Frei und glücklich wie noch nie

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Noch nie hat Laura sich so frei, so glücklich wie in Nevada, wo sie im Auftrag der Regierung Wildpferde beobachtet! Und als der attraktive Shane, auf dessen Ranch sie ein Jahr lang wohnt, sie bittet, ihn zu heiraten, sagt Laura Ja. Nicht etwa, weil sie an Liebe in dieser Vernunftehe glaubt - o nein! Sondern weil sie sich in Shanes Nähe geborgen fühlt und weiß, wie wichtig es für ihn ist, das Sorgerecht für die kleine Sage zu erhalten …


  • Erscheinungstag 18.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758226
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die schmale, kaum befahrene Asphaltstraße, die zum Reservat der Paiute führte, war reparaturbedürftig. Zu beiden Seiten erstreckte sich meilenweit die Wüste von Nevada, in der Salbei und Kakteen beheimatet waren. Durch das offene Fenster ihres Leihwagens atmete Laura Walker tief die würzige Frühlingsluft ein, während sie die wilden Mustangs zur Linken im Auge behielt.

Wie gewöhnlich führte eine der Stuten die Herde an, während der schwarze Hengst als Schlusslicht seinen Harem bewachte. Die schwarzbraune Leitstute schwenkte plötzlich zur Straße um.

Laura lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen und hielt an, um sich den Anblick aus der Nähe nicht entgehen zu lassen. Sie zählte fünf Stuten, den Hengst, zwei Jährlinge und ein Fohlen. Eine gescheckte und eine braune Stute schienen trächtig zu sein, und die Schecke, die hinter den Hengst zurückgefallen war, lahmte offensichtlich. Der Rest der Herde wirkte gesund.

Die Leitstute überquerte die Straße direkt vor dem Wagen, gefolgt von den anderen Mustangs. Mit angehaltenem Atem bewunderte Laura die Grazie und Schönheit.

Plötzlich nahte ein grüner Pick-up mit hohem Tempo und dröhnendem Radio. Mit unverminderter Geschwindigkeit raste er vorbei. Die lahmende Stute hatte die Straße noch nicht ganz überquert. Vor Schreck machte sie einen Satz nach vorn, stieß mit dem Fohlen zusammen und warf es zu Boden.

Als Laura sah, dass es dem Fohlen nicht gelingen wollte aufzustehen, stürzte sie aus dem Wagen und rannte über die Straße, um zu helfen. Sie hoffte, dass es nicht ernsthaft verletzt war.

Als sie es fast erreicht hatte, rappelte es sich aus eigener Kraft auf. Also blieb sie stehen und unterdrückte den Drang, es zu streicheln. Sie war nicht gekommen, um sich einzumischen.

Ein schriller, zorniger Schrei hinter ihr ließ sie herumwirbeln. Entsetzt starrte sie den schwarzen Hengst an, der sie unbemerkt umkreist hatte und sich zornig aufbäumte. Offensichtlich sah er sie als Bedrohung an. Angst ließ sie reglos verharren. Er hatte ihr den Rückweg zum Wagen abgeschnitten, und es war nirgendwo Deckung in Sicht.

Hufe donnerten hinter ihr. Bevor sie sich rühren konnte, wurde sie ergriffen, in die Luft gehoben und wie ein Sack Kartoffeln mit dem Gesicht nach unten über den Schoß eines Reiters gewuchtet.

Shane Bearclaw lenkte Cloud, seinen grauen Wallach, von der Herde fort und trieb ihn zum Galopp an, um dem aufgeregten Hengst so schnell wie möglich zu entfliehen.

„Dummkopf“, murmelte er und meinte damit die blonde Frau, die er gerettet hatte.

Als er den Hügel erreichte, von dem aus er das Geschehen verfolgt hatte, zügelte er Cloud und drehte sich um. Der Hengst hatte sich beruhigt, und die Herde entfernte sich. Er zog die Blondine hoch, sodass sie mehr oder weniger auf seinem Schoß saß. „Halten Sie es für einen guten Tag zum Sterben?“, knurrte er.

