Fellnasen für immer - Sechs romantische Geschichten über Engel auf vier Pfoten (6-Teilige Serie)

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Als ein Tierheim in North Carolina bei einem verheerenden Sturm zerstört wird, kommen Freiwillige zusammen, um den beiden Besitzerinnen beim Wiederaufbau zu helfen. Dabei finden sie nicht nur neue (pelzige) Freunde, sondern auch die große Liebe.

Freuen Sie sich auf folgende Titel der Serie in diesem E-Book-Bundle:

  • "Schicksalsbote auf süßen Pfoten" von Melissa Senate
  • "Ein verführerischer Single" von Teri Wilson
  • "Lass dein Herz von der Leine!" von Stacy Connelly
  • "Dad sucht Nanny für immer!" von Karen Rose Smith
  • "Vertrauen, Liebe, Happy End?" von Kathy Douglass
  • "Können Beachboys treu sein?" von Christy Jeffries

  • Erscheinungstag 10.02.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513845
  • Seitenanzahl 960
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Melissa Senate, Teri Wilson, Stacy Connelly, Karen Rose Smith, Kathy Douglass, Christy Jeffries

Fellnasen für immer - Sechs romantische Geschichten über Engel auf vier Pfoten (6-Teilige Serie)

IMPRESSUM

Schicksalsbote auf süßen Pfoten erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2018 by Harlequin Books, S. A.
Originaltitel: „A New Leash On Love“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 86
Übersetzung: Stephanie Thoma-Kellner

Umschlagsmotive: brandon,www.ballenphotography.com

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2021

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751508537

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

In seinem Zwinger im Tierheim des Vereins „Fellknäuel fürs Leben“ bearbeitete ein dreibeiniger Labradormischling mit grauer Schnauze gerade ein Kauspielzeug. Der Hund erinnerte Matt Fielding an ihn selbst. Das Tier war groß und kräftig, genau wie Matt mit seinen eins fünfundachtzig und den Muskeln, die er sich im Dienst bei der United States Army antrainiert hatte. Matt fehlte zwar kein Bein, aber er war gefährlich nah an einer Amputation gewesen, nachdem er durch eine Sprengfalle schwer verletzt worden war. Vor drei Monaten war er aus gesundheitlichen Gründen ausgemustert worden und hatte seither seine Zeit auf dem Stützpunkt mit Reha verbracht. Jetzt hinkte er nur noch ein bisschen. Doch um sich vor den Zwinger des alten Hundes zu knien, hatte er gut fünfzehn Sekunden gebraucht.

Ich würde dich am liebsten sofort mitnehmen, Hank, dachte er und betrachtete das Schild am Zwinger. Matt hatte Mitleid mit dem alten Knaben, der hier zwischen einem alten und einem neuen Zuhause festsaß – genau wie Matt. Aber seine Schwester würde ihn umbringen, wenn er ihr schickes Haus mit einem riesigen, alten Hund im Schlepptau betreten würde. Und jetzt bei ihr in Ungnade zu fallen, war keine gute Idee.

Denn er hatte seinen Befehl – und der lautete, für seine geliebte Nichte Ellie, die achtjährige Tochter seiner Schwester, einen passenden Hund zu finden. „Passend“ war natürlich relativ. Der alte Hank rührte zwar Matts Herz, aber er war nicht hier, um einen Hund für sich zu finden. Haustiere stellten eine Verpflichtung dar und sie brauchten ein Zuhause. Er war sechsunddreißig Jahre alt, und sein Leben hing völlig in der Luft. Bis vor drei Monaten hatte er nur für die Armee gelebt. Jetzt war er Zivilist. Und hinkte.

Zum ersten Mal seit fünf Jahren war er wieder in Spring Forest, seiner Heimatstadt in North Carolina. Die kleine Ellie hatte zur Begrüßung für ihn salutiert, und er hatte sie hochgehoben und umarmt. Aber im Gästezimmer seiner Schwester zu wohnen war nicht ideal. Er musste sich überlegen, was er als Nächstes tun sollte.

Im Augenblick war das jedoch, sich auf seine Mission zu konzentrieren.

Also, zurück zum Thema passender Hund.

„Hank ist einer meiner Lieblinge“, sagte eine Frau, und Matt zuckte zusammen.

Er kannte diese Stimme. Er schaute auf. Keine vier Meter von ihm entfernt stand Claire Asher.

Claire.

Dem Ausdruck ihres wunderhübschen Gesichts nach zu urteilen, hatte sie ihn nicht erkannt. Einen Augenblick lang brachte er keinen Ton heraus. Er konnte sie nur ansehen, während es ihm Brust und Kehle zuschnürte. So viele Nächte hatte er in den letzten achtzehn Jahren damit verbracht, an sie zu denken, sich zu fragen, wo sie steckte, ob sie glücklich war. Die Erinnerung an sie hatte ihm geholfen, schlimme Zeiten durchzustehen. Und jetzt stand sie vor ihm.

Sie hatte eine Leine in der Hand, und ein großer, zimtbrauner Hund stand neben ihr. Vielleicht ein Boxer, überlegte Matt. Es war einfacher, sich auf den Hund zu konzentrieren als auf die Frau – die ihn jetzt so schockiert anstarrte, wie er sich fühlte.

„Matt?“, fragte sie verblüfft.

Der Hund neben ihr legte den Kopf schräg. Seine dunkelbraunen Schlappohren fielen zur Seite.

Er nickte und stand auf. Dafür brauchte er wieder gut fünfzehn Sekunden. „Ich bin hier, um einen Hund für meine Nichte zu finden.“ In seinen Gedanken sagte er: Du siehst fantastisch aus. Wie geht es dir? Ich habe dauernd an dich gedacht. Was machst du hier? Ich habe dich vermisst.

„Ellie“, sagte sie zu seiner Überraschung. „Manchmal treffe ich deine Schwester in der Stadt.“

Er nickte. Sein Blick fiel auf ihre Hand. Kein Ring. Hatte er nicht mal gehört, dass sie geheiratet hatte?

„Du siehst toll aus, Claire.“ Das tat sie wirklich. Groß und so schlank wie auf der Highschool war sie immer noch die Claire Asher, an die er sich erinnerte – und die er nie vergessen würde. Ihr seidiges, hellblondes Haar ging ihr nur noch bis zur Schulter. In den Winkeln ihrer grünen Augen deuteten feinste Fältchen an, wie viele Jahre vergangen waren. Das letzte Mal, als er Claire gesehen hatte, war sie siebzehn gewesen. Jetzt war sie fünfunddreißig.

„Hast du gerade Urlaub?“, fragte sie.

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin jetzt Zivilist. Ich bin erst seit gestern wieder in der Stadt. Fürs Erste wohne ich bei meiner Schwester. Darum bin ich auch hier. Sie und ihr Mann haben Ellie zum Geburtstag einen Hund versprochen. Also habe ich Laura angeboten, mich mal umzusehen. Ich habe viel Gutes über ‚Fellknäuel fürs Leben‘ gehört, als ich mich nach Tierheimen hier in der Gegend erkundigt habe.“

„Es ist wirklich etwas ganz Besonderes. Ich bin ehrenamtliche Helferin hier.“ Sie tätschelte den Hund an ihrer Seite. „Das hier ist Dempsey, mein Pflegehund.“ Sie lächelte – ihr wunderschönes Lächeln, das ihn früher ganz verrückt gemacht hatte. „Du hättest gestern oder heute Morgen kommen sollen“, sagte sie. „Samstag und Sonntag halten wir immer eine Adoptionsveranstaltung ab. Dieses Wochenende haben vier Welpen, fünf Hunde und fünf Katzen ein Zuhause gefunden.“

„Dann sind die Hunde in diesen Zwingern nicht adoptiert worden?“, fragte er und musterte Hank, der immer noch auf seinem Gummiknochen rumkaute.

„Dieses Wochenende nicht. Manchmal dauert es eine Weile, bis alles passt. Das ist das Wichtigste – es muss einfach alles stimmen, für das Tier und die Familie.“

Er nickte. „Habt ihr was Passendes für ein achtjähriges Mädchen da? Ihre Bedingungen sind: ‚super süß, verschmust und keine Bedrohung für meine Stofftiersammlung‘.“

Claire lachte. „Komm mit.“ Sie führte ihn bis ans Ende der Zwinger. Im letzten rannte ein Welpe im Kreis und versuchte, seinen eigenen Schwanz zu fangen. Dabei bellte der junge Hund lautstark.

„Meine Ohren“, sagte Matt lächelnd. Der Welpe erfüllte definitiv die Bedingung „süß“. Laut Beschreibung handelte es sich bei der kleinen Hündin um einen fünf Monate alten Spanielmischling. Sie war kastanienbraun und weiß, mit langen Schlappohren und krausem Fell. Ellie würde verrückt nach ihr sein.

„Genau darum ist sie noch hier. Bei beiden Adoptionsveranstaltungen hat sie zwanzig Minuten ununterbrochen gebellt. Sie ist aber erst seit ein paar Tagen im Tierheim. Eine andere Helferin und ich haben schon mit ihr gearbeitet. Sie braucht nur ein bisschen Hundeschule. Sie ist echt süß.“

Und laut, dachte Matt. Und … lebhaft. „Hört sie jemals auf, sich im Kreis zu drehen?“

Claire lachte wieder. „Ja. Mit Erdnussbutterleckerlis kann man sie dazu bringen, fast alles zu tun.“

„Wäre sie die Richtige für Ellie?“, fragte er. „Meine Schwester hat es gern ruhig und ordentlich. Ich glaube, sie will einen alten Hund im Körper eines Welpen.“

„Junge Hunde kann man erziehen. Aber Welpen sind Welpen – kleine Kinder. Sie machen Lärm, sind sehr aktiv und sie beißen in Schuhe.“

„Soweit ich weiß, hat Ellie noch nie in einen Schuh gebissen.“

Claire lachte und berührte seinen Arm. Es war nur eine beiläufige Geste, aber die Berührung sorgte dafür, dass ein Blitz ihn durchfuhr. Hier neben ihr zu stehen, mit ihrer Hand auf seinem Arm, das fühlte sich an, als ob sie nie miteinander Schluss gemacht hätten. Sie könnten jetzt Claire und Matt sein, die seit ihrer Schulzeit ein Paar waren, verheiratet mit vier Kindern, vier Hunden und vier Katzen – wie es Claire sich immer gewünscht hatte.

Im Lauf der Jahre hatte sich Matt manchmal spät nachts Vorwürfe gemacht, weil er die Beziehung mit Claire beendet hatte. Er hatte ihr erklärt, dass er sich darauf konzentrieren musste, der beste Soldat zu sein, der er nur sein konnte. Dabei hatte er es belassen. Auch wenn ihr Schmerz ihn beinahe dazu gebracht hätte, die Wahrheit zu sagen: dass er nicht gut genug für sie war und nie gut genug für sie sein würde; ein Hindernis, wenn sie ihren großen Traum wahrmachen wollte, in die Großstadt zu ziehen. Matt war nicht der Typ fürs Großstadtleben und er hatte vorgehabt, sein Leben lang Berufssoldat zu bleiben. Jetzt wusste er nicht mehr, wer oder was er war. Und in Spring Forest erkannte er sich selbst nicht mehr wieder. Hier gehörte er definitiv nicht hin.

Konzentrier dich auf deine Mission, befahl er sich. „Ich glaube, meine Schwester will vom Temperament her eher so was wie Dempsey“, sagte Matt und deutete auf Claires Pflegehund. Die Hündin saß da und reagierte überhaupt nicht auf den Wirbel um sie herum.

„Dempsey ist ein Schatz“, sagte Claire. „Man hat sie vor ein paar Monaten angebunden vor einem verlassenen Haus gefunden. Ich glaube, sie hatte noch nie ein richtiges Zuhause. Ich musste viel mit ihr arbeiten. Jetzt ist sie so weit, adoptiert zu werden, aber sie wird immer übergangen.“ Sie kraulte die Hündin am Hals.

Matt kannte Claire vielleicht nicht mehr, aber jeder konnte sehen, wie sehr sie diesen Hund liebte.

„Kannst du sie nicht behalten?“

„Ich will alle Hunde behalten, die ich in Pflege nehme. Aber das ist nicht meine Aufgabe“, erklärte sie. „Mein Job ist es, Hunde darauf vorzubereiten, ein gutes Zuhause zu finden. Wenn ich jeden Pflegehund behalten hätte, dann hätte ich inzwischen mehr als zwanzig.“

„Es muss schwer sein, sie loszulassen“, sagte er. „Hängst du nicht sehr an ihnen?“

„Absolut“, sagte sie. „Aber weil wir uns so viel Mühe mit ihnen geben, weiß ich, dass sie ein wunderbares Zuhause haben werden.“ Sie kraulte den Boxermischling wieder. Die Hündin schaute mit so viel Vertrauen zu ihr auf, dass sogar Matts ramponiertes Herz weich wurde.

„Einen Hund zu finden ist schwieriger, als ich dachte“, sagte Matt.

„Wir haben noch ein paar andere Welpen da, die deiner Nichte gefallen könnten. Vielleicht kannst du Ellie ja morgen mal mitbringen“, schlug Claire vor.

„Es ist toll, dass du so viel deiner Zeit opferst“, sagte er. „Wann sollen wir vorbeikommen?“

„Ich bin um drei mit dem Unterricht an der Middle School fertig, also schaffe ich es normalerweise bis um halb vier, hier zu sein.“

Also war sie tatsächlich Lehrerin geworden. Das war immer ihr Traum gewesen. Aber damals auf der Highschool wollte sie Spring Forest verlassen, um die Welt zu sehen. „Das geht“, sagte er. „Dann sehen wir uns morgen.“

Eine Sekunde lang sahen sie sich an. Sie rührten sich nicht. Er wünschte, er könnte sie in seine Arme ziehen und ihr sagen, wie schön es war, sie zu sehen. Er hatte sie so vermisst und hatte das nicht einmal gewusst. Wahrscheinlich war das auch gut so. Denn er hatte ihr nichts zu bieten.

Nachdem er Dempsey zum Abschied getätschelt hatte, konnte er sich keinen Reim darauf machen, wie er so erleichtert sein konnte, hier zu verschwinden, und sich gleichzeitig so darauf freute, morgen wiederzukommen.

Vor Hanks Zwinger blieb er stehen. Das Leben ist ganz schön hart, nicht wahr, mein Junge?

Hank legte den Kopf schief. Matt deutete das als Nicken.

Um wieder zu sich zu kommen, ging Claire mit Dempsey in den eingezäunten Garten. Zum Glück war außer ihr niemand da. Sie ließ Dempsey von der Leine und beobachtete, wie die Hündin auf dem Rasen herumrannte.

Matt Fielding. Es hieß ja, dass man die erste große Liebe nie vergisst. Auf Claire traf das jedenfalls zu. Sie hatte geglaubt, dass er der Mann war, den sie heiraten und mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde. Aber dann machte er direkt nach dem Schulball mit ihr Schluss.

Später hatte ihr erster Freund auf dem College ihr einen Heiratsantrag gemacht. Vielleicht war es die Aussicht auf Sicherheit, dass sie sofort Ja gesagt hatte, auch wenn sie ihn nie so geliebt hatte wie Matt. Aber nach fünf Jahren Ehe musste sie herausfinden, dass ihr Mann sie betrog und sich in eine andere verliebt hatte. Jetzt lebte sie allein in dem Haus in Kingdom Creek. Ohne Mann. Ohne die Kinder, über die sie geredet hatten. Und ohne die Hunde, die sie bei sich aufnehmen wollten.

Das Verrückteste war jedoch, dass ihre Schwester erst letzte Woche zu ihr gesagt hatte, ihr Problem wäre, nie wirklich über Matt hinweggekommen zu sein. Also sollte sie sich nach einem Mann umsehen, der so aussah wie er. Groß und muskulös, mit blauen Augen und dunklem Haar. Matt sah so gut aus und war einfach so … heiß, dass nur wenige Männer ihm auch nur ansatzweise das Wasser reichen konnten. Aber anscheinend hatte ihre Schwester einen aufgetrieben und für diesen Abend ein Date zu viert organisiert.

Einerseits wollte Claire absagen. Andererseits kam ihr eine Verabredung gerade recht. Claire wollte eine Beziehung – sie wollte Liebe und sie wollte einen Mann fürs Leben. Sie wollte ein Kind. Aber mit fünfunddreißig war sie kein junges Ding mehr.

„Wie konnte alles nur so schieflaufen, Dempsey?“, fragte sie die Hündin, die mit einem halb zerkauten Tennisball im Maul zu ihr kam. Sie warf den Ball. Dempsey jagte ihm nach.

Sie warf den Ball noch ein paarmal, bevor sie den Hund zum Spielen im Garten ließ, während sie wieder reinging, um beim Putzen der Zwinger zu helfen, die jetzt leer standen, nachdem ihre Bewohner adoptiert worden waren.

Als sie hereinkam, waren Birdie und Bunny Whitaker schon eifrig bei der Arbeit mit Desinfektionsmittel und Wasserschlauch. Claire mochte die beiden über sechzigjährigen Schwestern unheimlich gern – die vernünftige Birdie und die verträumte Bunny. Die beiden lebten zusammen in einem wunderschönen Farmhaus hier in Whitaker Acres, auf demselben Grundstück, auf dem sich auch das Tierheim befand. Zuerst hatten sie sich privat um herrenlose Hunde und Katzen gekümmert. Als das finanziell zu viel für sie wurde, hatten sie vor fast zwanzig Jahren „Fellknäuel fürs Leben“ als gemeinnützigen Verein gegründet. Neben den Hunden und Katzen hielten die Schwestern noch Ziegen, Schweine, Gänse und sogar ein paar Lamas auf ihrem Grundstück.

„Wer war denn der äußerst gut aussehende Mann, der vorhin hier war?“, fragte Bunny mit einem verschmitzten Lächeln, als sie anfing, einen Zwinger auszufegen. „Der war wirklich was fürs Auge.“

„Ich bin überrascht, dass du nicht gleich hingerannt bist, um zu fragen, wie du ihm helfen kannst“, sagte Birdie zu ihrer verzückten Schwester, während sie ihren Mopp auswrang.

„Also, das wollte ich ja“, sagte Bunny. „Aber dann habe ich gesehen, dass Claire gerade reingekommen war, und habe beschlossen, ihn ihr zu überlassen. Glaub mir, wenn ich nur zehn Jahre jünger wäre …“

Claire lachte, als Birdie wieder den Kopf schüttelte. Keine der beiden Schwestern hatte je geheiratet. Aber Claire wusste, dass Bunny Anfang zwanzig verlobt war und ihr Verlobter bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. Birdie sprach nie über ihr Liebesleben.

Aber ganz egal wie viel oder wie wenig Erfahrung die Whitaker-Schwestern in Liebesdingen hatten, sie hatten beide jede Menge Lebensweisheiten zu bieten – Birdie mit ihrem gesunden Menschenverstand und Bunny mit ihrem großen Herz.

Darum würde Claire jetzt ehrlich sein.

„Das war der Mann, der mir am Ende meiner Schulzeit das Herz gebrochen hat“, sagte sie. „Matt Fielding. Ich habe sechs Monate ununterbrochen geheult.“

„Und dann hast du den ersten Kerl geheiratet, der dich um eine Verabredung gebeten hat“, sagte Birdie mit einem verständnisvollen Blick.

