Falsches Spiel - wahre Gefühle

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Sie müssen mir gehorchen!" Becca erschauert bei Theo Markou Garcias Worten. Doch sie hat keine Wahl. Um die Zukunft ihrer Schwester zu sichern, wird sie künftig die Verlobte des atemberaubend attraktiven Unternehmers spielen. Auch wenn sie ihm dazu gefährlich nah kommen muss …


  • Erscheinungstag 24.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521130
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Haus wirkte nicht gerade anziehender, seit sie es zum letzten Mal gesehen hatte. Wie eine schlecht gelaunte Dame der feinen Gesellschaft thronte es in missbilligender Eleganz an New Yorks schicker Fifth Avenue, ein Überbleibsel aus der Blütezeit des 19. Jahrhunderts.

Becca Whitney saß voller Unbehagen in dem riesigen Salon, der vollgestopft war mit Gemälden und Statuen von unschätzbarem Wert. Es fiel ihr schwer, die missbilligenden Blicke ihrer beiden sogenannten Verwandten zu ignorieren. Die zwei taten so, als würde Becca, die uneheliche Tochter ihrer enterbten und lange verstorbenen Schwester, durch ihre bloße Anwesenheit die Luft vergiften.

Vielleicht ist das ja so, überlegte Becca. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sie sich in diesem Ungetüm von einem Herrensitz wie in einer seelenlosen Krypta vorkam.

Das angespannte Schweigen wurde unvermutet vom Knarren der kunstvoll verzierten Salontür durchbrochen.

Gott sei Dank, durchfuhr es Becca. Sie verkrampfte die Hände im Schoß und biss die Zähne fest aufeinander, damit ihr bloß nicht die bitteren Worte entschlüpften, die sie eigentlich gerne gesagt hätte. Was immer diese Störung mit sich brachte, es würde eine Erleichterung für sie sein.

Bis sie den Kopf hob und den Mann sah, der den Raum betreten hatte. Aus irgendeinem Grund wurde ihr ganzer Körper in Alarmbereitschaft versetzt.

„Ist sie das?“, fragte der Mann grimmig.

Sofort verlagerte sich Beccas Aufmerksamkeit. Sie achtete nicht mehr auf ihren schrecklichen Onkel und ihre furchtbare Tante. Sie sah nur noch diesen Mann, der groß, stark und finster den Raum beherrschte und sich mit einer Selbstverständlichkeit bewegte, als wäre er der Mittelpunkt der Welt.

Ihre Lippen öffneten sich leicht, als ihre Blicke sich trafen. Seine Augen hatten einen intensiven bernsteinfarbenen Glanz, der sie zu versengen schien. Verlegen blinzelte sie.

Wer ist dieser Mann?

Er war nicht übermäßig groß, vielleicht einen Meter achtzig, doch die Kraft seiner Persönlichkeit füllte den Raum aus. Er trug dieselbe Art von Kleidung, die sie alle trugen in dieser abgeschirmten Welt der Schönen und Reichen – sichtbar teuer. Ein anthrazitfarbener Sweater, der sich perfekt an seinen wohlgeformten Körper schmiegte, und eine dunkle Hose, die seine Oberschenkel und die schmalen Hüften betonte. Er sah elegant aus – wirkte aber zugleich bodenständig.

Mit seitlich geneigtem Kopf sah er sie an und Becca war sofort zweierlei klar. Erstens, er strahlte Gefahr aus – scharfe Intelligenz und rücksichtslose Energie. Zweitens … sie musste fort von ihm. Jetzt! Ihr Magen verkrampfte sich und ihr Herz schlug bis zum Hals. Etwas an diesem Mann war … unheimlich.