Mit erschrocken aufgerissenen Augen, die so blau waren wie der Lake Tahoe, starrte sie ihn an. Es geschah ihr nur recht, wenn sie Angst hatte. Ihm hatte sie einen Mordsschrecken eingejagt.

„Die Mustangs sind wild, im wahrsten Sinne des Wortes“, teilte er ihr schroff mit. „Wilde Hengste sind gefährlich. Jeder vernünftige Mensch hält sich von ihnen fern.“

„Lassen Sie mich runter.“ Ihre Stimme zitterte so sehr, dass er sie kaum verstand.

„Nur, wenn Sie mir versprechen, hinter mir wieder aufzusitzen, damit ich Sie zu Ihrem Wagen bringen kann. Ich habe nicht die Absicht, Sie aus den Augen zu lassen, bis ich Sie wegfahren sehe. Meine Tage des Rodeos sind längst vorbei, und ich bin diesem Kunststück nicht zweimal an einem Tag gewachsen.“

Unwillkürlich wünschte er, diese atemberaubenden blauen Augen würden nicht ganz so ängstlich dreinblicken. „He, es ist vorbei“, sagte er in sanfterem Ton und wurde sich abrupt bewusst, dass er eine sehr hübsche Blondine auf dem Schoß hielt und wissen wollte, wer sie war. „Ich bin Shane Bearclaw.“

Laura blickte in die dunklen Augen des Fremden, der sie viel zu nahe hielt. Sein langes schwarzes Haar war zurückgebunden und enthüllte ein markantes Gesicht. In gewisser Weise erinnerte er sie an den schwarzen Hengst. Sie empfand Shane Bearclaw als ebenso bedrohlich.

„Laura Walker“, brachte sie hervor. „Ich war auf dem Weg zu Ihrer Ranch, und es wäre mir wesentlich lieber, hinter Ihnen zu sitzen.“ Ihre Angst vor ihm begann abzuklingen, und stattdessen wurde sie sich seiner männlichen Ausstrahlung bewusst. Darauf konnte sie gern verzichten.

Er grinste schief, während er aus dem Sattel glitt. „Sie sind also die Bundesregierung persönlich.“

„Ich habe zwar einen Regierungsauftrag, aber sonst nichts mit der Regierung zu tun“, entgegnete sie entrüstet, während sie hinter den Sattel glitt. „Wenn Sie mich bei meinem Wagen absetzen, treffe ich Sie auf Ihrer Ranch, und dann können wir besprechen, wie ich mein Ziel am besten mit Ihrer Hilfe erreichen kann.“

Wortlos stieg er wieder auf und trieb sein Pferd an. Sie musste sich an ihm festhalten, und das erwies sich als beinahe ebenso intim, wie auf seinem Schoß zu sitzen.

Ein paar Minuten später zügelte er seinen Grauschimmel neben ihrem Wagen, saß ab und half ihr hinunter. „Die Ranch liegt nicht an der Hauptstraße. Wissen Sie, wie Sie hinkommen?“

Sie wich vor ihm zurück und gestand ein: „Nur ungefähr.“

Er beschrieb ihr den Weg und ritt davon. Sie blickte ihm nach und stellte fest, dass er ein ausgezeichneter Reiter war. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, ihm für die Rettung zu danken. Kein Wunder, denn kaum hatte sie sich von dem Schrecken erholt, den ihr der Hengst eingejagt hatte, als sie auf dem Schoß eines fremden Mannes gelandet war.

Laura hatte geglaubt, ihr Unbehagen gegenüber Männern unter Kontrolle zu haben, aber sie hatte auch nicht mit einer derart intimen Begegnung gerechnet. Und Shane Bearclaw war ausgerechnet der Mann, mit dem sie etwa einen Monat lang zusammenarbeiten musste. Ein Machotyp, der Verstand nicht mit Frauen gleichsetzte.

Im Geiste hörte sie ihre Therapeutin sagen: Lerne, dich mit deinem Urteil zurückzuhalten. Nicht alle Männer sind gleich.