„Richtig“, sagte Claire, während sie Desinfektionsmittel auf die Gitterstäbe eines Zwingers sprühte und sie mit einem sauberen Tuch abwischte. „Aber für mich besteht noch Hoffnung. Ratet mal, wer heute Abend ein Blind Date hat? Meine Schwester und ihr Mann haben das arrangiert.“

„Oh“, sagte Bunny. Ihre blauen Augen funkelten. „Wie aufregend. Könnte ja der Mann deiner Träume sein.“

Birdie verzog das Gesicht. „Blind Dates sind normalerweise furchtbar.“

Claire lachte. „Also, wenn die Verabredung mich von der Tatsache ablenkt, dass meine erste große Liebe wieder in der Stadt ist? Dann reicht mir das völlig.“

„Oh, Mann“, sagte Birdie und stützte sich auf den Mopp. „Da ist jemand immer noch nicht über seine Jugendliebe hinweg.“

„Oje“, stimmte Bunny zu.

Und bevor Claire sagen konnte, dass sie das selbstverständlich doch war, fing der süße kleine Spaniel an, wie wild zu jaulen.

„Da will jemand sein Abendessen“, sagte Birdie. „Und zwar sofort.“

„Ich bin heute mit dem Füttern dran“, sagte Claire, verstaute das Desinfektionsmittel und ließ den Lappen in den Wäschekorb fallen. „Wenn ich euch zwei nicht mehr sehe, noch mal herzlichen Glückwunsch zu einem tollen Erfolg bei der Adoptionsveranstaltung heute.“

„Es war ein guter Tag“, sagte Bunny. „Und viel Glück für deine Verabredung.“

Claire lächelte. „Wer weiß? Vielleicht ist er ja wirklich der Mann meiner Träume.“

So oder so, Matt Fielding war das nicht. Ganz egal, ob sie ihm immer noch nachtrauerte oder nicht. Die siebzehnjährige Claire war bis über beide Ohren in ihn verliebt gewesen. Aber jetzt war sie fünfunddreißig, geschieden, und ihre biologische Uhr tickte.

Sie ging sie zur Tür, um die Futterschüsseln zu füllen und Medikamente in die Portionen zu schmuggeln, wo das nötig war.

„Ach, Claire“, sagte Birdie. „Noch ein guter Rat. Frag den Mann gleich in den ersten fünf Minuten, ob er Hunde mag. Wenn er Nein sagt, weißt du sofort, dass er nicht der Richtige ist.“

Bunny neigte den Kopf zur Seite. „Also, Birdie. Nicht alle Menschen lieben Tiere so wie wir.“

„Claires Traummann schon“, erklärte Birdie. „Da führt kein Weg dran vorbei. Wenn der Typ sagt, dass Hunde Nervensägen sind, kann sie ihn den Rest des Abends ignorieren.“

Claire lächelte. Birdie Whitaker hatte, wie meistens, absolut recht.

Matt hielt seine Nichte an der Hand, als sie abends den Main Street Grille betraten. Der Geruch von Burgern und Fish & Chips erinnerte ihn daran, wie hungrig er war. Seine Schwester Laura und ihr Mann Kurt hatten darauf bestanden, ihn zum Essen einzuladen, um seine Heimkehr zu feiern.

„Wir lieben diesen Laden hier“, sagte Laura, als die Bedienung sie zu einem Vierertisch am Fenster führte. „Tagsüber ist das eher ein Diner, aber abends wird daraus ein Pub. Angeblich ist das hier genau das richtige Ambiente für Dates.“

Matt sah sich im Restaurant um. Es waren eindeutig eine Menge Pärchen da.

Und, oh verdammt, war das etwa Claire?

Ganz offensichtlich hatte sie ein Date.

Er wandte sich ab, um sie nicht anzustarren. Als er sich setzte, riskierte er noch einen Blick. Es war tatsächlich Claire. Sie saß neben ihrer Schwester Della, gegenüber von zwei Männern. Der Typ gegenüber von Claire sah schick aus. Er hatte sein Haar zurückgegelt und trug eine modische Brille. Und er brachte Claire zum Lachen.

Verdammt. Früher hatte er Claire Asher zum Lachen gebracht.

Wenigstens ist sie glücklich, sagte er sich.

„Was nimmst du, Onkel Matt?“, fragte Ellie. „Ich will Nudeln mit Käse. Nein. Den Burger. Nein, Nudeln mit Käse. Oder soll ich Spaghetti mit Hackfleischbällchen essen?“

Er wandte seine Aufmerksamkeit seiner Nichte zu. Das arme Ding trug einen unglaublich schiefen rotblonden Zopf, aus dem ulkige Haarbüschel hervorstanden. Ellie hatte ihn gebeten, sie für das „Galadinner“ schön zu machen, und Laura hatte ihm gezeigt, wie das ging. Als er fertig war, musste seine Schwester fluchtartig den Raum verlassen, um nicht vor Lachen herauszuplatzen. Aber Ellie hatte erklärt, dass ihr Zopf einfach perfekt war.

„Also, ich weiß, dass du am liebsten Nudeln mit Käse isst“, sagte er. „Und weil heute ein besonderer Abend ist, denke ich, dass du dein Lieblingsgericht nehmen solltest.“ Matt zwang sich, die Speisekarte und nicht Claire anzusehen.

Aber sie sah einfach so verdammt hübsch aus. Ihre rosaroten Lippen glänzten, und ihr hellblondes Haar fiel ihr geschmeidig auf die Schultern.

„Das stimmt“, sagte seine Schwester und lächelte Ellie zu. „Heute Abend ist wirklich etwas Besonderes – wir feiern Onkel Matts lang ersehnte Heimkehr.“

Das ließ ihn aufhorchen. War das ein Grund zum Feiern? Mit sechsunddreißig im Gästezimmer seiner Schwester zu hausen? Ohne einen Plan, was er machen sollte? Meine Familie zu besuchen, während ich darüber nachdenke, ist vernünftig, ermahnte er sich. Natürlich hatte er Ideen. Und Fähigkeiten. Aber er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, so plötzlich in ein ganz anderes Leben gestoßen.

„Du bist ein Held. Vergiss das nicht“, hatte seine Schwester zu ihm gesagt. „Du gewöhnst dich ein und baust dir ein neues Leben auf – hoffentlich hier in der Stadt.“

Wo er dauernd Claire Asher über den Weg laufen würde? Auf keinen Fall. Am ersten Tag in Spring Forest hatte er sie jetzt schon zweimal gesehen. Das konnte er sich nicht jeden Tag antun. Aber bis er wusste, was er mit sich anfangen sollte, musste er wohl oder übel hierbleiben.

An der Speisekarte vorbei warf er Claire noch einen Blick zu. Oh, bitte. Jetzt ließ ihr Verehrer sie auch noch kosten. Als Claire lächelte und sich vorbeugte, spürte Matt, wie es ihm den Magen zusammenzog.

Er würde Ellie helfen, ihren Hund zu finden. Danach würde er die Stadt verlassen. Er würde nie herausfinden, wie er den Rest seines Lebens verbringen sollte, wenn er Claire dauernd begegnete – und wenn er nicht aufhören konnte, an sie zu denken.

Verdammt.

Jetzt lachte sie auch noch über irgendwas, das der Schnösel gesagt hatte.

Na, toll. Heute Abend war wirklich ein Fest.

Claires Date mochte Hunde. Liebte sie sogar. Er – Andrew, fünfunddreißig, geschieden, zwei Kinder, für die er mit seiner Ex-Frau das gemeinsame Sorgerecht hatte – hatte sogar einen eigenen Hund, einen gelben Labrador namens Sully.

Und Andrew war sehr attraktiv. Ihre Schwester hatte keine Witze gemacht, als sie behauptet hatte, dass er Matt ein bisschen ähnelte. Sie hatten eine ähnliche Haar- und Augenfarbe: dunkles Haar und blaue Augen. Dazu eine große Nase und ein kantiges Kinn. Beide Männer schafften es, elegant und rau zugleich zu wirken.

Andrew war charmant und nett und aufmerksam. Er stellte Fragen über ihren Job als Lehrerin. Er zeigte ihr Fotos von seinen Kindern und strahlte vor Stolz dabei.

Das Problem war nur, ganz egal wie wundervoll er zu sein schien, Claire hatte null Gefühle für ihn. Die Chemie zwischen ihnen stimmte einfach nicht. Sie war nicht daran interessiert, ihn besser kennenzulernen. Und die Vorstellung, ihn zu küssen, ließ sie kalt.

Wie unfair! Und sie wusste genau, warum dieser Mann keinerlei Wirkung auf sie hatte.

Denn die letzten paar Stunden hatte sie nur an Matt gedacht. Wie hätte sie das vermeiden sollen? Sie hatte ihn fast zwanzig Jahre lang nicht gesehen, und dann war er auf einmal wieder da. Unglaublich.

Sie war den Abend mit dem Vorsatz angegangen, sich die Verabredung nicht dadurch verderben zu lassen. Also hatte sie sich mehr Mühe als sonst mit Frisur, Make-up und Outfit gegeben. Als ob sie sich zwingen wollte, ihrem Date eine echte Chance zu geben.

Doch jetzt wollte sie nur noch nach Hause, um in einem heißen Schaumbad ein Glas Chardonnay zu trinken und zu entspannen. Um mit den Erinnerungen an Matt fertigzuwerden. An die erste Begegnung. Den ersten Kuss. Als er sich ihr geöffnet und von seinem älteren Bruder erzählt hatte, der aus Afghanistan nicht zurückgekommen war.

„Also, ich hoffe, wir können noch irgendwo was trinken gehen“, sagte Andrew, der darauf bestanden hatte, für alle zu zahlen, als er den Kreditkartenbeleg unterzeichnete. Er warf Claire ein hoffnungsvolles Lächeln zu.

Claires Schwester stand auf, und ihr Mann folgte ihrem Beispiel. „Wir müssen morgen ziemlich früh raus. Aber zieht nur los, ihr zwei.“ Sie warf erst Claire und dann Andrew einen Blick zu.

Claire konnte förmlich hören, wie Della sie in Gedanken anschrie: Wag es ja nicht, jetzt Mist zu bauen! Schlag dir Matt Fielding in dieser Sekunde aus dem Kopf! Andrew hat einen Hund, der Sully heißt!

Doch trotz Hund, trotz allem, schaffte sie es nicht, sich Matt aus dem Kopf zu schlagen. Sie wollte nichts trinken gehen, wollte diese Verabredung nicht in die Länge ziehen. Sie wich dem bösen Blick ihrer Schwester aus und sah sich im Restaurant auf der Suche nach einer Ausrede um. Sie lächelte einer ehemaligen Schülerin zu und dann einem Pärchen, das vor ein paar Wochen im Tierheim zwei Kätzchen adoptiert hatte. Und dann gefror ihr das Lächeln auf den Lippen, als ihr Blick an einem schiefen, rotblonden Zopf hängen blieb. Einen ganz ähnlichen Zopf – wenn auch sehr ordentlich geflochten – hatte sie vor ein paar Monaten an Matts Nichte gesehen, als sie seine Schwester und Ellie zufällig im Supermarkt getroffen hatte.

Oh Gott, bitte mach, dass ich nicht gleich Matt vor mir sehe.

Aber da war er. Und jetzt starrte er sie an. Mit einem äußerst finsteren Blick.

„Das ist ja jetzt wohl ein Scherz“, zischte ihre Schwester ihr ins Ohr, als sie zur Tür gingen – und auf Matts Tisch zu. „Kein Wunder, dass du so abgelenkt warst.“

„Um ehrlich zu sein, habe ich ihn erst vor ein paar Sekunden bemerkt“, gab Claire zu. Wenn sie die ganze Zeit gewusst hätte, dass er da war, hätte sie sich in der Toilette versteckt.

„Claire!“, sagte Matts Schwester mit einem überraschten Lächeln.

Claire blieb stehen, während die anderen zur Garderobe vorgingen, um ihre Jacken zu holen. Ihre Schwester bedeutete ihr mit heftigen Gesten, dass sie nachkommen sollte.

„Ich habe gehört, dass ich dir ein riesiges Dankeschön schulde, Claire!“, sagte Laura gerade. „Matt hat erzählt, dass er dich bei ‚Fellknäuel fürs Leben‘ getroffen hat und dass du Ellie morgen helfen wirst, einen Hund zu finden.“

Claire warf Matt einen Blick zu, der mit ausdrucksloser Miene dasaß.

„Ich bin so aufgeregt, dass ich gleich platze“, sagte Ellie. Ihre grünbraunen Augen strahlten. „Danke, dass du mir hilfst! Ich kann es gar nicht abwarten, die Hunde zu sehen!“

Ahh, Ellie war einfach ein süßes Kind. „Ist mir ein Vergnügen“, sagte Claire.

„Aber denkt an die Regeln!“, sagte Laura und musterte Matt und Ellie mit hochgezogener Augenbraue. „Der Hund muss stubenrein sein. Und ein Welpe muss die wichtigsten Kommandos beherrschen. Oh – und kein Hund, der größer wird als mittelgroß.“

Oje, dachte Claire. Da hab ich ja was vor mir.

Erfüllte ein Welpe all diese Voraussetzungen? Die kleine Spanieldame jedenfalls nicht. Sie hatte erst an diesem Morgen auf Claires Fuß gepinkelt. Allerdings würde sie ausgewachsen tatsächlich nur mittelgroß sein. Die anderen drei Bewerber waren zwar stubenrein, aber zwei von ihnen würden riesig werden. Und zuverlässig auf das Kommando „Sitz“ zu hören, überforderte alle vier.

„Dein Date wartet“, knurrte Matt.

Ihre Schwester gestikulierte immer noch heftig, während Claire noch mal in die Runde lächelte und dann hastig zu ihren Begleitern aufschloss.

Als Andrew ihr die Tür aufhielt, wagte sie es, einen Blick zurück und auf Matt zu werfen.

In diesem Augenblick sah er sie an. Sein Gesichtsausdruck war jetzt leichter zu deuten. Er war eifersüchtig!

Aber er war es doch gewesen, der damals mit ihr Schluss gemacht hatte! Um sein Leben nur nach seinen Vorstellungen zu leben.

„Also, wie sieht’s aus?“, fragte Andrew, als er ihr in den Mantel half. „Noch ein Drink auf den Heimweg?“

„Um ehrlich zu sein, habe ich gerade so etwas wie ein Gespenst gesehen“, sagte sie und überraschte sich selbst mit ihrer Aufrichtigkeit. „Ich glaube, da sage ich lieber gleich gute Nacht.“

Ihre Schwester rollte mit den Augen.

Ihre Verabredung sah sie verwirrt an.

„Ein Ex“, erklärte ihr Schwager.

„Ah, schon verstanden“, sagte Andrew. „Das ist mir neulich auch passiert. Und auch wenn sich das verrückt anhört, ich habe die Nacht dann mit ihr verbracht.“ Ein vielsagender Ausdruck ließ sein Gesicht aufleuchten. „Das war aber nur eine einmalige Sache“, beeilte er sich zu sagen.

Wenigstens hatte Claire jetzt kein allzu schlechtes Gewissen, weil sie ihn sitzen ließ.

Als sie zum SUV ihrer Schwester gingen, stand ihr Matts Gesicht immer noch klar vor Augen. Wie war es möglich, dass sie immer noch nicht über ihn hinweg war? Wie? Nach achtzehn Jahren?

Morgen würde er ins Tierheim kommen. Sie würde ihn wiedersehen. Und dann würde er wieder gehen, und das war’s dann.

Ja, klar.

Corporal McCabbers erzählte Matt gerade von seiner Freundin zu Hause in den Staaten. Sie saßen hinten im Fahrzeug, auf dem Weg zu einem liegen gebliebenen Army-Truck.

„Noch zehn Tage, und dann bin ich zu Hause und bei ihr“, sagte McCabbers gerade. Matt beneidete seinen Kumpel. Er selbst hatte nur eine lange Reihe von Dates und kurzen, gescheiterten Beziehungen vorzuweisen. Natürlich hatte er im Lauf der Jahre Frauen kennengelernt. Aber in seinen Träumen sah er immer nur das Gesicht von Claire Asher.

Und ein Zuhause? Inzwischen hatte er fast zwei Jahrzehnte lang keines mehr.

„Da ist der Truck“, hörte er den Fahrer rufen.

Er und McCabbers warteten darauf, dass der Fahrer ihnen grünes Licht gab, rauszuspringen und im Schutz der Dunkelheit den Truck zu erreichen.

Doch kaum berührten ihre Stiefel den trockenen, staubigen Boden, explodierte ein Feuerball vor Matts Augen, und er wurde heftig nach hinten geschleudert.

Der Schmerz in seinem linken Bein war schlimmer als alles, was er je erlebt hatte. „Fielding!“, hörte er McCabbers rufen. „Fielding!“ Und dann spürte er nichts mehr.

Matt fuhr hoch. Schweiß lief ihm den Oberkörper hinunter. Sein Atem ging mühsam und heftig. Er sah sich um und schloss die Augen.

Er war zu Hause. Im Haus seiner Schwester.

Dann stieß er den Atem aus, ließ sich auf die weichen Laken fallen und zog die Bettdecke hoch.

In der Reha hatte er jedes Mal Albträume gehabt, wenn er eingeschlafen war. Doch als seine Wunden heilten, waren die Albträume weniger geworden. Die Erinnerungen blieben jedoch.

Ihr Fahrer hatte es geschafft, sie zu erreichen. Er hatte ihn und McCabbers in den Truck gezerrt und war davongerast. So hatte er ihnen das Leben gerettet. Sechs Monate später hatte McCabbers in Las Vegas seine Freundin geheiratet. Zwar auf Krücken, aber lebend und heil und gesund.

Matt hatte so verdammt viel, wofür er dankbar sein konnte. Und Claire Asher hatte es verdient, glücklich zu sein. War das nicht der Grund, warum er vor all den Jahren mit ihr Schluss gemacht hatte? Damit sie ein besseres Leben haben konnte als das, das sie mit ihm haben würde?

Trotzdem konnte er nicht aufhören, darüber zu spekulieren, wie Claires Abend weitergegangen war. Ob sie den Schnösel zu sich nach Hause eingeladen hatte. Ob er immer noch da war.

Das geht dich nichts an, ermahnte er sich. Hilf deiner Nichte, den perfekten Hund zu finden. Dann pack deine Sachen.

2. KAPITEL

„Dieser gut aussehende Mann und ein kleines Mädchen sind da“, flüsterte Bunny Claire zu, als sie am Montagnachmittag durch die Hintertür das Hauptgebäude von „Fellknäuel fürs Leben“ betrat. Claire brachte Sunshine wieder in ihren Zwinger. Der einjährige Rottweilermischling fing langsam an, sich für Spaziergänge an einer Leine zu erwärmen. „Er hat gesagt, dass er mit Claire Asher verabredet ist, wegen der Adoption eines Hundes.“ Bunny schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln.

Claire schüttelte nur den Kopf. „Genau darum ist er hier.“

„Ich kann gar nicht abwarten, alles über deine Verabredung zu erfahren“, sagte Bunny. Ihre blauen Augen funkelten. „Du musst mir nachher alles erzählen.“

Will ich das noch mal Revue passieren lassen? Oh, nein. „Da gibt’s nichts zu berichten. Die Chemie stimmt nicht, auch wenn er rein theoretisch toll wäre.“

Bunny nickte. „Schon kapiert. Nicht einmal ein perfektes Blind Date kann es mit der ersten großen Liebe aufnehmen.“

Claire ging in die Lobby. Bei Matts Anblick schnappte sie beinahe nach Luft. Er sah so gut aus. Heute trug er ein marineblaues Henley-Shirt, eine schwarze Lederjacke und dunkle Jeans.

Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. Dann konzentrierte sie sich auf Ellie, die auf und nieder hüpfte vor Aufregung.

