Flitterwochen in der Karibik

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Diese Lilian ist hinreißend - und unmöglich! Der attraktive Manager Mark Kane soll die widerspenstige Schönheit aus der Karibik zurück nach London zu holen. Doch sie will nicht fort aus dem Paradies und wehrt sich - bis Mark sie zärtlich küsst …


  • Erscheinungstag 11.09.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774530
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„In einer Viertelstunde landen wir, Mr Kane.“ Der Pilot sah von den Kontrolllampen auf und drehte sich zu seinem Passagier um.

Mark legte die Papiere beiseite, in die er seit dem Abflug von Saint Thomas vertieft war. „In Ordnung, Joe. Vielen Dank.“

„Gern geschehen, Mr Kane“, erwiderte der dunkelhäutige Pilot. „Wenn das Wetter so bleibt, müsste es eigentlich noch so hell sein, dass Sie die Insel sehen können. Der Sturm, der angekündigt wurde, taucht wohl doch nicht auf.“

Mark zögerte einen Augenblick. Nachdenklich sah er die Dokumente neben sich an, entschloss sich dann aber doch, sie in die Tasche zu packen, die sein einziges Gepäck darstellte. Sorgfältig ließ er das Schloss zuschnappen, bevor er sich höflich erkundigte: „Haben Sie hier öfter Stürme?“

„Aber nein!“ Joe lachte leise. „Ein bisschen Regen, jede Menge Sonne und ab und zu mal ein kräftiges Lüftchen, damit die Hitze erträglich bleibt. Sie werden von der Insel begeistert sein, Mr Kane.“

„Ich glaube nicht, dass ich lange genug hier bin, um mir eine Meinung bilden zu können“, entgegnete Mark, während er auf das blaugrüne Meer hinuntersah, das wie ein Aquamarin funkelte und blitzte. „Wo werden wir landen? Gibt es einen Flughafen?“

„Mit dieser guten alten Zuckererbse platsche ich einfach in Charlotte’s Bay hinunter.“ Joe lachte und klopfte liebevoll auf das Leitwerk. „So ein Wasserflugzeug ist praktisch. Damit kann man auf dem Wasser landen und dann an Land fahren. Der alte Gantry hat sein Haus direkt an der Bucht gebaut. Auf diese Weise weiß Miss Lilian sofort Bescheid, wenn jemand kommt.“

Nachdenklich schaute Mark aus dem Fenster. Er konnte nur hoffen, dass Lilian das Telegramm ihres Vaters erhalten hatte. Falls sie mit seiner Ankunft nicht rechnete, würde alles noch schwieriger werden. Außerdem wusste sie ja gar nicht, was ihr Vater von ihr wollte.

Während er ein wenig ungeduldig die langen Beine ausstreckte, wünschte er sich wieder einmal, dass Andrew ihn nicht in seine Privatangelegenheiten hineingezogen hätte. Als persönlicher Assistent von Andrew Forsyth wusste Mark über alles, was bei der Leitung der Forsyth-Werke Tag für Tag anfiel, genauso gut oder sogar noch besser Bescheid als sein Arbeitgeber. Er konnte ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es darum ging, das weitverzweigte Unternehmen noch weiter auszubauen. Aber dass er nun dessen zwanzigjährige Tochter dazu bringen sollte, nach London zurückzukehren, weil ihr Vater sie zu Hause haben wollte – das war eine völlig andere Aufgabe. Lilian Forsyth musste doch sofort Verdacht schöpfen, dass hinter dieser Aufforderung mehr steckte als nur väterliche Sehnsucht.

Jetzt war es zu spät, um noch so zu tun, als hege ihr Vater tiefere Gefühle für sie. Seit dem Tag ihrer Geburt – Mark konnte sich an diesen Tag noch gut erinnern – war sie für Andrew Forsyth nichts als eine lästige Bürde gewesen. Hinzu kam, dass sie ihn ständig an ihre Mutter erinnerte, deren Leben geopfert werden musste, um das Kind zu retten. Das hatte Andrew Forsyth seiner Tochter nie verziehen.

Damals war Mark natürlich noch nicht Andrews Assistent gewesen. Er war gerade in die Firma eingetreten, ein blutjunger Angestellter, frisch von der Universität, mit einem ausgezeichneten Examen in Jura und Wirtschaftswissenschaften, aber ohne jegliche Erfahrung.