Vielleicht hatte der große Reiter sie nicht einschüchtern wollen, doch ihr war es so erschienen.

Nachdem Laura über mehrere Wege gefahren war, die in keiner Landkarte verzeichnet waren, erreichte sie die kleine Oase, die das Ranchhaus der Bearclaws umgab. Ihr Bruder hatte ihr gesagt, dass die Erde in Nevada fruchtbar war und nur Wasser benötigte, um die verschiedensten Pflanzen hervorzubringen. Das Grün rings um das Haus bestätigte es. Neben blühenden Sträuchern zeugten riesige Pappeln davon, wie lange bereits Menschen auf diesem Fleck lebten.

Als sie den Wagen verließ, erblickte sie die ordentlichen Beete eines eingezäunten Gemüsegartens. Das übrige Gelände war naturbelassen. Hinter dem Haus, das aus Lehmstein und Ziegeln bestand, befanden sich Nebengebäude einschließlich eines Stalls mit angrenzender Koppel.

Bevor sie die Haustür erreichte, tauchte ein dunkelhaariges Mädchen von neun oder zehn Jahren mit nussbraunen Augen im Türrahmen auf. „Hi, ich bin Sage. Sie müssen Ms. Walker sein. Shane hat gesagt, dass Sie heute kommen, und ich habe auf Sie gewartet, genau wie Grandfather, aber er wird nicht so zappelig wie ich. Sie sehen viel hübscher aus, als ich dachte.“

Shanes Tochter? Laura lächelte sie an. „Dann hast du wohl nicht viel erwartet.“

„Kommen Sie doch bitte rein.“ Sage führte sie in ein erfreulich aufgeräumtes Wohnzimmer. „Ich habe Eistee gemacht. Möchten Sie welchen? Es ist richtiger Tee, weil Grandfather kein lösliches Zeug mag.“

„Danke, sehr gern“, sagte Laura, gerührt über die Bemühungen des Mädchens, eine gute Gastgeberin zu sein.

Ein Schnitzwerk auf dem Kaminsims, das offensichtlich einen wilden Mustang darstellte, erregte Lauras Aufmerksamkeit. Sie ging hinüber, betrachtete es aus der Nähe und dachte, wie gut es dem Künstler gelungen war, die Seele des Tieres einzufangen.

„Dieses Pferd ist wundervoll“, sagte sie, als Sage mit einem Tablett zurückkehrte.

Sage nickte. „Shane sagt, dass er spürt, was für ein Tier im Holz ist, bevor er mit dem Schnitzen anfängt. Grandfather sagt, das ist das Merkmal von einem Medizinmann. Deshalb lernt Shane jetzt all das medizinische Zeug.“

Behutsam stellte sie das Tablett auf einen Holzklotz, der als Couchtisch fungierte. „Nehmen Sie Zucker oder Süßstoff? Ich habe nichts reingetan.“

„Ich mag ihn ungesüßt“, sagte Laura, während sie in einem verzierten Ledersessel Platz nahm und versuchte, den finsteren Mann, der sie gerettet hatte, mit dem einfühlsamen Künstler in Einklang zu bringen.

„Ich mag ganz viel Zucker“, gestand Sage. „Genau wie Grandfather.“

Wie auf Stichwort erschien ein grauhaariger alter Mann mit kerzengeradem Rücken. Sein Haar war wie Shanes lang und zurückgebunden. Seine scharfen dunklen Augen hefteten sich auf Laura.