„Hi, Miss Claire!“, rief Ellie und strahlte über das ganze, niedliche Gesicht. „Ich kann es gar nicht erwarten, die Welpen zu sehen!“

„Na, dann auf zu den Zwingern“, sagte Claire und übernahm die Führung. „Wir haben vier Welpen und drei Hunde im Alter zwischen anderthalb und zwei Jahren da – die sind fast noch Welpen. Fangen wir mit den Welpen an und schauen mal, wen du magst.“

Sie warf Matt einen Blick zu, der nichts dazu sagte.

„Nur eine Regel gibt es“, fügte Claire hinzu. „Du steckst keine Hand zwischen den Gitterstäben durch. Ein paar Hunde könnten beißen, weil sie Angst haben oder mit der Hundeschule noch nicht fertig sind.“

Als Ellie ernst nickte, blieb Claire vor einem sechs Monate alten Schäferhundmischling stehen. Tabitha sprang auf und bellte wie wild. Dadurch schreckte sie alle anderen Hunde auf. Dann kam sie zum Gitter. Sie schnupperte, ob es ein Leckerli geben würde. Als es nichts gab, lief sie zurück zu ihrem Hundebett und fing an, auf ihrem Seilspielzeug herumzukauen.

„Sie ist echt süß“, sagte Ellie und runzelte leicht die Stirn. Sie kniete sich vor den Zwinger. „Hallo, Hund. Ich bin Ellie.“

Der Welpe bellte wieder wie verrückt und kam zurück, um zu schnuppern, nur um dann wieder zu seinem Lager zurückzukehren.

Ellie biss sich auf die Lippe. Claire merkte sofort, dass das Mädchen keine Verbindung zu Tabitha verspürte.

„Und als Nächstes haben wir hier einen fünf Monate alten Spanielwelpen“, sagte Claire und ging weiter zu dem Wirbelwind im nächsten Zwinger. Prompt fing Belle an, sich im Kreis zu drehen und versuchte, ihren Schwanz zu erhaschen.

Ellie schnappte nach Luft. Sie ließ sich vor dem Zwinger auf die Knie fallen und beobachtete den Welpen entzückt. „Hallo! Hi, Hündchen!“

Der Welpe hörte auf, sich im Kreis zu drehen, und kam auf Ellie zu.

„Denk dran, Süße, steck deine Finger nicht durchs Gitter“, sagte Matt, und Claire nickte ihm zu.

Belle wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Sie sprang an der Zwingertür hoch und versuchte, Ellie zu beschnüffeln. Dann setzte sie sich und bellte Ellie an. Und dann streckte sie sich spielerisch.

„Sie will mit mir spielen!“, sagte Ellie. „Du bist ja so süß! Du bist genau so, wie ich es mir erträumt habe.“

Belle fing wieder an zu bellen und sich im Kreis zu drehen. Sie wollte unbedingt ihren Schwanz zu fassen kriegen.

Claire sah Matt an, der die Miene verzog.

Ellie lachte. Sie strahlte vor Glück über das ganze Gesicht. „Wie ich höre, heißt du Belle. Und ich weiß, das heißt ‚schön‘, und das bist du auch. Aber ich denke, du siehst eher wie Sparkle aus. Wie ein Funken. So würde ich dich nennen. Sparkle!“ Sie sprang auf. „Das ist er! Das ist mein Hund!“

Claire konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so eine Begeisterung erlebt hatte. Und sie bekam bei den Adoptionen viele begeisterte Kinder zu sehen.

„Ja, du bist die Richtige, Sparkle!“, sagte Ellie. Sie kniete sich wieder hin und lächelte den Welpen an.

Der kleine Hund hockte sich prompt hin und pinkelte auf den Boden. Die Lache floss hinaus auf den Gang, sodass alle zurückspringen mussten.

„Hoppla“, sagte Ellie. Dann schien sie sich daran zu erinnern, was ihre Mutter zum Thema Stubenreinheit gesagt hatte. Sorge machte sich auf ihrer Miene breit. Einen Augenblick verzog sie heftig das Gesicht. Claire merkte, dass das Mädchen sich Mühe gab, nicht zu weinen.

„Also, Sparkle ist definitiv nicht stubenrein“, sagte Matt sanft und legte eine Hand auf die Schultern seiner Nichte. „Und sie ist laut und lebhaft. Warum …“

„Ich mach es sauber!“, unterbrach Ellie ihn. „Sind hier irgendwo Papiertücher oder so was?“

Claire lächelte und holte eine Rolle schwerer, brauner Papiertücher. „Ich mach das schon, Süße.“ Rasch wischte sie die Pfütze auf.

„Deine Mom hat ihre Bedingungen sehr klar gemacht, Liebes“, sagte Matt. „Auch wenn Sparkle süß ist, sie ist noch lange nicht gut erzogen, und sie wirkt ein bisschen hyperaktiv.“

Ellie ließ die kleinen Schultern hängen und holte Luft.

Ach, herrje. Es war immer schwierig, wenn sich jemand in ein Tier verliebte, das nicht zu den häuslichen Umständen passte. „Ellie“, sagte Claire, „zwei Zwinger weiter haben wir noch einen süßen Chiweenie namens Tucker, der stubenrein ist und die wichtigsten Kommandos kennt. Ein Chiweenie ist eine Mischung aus Chihuahua und Dackel. Er wird auch noch klein sein, wenn er ausgewachsen ist, also hat er eine tolle Größe für ein Kind.“

Ellie folgte Claire zu Tuckers Zwinger. „Ich hab noch nie von Chiweenies gehört.“ Aber in ihrer Stimme lag keinerlei Aufregung.

„Hier ist Tucker“, sagte Claire und deutete auf den kleinen Hund, der die Ruhe selbst war. Er lag auf seinem Hundebett und kaute an einem Seilspielzeug. Er war sehr süß mit seinen zimtbraunen Hängeohren und seiner langen Schnauze und sah meistens so aus, als ob er schmunzeln würde.

Ellie schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns. „Hi, Tucker. Du scheinst ja lieb zu sein.“

Tucker schaute nicht mal auf.

„Er braucht ein bisschen, um aufzutauen“, erklärte Claire.

Aber Ellie rannte zurück zu Sparkles Zwinger und kniete sich davor hin. „Ich wünschte, ich könnte dich mit nach Hause nehmen, Sparkle.“ Sie saß da und schaute zu, wie die Hündin ihrem Schwanz nachjagte.

Claire sah Matt an. Sein Gesichtsausdruck spiegelte die Miene seiner Nichte wider. Das konnte nicht leicht für ihn sein. Wahrscheinlich hätte sie ihn warnen sollen, dass so etwas passieren könnte.

„Komm, lass uns die anderen Hunde anschauen“, sagte Matt und streckte die Hand aus. Er warf Claire einen Blick zu. „Ich wette, es gibt noch einen Hund, in den Ellie sich verlieben wird.“

„Absolut“, sagte Claire. „Rate mal, wer jetzt kommt, Ellie. Ein total süßer Schäferhundmischling. Ich wette, der wird dir gefallen. Er ist sehr verschmust.“ Er gehorchte nicht immer, aber er kannte immerhin das Kommando „Bleib“.

„Ich schätze, ich kann ihn mir ja mal ansehen.“ Aber Ellie rührte sich nicht. Sogar auf die Entfernung konnte Claire sehen, wie ihre Augen glänzten. Das Mädchen bemühte sich sehr, nicht zu weinen.

„Süße, vielleicht können wir ja nächstes Wochenende zu der Adoptionsveranstaltung noch mal herkommen“, sagte Matt. „Dann hatten diese Welpen eine Woche Zeit, um noch etwas zu lernen. Vielleicht verliebst du dich dann in einen Hund, den du diesmal fast nicht bemerkt hast.“

„Okay, Onkel Matt“, sagte Ellie. Aber sie stand immer noch nicht auf. „Ist schon okay, Sparkle. Du wirst jemanden finden, der dich lieb hat, und ihr werdet die allerbesten Freunde sein. Das sagt meine Mom immer, wenn ich traurig bin, weil ich keine beste Freundin habe.“

Claire hielt den Atem an und warf Matt einen Blick zu. Er ließ die Schultern hängen.

„Solange ich nett und freundlich bin, tue ich mein Bestes“, erklärte Ellie dem Welpen. „Dann bekomme ich eines Tages eine beste Freundin. Das kann jederzeit passieren, hat Mommy gesagt.“

Claire schluckte schwer.

Ellie stieß einen leisen Seufzer aus. „Du wärst eine tolle beste Freundin, Sparkle. Aber vielleicht kommt heute noch ein anderes Mädchen her, und du gehst mit ihr nach Hause. Sei einfach nett und freundlich, okay, Sparkle?“

Oh Gott.

Ellie stand auf. Tränen schimmerten in ihren Augen. „Tschüss, Sparkle. Ich hab dich lieb.“

Claire sah Matt an. Er sah aus, als ob er vielleicht auch weinen musste. Und sie hatte ihn schon weinen gesehen. Nur einmal, vor langer, langer Zeit, als er seinen Bruder verloren hatte.

Matt räusperte sich. „Tucker könnte genau der richtige Hund für dich sein, wenn er dich erst mal kennenlernt.“

„Kann sein“, sagte Ellie. „Onkel Matt?“, fragte sie und blieb stehen. „Ich weiß, dass Sparkle nicht stubenrein ist. Aber das könnte ich ihr beibringen. Ich habe gelesen, wie das geht.“

Matt schien darüber nachzudenken. „Also, lass mich deiner Mom ein Bild von ihr schicken.“ Er holte sein Handy heraus und machte ein Foto. „Oh, das ist gut geworden. Ich erkläre ihr, dass Sparkle ihre Bedingungen nicht ganz erfüllt, aber dass wir beide bereit wären, besonders hart daran zu arbeiten, sie zu erziehen.“ Er tippte etwas und wartete dann ab.

Claire hoffte, dass Laura es nicht schaffen würde, dem niedlichen Welpen zu widerstehen.

Der Signalton seines Handys ertönte. „Nicht stubenrein?“, las er laut vor. „Kennt noch kein einziges Kommando? Tut mir leid, Matt. Nein.“ Er drehte sich zu Ellie um. „Süße, du bist von halb acht Uhr früh bis nachmittags um drei in der Schule“, sagte Matt sanft. „Da bleibt alles, was man tun muss, um sich um Sparkle zu kümmern, an deiner Mom hängen.“

„Ja“, flüsterte Ellie und verzog erneut das Gesicht. Claire wusste, dass das Mädchen sich bemühte, nicht zu weinen.

„Können wir Belle – Sparkle – reservieren?“, fragte Matt. „Bis wir mit meiner Schwester sprechen können? Vielleicht können wir einen Kompromiss finden.“

„Ich reservier sie euch bis morgen“, versprach sie.

Ellie sah gleichzeitig hoffnungsvoll und enttäuscht aus. „Danke, dass Sie mir die Hunde gezeigt haben, Miss Claire. Tschüss, Sparkle. Ich hab dich lieb.“

Der kleine braun-weiße Hund bellte und fuhr fort, seinen Schwanz zu jagen.

„Sie hat auch Tschüss gesagt!“, rief Ellie und lächelte plötzlich wieder.

Matt lächelte zurück und nahm die Hand seiner Nichte. „Warum habe ich geglaubt, dass das so einfach sein würde?“, fragte er Claire im Flüsterton.

„Das ist es selten“, sagte Claire.

Einen Moment hielt er ihren Blick gefangen. „Ich melde mich, sobald ich kann.“

So viel zum Thema auf Abstand gehen, jeden Kontakt abstellen, ihn hinter sich lassen. Claire biss sich auf die Lippe und nickte. Dann sah sie zu, wie die beiden gingen. Matt hatte den Arm um die Schultern des enttäuschten kleinen Mädchens gelegt.

Oh ja, ich stecke in Schwierigkeiten, dachte Claire.

„Nein und nochmals nein“, flüsterte Laura, nachdem Matt sich noch mal bei seiner Schwester für Sparkle eingesetzt hatte. Matt war dabei, mehr schlecht als recht Paprika für einen Salat klein zu schneiden, während Laura nach dem Hühnchen sah, das im Backofen briet. „Aber schau dir dieses Hundegesicht an“, sagte er, griff nach seinem Handy und zeigte ihr noch mal den niedlichen Welpen.

„Du kriegst Paprika an dein Handy“, sagte Laura und weigerte sich, das Foto anzusehen.

„Oje, du bist sauer auf mich.“

„Natürlich bin ich das!“, sagte sie. „Ich habe ausdrücklich gesagt, dass der Hund stubenrein sein und die wichtigsten Kommandos beherrschen muss. Diese Sparkle ist weder das eine, noch kann sie das andere! Und ich bin jetzt die Böse.“

„Ich weiß, und das tut mir leid. Aber sie ist unglaublich süß“, sagte Matt. „Und Ellie hat sich so in sie verliebt.“

Laura seufzte. „Ich habe gerade alle Teppiche reinigen lassen. Ich habe einen Teilzeitjob, und ich helfe in Ellies Schule aus. Ich kann keinen Welpen erziehen, Matt.“

Warte mal.

Ja.

Natürlich!

Warum war er da nicht schon längst darauf gekommen? „Ich erziehe den Welpen“, sagte er. „Ich lese ein Buch, schau mir ein paar Videos an. Ich bin sicher, das kriege ich hin.“

Laura sah ihn an. „Matt, mein Lieber, das weiß ich zu schätzen, aber nein. Ich will nicht wochenlang Unfälle hier im Haus haben.“

Sie hatte jedes Recht dazu. „Ach, verdammt. Ich habe echt Mist gebaut“, sagte er. „Ich hätte Ellie keine Hunde zeigen sollen, die sie nicht haben kann.“

Seine Schwester legte eine Hand auf seinen Arm. „Ich bin sicher, wir finden noch den richtigen Hund.“

„Vermutlich“, sagte er. Er hasste es, seine Nichte enttäuschen zu müssen – und Claire.

„Danke für die Hilfe mit dem Salat“, sagte sie und betrachtete die Schüssel mit den schief geschnittenen Salatblättern und merkwürdig geformten Paprikastückchen.

„Dann rufe ich besser mal Claire an und sag ihr, dass sie Sparkle nicht weiter für uns reservieren muss“, sagte er.

Laura nickte. „Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du den schwierigen Teil der Suche übernimmst. Es ist nicht einfach für mich, da Ja oder Nein zu sagen.“

Er lächelte. „Ich weiß.“

„In zehn Minuten gibt’s Essen“, sagte sie. Das bedeutete, dass er Claire besser gleich Bescheid sagen sollte. Und dann Ellie.

Er nickte, ging ins Gästezimmer und machte die Tür hinter sich zu. Mit dem Telefon in der Hand setzte er sich aufs Bett und fischte die Visitenkarte heraus, die Claire ihm gegeben hatte.

Als er ihr „Hallo“ hörte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Wahrscheinlich würde er sich nie wieder daran gewöhnen, einfach so ihre Stimme zu hören oder sie zufällig zu treffen.

„Hi, Claire. Hier ist Matt. Leider kannst du die Reservierung löschen.“

„Das tut mir leid. Geht es Ellie gut?“

„Nein. Und meine Schwester ist sauer auf mich, weil ich sie als die Böse dastehen lasse.“

„Oh, nein“, sagte Claire.

„Ich habe sogar angeboten, Sparkle selbst zu trainieren. Aber meine Schwester will sich hier in ihrem Haus darauf nicht einlassen.“

„Du wärst bereit, den Hund zu trainieren?“, fragte Claire.

„Klar. Ich meine, ich weiß, dass ich keine Erfahrung habe. Aber ich würde mich informieren. Ist ja nicht so, als ob ich zurzeit was anderes zu tun hätte.“

Eine Sekunde lang blieb sie stumm. Dann sagte sie: „Matt, ich habe eine verrückte Idee.“

„Ich bin ganz Ohr.“

„Ich wohne in Kingdom Creek – in einem Haus mit einem großen, eingezäunten Garten. Über der Garage ist ein kleines Einzimmerapartment. Vielleicht könntest du vorübergehend da wohnen und Sparkle trainieren. Und wenn sie so weit ist, kann Ellie sie adoptieren. Deine Nichte könnte sogar helfen, sie zu trainieren.“

Hmm. Damit wäre allen geholfen, vor allem ihm selbst. Er hätte seine eigene Wohnung, auch wenn sie an Claires Haus anschließen würde. Er hätte den Freiraum, sich über seine Zukunft Gedanken zu machen. Und Claire hatte ja die Formulierung „vorübergehend“ verwendet. Damit hatte sie klargestellt, dass er gehen musste, wenn der Welpe trainiert war.

Am allerbesten wäre, dass er eine Mission haben würde: Einen süßen Welpen für seine geliebte Nichte zu trainieren.

„Ich ziehe morgen ein“, sagte er.

Einen Augenblick herrschte Stille. Dann gab sie ihm hastig die Adresse und ein paar Informationen über die Ausstattung. Das Apartment war möbliert, also brauchte er nur seine Reisetasche mitzunehmen.

„Danke, Claire“, sagte er. „Ich weiß, dass ich als Mieter wahrscheinlich nicht die erste Wahl für dich bin.“

„Wenigstens kenne ich dich. Oder kannte dich mal“, sagte sie. „Die letzten paar Mieter waren eine Katastrophe.“

Oder kannte dich mal. Die Worte trafen ihn wie einen Faustschlag in den Magen. „Wir sehen uns dann morgen.“

Als sie auflegte, beendete sie zwar das Gespräch, aber nicht seine Erinnerungen an sie. Der Schulball, vor so vielen Jahren. Sie hatten geplant, in dieser Nacht gemeinsam ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Aber im Lauf des Abends hatte Matt erkannt, dass er Claire nicht anfassen konnte. Sie wusste, dass er zur Armee gehen würde, und sie hatte gesagt, dass sie auf ihn warten würde. Doch auf dem Schulball hatte Claire in ihrem wunderschönen rosa Kleid ausgesehen wie ein Filmstar. Die ganze Welt stand ihr offen. Da hatte Matt nur noch daran denken können, dass sie, die kluge, faszinierende Claire Asher, nur seinetwegen ihr Leben aufschieben würde, obwohl sie so viel mehr verdient hatte.

Nur war sie in Spring Forest geblieben. War hier aufs College gegangen. Hatte einen Mann von hier geheiratet. Warum? Warum hatte sie die Gelegenheit nicht genutzt, um ihre Freiheit zu genießen? Das verstand er nicht.

Vermutlich würde er jetzt jede Menge Gelegenheit haben, sie das zu fragen.

„Wie bitte?“ Claires Schwester holte die Box mit dem Sesamhühnchen aus der Plastiktüte des Take-away. Della war vorbeigekommen, um das Blind Date, das Treffen mit Matt und die ganze Sache mit seiner Nichte und dem Hund zu bequatschen. Als Claire den Teil der Geschichte erzählte, dass Matt in ihre Einliegerwohnung ziehen würde, schüttelte Della den Kopf. „Ihr werdet zusammenleben.“

„Kaum“, sagte Claire. „Das Apartment hat einen eigenen Eingang. Ich werde ihn kaum sehen.“ Sie zog ihre Essstäbchen auseinander und machte sich über das Hühnchen her.