„Jetzt kannst du es mit eigenen Augen sehen“, meinte Beccas aufgeblasener Onkel Bradford herablassend. Es war der gleiche Ton, mit dem er sie hier bei ihrem letzten Treffen vor sechs Monaten aus dem Haus geworfen hatte. Der gleiche Ton, in dem er Becca und ihrer Schwester immer gesagt hatte, dass sie Fehler waren. Peinlichkeiten. Bestimmt keine Whitneys. „Diese Ähnlichkeit.“

„Verblüffend.“ Die Augen des fremden Mannes verengten sich und sein Blick blieb auf Becca gerichtet, obwohl er weiter zu ihrem Onkel sprach. „Und ich dachte, du übertreibst.“

Becca schaute ihn an. Da war etwas, was sie schaudern ließ. Ihr Mund war trocken, ihre Hände verkrampften sich. Panik, schoss es ihr durch den Kopf. Nichts weiter als Panik. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte dieses Haus verlassen – doch sie war wie erstarrt. Sein Blick hielt sie fest. Befahl ihr zu bleiben. Machte sie gefügig.

„Ich habe keine Ahnung, warum ich hier bin“, zwang sich Becca zu sagen, um ihm irgendwie Paroli zu bieten. Dann wandte sie sich Bradford zu und der Schwester ihrer Mutter, der übertrieben kritischen Helen. „Nachdem du mich beim letzten Mal hinausgeworfen hast …“

„Das hat nichts damit zu tun“, erwiderte ihr Onkel und schnaufte vor Ungeduld. „Es ist wichtig.“

„Die Ausbildung meiner Schwester ist mindestens ebenso wichtig“, gab Becca schnippisch zurück. Wie ein dunkler Schatten bewegte sich der Mann in ihrem Augenwinkel. Sie fühlte, wie er sie mit seinen Blicken verzehrte. Ihre Lungen drohten zu zerspringen. Ihr gesamter Körper … schmerzte.

„Um Himmels willen, Bradford“, murmelte Helen ihrem Bruder zu und drehte unentwegt an dem wertvollen Ring an ihrem Finger. „Was denkst du dir nur dabei? Sieh dir bloß diese Kreatur an! Hör doch mal zu, wie sie spricht! Würdest du jemals annehmen, sie sei eine von uns?“

Becca reckte sich. „Sie hat ungefähr das gleiche Interesse daran, ‚eine von euch‘ zu sein, wie daran, barfuß über ein Meer aus Glasscherben zurück nach Boston zu wandern“, sagte sie. Sie hatte Mühe, sich darauf zu konzentrieren, weshalb sie hergekommen war. „Alles, was ich von euch will, ist das, was ich schon immer gewollt habe. Mir bei der Erziehung meiner Schwester beizustehen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt.“

Sie ließ ihren Blick demonstrativ über die teure Einrichtung schweifen. Die dicken weichen Teppiche, die Gemälde an den Wänden, die Decke, die unter dem Gewicht wertvollster Leuchter schier zu explodieren drohte. Ganz zu schweigen davon, dass das familieneigene Anwesen sich mitten in der New Yorker City befand und sich über einen kompletten Straßenblock erstreckte. Becca musste nichts über Immobilienpreise in Manhattan wissen, um zu erkennen, dass es ihnen ein Leichtes wäre, ihr finanziell unter die Arme zu greifen.

Dabei ging es nicht um Becca selbst, sondern um ihre siebzehnjährige Schwester Emily. Emily war ein helles Köpfchen und schien eine große Zukunft vor sich zu haben. Mit ihrem schmalen Gehalt als Anwaltsgehilfin konnte Becca ihr diese Zukunft aber nicht sichern. Nur vor diesem Hintergrund war Becca bereit gewesen, sich für ihre Schwester quasi zu prostituieren. Ausschließlich aus diesem Grund fühlte sich Becca genötigt, Emily zu helfen, obwohl Bradford ihre Mutter eine Hure genannt und Becca vor einem halben Jahr bei ihrem letzten Gespräch vor die Tür gesetzt hatte. Beccas Ersparnisse waren ausgereizt und sie tat verzweifelt alles Mögliche, das erforderliche Schulgeld für Emily aufzutreiben. Nur das hielt sie davon ab, Bradfords finsteren Blick auf gleiche Weise zu erwidern.