„Grandfather“, sagte Sage, „das ist Ms. Walker.“

Der alte Mann nickte. „Howell Bearclaw. Ich mag es nicht, Mister genannt zu werden, und Howell gefällt mir auch nicht besonders. Ich ziehe Grandfather vor. Für uns ist das ein Titel des Respekts.“ Unverhofft grinste er sie an. „Sie müssen mich nicht so nennen, bis Sie etwas an mir finden, das Sie respektieren können. Wie sollen wir Sie nennen?“

Sie lächelte. „Mir gefällt es, Laura genannt zu werden.“

Sage reichte ihm ein Glas Eistee. Er probierte, nickte anerkennend und setzte sich Laura gegenüber. „Sie sind also gekommen, um die wilden Pferde auf unserem Land zu zählen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht ganz. Mein Auftrag besteht hauptsächlich darin, den Gesundheitszustand der Mustangherden festzustellen. Ihr Reservat ist die erste Etappe. Danach werde ich die Arbeit in den anderen Staaten fortsetzen, in denen sie sich aufhalten. Das Ministerium für Landwirtschaft und Forsten schätzt, dass sich in Nevada knapp die Hälfte der etwa zweiundvierzigtausend Wildpferde des Westens aufhält.“

„Zumindest nennen Sie die Mustangs nicht Streuner wie das Ministerium. Was ist das für ein Ausdruck? Wild bleibt wild.“

Laura dachte an den Hengst und stimmte ihm zu. Behörden gaben den Dingen einen eigenen Namen, aber diese Pferde waren zweifellos wild.

„Mein Enkel wird mit Ihnen reiten.“

Obwohl es keine Frage war, nickte Laura. „Ich hoffe, es stört ihn nicht.“

„Er wäre nicht mein Enkel, wenn er die Gelegenheit, eine hübsche Frau zu begleiten, nicht beim Schopf ergriffe.“

„Ich habe ihr schon gesagt, dass sie hübsch ist“, warf Sage ein. „Außerdem ist sie nett.“

„Sie muss auch klug sein, um den Auftrag bekommen zu haben.“

Laura fühlte sich etwas zurückgesetzt, da von ihr in der dritten Person gesprochen wurde.

Sage drehte sich zu ihr um und fragte: „Sind Sie verheiratet?“

„Nein.“

Sage und ihr Großvater tauschten einen bedeutungsvollen Blick.

„Damit sind wir zu dritt“, sagte er.

Sie kicherte. „Ich bin zu jung, um verheiratet zu sein.“

Er blickte sie finster an. „Und mich hältst du wohl für zu alt, wie?“

Beide blickten Laura erwartungsvoll an. Was sollte sie dazu sagen? Dass sie wie Goldlöckchen genau im richtigen Alter war? „Heirat steht nicht auf meinem Plan.“

„Wir benehmen uns nicht wie gute Gastgeber“, tadelte Grandfather. „Wir haben unseren Gast durch eine persönliche Frage in Verlegenheit gebracht.“

„Es tut mir leid“, sagte Sage. „Aber Laura ist so hübsch, dass ich dachte, sie müsste verheiratet sein.“

Obwohl die beiden sympathisch wirkten, störte es Laura, dass sie erneut von ihr sprachen, als wäre sie nicht anwesend. Sie bezweifelte, dass es eine Sitte der Paiute war.

„Wir sind zu viel allein, Laura“, sagte Grandfather.

„Das stimmt“, pflichtete Sage ihm bei. „Können Sie uns verzeihen?“

„Ich bin nicht beleidigt“, versicherte sie.

„Er kommt“, verkündete Grandfather. „Ich gehe hinaus und kümmere mich um Cloud. Sage, du bleibst hier und unterhältst unseren Gast.“ Er verließ den Raum.

Laura vermutete, dass er von Shane sprach, aber sie hatte nichts gehört, das auf dessen Ankunft deutete.

„Sie haben mich gar nicht gefragt, in welcher Klasse ich bin und wo ich zur Schule gehe“, bemerkte Sage.