Della kniff die Augen zusammen und nahm sich die Packung Rindfleisch in Knoblauchsauce mit Brokkoli. „Nur befindet sich dieser Eingang von deiner Veranda aus die Treppe hoch.“ Sie deutete auf die Schiebetür zum Garten, wo Dempsey auf ihrem Hundebett lag. „Du wirst ihn jedes Mal sehen, wenn du hier sitzt.“

„Er ist ja auch was fürs Auge“, meinte Claire. „Das ist ein Pluspunkt.“

Della legte ihre Stäbchen hin. „Süße. Man kann mit Worten nicht mal beschreiben, wie sehr er dich verletzt hat. Weißt du noch? Das kannst du nicht noch mal durchmachen.“

Oh ja, Claire erinnerte sich daran. Alle ihre Pläne waren wie eine Seifenblase zerplatzt. Eine andere hätte sich vielleicht zusammengerissen und wäre wie geplant zur Universität gegangen. Wie geplant – ha! Damals war „der Plan“ gewesen, dass Matt seine Grundausbildung machen würde. Wenn er danach irgendwo stationiert war, würden sie sich sehen, wenn er im Urlaub nach Hause kam. Stattdessen hatte er praktisch ohne Erklärung mit ihr Schluss gemacht. Ihr Herz gebrochen. Vor Schmerz war sie ganz durcheinander gewesen und hatte nicht mehr klar denken können.

Ihre arme Schwester hatte sich alle Mühe gegeben, sie zu der Erkenntnis zu bewegen, dass das auch eine Chance war. Eine Chance, zur Uni zu gehen und ein neues Leben anzufangen. Aber Claire hatte es nicht geschafft, sich zusammenzureißen. Stattdessen hatte sie ständig geweint und wollte morgens nicht mal aufstehen, weil sie sich einfach keine Zukunft ohne den Mann vorstellen wollte, den sie liebte – eine Zukunft ohne Matt Fielding.

Nach drei Wochen hatte Della sie aus dem Bett gezerrt, um mit ihr auf die Bahamas zu fliegen, ob sie nun wollte oder nicht. Der weiße Sand und das türkisblaue Wasser und die fruchtigen Cocktails hatten dazu beigetragen, dass es ihr besser ging.

Wieder zu Hause, hatte sie sich im College eingeschrieben und den zweiten Mann in ihrem Leben geheiratet. Einen Kerl, der überhaupt nicht zu ihr passte. Aber das war ihr da noch nicht klar gewesen. Zum Glück hatte sie damals schon die Leidenschaft für den Lehrerberuf gepackt. Claire war ganz darin aufgegangen. Sie liebte es, zu unterrichten. Als ihre Ehe zerbrach, war Claire mit sich selbst vollauf beschäftigt. Oder wenigstens war das ihre Erklärung dafür, warum der Betrug ihres Mannes sie nicht so fertiggemacht hatte, wie er es hätte tun sollen.

„Ich glaube nicht, dass du mich je wirklich geliebt hast“, hatte ihr Mann gesagt. Aber er irrte sich; sie hatte ihn geliebt, sehr sogar. Ich denke, ich war nur eine Notlösung für dich, nachdem deine erste große Liebe dich am Boden zerstört zurückgelassen hat.

Claire lächelte und drückte die Hand ihrer Schwester. „Hör auf, dir Sorgen zu machen. Matt Fielding und ich sind Geschichte. Ich sorge nur dafür, dass ein kleines Mädchen den richtigen Hund bekommt.“

„Abgesehen davon, dass Matt und dieser Hund bei dir einziehen.“

Claire ließ die Stäbchen sinken. Sie war noch nie in der Lage gewesen, Della anzulügen. „Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, rast mein Herz, mein Magen schlägt einen Salto, und ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter.“

„Ja, so beschreibt man das, wenn man über den ersten Freund immer noch nicht hinweg ist. Der dir das Herz gebrochen hat. Der bei dir einzieht. Der keine Pläne hat für sein Leben – weder hier noch anderswo. Ich meine ja nur, Claire. Du willst doch, was du willst – einen Mann und ein Kind. Eine Familie. Du weißt, was du dir wünschst. Also lass dich nicht von einem attraktiven Gesicht und Erinnerungen verwirren, Claire. Er hat dich furchtbar verletzt damals.“

Das hieß aber nicht, dass er sie wieder verletzen würde. Vielleicht sollte das ihre zweite Chance sein. Das Schicksal hatte dafür gesorgt, dass sich ihre Wege wieder kreuzten.

Oh, Gott. Ihre zweite Chance?

Nein. Sie musste sich jetzt darauf konzentrieren, was sie sich in ihrem Leben wirklich wünschte: den richtigen Partner und ein Kind.

„Ich pass schon auf“, versprach sie ihrer Schwester. „Und übrigens, ich bin offen für weitere Blind Dates.“

„Gut so!“, sagte ihre Schwester und stibitzte ein Stück Sesamhühnchen.

„Aber ganz egal, was passiert, ich bin für dich da, wenn du mich brauchst“, fügte ihre Schwester hinzu. Mit wissendem Blick.

Claire biss sich auf die Lippe. Sogar ihre Schwester wusste, wie stark die Anziehungskraft war, die Matt Fielding auf sie ausübte.

Verdammter Mist.

„Rate mal, was es Neues gibt, Süße“, sagte Matt und setzte sich zu seiner Nichte auf den runden, geflochtenen Teppich im Kinderzimmer. Gar nicht so übel, sagte er sich, als ihm auffiel, dass er sich im Rekordtempo auf sein kaputtes Bein gesetzt hatte. Und das, ohne zusammenzuzucken.

Ellie spielte „Teestunde für Hunde“ und bediente ihre Stofftierhunde, die im Halbkreis um den Teppich saßen.

„Was denn?“, fragte sie, während sie dem weißen Pudel an ihrer Seite einschenkte.

„Was hältst du davon, wenn ich in eine eigene Wohnung ganz in der Nähe ziehe, Sparkle als Pflegehund aufnehme und sie trainiere, damit du sie adoptieren kannst?“

Ellie schnappte so laut nach Luft, dass seine Schwester die Treppe heraufgerannt kam.

„Alles okay?“, fragte Laura.

Ellie stürzte sich in Matts Arme. „Onkel Matt hat mir gerade erzählt, dass er Sparkle für mich trainieren wird!“

Laura lächelte. „Habe ich schon gehört. Ich werde dich aber vermissen, Matt.“

„Ich werde fünf Minuten weg von hier wohnen“, sagte er. „Und, Ellie, du darfst jederzeit vorbeikommen, wenn deine Mom es erlaubt. Du kannst mir helfen.“

„Das ist der schönste Tag meines Lebens“, sagte Ellie und schlang die Arme um Matt. „Danke.“

Er warf Laura einen Blick zu, die lächelte. Dann sah er Ellie an, die ebenfalls lächelte. Sogar die Stofftiere lächelten.

Aber er fragte sich, ob Claire auch nur ansatzweise glücklich mit dieser Lösung war. Das konnte er sich kaum vorstellen.

„Matt, kannst du mir kurz helfen?“, fragte seine Schwester und deutete mit einem Kopfnicken zur Tür.

Unten zog sie ihn in die Waschküche und machte die Tür hinter ihnen zu. „Hör mal, es ist fast zwanzig Jahre her, seit du mit Claire Schluss gemacht hast. Also vielleicht ist da nichts mehr zwischen euch. Aber ich sage dir jetzt und hier, Bruderherz, spiel nicht mit dieser Frau. Fang nichts an, was du nicht zu Ende bringen kannst.“

„Wer sagt, dass ich irgendwas anfange?“

„Hmm, wer zieht denn in das Haus seiner ersten großen Liebe?“

„Und wenn?“, fragte er. Warum hatte er das Gefühl, sich verteidigen zu müssen? Vielleicht weil er sich tief in seinem Inneren wünschte, dass etwas passieren würde? „Was, wenn etwas passiert?“

„Männer.“ Sie schüttelte langsam den Kopf. „Du willst dir im Augenblick darüber klar werden, was du künftig mit deinem Leben anfangen sollst. Claire Asher ist eindeutig auf der Suche nach einem Mann. Du hast sie damals verletzt, Matt. Ich will nur sagen, wenn du dir nicht sicher bist, was sie angeht, dann lass es. Lass sie in Ruhe.“

„Ich bin mir wegen gar nichts sicher“, sagte er.

„Genau darum hat sie etwas Besseres verdient als eine dreiwöchige Beziehung oder wie lange du brauchst, um Sparkle zu erziehen.“

Er seufzte. Denn seine Schwester hatte recht. Wie üblich.

Am nächsten Nachmittag wartete Claire im Shop von „Fellknäuel fürs Leben“. Sie hatte eine Kiste mit dem Notwendigsten für Sparkle zusammengestellt. Dazu gehörte ein niedliches lila Halsband mit weißen Sternen und eine silberne Marke, in die der Name „Sparkle“ und Matts Handynummer eingraviert waren. Außerdem zwei Leinen, eine Wasserschüssel, ein Futternapf, das Trockenfutter, an das Sparkle gewöhnt war, ein paar Spielsachen und ein Info-Paket über das Training von Welpen.

„Alles, was du für Sparkle brauchst, ist hier drin “, erklärte sie. „Lassen wir die Sachen erst mal da. Die nehmen wir mit, wenn wir Sparkle geholt haben.“

„Ich als Hundetrainer“, sagte er mit einem Grinsen. „Wer hätte das gedacht?“

„Was du da für deine Nichte tust, ist echt großartig.“

„Ich bin froh, dass ich das tun kann.“

Als sie in den Zwinger kamen, ging Matt geradewegs auf Hank zu. „Amer Kerl“, sagte er. Hank sah ihn traurig an. Der Hund rappelte sich auf und kam zum Gitter. Matt kniete sich langsam hin, um ihn zu begrüßen. „Hi, Kumpel.“ Das war bestimmt nicht so toll, hier eingesperrt zu sein. „Vielleicht kann ich mit Hank einen Spaziergang machen, bevor wir Sparkle holen“, sagte er zu Claire. „Er tut mir echt leid.“

Sie lächelte. „Da freut er sich bestimmt.“ Sie nahm eine Leine vom Regal und gab Hank das Kommando „Sitz“. Darauf hörte er auch. Dann ging sie in den Zwinger und machte die Tür hinter sich zu. Sie legte ihm die Leine an, führte ihn nach draußen und schloss die Zwingertür wieder. „Durch die Tür da kommst du zu einem Weg, den du mit ihm gehen kannst. Es ist ein Rundweg, ungefähr vierhundert Meter. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um den Papierkram für Sparkle. Wenn du mit Hank wieder da bist, können wir gehen.“

Wieder kniete er sich neben den alten Hund, und sie bemerkte, dass er dafür länger brauchte, als sie erwartet hätte. Wohl eine Verletzung.

Er kraulte Hank, dann erhob er sich genauso langsam. „Wie kommt es, dass dieser Hund immer noch hier ist? Er ist so ruhig, er wirkt richtig weise, und er sieht toll aus.“

Sie verspürte einen Stich ins Herz beim Anblick von Mann und Hund. „Ich weiß. Aber ältere Hunde, vor allem große, sind oft lange hier. Aber wir sorgen dafür, dass sie ganz viel Liebe und Zuwendung bekommen.“

Er nickte. „Bis gleich.“

Als sie beobachtete, wie er mit Hank wegging, wusste sie, dass sie verloren war.

Zwanzig Minuten später war der Papierkram erledigt und Matt wieder da. Hank wirkte richtig happy.

„Mach es einfach genau wie ich vorhin“, sagte Claire. „Führ ihn an der Leine rein und mach die Tür hinter ihm zu. Dann nimmst du ihm die Leine ab, befiehlst ihm, Sitz zu machen, und kommst dann wieder raus und verschließt die Tür.“

„Kapiert.“ Er folgte ihren Anweisungen und stand dann vor dem Zwinger, als ob es ihm schwerfiel, sich zu trennen.

„Und wie wäre es mit einem Keks für so einen guten Hund?“, fragte Claire und gab Matt ein Leckerli.

Matt hielt es durch die Gitterstäbe, und Hank kam langsam zu ihnen und nahm es ins Maul. Dann trug er den Leckerbissen zu seinem Bett und fing an, daran zu knabbern.

„Bis demnächst, Großer“, sagte Matt.

Ein paar Zwinger weiter ließ Claire Matt die Prozedur bei Sparkle wiederholen, während sie noch Sparkles Lieblingsdecke holte.

„Wow, du bist echt irrsinnig süß“, sagte Matt. Er streichelte Sparkle. „Kein Wunder, dass Ellie verrückt nach dir ist.“

Sparkle bellte aus vollem Hals und sprang an Matts Bein hoch.

„Nein“, sagte Claire mit fester Stimme. Sparkle rührte sich nicht. „Nein“, wiederholte sie. Sanft schob sie den Hund nach unten. „Das lernt sie schon noch.“

„Wir werden das zusammen lernen“, erklärte er dem Welpen. „Wir sind beide Anfänger.“

Ich kann dir helfen, wollte sie sagen. Aber dann würde sie mehr Zeit mit ihm verbringen, als gut für sie war.

In der Lobby hob Claire die Kiste mit Sparkles Sachen hoch.

„Was schulde ich dir dafür?“, fragte Matt und zog seine Brieftasche heraus.

„Oh, weil du den Hund in Pflege nimmst, geht das auf uns“, sagte sie.

„Dann als Spende.“

Das war nett. Sie nannte ihm die Summe, und er ging zur Kasse, wo Birdie gerade einen ehrenamtlichen Helfer einwies.

„Das ist wirklich wunderbar von Ihnen, dass Sie den Welpen in Pflege nehmen und für Ihre Nichte trainieren“, sagte Birdie und musterte Matt mit ihren durchdringenden blauen Augen. „Wenn Sie irgendwas brauchen oder irgendwelche Fragen haben, rufen Sie bitte jederzeit bei uns an. Und natürlich haben Sie eine unserer besten Mitarbeiterinnen in Reichweite.“ Sie nickte Claire zu.

Matt warf Claire einen Blick zu und lächelte. „Danke. Das weiß ich zu schätzen. Und ich bin sicher, dass ich viele, viele Fragen haben werde.“

Dann gingen sie zu ihren Autos. Claire stellte die Kiste auf ihren Rücksitz. „Es ist nicht weit – nur ein paar Minuten von hier. Ich denke, dir wird die Abgeschiedenheit gefallen.“

„Kingdom Creek. Klingt nach was Besonderem.“

Sie zuckte die Achseln. „Es ist das Haus, in dem ich mit meinem Mann gewohnt habe. Jetzt lebe ich dort ganz allein. Und Dempsey, natürlich.“

„Wie lange bist du schon geschieden?“, fragte er und setzte Sparkle ab. Die kleine Hundedame fing sofort an, herumzuschnüffeln. Claire konzentrierte sich auf sie, statt Matt in die Augen zu sehen.

„Drei Jahre. Ein Jahr vor der Trennung hat er angefangen, mich zu betrügen. Aber er hat die Frau inzwischen geheiratet, also meint er, dass das okay war.“

„Fremdgehen ist nie okay“, sagte Matt. Eine Sekunde lang hielt er ihren Blick gefangen. „Es tut mir leid, dass du das hast durchmachen müssen.“

„Wie sagt man doch so schön? Was mich nicht umbringt, macht mich stärker?“ Ich habe dich überlebt, Matt Fielding – da habe ich meine Scheidung natürlich auch überstanden.

„Wem sagst du das“, sagte er und nickte wehmütig.

„Ich schätze, wir haben beide das ein oder andere durchgemacht.“

Er nickte wieder. „Wir hatten schon Einiges hinter uns, als wir ein Paar waren, Claire. Ich hatte meinen Bruder verloren. Du deinen Vater. Irgendwas war doch immer.“

„Ja“, sagte sie. „Genau. Dem Himmel sei Dank für verschmuste Hunde, was?“

Er lächelte und hob Sparkle hoch und presste sein Gesicht kurz in ihr Fell. „Ich bin gleich hinter dir.“ Mit einem Kopfnicken deutete er auf das Auto neben ihrem.

Auf dem Rücksitz lag eine einsame Reisetasche. War das alles, was er besaß? Vermutlich hatte er auf seinen Auslandseinsätzen nicht viel Besitz anhäufen können.

Noch fünfzehn Minuten. Dann würde Matt Fielding bei ihr einziehen. Und nur eine dünne Mauer würde ihre Schlafzimmer voneinander trennen. Das musste einfach die schlechteste – und die beste – die Idee sein, die sie je gehabt hatte.

„Und das ist das Schlafzimmer“, sagte Claire.

Die Wohnung gefiel Matt. Das Wohnzimmer war großzügig, mit Glastüren zur Veranda, von der eine Treppe in den Garten führte. Das war sein eigener Hauseingang. Also würde er Claire nicht notwendigerweise über den Weg laufen, wenn sie nicht gerade zufällig mit Dempsey im Garten war. Das Badezimmer verfügte über eine große Wanne und eine Dusche. Die Küche nahm er kaum zur Kenntnis, weil er nicht viel kochte. Aber er bemerkte die Fenster – viele Fenster. Hier konnte Matt durchatmen, entspannen.

Er stellte seine Reisetasche auf dem Bett ab. Er und Claire hatten jede Menge Erinnerungen, die sie als Paar miteinander teilten. Doch „das Schlafzimmer“ gehörte nicht dazu. Jetzt stand sie nur ein paar Zentimeter von einem Bett entfernt, und ihr Parfüm hüllte ihn ein. Er spürte ihre Nähe auf eine Art und Weise, die ihn in den Wahnsinn trieb. Er wollte sich auf das Bett werfen und sie mit sich reißen.

Stattdessen bückte er sich, um Sparkle zu tätscheln. „Das ist eine schöne Wohnung. Meinst du nicht auch, Sparkle? Eine gute Schule für dich.“

Sparkle bellte und schaute zu ihm auf.

„Das interpretiere ich mal als Ja“, sagte Claire mit einem Lächeln. „Okay. Zurück in die Küche. Ich habe einen ganzen Ordner mit Infomaterial für dich.“

Als sie sich umdrehte, streckte er die Hand nach ihrer aus.

„Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich mich schon bedankt habe. Hierfür“, fügte er hinzu und deutete auf das Zimmer. „Du hast mir echt den Tag gerettet. Jetzt habe ich eine begeisterte Nichte und eine Schwester und einen Schwager, die nicht sauer auf mich sind.“

Sie lachte. „Die Wohnung stand leer …“

„Und so sind wir jetzt hier.“

„So sind wir jetzt hier“, wiederholte sie. Dann räusperte sie sich und wandte sich wieder ab.

In der kleinen, weißen Küche griff Claire nach einem Ordner und schlug ihn auf. „Also, an die Arbeit. Hier ist alles drin, was du über die Erziehung und die Haltung eines Welpen wissen musst.“

Sparkle fing an, sich im Kreis zu drehen, und versuchte, ihren Schwanz zu fangen.

„Hey, Sparkle“, sagte Matt.

Der Hund ignorierte ihn.

„Sparkle“, wiederholte Matt.

„Seite zwei“, sagte Claire. Sie drehte sich zu den Tüten um, die sie mitgebracht hatte, und holte eine Packung Leckerli fürs Training heraus.

Sie nahm ein Leckerli in die Hand, schloss die Faust darum und schwenkte die Hand in der Nähe des Hundes. „Sparkle.“

Der Hund blieb stehen und betrachtete ihre Hand.

„Ja, sie kann das Leckerli definitiv riechen. Sie kann es nicht sehen, aber sie kann es riechen.“ Der Hund schnüffelte. „Sparkle“, wiederholte Claire.

Der Hund sah sie an.

„Braver Hund!“, sage Claire und gab ihr das Leckerli. „So bringen wir Sparkle ihren Namen bei. Jedes Mal, wenn du ihren Namen sagst und sie dich ansieht – dir wirklich in die Augen sieht –, gibst du ihr ein Leckerli. Wenn sie den Namen Sparkle mit einer Leckerei verbindet, wird ihr klar werden, dass sie immer eine Belohnung bekommt, wenn sie darauf reagiert. Dann gehen wir dazu über, sie aus einem anderen Zimmer zu rufen.“

„Oh. Ich habe mich schon immer gefragt, wie Hunde ihre Namen lernen.“

„Ich erwarte, dass du deine Hausaufgaben machst“, sagte sie und deutete auf den Ordner.

