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Als Regan Holmes nach sieben Jahren ihren Exgeliebten, den charmanten Finanzberater Liam Bentley, auf einer Party wieder sieht, spüren beide, dass sie sich nach wie vor erotisch stark anziehen. Von heller Eifersucht erfasst, lässt sie sich hinreißen, seiner derzeitigen Freundin eine heiße Szene zu machen. Wütend flüchtet sie nach Hause, und muss sich kurz darauf mit Liam, der ihr gefolgt ist, auseinandersetzen. Nach ihrem heftigen Streit weiß Regan selbst nicht mehr, wie es geschah: Plötzlich liegt sie in seinen Armen und erwidert stürmisch seine Zärtlichkeiten. Jäh wird ihr Liebesspiel unterbrochen: Ihr gemeinsam Sohn Jamie, von dessen Existenz Liam nichts weiß, steht verschlafen in der Tür ...


  • Erscheinungstag 16.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745578
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Regan war sich nicht hundertprozentig sicher, ob der Mann am anderen Ende des überfüllten Raums Liam Bentley war, meinte aber, sich nicht zu täuschen. Ihn hatte sie auf keinen Fall erwartet und wollte ihn auch nicht sehen – weder hier noch anderswo.

„Ihr Glas ist leer“, stellte einer der Männer neben ihr fest. „Geben Sie’s mir, ich besorge Ihnen noch einen Drink.“

Geistesabwesend reichte sie es ihm, anstatt sein Angebot mit der Begründung abzulehnen, sie hätte schon genug getrunken. Alkohol brachte derartige Veranstaltungen erst richtig in Schwung, und sogar die blasiertesten Gäste schienen sich zu amüsieren. Solche Partys sind nichts für mich, dachte Regan und bedauerte, dass sie sich von Hugh hatte überreden lassen, ihn zu begleiten, weil seine Frau verreist war.

Wo steckte er eigentlich? Seit ihrem gemeinsamen Eintreffen hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, und Regan fragte sich allmählich, wozu er überhaupt eine Begleiterin brauchte.

Wieder blickte sie zu dem großen, dunkelhaarigen Mann am anderen Ende des Zimmers, den sie jetzt besser erkennen konnte, und stellte fest, dass sie sich tatsächlich nicht geirrt hatte: das markante, attraktive Gesicht war unverwechselbar. Seit sieben Jahren hatte sie Liam Bentley nicht mehr gesehen, aber die Erinnerungen waren nicht verblasst, obwohl sie alles versucht hatte, um ihn zu vergessen. Mehr denn je wünschte sie, sie wäre nicht zu der Party gekommen.

„Gin mit Limone, das war doch richtig, oder?“, erkundigte sich der Mann, der ihr das Glas abgenommen hatte, und reichte es ihr randvoll gefüllt zurück. „Prost!“

„Prost“, wiederholte Regan, trank allerdings nur einen kleinen Schluck. Deutlich war ihr bewusst, wie unverfroren der Mann sie musterte. Wie hieß er noch gleich? Ach ja, Dennis. Den Nachnamen hatte sie schon vergessen.

„Langes Haar liegt dieses Jahr angeblich nicht im Trend“, bemerkte Dennis beiläufig, „aber den meisten Männern gefällt es nach wie vor.“ Er lächelte breit. „Ebenso wie rotes Haar und grüne Augen.“

„Ich möchte doch sehr bitten – mein Haar ist rotbraun“, verbesserte Regan ihn gespielt streng und versuchte, eine höfliche Miene zu wahren. „Und Trends folge ich prinzipiell nicht.“

„Sie sind eine Individualistin, stimmt’s? Wie unsere Gastgeberin.“

„Ich habe sie noch nicht kennengelernt“, gestand sie. „Wo ist sie?“

Dennis wandte sich um und betrachtete die Anwesenden. „Dort drüben steht sie, neben dem großen, dunkelhaarigen Mann. Ihr Neuester. Ein Banker, glaube ich. Er hat natürlich massenhaft Geld. Die liebe Paula würde sich niemals mit weniger zufriedengeben.“

Paula war blond und sah blendend aus, und der Mann neben ihr war Liam Bentley. Sie führte, wie Regan gehört hatte, eine erfolgreiche PR-Agentur und besaß demnach einen guten Geschäftssinn. Ja, die beiden gaben ein perfektes Paar ab.