„Hätte ich das tun sollen?“

Sage schüttelte den Kopf. „Aber die meisten Leute tun das. Das ist langweilig, weil es sie eigentlich gar nicht interessiert. Grandfather sagt, dass man nie fragen soll, wenn man die Antwort nicht wirklich hören will. Aber meistens sind die Fragen, die man stellen will, zu persönlich, und die Leute wollen nicht darauf antworten.“

Laura fasste es als umfassende Entschuldigung auf. „Ja, das ist ein echt schwieriges Problem.“

Sage lächelte strahlend. „Als ich gehört habe, dass Sie kommen, wusste ich sofort, dass ich Sie mag.“

„Ich wusste nicht, dass es dich gibt, bevor ich hergekommen bin, aber jetzt hoffe ich, dass wir uns besser kennenlernen werden.“

„Ja, ich auch.“ Sage hob den Kopf und lauschte. „Da kommt Shane.“ Erwartungsvoll blickte sie zur Tür. Nun erst hörte Laura Schritte.

„Entschuldigung, ich muss mit Grandfather reden“, sagte Sage und lief aus dem Zimmer.

Hereinspaziert kam Shane. Er wirkte noch eindrucksvoller und männlicher, als sie ihn erinnerte, und das bestärkte ihren Entschluss, sich nicht einschüchtern zu lassen.

Abschätzend musterte er Laura, die mit geradem Rücken und mit damenhaft übergeschlagenen Beinen dasaß. Ihr modischer Hosenanzug war trotz des Zwischenfalls mit dem Hengst makellos. Ein Stadtmensch, dachte er und stöhnte innerlich bei dem Gedanken, dass er sie einen Monat oder länger am Hals hatte. Sie war zwar hübsch auf ihre stille Art, aber das erleichterte nicht seine Aufgabe als Kindermädchen.

„Ich habe es versäumt, mich sofort für die Rettung zu bedanken“, eröffnete sie steif.

„Wir können beide von Glück sagen, dass es funktioniert hat.“

„Wollen wir einen Terminplan aufstellen, der Ihnen zusagt?“, schlug sie vor. „Ich bin sehr flexibel.“

„Ich möchte zunächst einmal wissen, was Sie von mir erwarten.“

„Ich möchte mir gern ein Pferd leihen, wenn das möglich ist.“ Als er nickte, fuhr sie fort: „Da es sich um Ihr Territorium handelt, hoffe ich, dass Sie die Herden im Reservat für mich lokalisieren können, damit ich die Pferde zählen und mir einen Gesamteindruck über ihren Gesundheitszustand verschaffen kann.“

„Zuerst einmal möchte ich klarstellen, dass die Mustangs keinen Unterschied machen zwischen dem Reservat, öffentlichem Land und Privatbesitz. Sie sind nicht unsere Pferde, sondern frei.“

„Das ist mir durchaus klar, aber soweit ich weiß, halten sich zumindest zwei Herden größtenteils im Reservat der Paiute auf.“ Im Stillen gratulierte Laura sich zu ihrem sachlichen Auftreten, das ihre Nervosität verbarg.

Sage stürmte in den Raum. „Ich soll Sie von Grandfather einladen, hier bei uns auf der Ranch zu bleiben“, teilte sie Laura mit. „Bitte sagen Sie Ja. Wir haben ganz viele Zimmer, und es ist viel bequemer für Sie. Sonst müssten Sie dauernd von Reno herkommen und wieder zurückfahren.“

Trotz ihrer Überraschung bemerkte Laura, dass Shane noch erstaunter wirkte.

„Ich wünsche mir ganz doll, dass Sie hier bleiben, damit wir uns besser kennenlernen können, wie Sie gesagt haben“, fügte Sage flehend hinzu.

Mitgefühl für das Bedürfnis nach weiblicher Gesellschaft verhinderte, dass Laura spontan ablehnte. Sie wusste, was es bedeutete, einsam zu sein.

Shane blickte Sage stirnrunzelnd an. „Ich glaube nicht, dass Ms. Walker …“

Laura unterbrach ihn. „Bitte sag deinem Großvater, dass ich ihm für seine Aufmerksamkeit danke. Wenn Mr. Bearclaw einverstanden ist, nehme ich das freundliche Angebot gern an.“

„Bleiben Sie unbedingt“, sagte Shane in nüchternen Ton, der verriet, dass er auf ihre Ablehnung gehofft hatte.

Vielleicht war das der Hauptgrund für ihre Einwilligung. Hätte er sie bedrängt, hätte sie gewiss abgelehnt.