In den fast zwanzig Jahren, die seither vergangen waren, hatte sich jedoch allerhand getan. Nach und nach war er mit seiner Arbeitsleistung aufgefallen, sein guter Geschäftssinn fand Anerkennung. Und als er schließlich in die Chefetage geholt wurde und in den engsten Kreis von Andrews Mitarbeitern aufstieg, war auch Lilian Forsyth nicht mehr so weit entfernt gewesen. Dabei wusste er nicht viel von ihr. Zuerst kam ein Kinderfräulein nach dem anderen, dann folgte die Schulzeit an einer vornehmen Privatschule, und anschließend war Lilian in ein ebenso vornehmes Internat gekommen.

Erst vor fünf Jahren hatte Mark Lilian persönlich kennengelernt. Damals hatte Andrew ihn gebeten, sie bei einer Freundin abzuholen und dafür zu sorgen, dass sie ihre Maschine nach Zürich erreichte. Auf dem Weg zum Londoner Flughafen hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Zuerst hatte Mark Lilian für schüchtern gehalten und hatte sich Mühe gegeben, sie aus der Reserve zu locken. Doch Lilian sah ihn nur mit ihren kühlen dunkelblauen Augen an, und Mark hatte sehr schnell gespürt, wie viel Verachtung in diesem Blick lag. Schlagartig war ihm klar geworden, dass Lilian Forsyth keineswegs scheu war, sondern sehr wohl wusste, was sie wollte und was nicht.

Nach dieser ersten Begegnung hatte Mark sie nur noch ein paar Mal flüchtig gesehen. Kurz nach ihrer Rückkehr aus dem Schweizer Internat war er ihr einmal vor dem Büro ihres Vaters begegnet. Sie kam gerade aus dem Zimmer und sah einfach durch ihn hindurch. Er hatte vermutet, dass sie sehr erregt war. Jedenfalls ließen die funkelnden Augen und ihre erhitzten Wangen auf heftige Gemütsbewegungen schließen, und Andrew war den restlichen Tag über launisch und unberechenbar. Aber war Andrew immer unberechenbar, wenn es um Lilian ging. Es war nicht anzunehmen, dass er jemals etwas billigen würde, was seine Tochter tat.

Vor zwei Jahren bekam Mark sie zuletzt zu Gesicht, kurz bevor sie aus England wegging. Andrew ließ wichtige Unterlagen im Büro liegen, und Mark brachte sie ihm abends vorbei. Als er vor dem Haus seines Chefs stand, kam Lilian mit einer ganzen Horde junger Leute nach Hause. Sie lärmten und lachten, und Mark konnte nicht beurteilen, ob das am Alkohol lag oder an Drogen oder ob womöglich beides mit im Spiel war.

Dann war Andrew aus seinem Arbeitszimmer gestürmt, und der Krach, der folgte, war alles andere als angenehm. Mark hätte sich aus den Streitereien lieber herausgehalten, aber Lilian hängte sich bei ihm ein und ließ nicht zu, dass er sich zurückzog. Offensichtlich wollte sie sich bei ihm Unterstützung holen, als der Zorn ihres Vaters sich über sie ergoss.

Lilian Forsyth war ein hochgewachsenes Mädchen gewesen, mit kurz geschnittenen blonden Haaren und einer schlanken Figur, die noch nicht voll entwickelt war. Tapfer hatte sie sich ihrem Vater entgegengestellt, ohne zu merken, dass Andrew Forsyth ihr gar nicht zuhörte. Mark konnte sich noch gut daran erinnern, wie leid sie ihm tat. Sie hätte doch wissen müssen, dass man sich Andrew Forsyth besser nicht widersetzte.

Wenn sie ihrer Mutter nicht so ähnlich gesehen hätte, wäre es ihrem Vater vielleicht eher möglich gewesen, das Vergangene zu vergessen. Aber Mark hatte Fotos von der ersten Mrs Forsyth gesehen, und deshalb wusste er nur zu gut, weshalb Andrew es nicht ertrug, seine Tochter um sich zu haben. Lilians Mutter war die einzige Frau gewesen, die er je geliebt hatte. Er heiratete noch dreimal, doch es wurde ihm kein Kind mehr geboren. Dabei wünschte er sich so sehr einen Sohn, der seine Nachfolge antreten sollte.