„Was halten Sie davon, mit mir in ein ruhiges Lokal zu gehen, um etwas zu essen und uns besser kennenzulernen?“, schlug Dennis vor.

„Ich bin nicht hungrig“, antwortete Regan ausweichend. „Die Häppchen sind einfach zu verführerisch.“

„Dann genehmigen wir uns anderswo einen Drink, okay?“

Einen Wink versteht er offensichtlich nicht, dachte sie und schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich fühle mich hier sehr wohl.“

„Das sieht man Ihnen aber nicht an“, beharrte er. „Tatsächlich wirken Sie …“

„Ich bin mit jemandem hier“, unterbrach sie ihn. „Er wäre sicher nicht begeistert, wenn ich die Party mit einem anderen verlassen würde. Außerdem sollte ich mich jetzt lieber unter die Gäste mischen.“

„Ihr Begleiter kümmert sich aber nicht sonderlich um Sie“, meinte Dennis noch, während sie wegging.

Wie aufs Stichwort erschien Hugh plötzlich neben ihr. „Tut mir leid, dass ich dich vernachlässigt habe“, entschuldigte er sich. „Ich bin in ein Gespräch verwickelt worden. Hast du inzwischen unsere Gastgeberin kennengelernt?“

„Nein“, gab Regan zu. „Das ist allerdings auch nicht unbedingt nötig.“

Er achtete nicht auf ihren Protest, sondern legte den Arm um sie und führte sie zu Paula, um die sich einige Gäste wie Höflinge um eine Königin scharten.

„Auch wir möchten dir unsere Reverenz erweisen, Paula“, begann Hugh scherzhaft. „Darf ich dich mit Regan Holmes bekannt machen?“

Paulas Blick war abwägend und wenig freundlich. „Hallo.“

Regan erwiderte den Gruß und blickte Liam Bentley direkt in die grauen Augen, während sie ihm vorgestellt wurde. Bin ich jetzt eigentlich erleichtert oder eher enttäuscht, weil er mich nicht erkennt? überlegte sie, als er nicht auf ihren Namen reagierte.

Liam sah beinah noch genauso aus wie damals, was man von ihr offensichtlich nicht behaupten konnte. Allerdings hatte ihre Beziehung mit ihm nur wenige Wochen gedauert. Wen wunderte es, dass er sich nicht an eine seiner zahlreichen Verflossenen erinnerte? Wahrscheinlich war es unter den gegebenen Umständen ohnehin das Beste.

Nun wandte Paula sich vertraulich lächelnd Liam zu. „Darling, würdest du so lieb sein, mir einen Drink zu besorgen?“

„Sicher“, erwiderte er. Seine tiefe Stimme klang noch genauso wie früher. „Sie brauchen momentan keinen Nachschub?“, fragte er Regan und wies auf ihr Glas.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, danke, ich bin bestens versorgt.“

Paula nahm das Gespräch mit ihren Gästen wieder auf, während Liam zur Hausbar ging. Da sich nun eine lebhafte Diskussion anbahnte, merkte niemand, dass Regan sich unauffällig zurückzog. Sie wollte jetzt eine Weile allein sein. Am liebsten wäre sie sofort nach Hause gefahren, aber Hugh hatte darauf bestanden, sie nach der Party zurückzubringen, und sie mochte ihn nicht vorzeitig zum Aufbruch veranlassen.

In einem der elegant eingerichteten Zimmer im oberen Stockwerk, das den Gästen als Garderobe diente, war niemand. Hier würde sie hoffentlich ungestört bleiben.

Regan setzte sich an den zierlichen Frisiertisch, eine kostbare Antiquität aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert. Geld schien für Paula Lambert kein Thema zu sein, wie man aus der teuren Einrichtung des Hauses schließen konnte.