„Dann bringe ich meine Sachen mit, wenn ich morgen früh komme.“ Laura blickte Shane an und fragte: „Um welche Zeit werden Sie bereit sein?“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Sobald Sie eintreffen.“

Da Sage so eifrig darauf bedacht war, Gastgeberin zu spielen, gestattete er ihr, Laura zur Haustür zu begleiten. Unwillkürlich blickte er ihr nach. Sie bewegte sich so graziös wie eine Stute, was in seinen Augen ein Kompliment bedeutete. Er trat an das Fenster und beobachtete, wie sie in den Wagen stieg.

„Laura wird gute Gesellschaft für Sage sein“, sagte Grandfather, der wie gewöhnlich lautlos gekommen war. „Deswegen habe ich sie eingeladen, bei uns zu wohnen.“

Shane drehte sich zu ihm um. „Ich frage mich nur, warum du dir nicht die Mühe gemacht hast, es mit mir zu besprechen.“

„Partner in der Führung der Ranch mögen wir zwar sein, aber ich bin immer noch Grandfather.“

„Ja, du bist der höchst respektierte Älteste“, sagte Shane.

Grandfather grinste ihn an. „Und vergiss es ja nicht.“

Shane musste zustimmen, dass weibliche Gesellschaft Sage gut tun würde, aber er hätte gewettet, dass der alte Bearclaw noch etwas anderes im Sinn hatte. Grandfather war der verschlagenste Mann im Reservat und vermutlich im gesamten Staat Nevada.

Doch was mochte er im Schilde führen? Er hatte sich noch nie in Shanes Privatleben eingemischt. Worum ging es ihm dann? Die Mustangs? Die Tatsache, dass sie bei der Regierung etwas zu sagen haben könnte?

Seufzend schüttelte Shane den Kopf. Sämtliche Erwägungen erschienen ihm unwahrscheinlich. Vielleicht bildete er sich nur ein, dass Grandfather etwas plante. Was hätte es für einen Sinn?

2. KAPITEL

Laura wusste, dass sie sich nicht durch ihr Mitgefühl für Sage hätte verleiten lassen sollen, auf der Ranch der Bearclaws abzusteigen. Sie würde sich zwangsläufig unwohl fühlen in Shanes Haus. Es war schon schlimm genug, tagsüber mit ihm ausreiten zu müssen. Warum hatte sie sich auf weitere Unannehmlichkeiten an den Abenden eingelassen?

Trotz der Therapie, der sie sich jahrelang unterzogen hatte, traute sie keinem Mann außer ihrem Bruder Nathan. Darüber hinaus verkörperte Shane den Typ, der sie am meisten entnervte. Er war groß und ruppig, und seine Anwesenheit war nicht zu ignorieren.

Nach dem Dinner im Hotel widerstrebte es ihr, in ihr Zimmer zu gehen, weil sie dort keinerlei Beschäftigung nachgehen konnte. Daher wanderte sie durch das Casino und sah den Spielern zu, ohne selbst auch nur einen Nickel zu riskieren.

Wie gewöhnlich ignorierte sie die anzüglichen Blicke und Bemerkungen, mit denen die Männer sie bedachten. Eine Zeit lang lauschte sie dem Trio, das im Gesellschaftsraum aufspielte. Sie bewunderte die Sängerin, die sich natürlich und völlig ungehemmt im Rhythmus der Musik wiegte, und wünschte sich, nur halb so unbefangen zu sein. Doch sie fühlte sich gezwungen, ihr Verhalten ständig zu überwachen, um bei Männern keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Schließlich stellte sich die Wirkung des Jetlag ein, und sie ging in ihr Zimmer und zu Bett. Obwohl sie sofort einschlief, wälzte sie sich die ganze Nacht lang voller Unruhe, vermutlich aus Anspannung vor der Arbeit mit Shane.