„Ja, Frau Lehrerin.“

Sie lächelte. „Jetzt zum Thema Stubenreinheit. Der Plan sieht vor, dass du mit Sparkle früh morgens gleich als Erstes rausgehst. Dann jede volle Stunde, sofort nachdem sie etwas zu fressen bekommen hat, nachdem sie von einem Schläfchen aufgewacht ist und vor dem Zubettgehen. Sie wird sich daran gewöhnen, dass sie ihr Geschäft draußen und nicht drinnen erledigen soll.“

„Hast du gesagt, jede volle Stunde?“

Claire lachte. „Es wird ein paar Tage dauern, aber dann kannst du dazu übergehen, nur noch nach den Mahlzeiten und nach jedem Schläfchen rauszugehen.“

„Also, Sparkle“, sagte er. Und bevor er weitersprechen konnte, schaute der kleine Drehwurm ihn doch tatsächlich an! „Hey, sie hat mich angeschaut!“ Er griff in die Tüte mit den Leckerli und gab ihr einen. Sparkle mochte diese Dinger eindeutig.

„Perfekt. Das geht ganz schnell. In ein paar Tagen kennt sie ihren Namen, und wir können an weiteren Kommandos arbeiten.“

„Du bist ein braver Hund, Sparkle“, sagte er zu dem Welpen. Der kleine Hund drehte sich um und schaute ihn an. Damit verdiente er sich noch einen Leckerbissen.

Claire lächelte. „Okay, jetzt hat sie ein paar Leckerli gegessen. Also gehen wir mit ihr raus. Wenn sie ein Geschäft erledigt, bekommt sie eine Belohnung.“

„Wird sie dabei hundert Pfund zunehmen?“, fragte er.

Claire lächelte. „Diese Leckereien sind winzig. Und sie bekommt sie nur vorübergehend. Außerdem wird sie so viel Bewegung bekommen, wenn sie im Garten herumtollt, dass sie alle Leckerli kriegen kann, die sie sich verdient hat.“

„Ich nehme an, das ist der springende Punkt“, sagte er.

„Absolut. Fürs Niedlichsein gibt’s keine Belohnung.“

Er lachte.

Sie gab ihm die Leine. „Dann gehen wir mal mit ihr nach draußen.“

Er folgte ihr hinaus auf die kleine Veranda und dann die Treppe hinunter in den eingezäunten Garten.

Sparkle erledigte ihr Geschäft. Dafür wurde sie gelobt und bekam einen Leckerbissen. Bis jetzt lief das mit dem Hundetraining ja ganz gut.

„Also, ich muss jetzt Aufsätze korrigieren“, sagte Claire. „Aber du kannst mir eine Textnachricht schicken oder mich anrufen, wenn du mich brauchst.“

Warte mal. Du gehst jetzt? Plötzlich fühlte Matt sich verunsichert bei dem Gedanken, allein mit dem Welpen zu sein. Sparkle war vermutlich durchaus widerstandsfähig. Aber irgendwie hatte sie auch etwas Zartes an sich. Sie war ein Baby. „Was soll ich mit ihr machen?“

Claire lachte. „Also, du könntest hier draußen mit ihr spielen. Oder ihr einfach dabei zusehen, wie sie den Garten erkundet. Dann kannst du mit ihr hochgehen und sie an das Apartment gewöhnen. Ihr zeigen, wo ihre Box und wo ihr Bett ist, wo ihr Futter steht, all so was.“

„Und dann?“

Sie sah ihn an, als ob er verrückt geworden wäre. „Und dann bist du einfach nur du.“

„Ich?“

„Du lebst dein Leben. Pack aus. Mach dir einen Kaffee. Nimm eine Dusche. Schau fern. Sie beschäftigt sich schon. Wenn du auf dem Sofa sitzt, könnte es sein, dass sie versuchen wird, hochzuspringen und sich neben dich zu kuscheln.“

„Darf sie das?“

„Das hier ist ein sehr hundefreundliches Haus“, sagte sie. „Also, ja.“

Sparkle kam zurück und schnupperte an seinem Schuh. Dann sah sie ihn erwartungsvoll an. Er hatte das Gefühl, dass sie noch einen Leckerbissen wollte.

„Ich schätze, ich lasse sie hier noch ein bisschen auf Entdeckungsreise gehen.“

„Also, ich bin da, falls du mich brauchst“, sagte Claire und kniete sich hin, um Sparkle zu streicheln. Dann stand sie auf und ging ins Haus.

Sobald Claire weg war, vermisste er sie.

„Jetzt gibt’s nur noch dich und mich, Sparkle“, sagte er. Er warf einen Ball. Sparkle raste hinterher. Er lachte. „Hol den Ball!“, rief er. Sie holte den Ball nicht. Sie ignorierte den Ball sogar, weil ein Blatt im Wind interessanter war. Er lachte und schaute zu, wie sie den Garten erkundete und jeden Grashalm beschnüffelte. Zehn Minuten später wurde ihm klar, dass er ein Gefühl hatte, dass er schon lange nicht mehr genossen hatte.

Er war beinahe entspannt.

3. KAPITEL

Die Gewalt der Explosion schleuderte ihn nach hinten, und er knallte gegen einen Baum. Sein Bein verdrehte sich in einem merkwürdigen Winkel. Warmes, klebriges Blut lief ihm die Schläfe hinunter. McCabbers. Er musste nach McCabbers sehen … Er hörte ein Wimmern. Angst. Schmerz. Das Geräusch – das Wimmern – war in seinem Kopf, überall um ihn herum. McCabbers …

Matt fuhr hoch. Sein Atem kam stoßweise. Wieder einmal verwirrte ihn die weiche Bettdecke, bis ihm klar wurde, dass er nicht in Afghanistan war. Er war in seiner neuen Wohnung in Claires Haus. Er schloss die Augen und holte tief Luft.

Dieser verdammte Albtraum. Immer derselbe.

Nur konnte er immer noch ein Wimmern hören.

Wo zur Hölle kam das Geräusch her? Er sah sich um.

Sein Blick fiel auf die Hundebox. Sparkle stand an der Tür. Sie winselte und wimmerte.

„Hallo da drüben“, sagte er und stand auf. „Muss da jemand mal raus?“ Er warf einen Blick auf sein Handy. Erst Viertel nach drei. So war das Leben eines Hundetrainers. Er schlüpfte in seine Sneaker, zog sich seine Lederjacke über, machte die Box auf und ging mit Sparkle nach draußen.

Er führte Sparkle ins Gras am Ende des Gartens. „Mach da hin“, flüsterte er dem Welpen zu. Anscheinend war es eine gute Idee, dass ein Hund eine „Lieblingsstelle“ hatte, damit er schnell sein Geschäft verrichtete – mitten in der Nacht und bei eisigen Temperaturen war das definitiv sinnvoll. Im Augenblick traf beides zu. Er hatte noch zwei Leckerli in der Tasche und gab Sparkle einen davon. „Braver Hund!“

Wieder oben angekommen gab er Sparkle einen Klaps und schloss sie wieder in ihrer Box ein. Dann ging er wieder ins Bett. Mann, waren diese Laken weich.

Ein Wimmern. Ein Winseln.

Er machte ein Auge auf. „Wie soll ich bei diesem Krawall schlafen?“, fragte er Sparkle.

Mehr Wimmern. Mehr Winseln.

„Darauf soll ich nicht reagieren“, sagte er sich. Aber er stand wieder auf. „Ich sag dir was. Wenn du mit diesem nervtötenden Lärm aufhörst, lasse ich dich eine Weile raus. Du verstehst doch, was ein Kompromiss ist, oder, Sparkle?“

Sparkle verstummte augenblicklich. Sie sah geradezu begeistert aus, als Matt die Tür öffnete. Er hob sie hoch und trug sie zum Bett. Sie leckte seinen Arm. Dann stand sie auf, drehte sich dreimal um sich selbst und ließ sich mit einem Seufzer wieder fallen.

Hunde seufzten? Wer hätte das gedacht.

Ihre kleinen Augen fielen zu.

„Hey, warte mal, du Schlawiner. Du kannst es dir hier nicht bequem machen. Du musst in deiner Box schlafen.“

Sparkle fing an zu schnarchen. Aber der kompakte Körper des kleinen Hundes fühlte sich irgendwie tröstlich neben ihm an. Und ganz ehrlich, Matt war zu müde, um sie wieder in die Box zu stecken. Morgen früh würde er Claire alles beichten und herausfinden, wie schlimm dieser Fehltritt war.

„Ich bin bei Claire sowieso schon in Ungnade“, flüsterte er Sparkle zu, die die Augen öffnete, als ob sie ihm wirklich zuhörte. „Also musst du morgen ganz brav sein, kapiert?“

Sparkle stand auf und kam näher. Sie leckte sein Gesicht ab und kuschelte sich unter die Decke, wo sie sich an ihn geschmiegt ausstreckte. Er lächelte und schüttelte den Kopf. Dann kraulte er sanft ihren Bauch.

„Wer trainiert hier wen?“, flüsterte er, als dem Hund die Augen zufielen.

Als Claire am nächsten Morgen um sechs Uhr früh mit Dempsey nach draußen ging, sah sie, dass Matt im Garten war und einen Ball für Sparkle warf. Sparkle dachte gar nicht daran, ihn zu holen. Sie legte den Kopf schief und rannte dann in die entgegengesetzte Richtung.

Claire lachte. Matt fuhr herum. „Ich hab gedacht, das ist bei Hunden ein Instinkt“, sagte er und schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln.

Wie konnte er um sechs Uhr früh so gut aussehen? Ungefähr um drei Uhr nachts hatte sie gehört, wie er die Tür aufgemacht hatte und rausgegangen war. Sie hatte sich dazu gezwungen, im Bett zu bleiben und sich nicht ans Fenster zu schleichen, um ihn zu beobachten. Natürlich war sie dann mehr als eine Stunde wach gelegen. Erinnerungen, Fragen, alle mögliche Gedanken hatten sie am Einschlafen gehindert. In den zwei Jahren, in denen sie zusammen waren, hatte sie Matt Fielding bestimmt dreitausendmal geküsst. Von ihm umarmt zu werden oder seine Hand zu halten, das alles hatte sich immer so gut angefühlt, so tröstlich, so richtig.

Er hatte ihr gesagt, dass er auch noch Jungfrau war und dass er sein erstes Mal mit ihr erleben, sie aber nicht unter Druck setzen wollte. Also hatte sie gesagt, dass sie in der Nacht nach dem Abschlussball bereit dafür sein würde. Wofür genau hatte sie nicht gewusst. Sex, vor allem mit ihrer großen Liebe, hatte so unglaublich, so monumental gewirkt – als ob es das Wichtigste in ihrer Welt war.

Und dann, nach dem Schulball, auf dem sie und Matt sich während der meisten Songs ununterbrochen geküsst hatten, hatte er mit ihr Schluss gemacht, statt mit ihr in ein Motel zu verschwinden. Er hatte gesagt, dass es ihm leidtun würde, aber dass es so am besten wäre. Sie war so sprachlos gewesen, dass sie kein Wort herausgebracht hatte. Und dann war sie weggerannt, war aus seinem Auto gesprungen, die hochhackigen Sandalen in der Hand.

Das war das letzte Mal gewesen, dass sie Matt Fielding gesehen hatte, bis vor ein paar Tagen im Tierheim.

Er sah immer noch verdammt gut aus. Und sexy. Das dichte, braune Haar, das in der Sonne glänzte. Die durchdringenden blauen Augen mit den langen, dunklen Wimpern. Die breiten Schultern in dieser schwarzen Lederjacke. Die langen, muskulösen Beine in diesen abgetragenen Jeans. Matt war einfach nur heiß. War er schon immer gewesen. Aber jetzt war aus dem großen, schlaksigen Jungen ein Mann geworden.

Hör auf, ihn anzustarren, befahl sie sich.

Himmel – was hatte er gesagt? Irgendwas von wegen, dass Ballholen doch für Hunde zum Instinkt gehörte. „Also, der Teil von Sparkle, der ein Spaniel ist, für den ist das eine Wissenschaft. Aber für den Rest von ihr vielleicht nicht.“

„Oh, das macht Sinn. Ich muss noch viel lernen“, sagte er. „Wie schlimm ist es, dass ich Sparkle erlaubt habe, bei mir im Bett zu schlafen?“

Er war schon immer ein Softie gewesen. Abgesehen davon, wie er sie abserviert hatte, natürlich. „Im Endeffekt ist das deine Entscheidung. Na ja, die deiner Schwester. Wenn sie Sparkle erlaubt, bei Ellie im Bett zu schlafen, geht das in Ordnung. Ansonsten ist es besser, sie daran zu gewöhnen, in der Box zu schlafen, um sie nicht zu verwirren.“

„Kapiert. Ich werde Laura fragen. Ellie will das bestimmt, so viel ist sicher.“

Claire wollte gerade antworten, als laute Stimmen im Haus nebenan sie unterbrachen.

„Ich mache nicht Schluss mit ihr. Und du kannst mich nicht dazu zwingen!“, knurrte ein Junge im Nachbarsgarten.

„Sie ist die Falsche für dich!“, sagte eine Frau. „Sie macht nichts als Ärger.“

„Mir doch egal!“, brüllte der Junge. Dann knallte eine Tür.

Claire warf Matt einen Blick zu und flüsterte: „Justin ist siebzehn. Die letzten paar Monate habe ich ihn nie ohne eine langhaarige Blondine gesehen.“

„Blondinen sorgen definitiv für Schwierigkeiten“, sagte er und streckte die Hand aus, um eine Haarsträhne zurückzustreichen, die ihr der Wind über die Wange geweht hatte.

Claire erstarrte. Seine Berührung war so unerwartet und so angenehm, dass sie keinen Ton herausbrachte.

„Tut mir leid. Das war unangebracht“, sagte er und wich zurück. „Ich …“ Er biss sich auf die Zunge.

„Wenn hier jemand für Schwierigkeiten sorgt, dann wäre das die erste große Liebe, die plötzlich bei einem wohnt und einen dazu bringt, sich an die gute alte Zeit zu erinnern.“

„Wem sagst du das“, sagte er. „Die Erinnerungen haben mich die halbe Nacht lang wach gehalten.“

„Woran hast du denn gedacht?“, fragte sie.

„Wie verrückt ich nach dir war.“

„Ich habe sogar gedacht, du wärst genauso verrückt nach mir wie ich nach dir. Aber dann hast du mich abserviert. Weißt du noch?“

Guter Gott. Hatte sie das wirklich gesagt? Was für einen Sinn hatte es, dieses Gespräch nach beinahe zwanzig Jahren zu führen?

Er wandte sich ab. Einen Augenblick lang konzentrierte er sich auf Sparkle, die einen Meter von ihnen entfernt an einem Baumstamm schnupperte. „Ich habe mit dir Schluss gemacht, weil ich nur für Probleme gesorgt hätte.“

„Ja, klar. Der junge Soldat, der auszieht, um seinem Land zu dienen, der sich zum Gedenken an seinen gefallenen Bruder freiwillig gemeldet hat. Klar. Riesenprobleme.“

„Ich meine, dass ich eine Belastung für dich gewesen wäre“, sagte er und sah sie an. „Du hattest damals so viel vor. Du hattest so viele Träume und Pläne. Und ich hatte nichts dergleichen.“

„Irgendwie komisch, dass ich so in dich verliebt war“, sagte sie und schüttelte den Kopf.

„Ich verstehe ganz ehrlich nicht, warum du das warst. Ich hatte dir doch nichts zu bieten. Und jetzt habe ich dir noch weniger zu bieten. Wenn ich das wollte, meine ich. Wenn du … Oh, verdammt“, sagte er kopfschüttelnd. „Ich will nur sagen, dass ich eine Belastung für dich gewesen wäre.“

„Warum hast du so eine Entscheidung über meinen Kopf hinweg getroffen?“, fragte sie.

„Weil ich dich so sehr geliebt habe, Claire. Deswegen.“ Er sah sie an, dann richtete er den Blick auf den Boden, als ob er gerade eine Entscheidung gefällt hatte. „Also, ich muss jetzt ein paar Anrufe erledigen. Sparkle, komm her.“

Der Hund schaute ihn an. Er zog ein Leckerli aus seiner Jackentasche, und der Hund rannte auf ihn zu. „Gut gemacht, Sparkle“, sagte er und hielt ihr seine Handfläche hin. Sie schnappte sich den Leckerbissen und folgte ihm, als er zur Treppe ging.

Weil ich dich so sehr geliebt habe … Claire schnürte es die Kehle zu. Aber was hätte sie schon sagen sollen? Das alles war Vergangenheit.

Und jetzt habe ich dir sogar noch weniger zu bieten.

Wenn das seine Gefühle waren, würde er auf keinen Fall ihr Ehemann und der Vater ihrer Kinder werden.

Sie musste sich unter Kontrolle bekommen, bevor Matt Fielding ihr noch mehr unter die Haut ging.

„Hey, Matt“, rief sie zu ihm zur Veranda hinauf.

Er blieb stehen und schaute nach unten – es war eindeutig, dass er sich für das wappnete, was sie sagen würde. Einen Augenblick lang sah sie ihn einfach nur an.

„Das machst du toll mit Sparkle“, sagte sie dann.

Sie konnte erkennen, wie er die Schultern entspannte.

„Danke“, sagte er. „Meine Lehrerin hat mir fantastisches Infomaterial gegeben, und ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“

Sie lächelte ihm zu. Er ging ins Haus und machte die Schiebetür hinter sich zu.

So ist’s richtig, Asher. Konzentrier dich auf den Hund. Bleib locker. So kommst du endgültig über Matt Fielding weg. Sie musste Grenzen setzen und einen Sicherheitsabstand wahren.

Und sie musste den Mann finden, den sie suchte. Den Mann, mit dem sie ihr Leben teilen würde. Einen Ehemann. Einen Vater für das Kind, das sie sich wünschte. Dieser Mann war nicht Matt Fielding.

Sie ging hinein und fuhr ihren Laptop hoch. Dann tippte sie „Dating Service“ in die Suchmaschine. Es gab so viele. Einige kamen schon wegen ihrer albernen Namen nicht infrage. Am Ende blieb ihr Blick an „Second Chance Sweethearts“ hängen. Also, das war mehr ihr Stil. Schließlich ging es für sie um eine zweite Chance in Sachen Liebe, richtig?

Sie klickte auf die Seite, um ein Profil anzulegen. Hmm, sie brauchte einen Benutzernamen. Sie tippte „AlwaysLearning“. Dann beschrieb sie ihre Interessen. Wie sehr sie es liebte zu unterrichten. Dass sie auf alte Filme und Superhelden stand, dass sie jeden Abend und für den Rest ihres Lebens Pasta essen könnte und dass sie nach einem Mann suchte, der eine Familie gründen wollte.

Sie lud ein aktuelles Foto hoch. Es war keine Nahaufnahme, aber es zeigte sie von Kopf bis Fuß.

Sie bezahlte für einen Monat Mitgliedschaft und klickte auf Absenden, bevor sie einen Rückzieher machen konnte.

Nimm das, Matt Fielding.

Keine fünf Minuten später, als Claire gerade nachsehen wollte, ob schon irgendwelche Nachrichten in ihrer Mailbox bei Second Chance Sweethearts eingegangen waren, klingelte es. Dempsey sprang bellend auf.

Claire ging zur Tür. „Hey, Dempsey, vielleicht ist das schon der perfekte Mann.“

Aber es war Matt Fielding.

„Ich hab nur gedacht, ich sollte lieber ganz offiziell klingeln, und nicht an deine Hintertür klopfen“, erklärte er.