Nachdem Regan ihr Make-up aufgefrischt hatte, betrachtete sie sich nachdenklich im Spiegel. Dicht und glänzend umrahmte das schulterlange Haar ihr Gesicht, das zu eigenwillig wirkte, um klassisch schön zu sein: grüne, etwas auseinander stehende Augen, ausgeprägte Wangenknochen, eine kurze, gerade Nase und volle, geschwungene Lippen. Eigentlich habe ich mich kaum verändert, abgesehen von der Frisur, überlegte sie.

Liam war jetzt siebenunddreißig. In dem Alter bekamen manche Männer die ersten grauen Haare und setzten Fett an, doch bei ihm hatte sie davon nichts bemerkt. Vielleicht hatten sich die Fältchen um seine Augen vertieft, sein Kinn war allerdings genauso energisch, sein Körper immer noch so schlank und muskulös wie früher. Unwillkürlich erinnerte sie sich an Liams breite, sonnengebräunte Schultern, sein dunkles Brusthaar und den straffen Bauch – und ein erregendes Prickeln überlief sie.

Denk nicht mehr daran!, ermahnte Regan sich.

Als sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde, kehrte sie unvermittelt in die Gegenwart zurück. Im Spiegel sah sie Liam, und es war ein überwältigend vertrauter Anblick.

„Hierhin hast du dich also zurückgezogen“, bemerkte er. „Ich dachte schon, du hättest die Party verlassen.“ Er schwieg kurz, dann fügte er hinzu: „Wir haben uns lange nicht gesehen.“

Regan riss sich zusammen und stand auf. Ihre Gefühle ließ sie sich nicht anmerken. „Ja, ziemlich lange.“

„Nein, unziemlich“, erwiderte er ironisch und betrachtete ihre festen, runden Brüste, die sich unter dem eng anliegenden Oberteil des dunkelgrünen Kleids abzeichneten. „Warum hast du vorhin so getan, als würdest du mich nicht mehr kennen?“

„Ich habe mir nur ein Beispiel an dir genommen“, behauptete sie und zuckte die Schultern.

„Und ich dachte, ich würde mich nach dir richten.“

„Dann haben wir beide die Signale falsch interpretiert.“

„Ja, es sieht ganz so aus.“ Sein Ausdruck wurde noch spöttischer, während Liam sie weiterhin musterte. „Dein Begleiter ist, glaube ich, verheiratet.“

Offensichtlich unterstellte er ihr ein Verhältnis mit Hugh! „Na und?“, fragte Regan, ohne zu überlegen.

„Gibt es nicht genug alleinstehende Männer, unter denen du dir einen hättest aussuchen können? Einen, der dir allein gehört?“

Sie hätte ihm jetzt die Wahrheit über ihre Beziehung zu Hugh sagen können, sah aber nicht ein, warum sie es tun sollte. „Dieselbe Frage könnte man unserer Gastgeberin stellen“, konterte sie kühl. „Vorausgesetzt natürlich, dass Paula über deinen Familienstand informiert ist. Wie geht es deiner Frau denn so?“

„Wir sind seit Jahren geschieden.“

Die Antwort brachte Regan aus dem Konzept. „Oh! Das tut mir leid, Liam.“

„Beileidsbezeugungen sind unnötig. Wir waren uns längst gleichgültig geworden.“

„Das macht natürlich einen Unterschied. Aber deine Gefühle gingen ja nie sehr tief!“ Sie versuchte, ganz ruhig zu bleiben. „So, es wird Zeit, zu den anderen zurückzugehen. Paula macht nicht den Eindruck, als würde sie es gnädig hinnehmen, wenn man sie länger unbeachtet lässt.“

Liam rührte sich nicht, seine Miene wirkte schroff. „Als ich dich vorhin sah, dachte ich, dass du dich nicht verändert hast. Ein Irrtum, wie ich jetzt merke.“

Seine Worte trafen sie zutiefst, und unüberlegt erwiderte Regan: „Ja, mit zweiundzwanzig war ich noch sehr naiv und habe mich ausnutzen lassen. Inzwischen habe ich gelernt, meinen Vorteil herauszuschlagen. Das ist der Unterschied.“

Er verzog spöttisch die Lippen, und Regan verachtete sich plötzlich selbst. Warum nur hatte sie das gesagt? Nun war es jedoch zu spät, die Worte zurückzunehmen. Was ging es ihn überhaupt an, wie sie jetzt war?