In jener Nacht hatte Mark nichts tun können, um Lilian beizustehen. Als sie das merkte, war sie auch ihm gegenüber ausfallend geworden. Ihre Freunde hatten sich längst davongeschlichen. Und schließlich stellte Andrew seiner Tochter ein Ultimatum. Wenn er weiterhin für ihren Lebensunterhalt aufkommen sollte, dann musste sie den Kontakt zu dieser Gruppe von Nichtstuern aufgeben – oder sie konnte ihre Koffer packen und verschwinden.

Sechs Wochen später erfuhr Mark, dass Lilian England verlassen hatte, um im Elternhaus ihrer Mutter auf Pulpit Island zu leben. Die Insel gehörte zu den Jungferninseln und war etwa hundertfünfzig Meilen von Saint Thomas entfernt. Sara Gantry, Lilians Mutter, war auf den Westindischen Inseln geboren. Früher hatte ihre Familie dort eine große Zuckerrohrplantage besessen. Aber der einst stolze Besitz hatte sich bereits vor dem Tod von Lilians Großeltern mehr und mehr aufgelöst. Das Haus stand jedoch noch, und Lilian war dort stets glücklich gewesen. Das wusste Mark von Andrew, der selten von Gewissensbissen geplagt wurde, aber seiner Tochter gegenüber wohl doch gelegentlich so etwas wie Reue empfand.

„Als sie noch kleiner war, hat sie dort oft die Ferien verbracht“, vertraute er Mark einmal an. „Sie schwimmt gern und geht angeln, und es macht ihr Spaß, mit Zeichenstiften und Wasserfarben herumzuspielen.“ Als sein Assistent darauf nichts erwiderte, fügte er hinzu: „Urteilen Sie nicht zu hart über mich, Mark. Lilian war für mich immer so etwas wie eine offene Wunde.“

Es wäre Mark ohnehin nicht in den Sinn gekommen, sich ein Urteil anzumaßen. Seine eigenen sechzehnjährigen Zwillinge lasteten ihm schwer genug auf der Seele. Wie konnte er Andrew einen Vorwurf machen, dass er sich nicht um seine Tochter kümmerte, wenn er selbst so wenig Zeit mit seinen Söhnen verbrachte?

Alison, seine geschiedene Frau, gab ihm die Schuld daran, dass die Jungen solche Schwierigkeiten machten. Es traf ja auch tatsächlich zu, dass er häufig unterwegs gewesen war, als die beiden heranwuchsen. Andrew verlangte sehr viel von seinen Mitarbeitern, und da das Unternehmen sich über den ganzen Erdball erstreckte, war Mark oft in Hongkong oder in San Francisco gewesen, anstatt zu Hause zu sein und sich seiner Familie zu widmen.

Aber war das alles wirklich ausschließlich seine Schuld? Alison war ganz begeistert gewesen, als Mark kurz nach der Hochzeit in die Chefetage geholt wurde. Sie hatte ihn stets ermuntert, sich bei seinem Arbeitgeber unentbehrlich zu machen, und es bereitete ihr auch keinerlei Schwierigkeiten, das höhere Gehalt auszugeben, das Marks Beförderung mit sich brachte.

Alison hatte sich die Zwillinge nicht gewünscht, aber sie arrangierte sich. Die Geburt der beiden Jungen fiel mit dem Umzug in eine größere Wohnung zusammen. Nach knapp zweijähriger Ehe sah Alison darin eine gute Gelegenheit, nun endlich in einem glanzvollen Heim ihre hausfraulichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Eine Weile sonnte sie sich zufrieden in der Bewunderung, die ihr von allen Seiten zuteil wurde.

Nach zwei Jahren jedoch war sie ihrer Rolle überdrüssig. Immer heftiger verlangte sie nach einem Haus mit Garten, in dem die Kinder spielen konnten, sodass ihr selbst mehr freie Zeit blieb. Dass Mark einen zwölfstündigen Arbeitstag bewältigen musste, um ihre anspruchsvollen Wünsche erfüllen zu können, war ihr egal. Sie entschied sich für ein Haus in der Gegend, in der ihre Mutter wohnte, und es ergab sich sehr schnell, dass Mrs Stevens die Zwillinge versorgte, während Alison mehr und mehr Zeit in Boutiquen und bei der Kosmetikerin verbrachte.