Außerdem hatte sie ihrer Mutter am Sterbebett ein Versprechen gegeben. Sie würde für Emily sorgen, ganz egal, was kommen würde. Wie könnte sie je diesen Schwur brechen, nachdem ihre Mutter Becca zuliebe ihr abwechslungsreiches Leben in der Glitzerwelt geopfert hatte?

„Aufstehen!“, ertönte es neben ihr – viel zu nahe neben ihr. Becca schreckte zusammen – und schämte sich sofort wegen dieser Schwäche.

Was war das Besondere an diesem Mann, der ihr so unter die Haut ging? Sie kannte doch nicht einmal seinen Namen.

„W…was … soll ich?“, fragte sie perplex.

Diese finsteren, nachdenklichen Gesichtszüge, sein bronzefarbener Teint, der durchdringende Blick – all das strömte pure, atemberaubende Männlichkeit aus. Beim Anblick seiner vollen Lippen spürte sie, wie tief in ihrem Innern ihre weiblichsten Gefühle erwachten.

Was war bloß mit ihr los?

„Aufstehen!“, wiederholte er im Befehlston. Sie gehorchte ihm, ohne es wollen, und erhob sich wie eine Marionette. Sie war über sich selbst entsetzt. Hatte dieser Mann sie hypnotisiert? War er ein Schlangenbeschwörer, dem sie willenlos gehorchen musste?

Als sie vor ihm stand, musste sie den Kopf nach hinten legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Er war demnach größer, als sie angenommen hatte. Ihr Puls raste und sie wollte flüchten – doch sie verharrte.

„Faszinierend“, murmelte er. Sein anziehendes Gesicht war ihr verdächtig nah. Sie spürte die Kontrolle, die er über sie hatte, die Magie, die von ihm ausging. „Drehen Sie sich um.“

Becca starrte ihn an. Er hob die Hand und ließ einen Finger in der Luft kreisen. Eine starke Hand. Nicht weich und blass wie die ihres Onkels. Es war die Hand eines Mannes, der gewohnt war, zuzupacken. Sie stellte sich vor, wie es sich anfühlen mochte, wenn diese Hand sanft über ihre Haut fuhr, und musste schlucken.

„Ich würde ja nichts lieber tun als Ihren Befehlen zu gehorchen“, hörte sie sich sagen. „Aber ich weiß nicht einmal, wer Sie sind und was Sie von mir wollen. Oder was Ihnen das Recht gibt, mich herumzukommandieren.“

Aus weiter Ferne hörte sie Onkel und Tante tiefe Seufzer ausstoßen und vernahm ihr Flüstern. Doch es war ihr egal, denn sie war völlig gefangen von dem Mann, der vor ihr stand und sie mit seinem Blick zu versengen drohte.

Er verwirrte sie. Auf der anderen Seite überfiel sie eine vage Ahnung, sie könne sich bei ihm sicher fühlen. Doch schnell verwarf sie den Gedanken wieder. Das war absurd. Dieser Mann ist so sicher wie eine scharfkantige Glasscherbe.

Er lächelte nicht. Doch sein Blick wurde wärmer, und Becca spürte, wie sich sogleich auch in ihr selbst eine Wärme ausbreitete, die leicht zu einer züngelnden Flamme hochlodern konnte.

„Ich bin Theo Markou Garcia“, sagte er in einem Ton, als wäre es für ihn selbstverständlich, dass man ihn kannte. Gewohnt, gefeiert zu werden. „Ich bin der Vorstandsvorsitzende von Whitney Media.“

Whitney Media war das Juwel innerhalb der Whitneygruppe – der Grund, warum sie noch immer den größten Teil ihres gierig zusammengerafften Geldes besaßen und sich in der Lage sahen, neuzeitliche Schlösser wie dieses zu führen. Becca wusste nur sehr wenig über das Unternehmen. Lediglich so viel, dass die Whitneys durch ihre Zeitungsverlage, Kabelkanäle und Filmstudios über viel zu viel Besitz verfügten, zu viel Einfluss ausübten und sich in einer Weise als Halbgötter betrachteten, wie es nur sehr, sehr vermögende Familien konnten.