„Lässt du mich jetzt bitte vorbei, Liam? Es gibt nichts mehr zu sagen.“

In seinen grauen Augen blitzte ein seltsamer Ausdruck auf, dann zuckte Liam die Schultern und trat beiseite. „Bitte, nach dir.“

Sie zögerte, weil sie sich scheute, an ihm vorbei zur Tür zu gehen. Nicht, dass er mich anfassen würde, beruhigte Regan sich. Er hatte ja deutlich gezeigt, wie sehr er sie verachtete, weil er annahm, sie wäre die Geliebte eines verheirateten Mannes. Sollte er es ruhig weiterhin glauben! Seine Meinung war ihr überhaupt nicht wichtig.

Er rührte sich noch immer nicht, während Regan an ihm vorbeiging, aber als sie nach der Klinke griff, legte er von hinten den Arm um sie und drehte sie zu sich um. Mit der anderen Hand umfasste er ihren Nacken, dann presste er ihr die Lippen auf den Mund.

Da sie Liam nicht wegzuschieben vermochte, hielt sie still, auch dann noch, als Hitzewellen sie durchfluteten und lange unterdrückte Empfindungen in ihr wach wurden. Kein Mann hatte sie jemals so erregt wie Liam, und daran hatte sich nichts geändert. Unwillkürlich schmiegte sie sich nun an ihn und spürte, wie sehr er sie begehrte.

Als er sich schließlich von ihr löste, erschauerte sie. Ihre Gedanken und Gefühle waren in Aufruhr, und sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen.

„In einer Hinsicht hast du dich nicht verändert“, bemerkte er spöttisch. „Du bist deinem jeweiligen Liebhaber treu, sogar wenn er zwanzig Jahre älter ist als du.“

Gekränkt schob sie ihn weg und öffnete endlich die Tür. In dem Moment kam Paula aus dem Zimmer gegenüber und musterte Liam und sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Was geht hier vor?“, fragte sie.

„Das sind Privatangelegenheiten“, erwiderte er ausdruckslos. „Ich besorge mir jetzt einen Drink.“

Er ging nach unten, und Paula und sie standen wie erstarrt da.

Paula gewann als Erste die Fassung zurück. „Ich hatte vorhin schon den Eindruck, dass ihr beide euch kennt“, bemerkte sie schroff. Ihr Blick war eisig. „Was für ein Spielchen treiben Sie hier eigentlich?“

In dem Ton lasse ich nicht mit mir reden, dachte Regan aufgebracht. Paula war ihr von Anfang an unsympathisch gewesen. Weshalb sollte sie sich vor ihr rechtfertigen? Einen kurzen, katastrophalen Moment lang ließ sie alle Vernunft außer Acht und gab dem überwältigenden Drang nach, sowohl Paula als auch Liam einen vernichtenden Schlag zu verpassen.

„Ein Kind allein zu erziehen ist kein Spielchen“, sagte sie scharf.

Paulas Miene wurde starr. „Wollen Sie damit andeuten, dass Sie ein Kind von Liam haben?“

Was habe ich angerichtet?, fragte Regan sich entsetzt. Und wie konnte sie sich jetzt aus der Affäre ziehen?

„Ich werde der Sache auf den Grund gehen“, verkündete Paula herrisch. „Sie warten hier!“

Während Paula die Treppe hinunterlief, zwang Regan sich zu handeln. Nur weg hier, dachte sie, holte ihre Jacke aus dem Zimmer hinter sich und eilte nach unten. In der Diele standen einige Leute, aber Liam und Paula waren nirgends zu sehen.

Erst als Regan draußen in der kühlen Nachtluft stand, fiel ihr ein, dass Hugh sich wundern würde, wo sie steckte. Na ja, es ließ sich nicht mehr ändern, deshalb brauchte sie sich auch nicht den Kopf darüber zu zerbrechen! Rasch machte sie sich auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station, ihre Schritte hallten auf dem Pflaster. Es war nicht ganz ungefährlich, zu dieser Zeit allein mit der U-Bahn zu fahren, doch sie hatte nicht genug Geld für ein Taxi.

