vor allem nachdem sie das Baby verloren hatte. „Was sollte ich denn sonst denken?“

Dev seufzte schwer und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Du hast mich weggestoßen. Du hast nicht mehr mit mir geredet, mich nicht mal angesehen. Du bist einfach aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen und …“

Tinas Kopf fuhr hoch. „Entschuldige, dass ich getrauert habe!“, zischte sie. Sie würde nicht zulassen, dass Dev ihre Gefühle als Schwäche abstempelte. „Nicht jeder kann sich einfach schütteln und, einen Tag nachdem wir unseren Sohn verloren haben, wieder zum Alltag übergehen.“

„Tu das nicht.“ Dev kam einen Schritt auf sie zu. „Hasse mich, wenn du willst, Tina, aber wage es ja nicht, mir vorzuwerfen, ich hätte nicht getrauert. Ich konnte mir den Luxus nicht leisten, mich vor der Welt zu verstecken.“

Seine Worte waren ein Schlag ins Gesicht. Tina zuckte zusammen und starrte ihn mit großen Augen an. „Luxus?“ Bei ihm klang es, als hätte sie eine Wahl gehabt. Als hätte sie sich bewusst dafür entschieden, sich ihrem Kummer hinzugeben und fast daran zugrunde zu gehen.

Dev starrte sie mit geradezu hypnotischer Intensität an. „Du wirkst gesünder als vor vier Monaten.“ Er blickte ihr tief in die Augen und nickte befriedigt. „Kräftiger.“

Er hatte keine Ahnung, begriff Tina. Sie konnte ins Haus stolzieren wie eine Königin und dem Feind mit dem Mut eines Kriegers gegenübertreten, aber das war nur gespielt. Vor vier Monaten war sie am Boden gewesen, und Devs Gleichgültigkeit hatte ihr den Rest gegeben. Sie hatte versucht, wieder auf die Beine zu kommen, doch sie glaubte nicht, dass sie sich je wieder gesund oder kräftig fühlen würde.

„Ich kann auf mich selbst aufpassen. Das habe ich fast mein ganzes Leben getan“, sagte Tina. Nur einmal hatte sie es nicht gekonnt. Nach der Fehlgeburt hatte sie sich auf Dev stützen wollen, bis sie wieder selbst stehen konnte. Stattdessen hatte er ihre Schwäche ausgenutzt. „Aber darum geht es jetzt nicht.“ Sie musste das hier durchziehen, damit sie ihr Leben weiterleben konnte.

„Wie fühlst du dich jetzt?“

Machtlos. Untröstlich. Entschlossen. „Ich bin bereit für den nächsten Schritt in meinem Leben.“

Dev rührte sich nicht, doch Tina spürte seine innere Anspannung. Es war, als ahnte er schon, was sie jetzt sagen würde.

Tinas Herz begann zu rasen. Es schlug so heftig gegen ihren Brustkorb, dass es wehtat, als sie tief Luft holte. „Ich will die Scheidung.“

„Nein.“

Sie blinzelte ungläubig. Im Gegensatz zu ihren verhuschten Worten, war seine Ansage klar und nüchtern. „Was meinst du mit Nein?“

„Wir lassen uns nicht scheiden“, erklärte er und kam noch einen Schritt näher. In seinen Augen lag ein frostiges Funkeln. „Ich werde alles tun, um das zu verhindern.“

Tina starrte ihn verwirrt an. Das war nicht die Antwort, mit der sie gerechnet hatte. Sie hatte sich diesen Augenblick oft ausgemalt und sich vorgestellt, dass Dev in seiner brüsken, fast ungeduldigen Art zustimmen würde. Es war offensichtlich, dass er sie nicht mehr wollte. Warum wollte er dann diese Farce einer Ehe aufrechterhalten?

„Ich biete dir etwas an, das wir beide wollen“, flüsterte sie.

„Ich will eine Erklärung. Ich will wissen, was während jener Tage in Amerika in deinem Kopf vorgegangen ist. Was denkst du, wie ich mich gefühlt habe, als ich ins Hotelzimmer kam und nichts weiter vorfand als einen Notizzettel?“

Tina verzog die Stirn, als sie seinen Tonfall hörte. Ihr kurz gefasster Brief hatte ihn gekränkt. Ihn erzürnt. Dabei hätte er froh sein sollen. Sie hätte ihm auch ihr gebrochenes Herz ausschütten können, stattdessen hatte sie ihm nur mitgeteilt, dass sie allein sein wollte.

„Wo warst du?“, fragte er.

„Hier und da. Wo es ruhig war und ich nachdenken konnte, wie es weitergehen soll“, erwiderte sie.

Frustriert rang Dev die Hände. „Dafür musstest du doch nicht weglaufen.“

Doch. „Du hattest die Kontrolle über mein Leben übernommen.“ Ihre Stimme bebte.

„Ich habe mich, so gut ich konnte, um dich gekümmert“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.