Noch bevor der Morgen graute, stand sie auf. In Reithose, Stiefel und Flanellhemd ging sie hinunter in den Speisesaal. Ein großer Vorteil der Casinohotels in Nevada bestand darin, dass man zu jeder Tages- oder Nachtzeit etwas zu essen bekam.

Nach dem Frühstück beschloss sie, zur Ranch zu fahren, obwohl es noch sehr früh war. Es geschah dem Macho Shane nur recht, wenn sie eintraf, bevor er aufgestanden war. Schnell packte sie ihre Sachen und verließ das Hotel.

Als sie die Ranch erreichte, öffnete Sage ihr die Haustür und half ihr, das Gepäck hereinzutragen.

„Grandfather und Shane sind im Stall“, verkündete Sage, als Laura in einem spärlich möblierten, aber behaglichen Schlafzimmer untergebracht war. „Es ist Kaffee da, wenn Sie welchen möchten.“

Laura setzte sich mit Sage in die Küche und trank eine Tasse Kaffee.

„Für jemand, der nichts in den Tee nimmt, nehmen Sie aber eine Menge Zucker und Sahne in den Kaffee“, staunte Sage.

Laura grinste. „Das beweist, dass niemand perfekt ist, nicht mal ich.“

Sage rutschte auf ihrem Stuhl umher und sagte schließlich: „Ich soll keine persönlichen Sachen fragen, aber vielleicht vergesse ich es manchmal. Sie werden dann doch nicht sauer, oder?“

Laura schüttelte den Kopf. „Ich glaube, jetzt sollte ich dir ein paar Fragen stellen.“

Sage blickte sie erwartungsvoll an. „Cool.“

Nachdem Laura erfahren hatte, für welche Schauspieler und Sänger Sage schwärmte, erkundigte sie sich nach den Freunden.

„Maria und Donna sind meine besten Freundinnen. Sie leben auch im Reservat, aber ziemlich weit weg. Manchmal finde ich es doof, dass wir uns nicht öfter sehen können, aber meistens macht es mir nichts aus. Ich bin daran gewöhnt, mit Grandfather zusammen zu sein.“ Sie zögerte und fügte dann nachdrücklich hinzu: „Ich will nie von hier weg. Niemals. Wenn sie mich zwingen wollen, nach L.A. zu gehen, weigere ich mich.“

„Haben Shane und dein Großvater denn vor, dorthin zu ziehen?“

Sage schüttelte den Kopf. „Es geht um meinen Vater. Er hat wieder geheiratet, und jetzt will er, dass ich bei ihm und bei ihr wohne. Dabei kenne ich sie überhaupt nicht.“

Laura blickte sie verblüfft an, denn bisher hatte sie Sage für Shanes Tochter gehalten.

„Ich und meine Mom haben ihn verlassen, als ich vier war, weil er gemein zu ihr war. Wir sind hierher zu meinem Bruder und meinem Großvater gekommen. Dann ist sie krank geworden und vor zwei Jahren gestorben. Shane hat gesagt, dass ich für immer auf der Ranch bleiben kann, wenn ich will. Aber jetzt will mein Vater den Richter dazu bringen, dass ich hier weggehen und bei ihm wohnen muss.“ Sie blinzelte mit Tränen in den Augen.

Laura rückte mit ihrem Stuhl näher zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern.

„Ich habe Angst“, gestand Sage ein. „Ich kann mich fast gar nicht an meinen Vater erinnern. Was ist, wenn er immer noch gemein ist? Ich will nicht weg von Shane und Grandfather, aber was ist, wenn der Richter mich zwingt? Warum darf ich nicht sagen, was ich will?“

Betroffen drückte Laura sie an sich. Ihr Magen drehte sich um bei der Vorstellung, dass Sage das Opfer eines gewalttätigen Vaters werden könnte. Allzu gern hätte sie ihr versprochen, dass sie auf der Ranch bleiben durfte, doch da sie die Umstände nicht kannte, war es ihr unmöglich.

Die Küchentür öffnete sich, und Sage wich zurück. Laura stand auf und wandte sich an Shane. Ihr stockte der Atem. Wenn er nicht zugegen war, konnte sie sich einreden, immun gegen ihn zu sein. Doch aus der Nähe wirkte er überwältigend.