Liam wird Paula ohne Schwierigkeiten überzeugen, dass meine Behauptung nicht stimmt, überlegte Regan bedrückt. Damit würde er es allerdings nicht bewenden lassen, und ihre Adresse konnte er sich von Hugh beschaffen. Warum nur hatte sie die Unterstellung, Hugh wäre ihr Liebhaber, nicht berichtigt? Damit hatte sie auch ihn, der seiner Frau bestimmt treu war, in ein schlechtes Licht gestellt!

Um ungefähr halb zwölf kam Regan in ihre kleine, aber behagliche Wohnung in Kilburn. Ihre Nachbarin und Freundin Sarah, die hier inzwischen die Stellung gehalten hatte, war überrascht, sie schon so früh wieder zu sehen.

„Ich passe doch gern auf“, erwiderte sie, als Regan sich bei ihr bedankte. „Seit Don den neuen Job hat, bin ich abends öfter allein. Außerdem muss ich ja nur eine Treppe nach unten gehen, um nach Hause zu gelangen. Wenn du Lust hast, komm morgen Vormittag vorbei, und trink eine Tasse Kaffee mit mir“, fügte sie, bereits an der Tür, hinzu.

Kaffee und ein gemütlicher Plausch waren das Letzte, was Regan jetzt interessierte. Am folgenden Vormittag musste sie als Erstes Hugh anrufen und sich entschuldigen, weil sie die Party einfach so verlassen hatte. Oder sollte sie ihn jetzt noch anrufen? Das Handy hatte er ja ständig dabei. Dann könnte sie ihn auch bitten, niemandem ihre Adresse zu geben. Nein, Unsinn! Liam brauchte nur im Telefonbuch nachzusehen, um diese herauszufinden.

Regan öffnete behutsam die Tür zum Nebenzimmer und stellte fest, dass alles ruhig blieb. Leise ging sie zum Bett und strich die Decke glatt, dann neigte sie sich über den schlafenden kleinen Jungen und küsste ihn sanft. Sie freute sich in der Woche schon immer auf die Wochenenden, an denen sie sich ihm ganz widmen konnte. Und daran würde sich niemals etwas ändern! Nein, es war nicht sehr wahrscheinlich, dass Liam Ansprüche geltend machte.

Regan ging ins Wohnzimmer zurück und richtete ihr Bett auf dem Sofa her. Da Jamie viel früher schlafen ging, hatte sie ihm das separate Zimmer überlassen. Bei der geringen Miete, die sie zahlte, konnte sie sich schon glücklich schätzen, Küche und Bad in der Wohnung zu haben, statt sie mit anderen Hausbewohnern teilen zu müssen.

Um Mitternacht lag Regan im Bett, konnte aber noch nicht schlafen. Starr blickte sie zur Zimmerdecke und ließ die Ereignisse des Abends Revue passieren. Noch immer meinte sie, Liams Lippen und seinen muskulösen Körper zu spüren. Die jahrelang mühsam verdrängten Erinnerungen stürmten nun mit aller Macht auf sie ein.

Es war keineswegs so, dass sie keine Männer kannte und nicht gelegentlich mit einem von ihnen ausging, aber sie hatte sich nie mehr auf ein engeres Verhältnis eingelassen. Das lag nicht nur an ihrem Mangel an Gefühlen, sondern auch daran, dass sich die wenigsten Männer dauerhaft für eine alleinerziehende Frau interessierten.

Plötzlich klingelte es, und ihr Herz begann wie rasend zu pochen. Nur einer würde so spät noch einen Besuch machen, einer, der so aufgebracht war, dass er alles außer Acht ließ, abgesehen von seinem Wunsch, die offenen Fragen zu klären.

Wieder klingelte es, diesmal länger. Wenn sie Liam nicht ins Haus ließ, würde er womöglich einen anderen Mieter wecken. Da Jamie fest schläft, kann ich seine Existenz vor Liam bestimmt weiterhin geheim halten, beruhigte Regan sich. Sie stand auf und knipste das Licht an, bevor sie zur Gegensprechanlage an.

„Wer ist da?“, fragte sie argwöhnisch und hoffte wider besseres Wissen, dass es nicht Liam war.