Allmählich genügte ihr auch das nicht mehr. Seit Mark zu Andrews persönlichem Assistenten aufgestiegen war, wurde er mit seiner Frau gelegentlich in das Haus der Forsyths eingeladen. Daraufhin zeigte sich Alison zunehmend unzufrieden mit dem eigenen „schäbigen“ Heim. Sie sah nicht ein, weshalb sie nicht ein größeres Haus haben konnte und dazu noch eine Haushälterin, wo Mark doch jetzt eine leitende Position innehatte.

Wieder zogen sie um, diesmal in ein weitläufiges Haus in Wimbledon, das alle Annehmlichkeiten aufwies, die Alison sich nur wünschen konnte. Es hatte fünf Schlafräume und drei Badezimmer, und im Keller gab es sogar eine Sauna. Eine richtige Luxusvilla, auf die man stolz sein konnte, aber nachdem Alison nun nicht mehr von Neid geplagt wurde, empfand sie Langeweile. Jetzt beklagte sie sich darüber, dass Mark ein so viel aufregenderes Leben führe als sie.

Ihre spitzen Bemerkungen und die ständigen Vorwürfe schufen eine gespannte Atmosphäre. Es dauerte nicht lange, bis das auch den Zwillingen bewusst wurde. Mark schlug deshalb ein Internat vor und beruhigte sein Gewissen damit, dass es besser für die Jungen sei, wenn sie nicht immer wieder die Auseinandersetzungen der Eltern mitbekämen. Aber in diesem Fall wollte Alison ausnahmsweise einmal nicht den leichtesten Weg beschreiten.

„Das könnte dir so passen, was?“, schrie sie ihn an. „Dann wärst du fein heraus. Das schlägst du doch nur deshalb vor, damit du mit Andrew Forsyth in der Weltgeschichte herumziehen kannst, ohne Schuldgefühle haben zu müssen!“

Mark hatte versucht, mit ihr zu reden. Er rechnete ihr vor, dass sie ihren jetzigen Lebensstandard unmöglich aufrechterhalten konnten, wenn er seine Stellung als Andrews Assistent aufgab, aber Alison hörte ihm nicht zu. Ihre Meinung über ihn stand fest: Er war ein selbstsüchtiger, gefühlskalter Kerl, der sich nicht um seine Familie scherte und nur daran interessiert war, für Andrew Forsyth Geld zu scheffeln.

Alison sorgte inzwischen auf ihre Weise dafür, dass sie auf ihre Kosten kam. Sie ließ sich von anderen Männern trösten und gab sich nicht einmal mehr den Anschein einer treuen Ehefrau. Als es zur Scheidung kam, schob sie Mark alle Schuld zu und tat alles, um das Sorgerecht für die Kinder zu bekommen. Das gelang ihr auch, sodass Mark von nun an für zwei Haushalte aufkommen musste. Die bescheidene Wohnung in Kensington, die er bezog, bedeutete keine nennenswerte finanzielle Belastung. Aber der Einfluss, den Alison auf die beiden Jungen ausübte, wurde zu einem immer größeren Problem.

Die Atmosphäre, in der die Zwillinge aufgewachsen waren, hatte ihre Spuren hinterlassen. Zuerst waren es nur Kleinigkeiten, doch je älter die Jungen wurden, desto ernster wurden ihre Verfehlungen. An der Gesamtschule, die sie besuchten, schwänzten sie häufig den Unterricht. Mark sorgte dafür, dass die beiden auf eine Privatschule kamen. Die Schule war teuer, aber dafür standen seine Söhne dort unter guter Aufsicht, und so scheute Mark keine Kosten. Schon bald aber musste er erfahren, dass die Jungen für diese Schule kaum tragbar waren. Wenn sie ihr Benehmen nicht änderten, so wurde Mark mitgeteilt, müssten sie mit einem Schulverweis rechnen. Schließlich wurden sie tatsächlich hinausgeworfen, und das wiederholte sich auch an anderen Privatschulen, die Mark ausfindig machte und bezahlte.

Erst vor wenigen Tagen waren Jeff und Jon in der Oxford Street bei Ladendiebstählen ertappt worden. Andrews Anwalt war es zu verdanken, dass der Diebstahl keine ernsten Folgen nach sich zog. Dass sie erneut von der Schule flogen, war jedoch nicht zu vermeiden gewesen.

Der Zeitpunkt für einen Flug zu den Westindischen Inseln, um Andrews Tochter nach London zu holen, war alles andere als günstig. Eine neue Schule war noch nicht gefunden worden, die Zwillinge hatten nichts zu tun. Doch Andrew fand eine Lösung.