„Gratuliere“, gab sie trocken zurück und zog die Augenbrauen hoch. „Und ich bin Becca, der Bastard. Tochter der Schwester, deren Namen hier niemand laut auszusprechen wagt.“ Sie schoss einen Blick auf Tante und Onkel ab, in der Hoffnung, sie damit zu verbrennen. „Ihr Name war Caroline, und sie war besser als ihr beide zusammen.“

„Ich weiß, wer Sie sind.“ Seine sonore Stimme übertönte das empörte Schnauben der beleidigten Whitneys. Sie vernahm das Echo in ihrer Brust, und es schien in ihrem ganzen Körper widerzuhallen. „Ich bin jedoch der Ansicht, dass Sie nicht die richtige Frage gestellt haben.“

„Doch, es ging darum, weshalb ich mich vor Ihnen drehen sollte“, konterte Becca, mutig geworden. „Obwohl ich bezweifle, dass Sie mir darauf eine passende Antwort geben könnten.“

„Wie wär’s mit dieser Frage: Was wollen Sie und wie kann ich es erfüllen?“ Er kreuzte die Arme vor der Brust. Das Spiel seiner schlanken Muskeln lenkte Becca derartig ab, dass es ihr schwerfiel, sich auf ihr Gespräch zu konzentrieren.

„Ich möchte meiner Schwester die Ausbildung an einer Elite­universität ermöglichen“, bekannte Becca und sah ihm fest in die Augen. „Mir ist dabei vollkommen egal, woher das Geld kommt. Ich weiß nur, dass ich es allein nicht schaffe.“ Die Ungerechtigkeit, die hinter dieser Feststellung stand, nahm ihr den Atem. Wieso verfügten Bradford und Helen über solch ein Vermögen, während Becca Mühe hatte, ihre Miete zu bezahlen? Es war zum Verrücktwerden.

„Die zweite Frage ist, was wollen Sie dafür geben, um das zu erhalten, was Sie sich wünschen?“, fragte Theo sanft. Sein Blick ruhte eindringlich auf ihr, und Becca wurde das Gefühl nicht los, als seien sie allein in diesem Raum – allein auf der Welt.

„Emily verdient das Allerbeste“, rief Becca verbittert aus. „Ich würde alles tun, damit sie bekommt, was ihr zusteht!“

Becca würde nicht untätig zusehen, wie Emilys Träume zerplatzten. Das hatte sie ihrer Mutter geschworen.

„Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz bei Frauen bewundere ich“, sagte Theo mit grimmiger Bestimmtheit. Dann forderte er sie noch einmal mit einer Handbewegung auf, sich vor ihm zu drehen.

„Es muss schön sein, wenn man so lächerlich reich ist, um sich vier Jahre teurer Ausbildung mit ein paar Drehungen bezahlen zu lassen“, sagte Becca und widerstand der Versuchung, sich auf die Lippen zu beißen. „Aber wer bin ich schon, mich widersetzen zu können?“

„Eigentlich kümmert es mich nicht, wer Sie sind“, erwiderte Theo. Sein Ton wurde schärfer, und Becca realisierte, dass man mit ihm besser nicht streiten sollte. Von wegen sicher fühlen, im Gegenteil. Er war wahrscheinlich der bedrohlichste Mann, dem sie je begegnet war. Sie konnte es in seinen Augen lesen, und diese Wahrheit schnürte ihr die Kehle zu. „Nur Ihr Aussehen ist mir wichtig. Ich möchte Sie nicht noch einmal auffordern müssen. Drehen Sie sich um. Ich möchte Sie sehen.“

Es war nicht zu glauben. Becca folgte tatsächlich seiner Aufforderung. Hitze strömte durch ihre Wangen, doch sie tat wie befohlen.