„Wer, zur Hölle, glaubst du denn?“, ließ sich eine schroffe Stimme vernehmen. „Mach sofort auf!“

Wenn sie nicht ihre Mitbewohner in die Sache hineinziehen wollte, blieb ihr keine Wahl. Regan drückte auf den Türöffner, ging zum Sofa zurück und zog Hausschuhe und Bademantel an. Bleib ruhig und beherrscht, dann überstehst du die kommenden Minuten, ohne etwas zu verraten, ermahnte sie sich.

Es klopfte herrisch an der Wohnungstür, und sie eilte hin und öffnete. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Liam kam ungebeten herein, und Regan musste rasch beiseitetreten, um nicht umgestoßen zu werden.

„Du musst mir einiges erklären“, begann er kurz angebunden.

Sie schärfte sich nochmals ein, einen kühlen Kopf zu bewahren, und schloss die Tür, bevor sie sich Liam zuwandte. „Ich möchte mich entschuldigen, weil ich mich so dumm benommen habe.“

Durchdringend sah er sie an. „,Dumm‘ ist gar kein Ausdruck! Warum hast du es getan? Sag es mir!“

Regan zuckte bewusst gleichgültig die Schultern. „Revanche natürlich.“

„Da hast du aber eine ungewöhnliche Vergeltungsmaßnahme gewählt.“

Wieder zuckte sie die Schultern. „Etwas anderes fiel mir auf die Schnelle nicht ein. Du hattest doch bestimmt keine Schwierigkeiten, deine … Partnerin zu überzeugen, dass meine Behauptung nicht wahr ist, oder?“

„Paula und ich sind keine Partner, weder geschäftlich noch privat.“

„Deine Bekannte dann eben. Wenn du möchtest, schreibe ich ihr einen kurzen Brief und gestehe, dass ich gelogen habe“, bot Regan an.

Liam betrachtete sie aufmerksam, dann schüttelte er den Kopf. „Nicht nötig.“ Er ließ den Blick durchs Zimmer gleiten, und was er dabei dachte, sah man ihm deutlich an. „Ist das die ganze Wohnung?“

„Nein, es gibt auch eine Küche und ein Bad. Was braucht man mehr?“

„Hier kann man ja nicht einmal eine Katze im Kreis herumschwingen.“

„Wozu auch? Ich habe keine Katze.“ Allmählich wurde Regan unruhig, denn mit jeder Minute wuchs die Gefahr, dass Jamie aufwachen und ins Wohnzimmer kommen könnte. „Wenn das alles war, würde ich gern wieder schlafen gehen, Liam.“

„Nein, ich bin noch nicht fertig. Noch lange nicht. Der Mann, den du heute Abend zur Party begleitet hast, ist Direktor bei Longmans.“

Trotzig hob sie den Kopf, denn sie konnte sich denken, was jetzt kam. „Richtig.“

„Du bist seine Sekretärin und hast ihn heute Abend begleitet, weil seine Frau verhindert war.“

„Ebenfalls richtig.“

„Warum, zum Teufel, hast du mir das nicht gleich gesagt, Regan?“

„Welchen Unterschied hätte das gemacht?“, konterte sie. „Man hat doch schon von Affären im Büro gehört.“

Liam ging auf die Anspielung nicht ein. „Hast du ein Verhältnis mit ihm?“

Das geht dich nichts an, hätte Regan am liebsten gesagt, ließ es allerdings bleiben, als ihr einfiel, dass sie damit nicht nur ihren, sondern auch Hughs Ruf schädigen würde.

„Nein“, gestand sie schließlich. „Ich begleite ihn gelegentlich, mit Billigung seiner Frau Rosalyn, zu offiziellen gesellschaftlichen Anlässen, wenn sie keine Zeit hat. Er ist nichts weiter als mein Boss und ein guter Freund, dem ich heute Abend einen schlechten Dienst erwiesen habe.“

„Daran war ich schuld.“ Er schwieg kurz, sein Ausdruck war schwer zu deuten. „Ich dachte, du wärst inzwischen verheiratet und Mutter mehrerer Kinder. Das war doch dein Lebensziel, als du zweiundzwanzig warst, stimmt’s?“

„Mittlerweile habe ich erkannt, dass es mehr im Leben zu erreichen gibt“, erwiderte Regan ausweichend.