„Ich werde mit dem Kommandanten der ‚Admiral Nelson‘ reden“, schlug er vor. „Er ist ein Freund von mir und nimmt die beiden bestimmt für ein paar Wochen in die Mannschaft auf. Ein streng geregelter Tagesablauf ist genau das, was die Jungen brauchen. Sie lernen dabei nicht nur segeln, sondern vor allem auch, wie man sich in eine Gemeinschaft einfügt.“

Die „Admiral Nelson“, ein berühmtes Segelschiff, auf dem Anwärter für die Marinelaufbahn ausgebildet wurden, genoss einen ausgezeichneten Ruf. Dennoch hatte Mark zunächst noch Bedenken, aber er musste zugeben, dass Andrew recht hatte. Für Jeff und Jon waren die Erfahrungen, die sie auf dem Schulschiff machen konnten, genau das Richtige. Und dass sie dabei für eine Weile nicht dem Einfluss ihrer Mutter unterstanden, war ein zusätzlicher Vorteil.

Der Pilot wandte sich zu seinem Fluggast um, der in Gedanken versunken war, und wies auf einen grünen Fleck, der auf dem Wasser zu schwimmen schien. „Sehen Sie die sichelförmige Bucht, Mr Kane? Das ist Charlotte’s Bay.“

„Dann sind wir also da? Vielen Dank, Joe.“ Mark zwang sich zu einem Lächeln und schob die bedrückenden Gedanken beiseite. Das Flugzeug verlor rasch an Höhe. Schon bald konnte Mark das felsige Hochland erkennen, das sich in der Mitte der Insel erhob und einsam aus dem üppigen Pflanzenwuchs herausragte.

Die Insel war größer, als Mark angenommen hatte. Überall grünte und blühte es, aber ansonsten war kaum ein Anzeichen von Leben zu entdecken. Auch der schneeweiße Strand lag verlassen da.

„Charlottesville liegt auf der anderen Seite“, erklärte der Pilot, als hätte er Marks Gedanken gelesen. „Das ist die Hauptstadt, aber besonders lebhaft geht es auch dort nicht zu. Nur ein paar Geschäfte und Lagerhäuser und noch ein Markt, auf dem Obst und Fisch verkauft werden.“

Das Meer kam ihnen nun mit einer solchen Geschwindigkeit entgegen, dass Mark nichts mehr erwidern konnte. Er bekam Ohrensausen und musste mehrmals heftig schlucken. Dann setzte das Flugzeug auf dem Wasser auf.

Mark hielt sich an den Armlehnen fest. „Du lieber Himmel“, murmelte er, als ein feiner Sprühregen aus Meerwasser durch den Ventilator auf ihn niederging.

„Alles in Ordnung, Mr Kane?“, erkundigte sich Joe. „So kleine Flugzeuge sind Sie wohl nicht gewöhnt, aber Sie können unbesorgt sein. Diese Maschine hier ist das sicherste Verkehrsmittel weit und breit.“

„Ach ja?“, meinte Mark nur. Zu mehr war er nicht in der Lage. Er hatte einen langen Tag hinter sich. Zuerst der neunstündige Flug nach Miami, dann eine Stunde Wartezeit auf den Anschlussflug nach Saint Thomas. Und schließlich auch noch dieser Wasserfloh von einem Flugzeug. Mark konnte beim besten Willen keine Begeisterung für diese seltsame kleine Maschine aufbringen.

Sie waren jetzt schon nahe am Land. Joe fuhr das Räderwerk aus, und kurz darauf holperten sie über den Sandstrand. Er war von Kokospalmen gesäumt, dahinter erstreckte sich dichter grüner Urwald. Am Strand stand ein halbwüchsiger Junge zum Empfang des Flugzeugs bereit.

Joe winkte ihm zu. „Das ist Samuel“, erklärte er, „der Sohn von Miss Lilians Haushälterin. Offenbar weiß sie, dass wir kommen.“

„Sieht so aus“, bestätigte Mark.

Beim Aussteigen schlug Mark eine Hitzewelle entgegen. Er hatte es schon unterwegs bedauert, dass er sich in Miami nicht umgezogen hatte. Nach der Ortszeit war es halb sieben, doch die untergehende Sonne entwickelte noch eine gewaltige Kraft.

