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Eine faszinierende Seelenverwandtschaft existiert zwischen der rassigen Rachel und dem vitalen Jim, der ihr nach einem Unfall das Leben gerettet hat. Da beide Halbindianer sind, glauben sie an spirituelle Kräfte und daran, dass ein wilder Jaguar sie zusammengeführt hat. Beginnt nun für beide die große Liebe?


  • Erscheinungstag 19.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757083
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Keine sonderlich gute Idee, Rachel Donovan“, sagte Rachel zu sich selbst, als immer mehr dicke Schneeflocken um den brandneuen Wagen tanzten. Nun ja, es war Anfang Dezember, und da schneite es eben im Oak Creek Canyon, der südlich von Flagstaff bei Sedona lag.

Sie hielt das Lenkrad möglichst fest und kämpfte gegen die Müdigkeit an. Jetzt spürte sie den neunstündigen Flug von London und die noch einmal sechs Stunden nach Denver. Als Homöopathin kannte sie die Auswirkungen von zu wenig Schlaf.

Normalerweise war sie nicht spontan. Um jedoch ihre Schwestern so schnell wie möglich zu sehen, hatte sie ihre Reisepläne geändert. Anstatt nach Phoenix zu fliegen und von dort mit einem Leihwagen nach Sedona zu fahren, war sie nach Denver und dann weiter nach Flagstaff geflogen, das nur eine Stunde von ihrem Zuhause, der Donovan-Ranch, entfernt lag.

Zuhause … Ja, Rachel kam für immer nach Hause. Ihre ältere Schwester Kate hatte sie und Jessica, die jüngste Schwester, gebeten heimzukommen. Sie mussten die Ranch retten, die am Rand des Bankrotts stand. Nun konnte Rachel es nicht mehr erwarten, wieder bei ihren Schwestern auf der Ranch zu leben.

Es war schon sieben Uhr morgens. Um diese Jahreszeit waren in dem weltberühmten Canyon die Straßen oft vereist. Jetzt lagen schon dreißig Zentimeter Schnee, und es schneite noch immer heftig. Auf der einen Seite der schmalen, gewundenen Straße stiegen die Felswände Hunderte von Metern empor. Auf der anderen Seite schlängelte sich am Fuß einer zweihundert Meter hohen Steilwand der Oak Creek entlang.

Rachel konnte gar nicht mehr zählen, wie oft sie schon den Highway 89A von Sedona nach Flag gefahren war. Sie wischte sich über die vor Müdigkeit tränenden Augen. Kate und Jessica erwarteten sie erst um die Mittagszeit. Falls sie den Canyon heil hinter sich brachte, war sie schon um neun Uhr daheim und konnte die beiden überraschen. Rachel lächelte. Wie sehr sie ihre Schwestern vermisste, seit sie nach England gegangen war, um dort als Homöopathin zu arbeiten!

Die schönste Neuigkeit war, dass Kate endlich Sam McGuire heiratete, den sie schon seit der Highschool liebte. Und Jessica hatte in Dan Black, einem Cowboy der Ranch, die Liebe ihres Lebens gefunden. Beide Schwestern wollten in einer Woche heiraten, und Rachel sollte die Ehrenbrautjungfer sein.

Ja, für die zwei sah es endlich gut aus. Und Kate und Jessica verdienten dieses Glück. Die Kindheit mit dem alkoholkranken Vater, Kelly Donovan, war schlimm gewesen. Jede Tochter hatte mit achtzehn fluchtartig die Ranch verlassen. Kate hatte sich mit Umweltproblemen beschäftigt. Jessica war in Kanada ihrer Liebe zu Blütenessenzen nachgegangen. Und sie selbst war am weitesten geflohen – nach England.

Der Wagen schleuderte, und Rachel nahm sofort den Fuß vom Gaspedal. Sie fuhr zwar nur mit fünfzig Stundenkilometern, aber Glatteis forderte in diesem Teil Arizonas viele Todesopfer. Sie wollte nicht dazugehören.

Dunkle Douglas-Tannen wuchsen neben der schmalen abschüssigen Straße. Rachel hatte jedoch keine Zeit, die Schönheit der Natur zu bewundern. In einer halben Stunde konnte sie daheim sein.