„Das hier etwa?“ Wieder blickte Liam sich abschätzend im Zimmer um. „Bei deinen Fähigkeiten hättest du es wesentlich weiter bringen können.“

„Verglichen mit deiner Lebensweise, ist meine wahrscheinlich armselig, aber mir gefällt sie.“ Nun konnte sie sich nicht länger beherrschen. Mit zitternden Fingern wies sie zur Tür. „Und jetzt geh bitte, ja?“

„Longmans bezahlt gut“, bemerkte Liam, ohne ihrer Aufforderung Folge zu leisten. „Du verdienst doch bestimmt genug, um dir etwas Anspruchsvolleres leisten zu können als eine Einzimmerwohnung im zweiten Stock, vor allem da du ja nur für dich zu sorgen brauchst. Oder hast du einfach noch nicht das Richtige gefunden? Dann könnte ich dir ein Maklerbüro empfehlen.“

„Ich brauche keine Hilfe! Weder von dir noch von sonst jemanden.“ Nun war ihr völlig gleichgültig, welchen Eindruck sie auf ihn machte. Ihre Augen funkelten vor Zorn, während sie die Wohnungstür aufriss. „Verschwinde, Liam!“

„Ja, so bist du schon eher wie die Regan, an die ich mich erinnere“, meinte er beiläufig.

„Was? Wie das naive Ding, das du dir ausgesucht hattest, um dich einige Wochen zu amüsieren?“ Sie lachte heiser. „Damals war ich sehr schüchtern.“

„Nein, ich habe das anders in Erinnerung.“ Seine Stimme klang plötzlich sanft, und er lächelte. „Als ich dich damals nach Büroschluss an meinem Schreibtisch ertappt habe, wo du ausprobieren wolltest, wie man sich als Boss fühlt, warst du alles andere als eingeschüchtert.“

„Nur weil ich dachte, ich hätte ohnehin nichts mehr zu verlieren.“ Auch Regan lächelte unwillkürlich. „Ich nahm an, ich würde sofort entlassen werden, weil ich es gewagt hatte, die heiligen Hallen des Vorstands unbefugt zu betreten.“

„Stattdessen wurdest du nach allen Regeln der Kunst geküsst.“

Ihr verging das Lächeln. „Und nicht nur das! Ich sage ja, ich war unglaublich naiv.“

„Und unwiderstehlich“, fügte Liam leise hinzu. „Ich werde mich übrigens nicht dafür entschuldigen, wie ich dich behandelt habe, denn daran lässt sich ohnehin nichts ändern. Allerdings kann ich versuchen, Wiedergutmachung zu leisten, zum Beispiel, indem ich dir als Erstes einen Job mit besseren Aufstiegschancen verschaffe.“

Regan atmete scharf ein. „Mit meinem jetzigen bin ich völlig zufrieden, danke sehr. Gehst du jetzt endlich? Oder muss ich einen Nachbarn bitten, dich rauszuwerfen?“

„Ich gehe, wenn es mir passt“, erwiderte er unbeeindruckt. „Jetzt würde ich gern eine Tasse Kaffee trinken. Koffeinfreien, wenn du hast.“

Frustriert blickte sie ihn an. Sie würde ihn nicht so schnell loswerden, denn sie hatte nicht wirklich vor, um diese Zeit einen der Nachbarn um Hilfe zu bitten. Als Liam sich das Jackett auszog und es achtlos über eine Stuhllehne warf, hatte Regan das Gefühl, dass sie dasselbe schon einmal erlebt hatte.

Sie musste sich sehr beherrschen, um nicht die Hand über seinen Arm gleiten zu lassen … ihm die Hände auf die Schultern zu legen … ihm das Hemd aufzuknöpfen und seine glatte, warme Haut zu streicheln … ihm wie damals sinnliche Freuden zu bereiten und seine Liebkosungen zu genießen.