„Alles okay?“, fragte sie.

Er nickte. Dann kraulte er Dempsey den Kopf. „Das Treppengeländer nach oben ist auf der linken Seite locker. Ich könnte mich darum kümmern. Ich wurde bei der Armee zum Mechaniker ausgebildet, also bin ich ziemlich geschickt, was Reparaturen angeht. Du wolltest ja keine Miete. Also bestehe ich darauf, stattdessen meine Dienste anzubieten.“

Sie stellte sich Matt in ihrem Wohnzimmer, in ihrer Küche, in ihrem Schlafzimmer vor. Mit einem Werkzeuggürtel um die Hüften. Während sie beobachtete, wie sein Muskeln spielten. „In der Küche ist das Scharnier von einem Schrank lose“, sagte sie. „Und ich will schon seit Ewigkeiten das Bücherregal im Wohnzimmer an der Wand befestigen. Dein Angebot wird dir noch leidtun. Mir fallen bestimmt gleich noch zehn weitere Sachen ein.“

„Um all das kann ich mich kümmern“, sagte er. „Ich kann um halb vier kommen, wenn dir das passt.“

„Das geht“, hörte sie sich selbst sagen. „Ich muss heute erst um fünf ins Tierheim.“

„Dann bis heute Nachmittag“, sagte er und nickte Dempsey zu, bevor er sich umdrehte und ging.

Du Närrin, schalt sie sich, als sie die Tür zumachte. Du bekommst so weiche Knie, dass du dich kaum auf den Beinen halten kannst, wenn du Matt auch nur ansiehst. Jetzt wird er täglich hier auftauchen.

Claire ging zu ihrem Laptop, der auf dem Schreibtisch im Wohnzimmer stand. Sie hatte vier Nachrichten von dem Dating-Service.

Und das war auch gut so. Denn wenn Matt bei ihr den Handwerker spielen würde, brauchte sie dringend Ablenkung.

HOT4U, der auf allen Fotos kein Hemd trug, liebte „ruhige Nächte mit der Dame seines Herzens“. Aber sicher doch. Der Nächste, bitte! Nur waren die nächsten beiden nicht viel besser. Vielleicht war Online-Dating doch nicht des Rätsels Lösung.

Claire warf einen raschen Blick auf die vierte Nachricht. Hmm. BigReader hatte nur ein Foto hochgeladen, die Profilansicht eines attraktiven, dunkelhaarigen Mannes auf einem Boot. Er war siebenunddreißig, Buchhalter, las gerne historische Biografien, und dann kam das Wesentliche: Er liebte Hunde.

Claire klickte auf „Antworten“.

Innerhalb von zwanzig Minuten hatte sie eine Verabredung zum Abendessen am nächsten Tag.

Matt verbrachte den Tag damit, mit Sparkle zu arbeiten und dem jungen Hund die Stadt zu zeigen. Er traf ein paar alte Freunde und hatte jetzt Pläne für einen Grillabend und für ein Treffen auf ein paar Bier in einer Bar am Stadtrand.

„Hätte jetzt nicht gedacht, dass du der Typ für flauschige Welpen mit lila Halsband bist“, hatte ein ehemaliger Konkurrent im Baseballteam bemerkt. Bevor Matt auch nur ein Wort sagen konnte, hatte ein Kumpel ihn unterbrochen: „Matt hat vom Dienst für unser Vaterland eine Wunde vom Oberschenkel zum Schienbein zurückbehalten, also halt die Klappe.“ Daraufhin hatte der alte Rivale die Hand ausgestreckt, und Matt hatte sie geschüttelt. So einfach gehörte er wieder dazu. Aber wollte er hier wirklich Freundschaften schließen, sich hier ein Leben aufbauen, wo er dauernd Claire begegnen würde? Nein. Er würde den Welpen für Ellie trainieren und dann würde er aufbrechen. Wenigstens war das sein Plan. Auch wenn das eigentlich kein Plan war.

Aber er musste die Stadt verlassen. Den ganzen Tag hatte er an Claire gedacht – angefangen mit alten Erinnerungen bis zu ihrem Aussehen am Morgen. Claire hatte ein Haus. Sie hatte einen wichtigen Job. Sie engagierte sich leidenschaftlich für das Tierheim. Sie hatte alles. Und Matt? Im Moment bestand sein ganzes Hab und Gut aus einer Reisetasche und einem vier Kilo schweren Welpen. Und den Hund würde er weggeben, sobald der einigermaßen erzogen war. Also beschränke deine Fantasien auf deinen Dickschädel, ermahnte er sich, als er um halb vier mit der Bohrmaschine in der Hand bei Claire klingelte. Denk nicht daran, sie zu küssen. Auch wenn du das willst. Mal dir nicht aus, wie sie nackt aussieht. Auch wenn du nicht anders kannst. Stell dir euch beide nicht im Bett vor. Auch wenn du dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf bekommst.

Sie öffnete die Tür, und er dachte sofort daran, sie zu küssen. Aber Dempsey stand neben ihr Wache und schaute ihn mit diesen seelenvollen Augen an. Der Hund erinnerte ihn daran, was er sich selbst versprochen hatte – und insgeheim auch Claire. Sich nicht mit ihr einzulassen. Claire Asher hatte schon immer etwas Besseres verdient als ihn, viel mehr, als er ihr bieten konnte.

Sie trug einen Blazer aus blauem Samt und einen schwarz-weißen Rock. Ihr Lehrerinnen-Outfit. Sie roch fantastisch, nach würzigen Blumen. Das Haar trug sie im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden. Oh Mann, wie sehnte er sich danach, die seidigen, blonden Strähnen zwischen den Fingern zu spüren.

„Ich bin gerade erst nach Hause gekommen“, sagte sie, machte die Tür weiter auf und ließ ihn rein. „Ich zieh mich nur schnell um. Du kannst dir ja mal das Regal anschauen. Ich hab immer Angst, dass ein Hund in Dempseys Größe es umreißen könnte, wenn er daran hochspringt.“

„Ich kümmere mich darum“, sagte er. Er kniete sich hin. Aus irgendeinem Grund – vielleicht lag Regen in der Luft – zuckte er zusammen und brauchte doppelt so lange wie sonst, um sich hinzuknien. Stell keine Fragen, schickte er Claire eine telepathische Botschaft, als er Dempsey nachdrücklich das borstige Fell tätschelte. Sparkle fühlte sich im Vergleich wie ein Daunenkissen an.

„Kriegsverletzung?“, fragte sie.

Mist. Er hasste es, wenn das Thema darauf kam. Auch wenn sein kaputtes Bein ein Freischein dafür war, ein viel zu süßes Hündchen mit lila Halsband zu haben.

Er nickte. „Landmine.“

Jetzt war sie an der Reihe, zusammenzuzucken. „Tut’s sehr weh?“

Noch einmal: Mist. Er wollte nicht, dass sie ihn so ansah. Beunruhigt. Besorgt.

„Manchmal“, gab er zu.

„Das tut mir leid.“

Er kam auf die Füße. Dabei zuckte er erneut zusammen und sah, wie sie den Arm ausstreckte, um ihm Halt zu geben. Genau das wollte er vermeiden. Sich wie ein halber Mann zu fühlen. Innerlich schüttelte er vehement das Selbstmitleid ab; er hatte ein Riesenglück gehabt und das wusste er. Zwei Leute in seiner Einheit waren mit viel schlimmeren Verletzungen zurückgekommen.

„Ich schau mir mal das Bücherregal an“, sagte er und ging weg, ohne sie anzusehen.

Er hörte das sanfte Klacken von Dempseys Krallen auf dem Holzfußboden. Das bedeutete, dass Claire hinausging und Dempsey ihr folgte. Sehr gut.

Das Bücherregal ging ihm bis zur Taille und war mit interessanten Souvenirs aus Claires Leben bestückt, wie etwa einer Schmuckschatulle aus buntem Glas, die sie von ihrer Urgroßmutter geerbt hatte, und einer schiefen Vase, die sie während ihrer Schulzeit im Töpferkurs gemacht hatte. Oben auf dem Regal lag ein aufgeschlagenes Fotoalbum. Himmel. Die Seite zeigte Fotos von ihm und Claire. Er legte den Bohrer weg und griff nach dem Album.

War er wirklich einmal so jung gewesen? Himmel, schau mich nur an, dachte er, so verliebt, so voller Angst, das zu zeigen. Ich konnte kaum glauben, dass sie mich auch mochte.

„Oh, äh, ich …“, stotterte Claire.

Er drehte sich um. Claires Wangen glühten, als ob es ihr peinlich war, dass er sie dabei erwischt hatte, wie sie in Erinnerungen schwelgte.

„Ich kann nicht glauben, dass ich mal so jung war“, sagte er, den Blick auf das Foto von ihnen beiden zusammen gerichtet. „Oder dass das schönste Mädchen der Welt einmal meine Freundin war.“ Er blätterte um. Er und Claire tanzten auf dem Schulball. Sie küssten sich.

Sie warf einen Blick auf die Seite. „Da habe ich noch geglaubt, mein Freund und ich würden uns ins Motel schleichen. Stattdessen habe ich mir in meinem Zimmer mit dem Kissen über dem Kopf die Augen ausgeweint.“

Das traf ihn wie ein Faustschlag in den Magen. Er hasste es, wie sehr er sie damals verletzt hatte. „Wenn du ahnen könntest, wie sehr ich dich in jener Nacht begehrt habe, Claire“, sagte er und legte das Album weg. Er nahm ihre Hände, und sie sah zu ihm auf. „Ich war so unglaublich verliebt in dich.“

„Ich will nicht über die Vergangenheit reden“, sagte sie. „Ich will, dass du mich jetzt küsst.“

Ich auch, dachte er. Alles andere verblasste. Seine Vernunft und die wirkliche Welt. Er machte einen Schritt auf sie zu und legte die Hände um ihr wunderschönes Gesicht. Dann beugte er sich vor und küsste sie, sanft und süß, nur falls sie ihre Meinung änderte.

Aber das schien nicht der Fall zu sein, denn sie vertiefte den Kuss und vergrub die Hände in seinem Haar. Während sie ihn küsste, schob sie ihn rückwärts auf die Couch. Dort setzte sie sich auf seinen Schoß und bedeckte seinen Hals mit Küssen.

Und dann fing sie an, sein Hemd aufzuknöpfen. Ihre Hände waren kühl auf seiner heißen Haut. Fünf Sekunden später hatte er ihr das Oberteil ausgezogen und schon eine Hand unter dem Bund ihrer sexy Jeans.

„Hilf mir, über dich hinwegzukommen“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Er zuckte zurück. Ihre Worte trafen ihn wie ein Eimer kaltes Wasser über den Kopf. „Was?“

„Du und ich“, sagte sie. „Aus uns wird doch nichts, richtig? Genau wie damals. Also gib mir die Gelegenheit, endgültig über dich hinwegzukommen.“ Sie schob die Hände unter sein Hemd, fuhr über seinen Oberkörper.

Es fühlte sich so gut an. Aber er glaubte ihr nicht. Also schob er sie von seinem Schoß und stand auf.

„Du glaubst also, dass Sex helfen wird, über mich hinwegzukommen?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich denke schon den ganzen verdammten Tag nur an dich, Claire. Sex würde nur dafür sorgen, dass ich zu gar nichts mehr zu gebrauchen bin.“

„Dann wirst du also wieder einmal zu meinem eigenen Besten nicht mit mir schlafen?“ Sie machte ein paar Schritte und blieb vor der Schiebetür aus Glas stehen. Dann drehte sie sich zu ihm um und sah ihn zornig an. „Wie wäre es, wenn du mich mal meine eigenen Entscheidungen treffen lassen würdest?“

„Ich werde nicht mit dir schlafen, weil ich weiß, dass ich bald nicht mehr hier sein werde“, sagte er. „Ich bin nicht der Richtige für dich. Genau wie vor achtzehn Jahren.“

Sie reckte das Kinn. „Ich muss noch Aufsätze korrigieren. Also ist heute doch kein guter Tag für dich, hier im Haus Reparaturen zu erledigen.“

Er hasste es, sich so zu verabschieden.

„Claire, wenn du nur wüsstest …“

Sie hob eine Hand. „Matt, du hast doch schon alles gesagt.“

Oh, verdammt.

Ihr Telefon klingelte. Also ging er zur Tür. Sag jetzt bloß nicht, dass es dir leidtut. Sonst brät sie dir eins über, ermahnte er sich.

Aber er wollte es sagen. Denn es tat ihm leid. Und er wünschte sich, dass alles anders wäre. Wünschte sich, dass er anders wäre.

4. KAPITEL

Wie lächerlich! Am Morgen war Claire noch sicher gewesen, dass sie sich Matt Fielding aus dem Kopf schlagen konnte, indem sie sich bei einem Online-Dating-Service anmeldete. Und jetzt, nur ein paar Stunden später, dachte sie, ihn in ihr Bett zu zerren wäre die beste Methode, über ihn wegzukommen? Endlich mit ihm Sex zu haben. War sie denn völlig verrückt geworden?

Zum Glück hatte er dem einen Riegel vorgeschoben.

Doch dann überlegte sie, ob Sex mit ihm vielleicht nicht doch hilfreich wäre. Das Mysterium, das sie mit ihm und „damit“ verband, würde sich in Wohlgefallen auflösen. Sie würde endlich wissen, wie sich Sex mit ihm anfühlte, und dann konnte sie weiterleben. War das nicht auch eine Möglichkeit?

Zum Glück hatte Claire nicht die Zeit, endlos darüber nachzusinnen. Um fünf Uhr musste sie zu „Fellknäuel fürs Leben“. Und dann sollte sie Connor Hearon – alias BigReader – um sieben im Main Street Grille zum Essen treffen. Claire hatte leider jedes Interesse an Connor verloren. Aber sie würde nicht zulassen, dass Matt ihr noch ein Date ruinierte. Als Sicherheitsvorkehrung für ihr erstes Treffen hatte sie ihrer Freundin Amanda Sylvester, die ebenfalls ehrenamtlich bei „Fellknäuel fürs Leben“ arbeitete und außerdem die Managerin und Miteigentümerin vom Main Street Grille war, Bescheid gegeben. Amanda sollte die Augen aufhalten, falls ihr irgendwas komisch vorkam. Dann schickte Claire ihrer Schwester noch eine Nachricht mit allen Informationen zu BigReader.

„Du bist meine Heldin“, war die Antwort ihrer Schwester. „Ich bin so froh, dass du dich traust, die Fühler auszustrecken. Warte nur, nächstes Jahr um diese Zeit schaukelst du dein eigenes Baby …“

Das ist vielleicht ein bisschen voreilig, dachte Claire. Wenigstens hatte Della sie aufgemuntert. Aber sollte es sich so … langweilig anfühlen, sich etwas zu trauen? Wieder einmal machte sie Matt Fielding dafür verantwortlich.

Es war wirklich praktisch, ihm für alles die Schuld geben zu können.

Matt wollte noch eine Packung Leckerli für Sparkles Training holen, also fuhr er raus zu „Fellknäuel fürs Leben“. Wahrscheinlich gab es die auch im Supermarkt, aber ihm gefiel der Gedanke, sein Geld im Tierheim auszugeben. Außerdem fiel ihm nichts mehr ein, um es zu vermeiden, nach Hause zu fahren. Seit dem Streit mit Claire hatte er alle Hundehaare im Apartment weggesaugt, war einkaufen gegangen, hatte den Mietwagen zurückgebracht und sich einen gebrauchten schwarzen Mustang gekauft. Dann hatte er mit Sparkle ein paar Stunden im Park verbracht. Sie hatten Kommandos geübt – „Bei Fuß!“ und „Bleib!“ –, und allmählich hatte Sparkle den Dreh raus.

Als er den kleinen Hund vor zehn Minuten in der Wohnung zurückgelassen hatte, war Sparkle in ihrer Box tief und fest eingeschlafen.

Matt bog auf den Parkplatz vor „Fellknäuel fürs Leben“ ein. Das Gebäude war von riesigen Eichen umgeben, auf der Eingangstür prangte das Logo, eine Katze und ein Hund in einem Herz. Er zog die Glastür auf und betrat die kleine Eingangshalle. Er erinnerte sich an Birdie, eine der beiden Eigentümerinnen, von seinem letzten Besuch.

„Guten Tag, Ma’am“, sagte er. „Ich bin …“

Birdie wandte ihre stechend blauen Augen vom Computermonitor ab. „Sie sind hier vor ein paar Tagen mit einem unserer noch nicht ganz vermittelbaren Welpen abgedüst“, sagte sie und ihre strenge Miene wurde weicher, als sie ihn anlächelte. „Ich weiß genau, wer Sie sind, Matt. Und sagen Sie doch bitte Birdie zu mir. Ich bin nicht so der Ma’am-Typ, oder?“

Er lachte. „Also, Birdie, ich bin hier, weil ich noch mehr Leckerli für Sparkles Training brauche.“

„Davon gibt’s in unserem Shop jede Menge“, sagte sie, und deutete auf die Seitenwand der Eingangshalle. Claire hatte erwähnt, dass die Waren zum größten Teil Spenden waren; jeder Verkauf kam also dem Tierheim zugute. Dazu leistete er gerne einen Beitrag.

Aus dem langen Gang hinter der Lobby drang lautes Bellen an sein Ohr. Er konnte ein paar beschilderte Türen sehen. Da hieß es „Zutritt nur für Mitarbeiter“ und ganz am Ende des Flurs „Tierärztliche Praxis“. Dann gab es noch zwei weitere Räume. Der eine hieß „Katzen“, der andere „Hunde“. Von seinem Blickwinkel aus konnte er durch eine große Glasscheibe in den Hunderaum sehen. Gerade kniete sich ein Pärchen hin, um Tucker zu streicheln. Der kleine Chiweenie schien sich viel mehr für sie zu interessieren als für Matt und Ellie vor ein paar Tagen.

Doch dann versuchte die Frau, Tucker hochzuheben, und wurde angekläfft; Matt konnte das laute Gebell von draußen hören. Dann kam eine weitere Frau in sein Blickfeld. Claire. Wie konnte er vergessen haben, dass sie um fünf Dienst hatte? „Der kommt überhaupt nicht infrage!“, fauchte die Frau, als sie die Tür aufriss und herauskam, gefolgt von ihrem Mann und einer genervten Claire, die den kleinen Tucker an der Leine hatte.

Vielleicht ist er nervös und will nicht von einem völlig fremden Menschen hochgehoben werden, wollte Matt der Frau an den Kopf werfen. Himmel.

„Vielleicht können Sie ja am Wochenende zu unserer Adoptionsveranstaltung kommen“, sagte Claire gerade. „Viele der Hunde, die zur Adoption anstehen, sind im Moment bei ihren Pflegefamilien. Aber Samstag und Sonntag sind alle hier.“

„Also, wenn die weniger wild sind als der hier …“, sagte der Mann.

Matt brach beinahe in schallendes Gelächter aus. Tucker wog vielleicht höchstens sechs Kilo. Mit Schwanz.

„Tucker ist nicht wild“, sagte Claire, und Matt war beeindruckt, wie warmherzig sie sich anhörte. „Nur ängstlich und gestresst.“

„Nun ja, Sie haben uns ja gewarnt, dass er schreckhaft ist und zum Bellen neigt“, sagte die Frau mit gemäßigterer Stimme. „Das war meine Schuld.“

Jetzt konnte Matt verstehen, warum Claires Strategie – immer höflich und freundlich zu sein und alles ruhig zu erklären – klüger war als seine instinktive Reaktion.

„Also, dann kommen wir am Samstag wieder“, sagte die Frau, und das Pärchen ging zur Tür.