Mark zog das Jackett aus und warf es sich über die Schulter. Dabei bemerkte er den amüsierten Blick, mit dem der Junge seine Weste musterte. Samuels Kleidung war für dieses Klima auf jeden Fall besser geeignet. Er trug Jeans, die oberhalb der Knie abgeschnitten waren, und ein loses T-Shirt. Seine bronzefarbene Haut glänzte. Mark schätzte den Jungen auf etwa sechzehn Jahre, ungefähr so alt wie die Zwillinge.„Mr Kane?“, erkundigte er sich geschäftsmäßig. „Miss Forsyth hat mich beauftragt, Sie abzuholen. Bitte kommen Sie mit zum Haus. Miss Forsyth erwartet Sie.“

Mark nickte ihm zu und bedankte sich bei Joe, der ihm seine Tasche aus dem Flugzeug herausreichte. „Ist es weit bis zum Haus?“

„Es ist gleich dort drüben.“ Joe wies Mark mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Richtung.

Die untergehende Sonne tauchte die Insel in einen überirdischen goldenen Schein. Mark musste die Augen zusammenkneifen, um das Haus erkennen zu können. Es stand auf einer kleinen Anhöhe oberhalb der Bucht. In den oberen Stockwerken zogen sich Balkone mit schmiedeeisernem Gitter am Haus entlang. Es war größer, als Mark vermutet hatte. An vielen Fenstern waren die Läden geschlossen, aber in einem Zimmer im Erdgeschoss brannte Licht.

„Gehen wir.“ Samuel nahm Marks Tasche und machte sich mit langen Schritten auf den Weg.

„Ich komme gleich.“ Mark riss sich von dem Anblick los, den das pflanzenumwucherte Haus bot, und hielt dem Piloten zum Abschied die Hand hin. „Wie kann ich Sie erreichen, wenn ich zurück möchte?“

„Das wird Miss Lilian erledigen“, erwiderte Joe. „Also dann, schöne Ferien.“

Mark verzichtete darauf zu erklären, dass er nicht zum Vergnügen hier war. „Bis bald“, meinte er nur, hob grüßend die Hand und ging hinter Samuel her, die Stufen hinauf, die vom Strand zum Haus führten.

Inzwischen war es dunkel geworden. Vorsichtig schritt Mark hinter Samuel her durch den Garten, in dem alles wild durcheinander wucherte. Der Duft von Blumen hing betäubend süß in der Luft. Zwei weitere Stufen führten zu einer großen Rasenfläche vor dem Haus. Im Schatten einer blühenden Akazie stand ein alter Schaukelstuhl, und im Licht des erleuchteten Fensters konnte Mark erkennen, dass auf der Veranda bequeme Gartensessel um ein kleines Tischchen gruppiert waren. Ein Krug mit einem eisgekühlten Getränk stand bereit. Mark warf einen verlangenden Blick darauf, konnte aber Lilian nirgendwo entdecken.

Erst als er bereits die Verandastufen hinaufging, merkte er, dass sie dennoch da war. Sie lehnte an der Hausmauer, und nur zögernd trat sie ins Licht, aber selbst dann fiel es Mark schwer, in dieser jungen Frau mit der goldbraun getönten Haut Lilian Forsyth zu erkennen.

Er nahm Samuel die Tasche ab. Mittlerweile schwitzte er am ganzen Körper, und dass Lilian so kühl und gelassen wirkte, machte alles nur noch schlimmer.

Andrew hatte seiner Tochter stets die teuersten Modellkleider gekauft. Jetzt trug sie knappe Shorts und eine schlichte, ärmellose Bluse, und doch machte Lilian einen eleganten Eindruck. Das lag an ihrer Haltung, an der Art, wie sie sich bewegte. Diese Anmut hatte sie früher nicht besessen. Sie war immer noch schlank, aber sie wirkte nicht mehr so spitzknochig wie früher. Im Gegenteil, Mark bemerkte sehr wohl, dass ihre Brüste seit ihrer letzten Begegnung in England voller und fester geworden waren.

Lilian hatte sich die Haare wachsen lassen. Sie reichten ihr bis über die Schultern hinab, glänzten seidig und waren etliche Schattierungen heller, als Mark es in Erinnerung hatte. Sonderbar, ging es ihm durch den Sinn, dass die Sonne das Haar ausbleicht, während die Haut dunkler wird.