Ein Verkehrsschild warnte vor einer Haarnadelkurve. Rachel kannte sie gut. Behutsam trat sie auf die Bremse, um den Wagen auf dem praktisch unsichtbaren Glatteis zu testen. Zwischen ihr und dem Abgrund befand sich nur die Leitplanke.

Plötzlich hielt sie den Atem an. Das war doch nicht möglich! Ohne zu überlegen, trat sie voll auf das Bremspedal. Vor ihr war eine große schwarz gelbe Raubkatze aus dem Nichts aufgetaucht.

Rachel schrie auf, als der Wagen schleuderte, und versuchte gegenzusteuern. Unmöglich! Um sie herum drehte sich alles. Die Wildkatze, groß wie ein Puma, sprang zur Seite. Im nächsten Moment krachte der Wagen gegen die Felsen. Rachel verlor den Halt am Lenkrad. Die Leitplanke schoss auf sie zu.

Bei dem harten Aufprall riss sie die Hände schützend vors Gesicht. Der Wagen wurde hoch geschleudert, drehte sich wie in Zeitlupe in der Luft. Glas splitterte, als Rachel mit dem Kopf gegen das Seitenfenster schlug. Schnee, Bäume, alles wirbelte um sie herum, während der Wagen abstürzte. Das war das Ende!

In Sekundenbruchteilen jagten ihr unzählige Gedanken durch den Kopf. Was war das für ein Tier gewesen? Kein Puma. Aber was dann? Hatte sie sich nur etwas eingebildet? Wie dumm, auf Glatteis eine Vollbremsung zu machen. Aber hätte sie nicht gebremst, wäre sie mit dem Jaguar zusammengestoßen. War da überhaupt ein Jaguar gewesen? Gab es das? Sie hatte sicher nur eine Halluzination gehabt. Und jetzt musste sie sterben.

Vor Rachels Augen wurde es schwarz. Der Wagen krachte gegen einen Felsen. Dann hörte Rachel noch ihren eigenen Entsetzensschrei – und danach war gar nichts mehr.

Etwas Warmes floss über Rachels Lippen. Sie hörte weit entfernte Stimmen, während sie langsam zu sich kam. Zuerst sah sie nichts als Weiß. Schnee auf der einen Hälfte der Windschutzscheibe. Die andere Hälfte fehlte. Weiße Flocken senkten sich auf den Beifahrersitz.

Der Unfall! Der Kopf und der linke Fuß schmerzten. Nur allmählich begriff sie, dass der Wagen sich um den Stamm einer gewaltigen Douglas-Tanne gewickelt hatte.

Wieder hörte sie eine Stimme. Eine Männerstimme, diesmal näher. Mühsam hob sie den rechten Arm. Der Sicherheitsgurt schnitt in Schulter und Hals. Der Airbag hatte sich aufgeblasen und war offenbar geplatzt.

Rachel fror. Sie sah noch den Jaguar vor sich. Woher war er gekommen? In Arizona gab es keine Jaguare.

Wie lang war sie bewusstlos gewesen? Sie sah auf die Uhr. Acht. Sie lag schon seit einer Stunde hier. Aber sie kam nicht frei. Der Sicherheitsgurt hielt sie fest.

„Hey, alles in Ordnung?“

Rachel hob den Kopf. Vor ihren Augen verschwamm alles. Das Seitenfenster fehlte. Ein Mann, ein großer, schlanker Mann mit kurzem dunklen Haar und blauen Augen, stützte sich gegen den Wagen. An der Jacke trug er ein Emblem, das ihn als Rettungssanitäter auswies, und ein zweites der Feuerwehr von Sedona.

„Nein … nein … nichts ist in Ordnung“, flüsterte sie.