Schließlich drehte Claire sich um und bemerkte Matt. Er sah, wie sie sich verspannte. „Oh, hallo. Ist alles okay mit Sparkle?“

Er nickte. „Ich hab nur mehr Leckerli gebraucht“, sagte er und hielt die vier Tüten hoch, die er gerade aus dem Regal genommen hatte.

„Ach so.“ Sie nickte. „Dann bringe ich Tucker mal wieder in seinen Zwinger.“

„Darf ich mitkommen? Ich würde gerne dem alten Hank Hallo sagen und vielleicht mit ihm spazieren gehen, wenn das okay ist?“

„Da wäre er begeistert.“

Claire führte Tucker wieder in seinen Zwinger. Der zog sich sofort auf sein Bettchen zurück und machte es sich mit seinem Kauspielzeug gemütlich. Dann gesellte sie sich zu Matt vor Hanks Zwinger. Der große, braune Hund mit den spitzen Ohren saß ganz vorne, als ob er wusste, dass Matt gekommen war, um mit ihm spazieren zu gehen.

„He, alter Knabe“, sagte Matt und kniete sich hin. Heute fiel ihm das viel leichter als gestern. „Wie geht’s dir?“ Er schaute zu Claire auf. „Darf ich ihm so was geben?“, fragte er und holte ein Leckerli aus der Tasche seiner Lederjacke.

Sie lächelte. „Da freut er sich.“ Sie musterte Hank, und ihre Miene verdüsterte sich. „Gleich nach Anfang meiner Schicht kam ein Mann rein, dem Hanks ausdrucksvolle Augen gefallen haben. Also habe ich Hank ins Hundezimmer gebracht und habe schon gehofft, dass er ein Herrchen gefunden hat. Aber am Ende hat der Typ dann gesagt, dass er mit einem dreibeinigen Hund nicht klarkommt.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Bist du wieder mal übergangen worden, Kumpel?“ Das Herz tat ihm weh vor Mitgefühl mit dem wunderschönen Hund. „Wie lang ist er schon hier?“

„Fast einen Monat.“

„Einen Monat sitzt er schon hier fest? Und niemand will ihn, weil ihm ein Bein fehlt?“ Er schüttelte den Kopf. Verdammt, Hank war der King. Hank war der Beste. Hank … „Weißt du was, Hank? Wenn es dir recht ist, nehme ich dich mit.“

Claire schnappte nach Luft. „Wirklich? Das wäre fantastisch!“

Vor zehn Sekunden hatte er keine Ahnung gehabt, dass er Hank adoptieren wollte. Aber der Gedanke fühlte sich einfach so richtig an. „Hank ist so ruhig, ich bin sicher, dass er sanft zu Sparkle wäre, oder?“

„Oh, ja. Die beiden haben ein paarmal zusammen im Hof gespielt, als Sparkle neu hier war. Die kommen super miteinander aus.“

Mann, es war schön, ihr Lächeln wiederzusehen. Heute Nachmittag war er schuld daran gewesen, dass es verschwunden war. Jetzt hatte er es wieder hervorgezaubert.

„Also, wenn ich die Genehmigung bekomme, Hank zu adoptieren, dann kann er für immer bei mir bleiben.“

„Dein eigenes Fellknäuel fürs Leben.“ Sie schlang die Arme um ihn. Dann trat sie zurück, und ihr Lächeln verblasste. „Tut mir leid. Ich bin nur so aufgeregt, weil er einer meiner Lieblinge ist. Oh, Matt, ich weiß einfach, dass ihr füreinander bestimmt seid.“

Er sah ihr in die Augen, in ihre grünen, funkelnden Augen. Er freute sich, dass er sie so glücklich gemacht hatte.

Und einfach so verließ Matt das Tierheim mit den Leckerli für Sparkles Training und jeder Menge Kram für seinen neuen Hund. Matt und Claire verstauten alles in seinem neuen Auto. Einschließlich Hank, der auf dem Beifahrersitz Platz nehmen durfte.

„Deine Tage im Zwinger sind vorbei, Kumpel“, sagte Matt und kraulte Hank.

Hank warf ihm einen dankbaren Blick zu. Der alte Knabe lächelte. Kein Zweifel.

„Ich könnte weinen vor Glück, ich freu mich so für ihn“, sagte Claire, die vor der Fahrertür stand. „Und Hank bekommt nicht nur ein tolles Zuhause, ich kann ihn auch noch dauernd sehen!“

Matt schenkte ihr ein reumütiges Lächeln. Das war wahrscheinlich keine gute Idee. In Claires Haus zu wohnen war keine gute Idee. Hatte seine schlaue Schwester nicht genau das gesagt?

Aber jetzt musste er sich erst mal darauf konzentrieren, seinen neuen Hund nach Hause zu bringen. Darüber, was er wegen Claire Asher unternehmen sollte, würde er später nachdenken. Viel später. Denn auch wenn er genau wusste, dass es ein Problem war, in ihrem Haus zu leben – er wollte nicht wegziehen.

Connor Hearon alias BigReader war so attraktiv, wie sein Foto angedeutet hatte. Er war groß und schlank, mit wuscheligem, hellbraunem Haar und warmen, braunen Augen. Sein Anblick gab Claire Hoffnung, neben Matt Fielding noch andere Männer attraktiv finden zu können. Natürlich musste sie sofort an Matt denken. Matt beherrschte ihre Gedanken. Als Connor erwähnte, dass er gerade eine bestimmte Biografie las, war Claires erster Gedanke, dass Matt bestimmt auch gerne ein Buch über eine Besteigung des Mount Everest lesen würde. Als Connor Pasta nach Art des Hauses als Vorspeise bestellte, dachte Claire, dass Matt sich auch dafür entschieden hätte.

Was. In. Aller. Welt. Stimmte nicht mit ihr?

Sie wusste, was es war. Matt Fielding hatte Hank adoptiert. Einen dreibeinigen, alten Hund, den sonst niemand haben wollte. Und er hatte ihn adoptiert, obwohl er bereits einen Welpen in Pflege hatte. Also, ganz egal, was Matt sagte, seine Taten sprachen lauter als seine Worte. Und sie gingen ihr mehr zu Herzen.

Aber er hat es dir doch gesagt! Er bleibt nicht in der Stadt! Er hat diese fixe Idee, dass er nicht gut genug für dich ist, dass er dir nichts zu bieten hat. Weil er nur eine Reisetasche hat. Und jetzt einen Hund.

Dann zwang sie sich dazu, Connor mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Sie konzentrierte sich auf die Fältchen um seine freundlichen, intelligenten Augen, die auf viel Zeit an der frischen Luft schließen ließen.

Weißt du, wer noch einen Hund hat? Dieser Typ hier.

„Also, du bist geschieden?“, fragte Connor und drehte Pasta um seine Gabel.

„Seit drei Jahren“, sagte sie und nahm einen Bissen von ihrem Burger. „Aber ich habe erst vor sechs Monaten wieder angefangen, mich zu verabreden.“

Er nickte. „Ich bin auch seit sechs Monaten wieder auf dem Markt. Ein echter Augenöffner, was?“

Sie lächelte. „Das hier ist mein erster Versuch, was Online-Dating angeht. Bisher habe ich mich nur zu Verabredungen überreden lassen. Ich habe gedacht, ich sollte mal selber versuchen, meine Zukunft zu gestalten.“

„Arrangierte Verabredungen klappen meistens besser, was mich angeht“, sagte er. „Online beschönigen viele Frauen das eine oder andere. Zum Beispiel ihr Gewicht.“ Er plusterte die Wangen auf.

Echt jetzt? Hatte er das gerade wirklich gesagt? Und getan? „Also, ich habe gehört, dass Männer gerne zehn Jahre alte Fotos verwenden, auf denen sie wesentlich mehr Haare auf dem Kopf haben.“

BigReader hatte fülliges Haar, also hatte sie ihn damit nicht beleidigt.

Er schien zu merken, dass das, was er gesagt hatte, daneben war. „Sorry. Damit habe ich nicht dich gemeint. Du könntest wahrscheinlich fünf Pfund mehr auf den Rippen vertragen“, fügte er hinzu und musterte ihre Brüste.

Holt. Mich. Hier. Raus.

„Oje, jetzt bin ich wirklich dabei, es zu vermasseln, was?“ Er lachte. Anscheinend fand er das furchtbar komisch. „Ich schätze, ich bin einfach ein bisschen kopfscheu, was Beziehungen angeht. Meine letzte Freundin hat mich betrogen. Und die davor war nur mit mir zusammen, weil sie geglaubt hat, dass ich mächtig gut verdiene.“ Er schnaubte.

Himmel, kann er nicht über Filme reden oder über Bootsausflüge?

Sie würde fertig essen und sich dann sofort entschuldigen. „Nun, wenigstens hast du noch diesen wunderschönen Hund, nicht wahr?“, sagte sie und stippte eine Fritte ins Ketchup. Sie erinnerte sich daran, dass sein Profilbild einen majestätischen Golden Retriever mit ihm im Boot gezeigt hatte. „Es ist schon unglaublich, wie viel Freude Hunde ins Leben bringen.“

Er schnaubte erneut – diesmal verbittert. „Den Hund hab ich bei der Scheidung verloren. Wobei ich echt kein Problem damit hatte, Banjo meiner Ex zu überlassen. So konnte ich dann einfordern, was ich wirklich wollte. Super Trick.“

Was für ein Mistkerl.

Er schmatzte seine Pasta in sich hinein. Sie konnte unmöglich noch eine Sekunde länger an diesem Tisch sitzen. Gerade als sie darüber nachdachte, wie sie das Date beenden konnte, bevor er auch nur mit dem Essen fertig war, kam ihre Freundin Amanda an den Tisch. „Passt alles?“

Claire bemerkte die leicht hochgezogene Augenbraue sofort – die Frage galt eigentlich nur ihr. Amanda wollte wissen, wie Claires Verabredung lief.

BigReader hob einen Finger und machte viel Aufhebens darum, dass er noch kaute. „Die Pasta ist lecker. Aber ganz ehrlich? Das Dressing vom Salat hat mir nicht so geschmeckt.“

„Tut mir leid, das zu hören.“ Amanda schenkte Claire ein reumütiges Lächeln. Sie hatte eindeutig erkannt, wie das Date lief, und ging weiter zu einem anderen Tisch.

„Also“, sagte Connor, „gehen wir dann zu dir auf einen Absacker?“

„Ich glaube nicht, dass wir zusammenpassen“, sagte Claire ehrlich.

Er zuckte die Schultern. „Kein Problem. Das ist eine Frage der Statistik. Man muss mitspielen, um zu gewinnen, richtig?“

Claire wollte nur noch weg. „Mitspielen ist nicht so einfach. Wenn man so hohe Erwartungen hat, ist es schwierig, jemandem gegenüberzusitzen, mit dem man wenig gemeinsam hat und den man gar nicht kennt.“

„Nun, das ist dann wohl dein Problem, Claire. Erwartungen. Wenn man sich zueinander hingezogen fühlt, prima. Bisschen Knutschen, bisschen Sex. Wenn’s nicht funkt, dann eben nicht. Weiter geht’s.“

„Also, ich schätze, dann heißt es jetzt ‚weiter geht’s‘.“

„Mit der Einstellung bleibst du den Rest deines Lebens Single.“ Er stand auf und legte einen Zwanzigdollarschein auf den Tisch, der gerade mal für sein Essen reichte. „Viel Glück. Du wirst es brauchen.“

„Du auch“, sagte sie und schüttelte den Kopf.

„Gott sei Dank sind wir den los“, sagte Amanda und stellte ein Stück Schokoladenkuchen vor Claire. „Mit den besten Wünschen vom Main Street Grille und weil du es geschafft hast, den Kerl eine Stunde lang zu ertragen.“

Claire lachte und machte sich über den Kuchen her. Aber was nun? Wie viele Dates sollte sie über sich ergehen lassen? Vielleicht sollte sie nicht versuchen, es zu erzwingen, sondern es geschehen lassen. Von allein. Sie war schließlich kein hoffnungsloser Fall. Außer wenn es um einen bestimmten Mann ging.

Dieser befand sich wahrscheinlich genau in diesem Augenblick mit seinen zwei Hunden in ihrem Garten. Mehr als alles andere wollte sie nach Hause. Aber da ihr Plan, sich gegen Matts Anziehungskraft abzuschirmen, nicht funktioniert hatte, wie konnte sie ihr Herz noch vor ihm schützen?

Matt hatte schon tausend Fotos von Sparkle gemacht und seiner Schwester für seine Nichte geschickt. Aber jetzt hatte er das Foto aller Fotos geschossen. Hank, der Riesenhund, hatte sich auf seinem Hundebett zusammengerollt. Und der kleine, braun-weiße Welpe schmiegte sich an ihn.

Er warf einen Blick auf die Uhrzeitanzeige auf seinem Handy – Viertel vor neun. „Kommt, ihr Faulpelze“, erklärte er den Hunden. „Gehen wir noch mal raus. Danach könnt ihr euch wieder zusammenkuscheln.“

Er musste nur eine Leine in die Hand nehmen. Hank trottete zu ihm herüber. Sparkle trabte an seiner Seite. Matt zog seine Lederjacke an. Er freute sich schon auf die Zeit, wenn er abends nicht mehr frieren würde, und ging mit den Hunden nach draußen. Die Hände in den Taschen vergraben, blieb er weit weg von Claires Terrasse am anderen Ende des Gartens stehen. Die Lichter waren aus, und er fragte sich, wo sie war. Bei einer Verabredung?

Denk nicht daran, befahl er sich. Die Hunde hatten ihr Geschäft verrichtet, also warf er noch einen Ball für sie. Hank raste hinterher, Sparkle auf den Fersen. Wahnsinn, mit seinen drei Beinen konnte Hank echt gut rennen.

Matt hörte, wie ein Auto in die Auffahrt einbog. Claire. Dann ging die Haustür auf und wieder zu, und die Lichter im Haus wurden eingeschaltet. Einen Augenblick später wurde die Glastür zum Garten aufgeschoben, und sie kam mit Dempsey heraus. Er bemerkte, dass sie sich schick gemacht hatte.

„Ein Date?“, fragte er.

„Um ehrlich zu sein, ja.“ Sie warf einen Ball für Dempsey. Aber die war viel zu beschäftigt damit, Hank zu beschnüffeln – und von ihm beschnüffelt zu werden. Die drei Hunde bewegten sich in einer ulkigen Kreisformation, bei der Schnauzen, Bäuche und Hinterteile beschnüffelt wurden. Dann blieben sie stehen, um einem unsichtbaren Tier hinterherzuschauen, bevor das Geschnüffel wieder losging.

„Und, hast du den Richtigen gefunden?“, fragte er, obwohl es ihm bei der Frage den Brustkorb zusammenschnürte.

„Er hat seinen Hund als Druckmittel bei der Scheidung eingesetzt, um von seiner Ex zu kriegen, was er wollte. Himmel, ich hasse die Menschen.“

„Du hast jedes Recht, mich zu hassen, Claire“, sagte er. „Aber ich hoffe, dass du das nicht tust. Du …“ Er biss die Zähne zusammen. Er warf auch einen Ball für die Hunde. Diesmal rannten alle hinterher. Dempsey war am Ende der Sieger.

Sie zuckte zusammen. „Was ist mit mir?“

„Du hast früher dafür gesorgt, dass ich ein besserer Mensch sein wollte“, sagte er. „Und ich habe gewusst, dass die Armee einen guten Mann aus mir machen würde.“

Sie vergrub die Hände in ihren Taschen. „Du warst schon auf der Schule völlig in Ordnung.“

Er schüttelte den Kopf. „War ich nicht. Du warst in mich verknallt. Also war dir nicht wichtig, dass ich nur mit Ach und Krach im Unterricht mitgekommen bin oder in Schlägereien verwickelt war. Ich hab vielleicht die Schwächeren verteidigt, aber es hat nur noch ein Verweis gefehlt, und ich wäre von der Schule geflogen.“

„Nicht alle Menschen sind akademisch begabt“, sagte sie. „Und wie furchtbar, dass du dich für die Außenseiter eingesetzt hast. Du warst wirklich ein schrecklicher Mensch, Matthew Fielding.“

Panik packte ihn. Sie kapierte es einfach nicht. „Ich hatte damals nichts – und jetzt habe ich auch nichts, Claire.“

„Warum mag ich dich dann so?“, fragte sie. „Damals und heute? Hmm? Sag mir das mal.“

„Weil du die alten Zeiten romantisch verklärst. Weil ich auf dich wie eine Art Held wirke, weil ich mich um diesen Drehwurm hier kümmere. Und weil ich Hank adoptiert habe. Aber der ist der tollste Hund der Welt. Dafür habe ich wirklich keine Medaille verdient.“

„Du bist konsequent“, sagte sie. „Das muss ich dir lassen.“

„Die Wahrheit ist die Wahrheit. Ich bin genau der, der ich zu sein scheine.“

„Das weiß ich“, sagte sie und schüttelte den Kopf. Doch er konnte den Anflug eines Lächelns auf ihrem hübschen Gesicht erkennen. „Also, es zahlt sich aus, die Eigentümerin vom Main Street Grille zu kennen. Amanda hilft auch bei ‚Fellknäuel fürs Leben‘ mit, und sie hat mir ein Extrastück Schokoladenkuchen für meinen ‚großartigen neuen Mieter, der Hank adoptiert hat‘, mitgegeben. Das bist du.“

„Aber wenn es doch um Hank geht, sollte er nicht den Kuchen kriegen?“

Diesmal lächelte sie tatsächlich. „Du weißt genau, dass Schokolade für Hunde Gift ist. Ich gebe ihm aber ein extra Leckerli aus Erdnussbutter und den anderen beiden auch, weil sie Hank so herzlich willkommen geheißen haben.“

Vermutlich hieß das, dass er zu ihr ins Haus gehen, ein Stück Kuchen essen und diese viel zu persönliche Unterhaltung weiterführen musste.

Sie rief die Hunde, und alle drei folgten ihr. In der Küche verteilte Claire Leckerli an die Vierbeiner, und dann zeigte Dempsey Hank das Haus. Sparkle rannte hinterher. Am Ende ließen sich alle drei Hunde vor der Glastür zur Terrasse nieder und starrten hinaus in die Nacht, um Tiere zu beobachten, die die Menschen nicht sehen konnten.

„Dieser Kuchen ist echt was Besonderes“, sagte Claire, legte ein Stück auf einen Teller und stellte ihn auf den Küchentisch. Dann holte sie zwei Bier aus dem Kühlschrank.

Matt nahm einen Bissen. Hmm, himmlisch.

Sie nahm einen Schluck Bier. „Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht, dass Hank nie eine Familie finden wird. Und dann taucht das perfekte Herrchen mit dem perfekten Zuhause auf.“

„Ich bin wohl kaum perfekt. Und ich habe kein Zuhause, Claire. Immer und immer wieder stellst du mich als etwas hin, was ich nicht bin.“

„Oder vielleicht siehst du dich nur anders, als ich dich sehe. Als dich viele Menschen sehen.“

„Warst du schon immer so stur?“, fragte er und nahm noch ein Stück Kuchen auf die Gabel. „Oh, warte mal. Ja, das warst du.“ Er lächelte.

Sie lächelte zurück. „Genug davon. Erzähl mir lieber von dir. Wie sind die ersten Stunden mit Hank gelaufen?“

„Toll. Er ist so ruhig. Und ich denke, dass Hank einen beruhigenden Einfluss auf Sparkle hat. Nichts kann ihn erschüttern. Und hast du gesehen, wie er hinter einem Ball herrennen kann? Er ist fantastisch.“

Sie schob ihren Stuhl näher an ihn heran und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann schlang sie die Arme um ihn.