„Nein, du hast einfach dein altes Leben wieder aufgenommen“, warf sie ihm vor. „Ich war nicht mehr mit deinem Kind schwanger, deshalb war für mich kein Platz mehr darin.“

Dev packte sie an den Armen. „Wenn das so wäre, hätte ich dich nicht geheiratet.“

„Du musstest mich heiraten. Sonst hättest du deinem Image geschadet.“ Seine Familie hatte sein Image als romantischer Held über Jahre hinweg sorgfältig aufgebaut. Hätte er seine schwangere Freundin sitzen lassen, hätte er dieses Image ruiniert. „Du hast mich geheiratet, um deiner Karriere nicht zu schaden. In den Illustrierten wurde groß darüber berichtet, wie du eine Familie gründest, aber in Wahrheit konntest du es gar nicht erwarten, in dein Junggesellenleben zurückzukehren.“

„Das ist nicht wahr.“ Seine Finger gruben sich in ihre Arme. Tina spürte, dass er sie am liebsten geschüttelt hätte.

„Ach, nein? Ich weiß doch, was ich heute Abend gesehen habe. Du hast dich prächtig amüsiert. Sei ehrlich, wie viele Partys hast du in den letzten vier Monaten gegeben?“

„Ich habe nicht gefeiert. Das gehört zum Geschäft. Und das weißt du.“

Sie wusste, dass Dev Arjun seine Arbeit liebte. Es war für ihn keine Verpflichtung, er genoss jeden Moment. Dev fühlte sich vor der Kamera wohler als zu Hause. Und wenn man den Illustrierten glaubte, zog er die Gesellschaft von Starlets der seiner Frau vor. „Wie viele Frauen gab es?“

„Ich war treu.“ Seine Augen funkelten. „Kannst du dasselbe von dir sagen?“

Ihre Augen weiteten sich überrascht. Dev glaubte, dass sie jemanden kennengelernt hatte? Auf die Idee war sie gar nicht gekommen. Sie hatte die vergangenen Monate ums Überleben gekämpft – darum, den nächsten Tag zu überstehen, den nächsten Augenblick. Doch davon ahnte Dev nichts.

Sie reckte ihr Kinn. „Alles, was ich dazu sage, ist, dass ich die Scheidung will.“

Sein Blick verengte sich. „Und meine Antwort ist immer noch Nein.“

„Ich werde sie schon bekommen“, erklärte sie und befreite sich aus seinem Griff. „Aber zuerst hole ich meine Sachen und ziehe aus.“

Tina machte auf dem Absatz kehrt und durchschritt den Hof. Sie betete, dass er ihr nicht nach oben ins Schlafzimmer folgen würde. Dort hatte Dev die größte Macht über sie besessen. Eine Berührung, ein Kuss, und sie gehörte ihm.

„Tina, warte“, rief er ihr nach. „Wir können uns nicht scheiden lassen … nicht jetzt.“

Tina blieb stehen. Irgendetwas in seinen Worten versetzte sie in Alarmbereitschaft. Langsam drehte sie sich um. „Wovon redest du?“

Er wich ihrem Blick aus. „Ich verhandle gerade mit ein paar Investoren. Unsere Filmgesellschaft musste in den letzten Monaten finanzielle Rückschläge einstecken.“

In den letzten Monaten? Eher im letzten Jahr, dachte Tina. Sie wusste, dass Devs Eltern wollten, dass er Shreya Sen heiratete, die Tochter einer Bollywood-Familie. Wäre es zu dieser arrangierten Ehe gekommen, wäre Dev der mächtigste und einflussreichste Mann der indischen Mainstream-Filmindustrie gewesen. Doch dann hatte Tina dazwischengefunkt.

Dev kam auf sie zu. „Das Problem ist, die denken, ich bin so wie die Rollen, die ich spiele. Ein Draufgänger, leichtsinnig …“

„Das kommt davon, wenn man darauf besteht, die Stunts selbst zu machen.“ Sie verstand seine Lust am Risiko. Dev wollte immer aufs Ganze gehen. Sie hätte ihn nie darum gebeten, damit aufzuhören, obwohl es sie innerlich zerriss, wenn er dem Tod mal wieder von der Schippe sprang.

„Aber sie glauben auch, dass die Ehe mich verändert hat. Sie glauben, dass ich jetzt vernünftiger bin.“ Er zuckte die Schultern. „Wenn ich ein stabiles Umfeld habe, trauen sie sich eher, in mich zu investieren.“

Ihr gefiel nicht, welche Richtung das Gespräch nahm. „Was hat das mit mir zu tun?“

„Wir müssen verheiratet bleiben …“

„Vergiss es.“

„… bis ich die Unterstützung bekomme, die ich brauche.“

„Da mache ich nicht mit.“ Sollte Dev sich seine Hilfe woanders holen. Es gab genug Leute, die gern Teil seiner Welt und seiner Projekte gewesen wären.

„Denk drüber nach, Tina“, sagte er sanft, als er vor ihr stand. „Es geht um viel Geld. Das bedeutet für dich eine bessere Scheidungsvereinbarung.“

Sie lächelte spöttisch. „Ich habe selbst eine Karriere. Ich kann für mich selbst sorgen.“

Dev hob beschwichtigend die Hände. „Früher ja, aber du hast seit sechs Monaten nicht mehr vor der Kamera gestanden.“

„Egal. In Mumbai werden jedes Jahr fast tausend Filme gedreht. Ich werde schon etwas finden.“ Sie klang zuversichtlicher, als sie es war. Mit ihrer Schauspielkarriere lief es schon schlecht, als sie Dev kennenlernte. Ihre Ersparnisse waren fast aufgebraucht, und sie brauchte dringend einen Job.

Autor

Susanna Carr
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