Beim letzten Mal hatte sie sich konservativ gekleidet, als ginge sie zu einem Bewerbungsgespräch. Die besten Schuhe, ihr kastanienfarbenes Haar sorgfältig zurückgekämmt. Später hatte sie sich für diese Sorgfalt gehasst. Deshalb war es ihr diesmal egal gewesen, was man von ihr hielt. Sie hatte sich für ausgefranste Jeans, abgetragene Motorradstiefel und ein altes T-Shirt unter einem noch älteren Sweatshirt entschieden, dazu einen frechen Pferdeschwanz. Ihre hochnäsige Verwandtschaft war zusammengezuckt, als sie hereinmarschiert kam. Sie war mit sich zufrieden gewesen – bis eben.

Nun wünschte sie sich, sie hätte etwas anderes angezogen. Etwas, das seine Aufmerksamkeit hervorgerufen hätte, nicht dieses höhnische Lächeln auf seinen Lippen. Was ist nur los mit mir? Etwas wackelig vervollständigte sie die Drehung – und traf auf seinen undurchdringlichen Blick.

„Zufrieden?“, fragte sie.

„Zumindest mit dem Rohmaterial“, meinte er brüsk.

„Ich habe gelesen, dass viele Direktoren und Firmenchefs Psychopathen sind“, konterte sie im Plauderton. „Das würde genau auf Sie zutreffen.“

Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Es kam so unerwartet, dass Becca einen Schritt zurück machte.

„Nehmen Sie Platz“, befahl er. „Ich mache Ihnen ein Angebot.“

„Das kann nichts Gutes bedeuten“, erwiderte sie und stemmte die Hände in die Hüften, um ihr Zittern zu verbergen. Und sie blieb stehen, obwohl sie weiche Knie hatte. „Ich komme mir vor wie in einem Gruselfilm. Kein Happy End.“

„Dies ist kein Gruselfilm“, sagte er mit seidenweicher Stimme. „Nur eine etwas ungewöhnliche geschäftliche Transaktion. Erfüllen Sie meine Forderungen, erhalten Sie alles, was Sie sich wünschen.“

„Gut. Dann lassen Sie es uns zu Ende bringen.“ Sie gönnte ihm ein falsches Lächeln. „Wo ist der Haken? Es gibt immer einen Haken.“

Einen Moment lang schwieg er und sah sie nur an. Becca hatte die verrückte Vorstellung, dass er bis in ihr Innerstes blicken konnte.

„Es sind einige Haken dabei“, sagte er mit dunkler Stimme. „Ein paar werden Ihnen nicht gefallen, aber ich denke, Sie werden dabeibleiben, weil Sie immer das Resultat im Auge behalten werden. Und was Sie mit dem Geld machen wollen, das sie bekommen, wenn Sie unsere Forderungen erfüllen. Also vergessen Sie die Haken.“

„Und worum geht es?“ Sie ahnte bereits jetzt, dass dieser Mann sie ruinieren könnte. Es brauchte nicht viel. Noch ein Lächeln. Oder, Gott helfe ihr, eine Berührung.

Sie spürte das Feuer, das zwischen ihnen zu lodern begann, sich um sie schlang wie eine Kette. Wie ein Versprechen.

Mit seinen bernsteinfarbenen Augen sah er sie so eindringlich an, dass ihr der Atem stockte.

„Sie werden mir gehorchen müssen. Ausnahmslos.“

2. KAPITEL

„Ihnen gehorchen?“, wiederholte Becca voller Bestürzung. „Sie meinen wie ein dressiertes Tier?“

„Genau so“, bejahte er. Ihre Augen waren von interessanter Farbe zwischen Braun und Grün. Bei Aufregung verdunkelten sie sich. Das faszinierte ihn. Sie müsste Kontaktlinsen tragen, dachte er, um Larissas smaragdgrüne Augenfarbe zu erzielen. Die Welle des Schmerzes, die ihn bei dem Gedanken durchfuhr, versuchte er zu ignorieren. „Wie ein gehorsamer Hund an meiner Seite.“

Theo wusste nicht, was ihn mehr berührte – ihre Ähnlichkeit mit Larissa oder die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte. Sicher, er hatte Larissa körperlich begehrt, doch nicht so. Er drohte in einem Feuer der Leidenschaft zu versinken, das er nicht mehr kontrollieren konnte.