Und, oh Himmel, das fühlte sich so gut an, dass er ebenfalls die Arme um sie legte und ihr Kinn nach oben stupste. „In diesem Augenblick will ich nichts mehr, als dich zu küssen.“ Er würde sich das nicht entgehen lassen. Das Verlangen war zu stark.

„Aber gerne“, sagte sie und spitzte die Lippen.

Er lachte. „Wie soll ich dich küssen, wenn ich lache?“

„So“, sagte sie und bedeckte seine Lippen mit ihren. Die Berührung war so sanft, dass er praktisch auf seinem Stuhl dahinschmolz. Alles an ihr war sanft und roch nach Blüten.

„Willst du den Rest von dem Kuchen?“, fragte er.

„Nein. Ich will nur mehr von dir“, sagte sie.

„Gut.“ Er hob sie hoch. Sein Bein setzte ihm nur ein bisschen zu, als er ihren Anweisungen folgte, in ihr Schlafzimmer ging und sie dort aufs Bett legte.

Sekunden später hatte sie ihr Kleid über den Kopf gezogen. Es landete auf dem Boden, zusammen mit seinem Hemd und seinen Hosen. Sie küsste ihn, vom Hals zum Schlüsselbein. Mit den Händen fuhr sie ihm über den Oberkörper und schließlich zog sie den Saum seiner Boxershorts nach unten.

„Bist du sicher?“, flüsterte er. „Trotz allem?“

„Ich bin mir sicher“, gab sie genauso leise zurück. Sie machte eine Schublade auf und holte eine Packung Kondome heraus. „Die könnten ein paar Jahre alt sein.“

Er entdeckte das Verfallsdatum. „Die sind genau bis morgen zu verwenden.“

Überraschung ließ ihre grünen Augen aufleuchten. „Dann ist das Schicksal.“

Da war er sich nicht so sicher.

Aber er konnte Claire nicht widerstehen. Nicht heute Nacht. Keinen Augenblick länger. Mit ihr zusammen zu sein fühlte sich so gut an, brachte ihn dazu, sich so gut zu fühlen …

Sie hatte gesagt, dass sie sich sicher war. Sie wollte, dass er sie beim Wort nahm. Sie hatte zu ihm gesagt, dass er damit aufhören sollte, Entscheidungen für sie zu treffen. Also sollte er sich vielleicht erlauben, das hier zu genießen. Diese eine Nacht. Mit Claire. Verdammt, vielleicht hatte sie ja recht, und sie würde tatsächlich so über ihn wegkommen. Und dann würde er Spring Forest verlassen und zusammen mit Hank irgendwo neu anfangen.

Sie streichelte seinen Rücken und sein Haar, und dann zog sie ihm die Boxershorts nach unten. Er machte ihren schwarzen Spitzen-BH auf und sog das leichte Parfüm ein, das ihren üppigen Brüsten anhaftete. Dann ließ sie die Hände weiter nach unten gleiten, und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Endlich, achtzehn Jahre nachdem er Claire getroffen hatte, hatte Matt mit der einzigen Frau, die er je geliebt hatte, Sex.

5. KAPITEL

Er war verschwunden, bevor sie aufwachte. Und als Lehrerin musste Claire bei Tagesanbruch aufstehen.

Also hatte er sich mitten in der Nacht rausgeschlichen, weil er nicht in der Lage war, mit dem Morgen danach fertigzuwerden.

Ah, da lag ein Zettel auf ihrem Nachttisch.

C – Hab heute früh was vor, wollte dich nicht wecken. War mit den Hunden draußen, Dempsey inklusive. Wir sehen uns dann später.

– M

Wer hatte um sechs Uhr früh was vor? Niemand. Allenfalls hatte man um diese Uhrzeit vor, sich aus dem Staub zu machen.

Das war in Ordnung. Matt Fielding hatte seine Absichten offengelegt. Also konnte sie ihm keine Vorwürfe machen, weil er nicht die ganze Nacht mit ihr gekuschelt und sie mit Küsschen geweckt hatte, um ihr romantische Zärtlichkeiten ins Ohr zu flüstern. Es gab keine Romantik zwischen ihnen. Und auch sonst nichts.

Das ist okay, wiederholte sie, stand auf und war zumindest dankbar, dass sie die Terrassentür nicht aufmachen musste, um Dempsey in die Winterkälte hinauszulassen. Sie seufzte. Wenigstens war der Sex fantastisch, dachte sie, als sie ins Badezimmer ging. Absolut fantastisch. Genau, wie sie es sich immer vorgestellt hatte, und noch viel besser.

Aber er würde die Stadt verlassen.

Halt dein Herz da raus, dann kommst du damit klar.

Matt absolvierte die Übungen, die sein neuer Physiotherapeut ihm am Morgen aufgegeben hatte. Zeke Harper, ein alter Kumpel, den er im Park getroffen hatte, hatte ihm den Therapeuten empfohlen. Er kannte ihn von seiner ehrenamtlichen Arbeit im Veteranenzentrum. Der Therapeut hatte angeboten, Matt kostenlos zu behandeln. Aber er konnte ihn nur um sieben Uhr früh in seinen Terminplan reinquetschen. Das Workout hatte wehgetan, sich aber trotzdem gut angefühlt. Genau wie die Übungen jetzt.

Als er neben Claire aufgewacht war, war er beinahe überrascht gewesen, dass das Ganze kein Traum war. Er hatte dagelegen und war sich bewusst geworden, dass er zum ersten Mal seit Monaten keinen Albtraum gehabt hatte.

Und dann war da Claire. Seine wunderschöne Claire. Die Erinnerung an sie hatte ihm geholfen, die schlimmste Zeit während seiner Genesung durchzustehen. Er hatte nie erwartet, sie in Spring Forest wiederzusehen; nicht in einer Million Jahren hätte er sich vorstellen können, dass sie immer noch in ihrer Heimatstadt lebte. Und jetzt war er in ihrem Bett aufgewacht.

Er hätte sie nie anrühren sollen. Auch wenn er den ganzen Tag praktisch nur daran gedacht hatte, wie gut die vergangene Nacht war, wie herrlich und natürlich und einfach richtig. Aber er würde hier verschwinden. In ein paar Wochen. Sparkle machte Riesenfortschritte. Schon sehr bald würde sie bereit für ihr neues Zuhause sein.

Ein Auto bog in die Auffahrt ein. Das hieß, dass Claire nach Hause kam. Er schuldete ihr eine Erklärung dafür, warum er an diesem Morgen so früh verschwunden war. Auch wenn er einen Zettel hinterlassen hatte.

Er hörte, wie ihre Terrassentür aufging. Also ging er die Treppe nach unten in den Garten. Sie stand da, den Kragen ihres Mantels hochgeschlagen.

„Hey“, sagte er, als sie die unterste Stufe erreichte. Er schob die Hände tief in die Taschen seiner Lederjacke.

Sie warf ihm einen Blick zu. „Hi.“ Sie warf einen Ball für Dempsey, die ihm nachjagte.

„Ich wollte nur erklären, warum ich so früh verschwunden bin“, sagte er.

„Nicht nötig. Du schuldest mir keine Erklärung. Und ich bereue letzte Nacht nicht. Keine Sekunde. Und das schließt ein, dass du bei Morgengrauen abgehauen bist. Letzte Nacht hatte eine ganz schön lange Vorlaufzeit.“

Er senkte den Kopf. „Ja, das stimmt.“

„Also, hier draußen ist es eiskalt. Ich hole Dempsey jetzt wieder rein.“

Er nickte und wünschte sich, er könnte die letzte Nacht wiederholen, wünschte sich, dass alles anders wäre und dass er ihr eine Zukunft bieten könnte.

Als sie die Glastür aufmachte und Dempsey ins Haus sauste, sagte er: „Claire?“

Sie drehte sich um.

„Hat’s bei dir funktioniert? Bist du jetzt über mich hinweg?“

Sie sah ihn einen Moment lang an. „Nein.“

Bei mir auch nicht, dachte er, als sie im Haus verschwand. Bei mir auch nicht.

Die nächste Woche ging Claire Matt aus dem Weg. Das war schwierig, weil sie morgens warten musste, bis er mit seinen Hunden reinkam, bevor sie mit Dempsey rausging. Sie vermisste Sparkle und Hank. Und Matts Nichte Ellie war zweimal nach der Schule da gewesen. Mehr als alles andere hatte sie sich gewünscht, sich im Garten zu ihnen zu gesellen. Aber sie war im Haus geblieben.

Am Samstagmorgen stand Claire früh auf, um zur wöchentlichen Adoptionsveranstaltung von „Fellknäuel fürs Leben“ zu fahren.

„Hi, Claire“, sagte Bunny, während sie eine „Adoptiert mich!“-Schärpe an Cutie Pie, dem Schäferhundmischling, den sie zurzeit in Pflege hatte, befestigte.

Claire lächelte Bunny an. „Alles fertig?“

Bunny nickte, musterte Cutie Pie und nahm noch ein rotes Halstuch vom Regal. Sie band es dem Hund um den Hals. „So. Jetzt bist du bereit.“ Sie richtete sich auf und sah sich um. „Ist Matt nicht bei dir?“

Claire zog eine Augenbraue hoch. „Warum sollte er?“

Bunny ging zur Theke, wo zwei Freiwillige Formulare für Adoptions- und Pflegeanträge und Informationsbroschüren aufstapelten. „Weil er gestern Abend angerufen hat und gefragt hat, ob wir noch Hilfe brauchen.“

Warum war Matt so hilfsbereit, außer wenn es um ihre Beziehung ging?

„Wir haben schon ein paar vielversprechende Online-Anträge für vier Hunde und sechs Katzen“, sagte Birdie, als sie hereinkam. „Drei Anträgen für Hunde und vier für Katzen habe ich schon stattgegeben.“

Bei den Hunden stand zwar noch ein Hausbesuch aus, aber wenn alles gut lief, hatten drei Hunde jetzt ein gutes Zuhause gefunden. „Ich schätze mal, dass Dempsey nicht zu den Glücklichen gehört?“

„Tut mir leid“, sagte Birdie. „Ich weiß wirklich nicht, warum sie immer übergangen wird.“ Sie bückte sich und streichelte Dempsey. „Du bist ein wunderschöner, lieber Hund, und dich nimmt bestimmt bald jemand mit. Pass nur auf.“

Es klopfte. Das Tierheim war noch nicht geöffnet, also musste es sich um einen Helfer handeln. Matt.

Jawohl, da stand er. Und sah großartig aus in seiner schwarzen Lederjacke, Jeans und Arbeitsstiefeln. Er begrüßte Birdie und Bunny und nickte Claire zu.

„Wie kann ich helfen?“, fragte er.

Birdie ließ ihn Poster aufhängen. Als immer mehr Helfer und Pflegeeltern mit ihren Hunden ankamen, verlor Claire Matt aus den Augen. Schließlich entdeckte sie ihn an der Tür. Birdie hatte ihm gerade einen Stapel Infomaterial in die Hand gedrückt, damit er potenzielle Interessenten mit allen Informationen über die vorhandenen Hunde und Katzen versorgen konnte.

Der Vormittag verging im Flug. So viele Leute kamen und gingen. Sieben Katzen fanden ein neues Zuhause. Die vier Bewerber, die bereits von Birdie abgesegnet waren, bestätigten alle, dass sie die Hunde, die ihnen online gefallen hatten, unbedingt haben wollten, nachdem sie sie nun im wirklichen Leben kennengelernt hatten. Zwei Freiwillige würden heute noch das neue Zuhause der Hunde überprüfen. Dann wären die Adoptionen offiziell.

„Ich muss mir immer wieder Dempseys Profil auf eurer Website ansehen“, sagte eine Frau zu Claire und bückte sich, um Dempsey zu streicheln. „Mir gefällt einfach ihre Farbe. Wie mein Haar“, sagte sie lachend.

„Wie Zimt“, stimmte Claire zu, auch wenn das in ihren Augen kein guter Grund war, einen Hund zu mögen. Aber Menschen verliebten sich ja auch aus allen möglichen albernen Gründen.

„Sie ist aber unheimlich groß“, fügte die Frau hinzu und tätschelte Dempsey. „Vielleicht kann ich ja mal mit ihr einen Spaziergang machen?“

Claire rüstete sie mit einer Leine aus und führte die Frau auf den eingezäunten Hof. Sie stand in der Tür, während die Frau mit Dempsey eine Runde drehte. Wenigstens war die potenzielle neue Eigentümerin sehr liebevoll.

„Ich würde gerne eine Bewerbung ausfüllen“, sagte die Frau, als sie zurückkam.

Claire hatte erwartet, begeistert zu sein. Aber stattdessen wurde ihr das Herz zentnerschwer. Zugegeben, Dempseys potenzielle neue Mom wirkte etwas zögerlich, aber einen Hund zu adoptieren war eine wichtige Entscheidung. Es war besser, über alle Probleme zu reden, als impulsiv zu handeln.

„Großartig“, sagte Claire und gab der Frau einen Bewerbungsbogen. „Warum setzen Sie sich nicht und füllen ihn gleich aus. Dann können wir alles durchgehen und ich gebe die Bewerbung für die endgültige Entscheidung weiter.“

„Wäre das heute noch möglich? Ich wollte die zweite Staffel meiner Lieblingsserie schauen, und das würde ich nur ungern unterbrechen.“

Himmel. Du kannst doch deine Serien jederzeit gucken. Einen neuen Hund nach Hause bringen ist doch ein ganz besonderes Ereignis. Claire runzelte die Stirn. „Wir werden sehen“ war alles, was sie dazu sagen wollte und konnte.

Während die Frau sich daranmachte, die Bewerbung auszufüllen, brachte Claire Dempsey in einen Zwinger und versorgte sie mit einem Kauspielzeug. „Ich komme zurück, versprochen.“

„Ein verrückter Tag“, sagte eine vertraute Stimme.

Matt. Sie schloss Dempseys Zwinger ab und richtete sich auf. „Jemand hat sich um Dempsey beworben. Ich kann es gar nicht glauben. Vielleicht bekommt sie jetzt ein richtiges Zuhause.“

„Ein gutes Zuhause?“, fragte er.

Claire zuckte die Schultern. „Schwer zu sagen. Ich schätze, ich muss ihr eine Chance geben. Zumindest, bis ich ihre Bewerbung gelesen habe.“

Matt schenkte ihr ein sanftes Lächeln. „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du wirklich willst, dass Dempsey adoptiert wird.“

„Natürlich will ich das“, schnauzte sie ihn an. „Ich habe einundzwanzig Hunde in Pflege gehabt, seit ich hier angefangen habe. Das richtige Zuhause für sie zu finden ist doch der Sinn der Sache.“ Ihr Ton war schärfer als beabsichtigt. Sie stieß den Atem aus. „Tut mir leid. Ich wollte dir nicht den Kopf abreißen. Dempsey ist etwas Besonderes. Ich will einfach, dass sie genau das richtige Zuhause bekommt.“

„Schon kapiert“, sagte er und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Das fühlte sich so gut, so tröstlich an, dass sie sich wünschte, er würde sie an sich ziehen und festhalten.

Sie hatte immer gewusst, dass sie irgendwann Lebewohl zu Dempsey sagen musste. Genau wie zu Matt. Aber zu beiden gleichzeitig? Sie war sich nicht sicher, ob sie das ertragen konnte.

Aber sie holte tief Luft und verließ den Hunderaum, um die Bewerbung von Dempseys potenzieller neuer Besitzerin anzusehen.

Claire las jede Zeile aufmerksam durch. Die Frau wohnte in einem Einfamilienhaus, aber der Garten war nicht eingezäunt.

„Da Sie keinen eingezäunten Garten haben, sind Sie darauf eingestellt, mindestens dreimal am Tag mit Dempsey spazieren zu gehen, damit sie ihr Geschäft erledigen kann und genug Auslauf hat?“

„Dreimal?“, fragte die Frau. „Ich hab gedacht, ich gehe mit ihr, bevor ich zur Arbeit muss, so gegen halb neun, und dann wieder, wenn ich nach Hause komme, so um halb sechs.“

Claire starrte sie an. „Ihnen ist klar, dass das neun Stunden sind.“

„Sie ist doch ein großer Hund. Ich hab irgendwo gelesen, dass große Hunde länger durchhalten können.“

Claire markierte den Abschnitt über die Wohnsituation mit einem X.

„Also, dann wird Dempsey jeden Tag unter der Woche neun Stunden lang allein sein?“, fragte Claire. „Ohne Gesellschaft anderer Menschen oder Hunde und ohne die Möglichkeit, ihr Geschäft zu verrichten oder Auslauf zu haben?“

„Ich muss arbeiten“, entgegnete die Frau mit scharfer Stimme. „Was haben Sie denn gedacht?“

„Sie könnten jemanden dafür bezahlen, mittags vorbeizukommen und mit dem Hund Gassi zu gehen“, sagte Claire. „Ich mache das so.“

„Das können sich nicht alle leisten“, murmelte die Frau. „Sie wird es sich verkneifen müssen.“

Claire machte ein weiteres X neben „Versteht die Bedürfnisse von Hunden“.

Sieht aus, als ob du mir noch ein bisschen länger gehörst, Dempsey, dachte sie.

Autor

Melissa Senate
<p>Melissa Senate schreibt auch unter dem Pseudonym Meg Maxwell, und ihre Romane wurden bereits in mehr als 25 Ländern veröffentlicht. Melissa lebt mit ihrem Teenager-Sohn, ihrem süßen Schäfermischling Flash und der spitzbübischen Schmusekatze Cleo an der Küste von Maine im Norden der USA. Besuchen Sie ihre Webseite MelissaSenate.com.</p>
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Teri Wilson
<p>Teri Wilson ist bekannt für ihre herzerwärmenden Romances mit Figuren, die oft auch eine kleines bisschen liebenswerte Schrulligkeit an den Tag legen. Die beliebte Autorin hat bereits am RITA Award teilgenommen und wurde als USA Today Bestselling Author ausgezeichnet.</p>
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Stacy Connelly
Als Stacy Connelly ihr erstes Buch veröffentlichte, schenkte ihr eine Freundin ein Armband mit zwei Anhängern: Eine Eins als Symbol für den ersten Verkauf, und einen Brief, symbolisch für den Vertrag. Stacy Connelly beschloss kurzerhand, diese Tradition beizubehalten, und wirklich kommen seitdem regelmäßig neue Anhänger dazu. Denn Stacys Passion ist...
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Karen Rose Smith
Karen Rose Smith wurde in Pennsylvania, USA geboren. Sie war ein Einzelkind und lebte mit ihren Eltern, dem Großvater und einer Tante zusammen, bis sie fünf Jahre alt war. Mit fünf zog sie mit ihren Eltern in das selbstgebaute Haus „nebenan“. Da ihr Vater aus einer zehnköpfigen und ihre Mutter...
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Kathy Douglass
Als Tochter lesebegeisterter Eltern ist Kathy Douglass mit Büchern aufgewachsen und hat schon früh eins nach dem anderen verschlungen. Dann studierte sie Jura und tauschte Liebesgeschichten gegen Gesetzestexte ein. Nach der Geburt ihrer zwei Kinder wurde aus der Liebe zum Lesen eine Liebe zum Schreiben. Jetzt schreibt Kathy die Kleinstadt-Romances,...
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Christy Jeffries
<p>Christy Jeffries hat einen Abschluss der University of California in Irvine und der California Western School of Law. Das Pflegen von Gerichtsakten und die Arbeit als Gesetzeshüterin haben sich als perfekte Vorbereitung auf ihre Karriere als Autorin und Mutter erwiesen. Mit zwei Energiebündeln von Söhnen, der eigenwilligen Großmutter und einem...
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