„Halten Sie durch. Die Hilfe ist schon hier. Mein Name ist Jim. Wir sind von der Feuerwehr von Sedona. Ein Notruf hat uns erreicht. Ich hole jetzt meine Kameraden.“

Rachel ließ sich erleichtert zurücksinken. Dieser Jim besaß eine vertrauenerweckende Ausstrahlung. Mit halb geschlossenen Augen sah sie zu, wie er in sein Funkgerät sprach. Es schneite immer heftiger. Im grauen Morgenlicht wirkte das schmale Gesicht des Mannes mit der kräftigen Nase und dem energischen Mund indianisch. Mit den ausgeprägten Wangenknochen und dem dunklen Haar konnte er ein Navajo oder Hopi sein.

Bei ihm fühlte sie sich sicher. Er konnte ihr helfen.

„Eine schlechte Art, sich Arizona anzusehen“, scherzte er und befestigte das Funkgerät am Gürtel. „Mit dem Wagen fahren Sie jedenfalls nicht weiter. Meine Kameraden schaffen eine Trage herunter. Ich kümmere mich um Sie. Wie heißen Sie?“

„Rachel“, flüsterte sie.

„Rachel, ich werde Sie jetzt untersuchen. Wo haben Sie Schmerzen?“

Sie schloss die Augen, als er ihre Schulter berührte. „Im Kopf und im Fuß. Ich habe mir den Kopf gestoßen.“

Seine Berührung beruhigte sie, obwohl er dünne Gummihandschuhe trug, genau wie sie, wenn sie Patienten untersuchte. Wegen AIDS, Hepatitis und anderer Krankheiten, die durch Blut und Körperflüssigkeiten übertragen wurden, mussten sich alle in Heilberufen Tätigen schützen.

Behutsam strich Jim über ihren Kopf, und sie entspannte sich völlig. Sein Atem strich warm über ihr Gesicht.

„Schönes Haar“, sagte er leise, „aber Sie haben recht. Auf der linken Seite gibt es eine dicke Beule.“

„Wenn das alles ist, habe ich Glück gehabt.“ Rachel sank gegen die Lehne. „Ich hasse Krankenhäuser.“

Jim drückte ein weißes Gazekissen gegen ihr Haar und wickelte einen Verband um den Kopf. „Sie müssen trotzdem ins Cottonwood Hospital, selbst wenn es nur zur Beobachtung ist.“

Stöhnend öffnete Rachel die Augen einen Spalt. Jim hatte die Jacke geöffnet. Auf dem dunkelblauen Hemd war ein Schild befestigt. J. Cunningham. Cunningham? Sie betrachtete ihn, während er ihren Hals abtastete.

„Sie heißen Cunningham?“, fragte sie schwach.

„Ja, Jim Cunningham.“ Er blickte auf sie hinunter. Sie war blass, die grünen Augen waren verschleiert. Sie hatte einen Schock. „Wieso? Ist mir mein Ruf vorausgeeilt?“ Die Arme waren nicht gebrochen und bluteten auch nicht. Es gab nur kleinere Schnittwunden von Glassplittern.

„Von der Bar-C-Ranch?“, fragte sie leise und schloss die Augen, als er fest gegen ihre Rippen drückte, um zu prüfen, ob sie gebrochen waren. Er war ihr sehr nahe, und dennoch empfand sie es als angenehm.

„Ja. Woher wissen Sie das?“ Jim strich über ihre Hüften und drückte vorsichtig. Dabei betrachtete er ihr Gesicht. Die dichten dunklen Wimpern hoben sich von der hellen Haut ab. Die Blutung der Nase war zum Stillstand gekommen. Die Lippen waren geöffnet.

Jim schob den leeren Airbag zur Seite. Ihr linker Fuß war eingeklemmt. Das war kein gutes Zeichen. Er musste schnellstens ihren Blutdruck messen. Vielleicht war der Fuß zerquetscht oder eine Arterie gerissen. Dann konnte sie ihm unter den Händen verbluten.

Jim zog sich aus dem Wagen zurück und öffnete die orangefarbene Notfalltasche. Sein Partner Larry kam den Hang herunter. Vier andere Feuerwehrmänner brachten die Trage und Seile sowie andere Ausrüstung.