Ja, er war ein einfühlsamer und leidenschaftlicher Liebhaber gewesen. Ich habe ihm sogar geglaubt, wenn er von Liebe gesprochen hat, rief Regan sich ins Gedächtnis, und das brachte sie abrupt auf den Boden der Tatsachen zurück. Als Liam ihr ohne Vorwarnung mitgeteilt hatte, er würde eine andere heiraten, hatte es ihr einen Schock versetzt. Dann war der zweite Schlag erfolgt. Kurz nach der Trennung hatte sie erfahren, dass sie schwanger war, und das hätte sie seelisch beinah zugrunde gerichtet. Sie hatte mit dem Gedanken an eine Abtreibung gespielt, aber noch rechtzeitig erkannt, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch unmöglich mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte.

„Wie ist es nun mit Kaffee? Wir müssen noch viel besprechen.“

Die Frage riss Regan aus den trüben Gedanken. Sie fand nicht, dass es noch etwas zu diskutieren gab. Ihre größte Sorge war, dass Jamie aufwachen und kommen könnte, um zu sehen, wer sich mit ihr unterhielt. Obwohl er erst sechs Jahre alt war, fühlte er sich als ihr Beschützer und betrachtete jeden Mann, der in die Wohnung kam, mit Argwohn.

Liam wird erst gehen, wenn es ihm passt, überlegte Regan und schloss die Wohnungstür wieder, bevor sie in die Küche ging. Er folgte ihr und blieb an der Tür stehen, während sie Wasser aufsetzte und Tassen auf ein Tablett stellte. Dass er sie beobachtete, machte sie linkisch.

„Warum setzt du dich nicht ins Zimmer?“, erkundigte sie sich entnervt. „Ich bringe dir den Kaffee, wenn er fertig ist.“

„Das Wasser kocht schon“, bemerkte er. „Lass mich das Tablett tragen. Den Kaffee trinke ich übrigens schwarz.“

Ich weiß, hätte sie beinah gesagt und damit verraten, wie gut sie sich erinnerte. „Und mit Zucker?“, fragte sie wie nebenbei.

„Nein, danke.“

Liam kam näher, um das Tablett zu nehmen, und streifte sie zufällig. Der Duft seines Rasierwassers, ein anderer als früher, weckte Erinnerungen in ihr, die ihr die Knie weich werden ließen.

„Du warst schon immer ein Kavalier“, spottete Regan, um sich ihre Empfindungen nicht anmerken zu lassen.

„Wenigstens oberflächlich“, meinte Liam gleichmütig und betrachtete sie anerkennend. „Ich kenne keine Frau außer dir, die ohne Make-up genauso gut aussieht wie mit.“

„Deine Frau eingeschlossen?“, erkundigte sie sich unüberlegt, dann schüttelte sie beschämt den Kopf. „Vergiss bitte, dass ich das gesagt habe.“

„Schon vergessen.“ Er deutete zur Tür. „Nach dir.“

Regan ging ins Wohnzimmer und setzte sich in einen der beiden Sessel, während Liam das Tablett abstellte, bevor er ebenfalls Platz nahm.

„Du hast behauptet, wir müssten noch viel besprechen“, erinnerte sie ihn, als er keine Anstalten machte, das Gespräch zu beginnen. „Was denn?“

„Zum Beispiel, wohin du verschwunden bist, nachdem du den Job bei Chantry’s aufgegeben hattest. Du warst ja wie vom Erdboden verschluckt.“

„Ich war eine Zeit lang zu Hause“, antwortete sie ausdruckslos.

Er runzelte die Stirn. „Du hast mir damals erzählt, deine Eltern wären geschieden, dein Vater wäre unauffindbar, deine Mutter hätte wieder geheiratet – und zwar einen Mann, mit dem du nichts anfangen konntest und umgekehrt. Das klingt nicht nach einem Zuhause.“

Autor

Kay Thorpe
Als Kay Thorpe 1964 ein Baby bekam, hatte sie bereits in den verschiedensten Bereichen gearbeitet, u.a. bei der Women’s Royal Air Force und als Zahnarzthelferin. Nun stand sie vor der Frage: Was kam jetzt für sie beruflich in Frage, wo sie wegen des Kindes ans Haus gebunden war? Da sie...
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