Diese Becca … bewegte ihn irgendwie. Ihre Weiblichkeit steckte an, selbst jetzt, wo seine Trauer ihn doch davor schützen sollte. Er war Theo Markou Garcia, erschaffen aus stolzem zypriotischem und kubanischem Blut. Er hatte doch schon Erstaunliches vollbracht. Dass er sich hier und heute in dieser Position befand, war der beste Beweis dafür.

Und da er nicht verlieren konnte, konnte er nur gewinnen. Das, was noch zu gewinnen war.

„Was wissen Sie von Ihrer Cousine Larissa?“, fragte er sie in möglichst ruhigem Ton. Ein Schatten flog über Beccas Gesicht, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten, bevor sie in den Taschen der Jeans verschwanden.

„Das, was alle wissen“, gab sie achselzuckend zurück. Theo hätte die Geste für beiläufig halten können, hätte er nicht die Sprache dieser Fäuste verstanden. Einst hatte er in derselben Weise reagiert. Er konnte genau erahnen, was in ihr vorging – in dieser Fremden mit dem Aussehen Larissas. Er wünschte, sie nicht um etwas bitten zu müssen, das ihren Stolz zweifellos verletzen würde. Doch ihm blieb keine Wahl. Schon vor Jahren hatte er seine Seele verkauft. Sollte er jetzt, kurz vor dem Ziel, aufgeben?

Nein!

„Sie ist ohne besonderen Grund so berühmt geworden“, sagte Becca. „Für all ihr Geld hat sie niemals arbeiten müssen. Es gab nie irgendwelche Konsequenzen für ihr schlechtes Verhalten. Und die Klatschblätter sind aus irgendeinem Grund verrückt nach ihr und berichten nur zu gern von ihren Ausschweifungen und all den Partys, die sie feiert.“

„Sie ist eine Whitney“, hörte sie Bradford, den aufgeblasenen Narren, von jenseits des Raumes krächzen. „Wir Whitneys genießen eben eine Sonderstellung …“

„Sie ist ein abschreckendes Beispiel“, schnitt Becca ihrem Onkel das Wort ab. „Jedes Mal, wenn ich mir wünsche, meine Mutter hätte hierbleiben und weiter leiden sollen, um mir ein besseres Leben zu ermöglichen, muss ich nur eines dieser Klatschblätter aufschlagen, um zu wissen, dass mir mein einfaches Leben zehnmal besser gefällt als ein Dasein als nutzloser Parasit wie Larissa Whitney.“

Theo zuckte zusammen. Er merkte, wie Helen einen tiefen Atemzug tat, und ein weiterer rascher Blick zeigte ihm, dass Bradfords Gesichtsfarbe ein alarmierendes Rot angenommen hatte. Nur Becca sah unerschrocken, beinahe triumphierend zu ihm auf.

„Larissa ist vergangenen Freitag vor einem Nachtclub zusammengebrochen“, gab Theo absichtlich kalt bekannt und sah, wie Becca blass wurde. „Jetzt liegt sie im Koma. Es gibt kaum Hoffnung für sie.“

Beccas Mund wurde zu einem Strich. Sie musste einige Male schlucken, wandte den Blick aber nicht von ihm ab.