Sie reichte ihm die Hand. „Guten Abend, Mr Kane“, sagte sie höflich. „Hatten Sie eine gute Reise?“

„Ich bin froh, dass sie zu Ende ist“, gestand Mark. „Vermutlich bin ich inzwischen zu alt, um zwölf Stunden still zu sitzen. Mein Rücken fühlt sich jedenfalls an, als hätte mir ein Maultier ins Kreuz getreten.“ Er lachte.

Lilian erwiderte sein Lachen und ließ dabei regelmäßige, perlweiße Zähne sehen. „Sie sind doch nicht alt, Mr Kane“, meinte sie mit unverhohlener Bewunderung. Mark war so überrascht von diesem Kompliment, dass ihm keine Entgegnung einfiel. Zum Glück sprach Lilian gleich weiter. „Möchten Sie erst etwas trinken oder unter die Dusche gehen?“

Inzwischen war Mark überzeugt, dass er sich ihren aufreizenden Blick nur eingebildet hatte. „Ist es unverschämt, wenn ich beides möchte? Ein kühler Drink wäre wunderbar. Und dann würde ich gern duschen und mir etwas anderes anziehen. Geht das?“

„Selbstverständlich.“ Lilian wies Samuel an, das Gepäck von Mr Kane nach oben zu bringen. Als der Junge daraufhin Marks Tasche ergriff und damit verschwand, fügte sie hinzu: „Sie haben offenbar nicht viel Kleidung mitgebracht, Mr Kane. Das ist gut so. Hier geht es sehr unkonventionell zu.“

Mark war zu müde, um sich darüber auszulassen, weshalb er nur so wenig Gepäck hatte. Fragend zeigte er auf einen Stuhl, und Lilian nickte.

„Aber bitte, nehmen Sie doch Platz.“ Sie trat an den Tisch und griff nach dem Krug. „Ich hoffe, Sie mögen Daiquiri-Cocktails. Lucinda hat sie zubereitet.“

„Lucinda?“, erkundigte sich Mark, während er sich erleichtert in dem bequemen Sessel niederließ.

Lilian goss die Drinks ein. „Samuels Mutter“, erklärte sie dabei. „Außer ihr ist noch Mike da, ihr Mann, und natürlich Samuel. Mehr Personal gibt es hier nicht mehr.“

Mark lehnte sich behaglich zurück. Obwohl er nicht zu seinem Vergnügen hergekommen war, fühlte er sich überraschend wohl, ohne dass er dieses angenehme Gefühl hätte begründen können. Vielleicht lag es daran, dass er sich außerhalb von Alisons Reichweite befand. Durch die Scheidung war ihre Verbindung zwar offiziell gelöst worden, aber Alison spielte immer noch eine beträchtliche Rolle in seinem Leben. Es war eine Erleichterung, sich einmal nicht ihre ständigen Klagen anhören zu müssen.

Nach wie vor stellte Alison Ansprüche an ihn, und Mark sah keine Möglichkeit, sich dem zu entziehen, ohne dabei eine Entfremdung von seinen Söhnen zu riskieren. Alison nutzte jede Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass das Scheitern der Ehe seine Schuld gewesen wäre. Auch seine Reise in die Karibik hatte sie ihm vorgehalten.

„Wieso kann das Mädchen nicht in ein Flugzeug steigen und herkommen?“, empörte sie sich. „Und um sie zu begleiten, schiebst du deine Söhne auf ein Schulschiff ab.“

Vergeblich erinnerte Mark sie daran, dass sie in diesen Vorschlag durchaus eingewilligt hatte. Alison war immer eifersüchtig auf Andrew gewesen, während sie sich gleichzeitig mit allen Mitteln bemühte, sich bei ihm beliebt zu machen. „Er ist nun einmal Andrew Forsyth“, pflegte sie zu sagen. „Natürlich ist es günstig, mit ihm befreundet zu sein. Aber ich kann mir trotzdem meine Gedanken über ihn machen.“

Es reizte sie, dass Mark nicht dazu bereit war, sich hinter Andrews Rücken abfällig über seinen Arbeitgeber zu äußern. „Du tanzt nach seiner Pfeife“, hatte sie ihm einmal mehr vorgehalten. „Aber bilde dir nur nicht ein, dass er dich an seine Tochter heranlässt! Mach dir also keine Hoffnungen auf ein Abenteuer.“

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
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