„Gut, dass Sie schon da sind“, sagte er, während er sie musterte und zweifellos einschätzte, ob ihre Kleidung zum Reiten geeignet war. „Wir können früh aufbrechen. Ich hoffe, Sie haben einen breitkrempigen Hut mitgebracht. In dieser Höhe brauchen Sie einen, um einen Sonnenbrand zu verhindern.“

„Ich war schon früher in diesem Teil von Nevada. Natürlich habe ich einen Hut mitgebracht. Und Sonnencreme.“

Er nickte knapp. „Dann lassen Sie uns aufbrechen.“

Sage begleitete sie hinaus zur Koppel und schüttelte den Kopf, als sie die für Laura gedachte Stute sah. „Rabit ist was für Anfänger, die Angsthasen sind“, schalt sie Shane. „Ich wette, du hast Laura nicht mal gefragt, wie gut sie reiten kann.“

Laura lächelte vor sich hin. Als Besserwisser, der er war, hatte er sie natürlich nicht danach gefragt.

„Die Frage ist nicht, wie gut Sie sind“, sagte er zu Laura, „sondern wie lange Ritte Sie gewohnt sind.“

„Ich bin um einiges besser als ein Angsthase und Anfänger“, erwiderte sie kühl und zwang sich, ihm dabei in die dunklen, unergründlichen Augen zu blicken.

Er zuckte die Achseln und wandte sich an Sage. „Ich nehme an, du willst die Wahl treffen.“

„Wie wäre es mit Columbine?“ Sie deutete zu einer kastanienbraunen Stute. „So heißt sie, aber wir nennen sie Colly.“

„Colly ist wundervoll. Ich würde sie gern reiten. Sie ist Araber, oder?“

Er lächelte. „Einige ihrer Vorfahren müssen es gewesen sein, aber sie zählt zu den Mustangs. Wir haben sie als verletztes Fohlen aufgenommen. Als sie geheilt war, konnten wir sie nicht laufen lassen, weil sie zu zahm geworden war. Deshalb haben wir sie behalten. Sie hat mehr Ausdauer als jedes andere unserer Pferde.“ Sein zweifelnder Blick verriet, dass er Laura hingegen keinerlei Durchhaltevermögen zutraute.

Sobald Cloud und Colly gesattelt waren, brachen sie auf.

„Ich hoffe, dass wir den schwarzen Hengst finden“, sagte Laura, nachdem sie eine Weile schweigend geritten waren. „Eine der Stuten lahmt – eine trächtige Schecke. Ich muss sie mir ansehen.“

„Ich kenne sie. Es muss eine neue Verletzung sein. Sie hat nicht gelahmt, als ich mir die Herde das letzte Mal genauer angesehen habe.“

„Gestern war es nicht zu übersehen.“ Sobald sie ausgesprochen hatte, erkannte sie, dass er vermutlich nicht auf die Stute geachtet hatte, weil er zu sehr mit der Rettungsaktion beschäftigt gewesen war. „Wir haben uns nicht gerade unter günstigen Umständen kennengelernt. Es war sehr dumm von mir, nicht auf den Hengst zu achten.“

Shane hatte bezweifelt, dass sie ihren Fehler jemals eingestehen würde. Nun sah er sich gezwungen, sein Urteil über sie zu revidieren. Außerdem saß sie im Sattel wie ein Profi und ritt gut. Doch die Frage blieb, wie lange sie es durchzuhalten vermochte.

Autor

Jane Toombs
In dem Alter, als Jane das Alphabet lernte, hatte ihr Vater, ein erfolgreicher Sachbuchautor, nach einer Krankheit vollständig sein Gehör verloren. Wer mit ihm kommunizieren wollte, musste schreiben. Er trug stets einen kleinen Block mit sich herum, darauf stand z.B.: Was hast du auf dem Schulweg gesehen? Und so musste...
Mehr erfahren