„Das tut mir leid“, sagte sie ruhig. „Ich wollte nicht gefühllos klingen.“ Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, wirkte sie unsicher. „Ich verstehe nur nicht, warum ich hier bin.“

„Sie sehen ihr so ähnlich, dass man Sie für Larissa halten könnte“, erklärte Theo. „Deshalb sind Sie hier.“

Und weil es keinen Grund gab, sich im Schmerz zu suhlen oder in der Vergangenheit haften zu bleiben. Es gab nur die Zukunft für ihn und das, was jetzt zu geschehen hatte. Er hatte Whitney Media alles gegeben. Es wurde Zeit, ihr Eigner zu werden, nicht nur Angestellter zu sein. Könnte er Larissas Mehrheitspaket übernehmen, würde sich damit für ihn auf einen Schlag der amerikanische Traum erfüllen. Vom Tellerwäscher zum Millionär, so wie er es seiner Mutter versprochen hatte, bevor sie starb. Vielleicht nicht ganz so, wie er es geplant hatte, aber beinahe. Auch ohne Larissa.

„Man soll mich für Larissa halten?“ Becca konnte sich keinen Reim auf seine Worte machen.

„Larissa hält ein Aktienpaket von Whitney Media“, rief Bradford von seinem Platz auf der Couch herüber. Er klang kalt, als ginge es nicht um seine einzige Tochter. „Kurz nach ihrer Verlobung mit Theo …“

Beccas Blick flog zu Theo, der nicht einmal eine Braue hob.

„Ich dachte, sie ist mit diesem Schauspieler zusammen gewesen“, sagte Becca. „Der all den Models und Erbinnen hinterherläuft.“

„Sie sollten nicht alles glauben, was in der Presse steht“, entgegnete Theo wegwerfend. Er wunderte sich selbst, dass er immer noch versuchte, Larissa zu verteidigen. Wenn es nicht dieser Schauspieler gewesen wäre, dann ein anderer Mann.

„Larissa schenkte Theo einen Anteil ihres Aktienpakets“, rief Bradford. „Das sollte sein Interesse am Unternehmen fördern. Ein Hochzeitsgeschenk, sozusagen.“

„Ich denke, man nennt das eine Mitgift“, kommentierte Becca. Widerwille und Trotz standen in ihrem Blick. „Seltsam, heutzutage.“

„Es war einfach ein Geschenk“, sagte Theo mit ungewollt unsicherer Stimme. Als ob ihre Meinung zählen würde. „Keine Mitgift.“ Noch nie hatte er sich für seine Wünsche entschuldigen müssen, gleich, welcher Art sie waren. Er würde nicht jetzt damit anfangen.

„Die Bedingungen wurden in einem Ehevertrag festgelegt“, fuhr Bradford fort. „Die Wertpapiere sollten Theo am Hochzeitstag zufallen oder im schlimmsten Fall bei ihrem Tod. Doch wir haben Grund zu der Annahme, dass sie ihren Letzten Willen in den letzten Wochen geändert hat.“

„Warum hätte sie das tun sollen?“, fragte Becca nach. Sie blickte von Bradford zu Theo und zurück. Ihr Urteil stand fest. Offenbar wegen dir, drückte ihre Miene aus.

„Meine Tochter wurde über lange Zeit von recht zweifelhaften Gestalten ausgenutzt“, bekannte Bradford. Es war das erste Mal seit dem Anruf am Freitagabend, dass Theo ihn in einem fast väterlichen Ton von seiner Tochter sprechen hörte. Von jedem anderen wäre es glaubhafter gewesen … „Es gibt einen gewissen Taugenichts, der alles versuchen würde, um an Larissas Wertpapierdepot zu kommen.“

„Und hier kommen Sie ins Spiel“, sagte Theo. Er war nahe genug, um das ärgerliche Blitzen in Beccas Augen zu erkennen. Nahe genug auch, um seine eigene Reaktion zu spüren. Sex, dachte er. Es geht um Sex! Er hätte das unter diesen Umständen nie und nimmer erwartet.

„Wie soll das funktionieren?“, fragte sie in kühlem Ton. „Was soll ich dabei, wo die Situation auch so schon mehr als kompliziert erscheint?“

Autor

Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
Mehr erfahren