„Also“, sagte Jim, schob Rachels Ärmel hoch und legte die Manschetten um ihren linken Unterarm, „bin ich ein gesuchter Verbrecher?“

Rachel wurde nur durch den Klang seiner tiefen Stimme aus der drohenden Ohnmacht geholt. „Nein …“

„Es hat sich angehört, als würden Sie mich kennen.“ Er drückte das Stethoskop gegen ihren Arm und pumpte die Manschette auf, ließ die Luft wieder ab und beobachtete die Anzeige.

Rachel zwang sich dazu, die Augen zu öffnen. Die Sorge auf Jims Gesicht traf sie. „Du erinnerst dich nicht an mich?“

Verdammt. Der Blutdruck war nicht gut. Entweder war die Kopfverletzung ernst, oder es gab an einer anderen Stelle eine starke Blutung. Er ließ die Manschette an ihrem Arm und nahm das Stethoskop aus den Ohren. Rachel lag schlaff im Sitz und atmete immer schwächer. Bestimmt verlor sie viel Blut. Aber wo? Wahrscheinlich war es der Fuß.

Er musste sie am Reden halten. „Tut mir leid, nein. Ich würde mich aber gern erinnern.“ Und das stimmte. Sie war eine schöne Frau mit dunkelbraunem Haar. Es war dicht und lang und fiel wie ein Umhang auf ihre Schultern. „Ich versuche jetzt, die Tür zu öffnen.“

Jim trieb Larry durch Zeichen an. Der Hang war jedoch steil und sehr glatt. Hätte der Wagen sich nicht an dieser Tanne verfangen, wäre er weitere hundert Meter in die Tiefe gestürzt. Das hätte Rachel kaum überlebt.

Larry erreichte ihn. Er war über eins achtzig und massig gebaut. „Ja, Cougar, wie sieht es aus?“, fragte er und stellte seine Tasche ab.

„Sie hat eine starke Blutung“, antwortete Jim so leise, dass es nur sein Partner hörte. „Der linke Fuß ist unter dem Armaturenbrett eingeklemmt. Hilf mir, die Tür zu öffnen. Ich muss das Bein abbinden. Dann können die anderen sie herausschneiden.“

„In Ordnung.“

Rachel hörte noch einen Mann, klammerte sich jedoch an Jims Stimme. Sie konnte nicht mehr richtig sehen. Was war los mit ihr? Die Tür knarrte und knackte laut, als sie geöffnet wurde. Gleich darauf sah Rachel Jim neben dem Wagen knien. Seine Hand strich über ihr linkes Bein.

„Fühlen Sie das?“, fragte er.

„Was?“

„Oder das?“

„Nein … nichts. Ich fühle nichts, Jim.“

Er warf Larry einen Blick zu. „Gib mir deine Blutdruckmanschette.“ Der linke Fuß und der Knöchel waren verdreht und eingeklemmt. Mit Larrys Hilfe befestigte Jim die Manschette und blies sie auf, bis der Blutstrom unterbunden war.

Vier Feuerwehrmänner kamen zu ihnen. Larry deckte Rachel warm zu. Dann schob er sich auf die Rücksitze und hielt ihren Kopf, während Jim eine Nackenstütze anlegte, falls die Wirbelsäule doch verletzt sein sollte.

Er setzte sich neben sie auf den Beifahrersitz. Während seine Kameraden versuchten, ihren Fuß zu befreien, wollte Jim sie ins Bewusstsein zurückholen.

„Rachel!“, rief er. „Ich bin es, Jim! Hören Sie mich?“

Sie bewegte kaum die Lippen. „Ja …“

Er erklärte ihr, was seine Kameraden machten. Sie sollte nicht erschrecken, wenn es viel Lärm gab. Er drückte ihre Hand, worauf sie auch reagierte, aber Larry schüttelte besorgt den Kopf.

„Na, was ist?“, drängte Jim. Sie öffnete die schönen Augen. Die Pupillen waren geweitet. „Bin ich nun ein gesuchter Verbrecher?“, fragte er lächelnd.

Es war ein jungenhaftes Lächeln, gleichzeitig aber auch so männlich, dass Rachels Herz schneller schlug. Sie wollte es erwidern, schaffte es jedoch nicht. „Nein, kein Verbrecher. Ich erinnere mich an dich von der Highschool. Ich bin Rachel Donovan. Du kennst doch die Donovan-Ranch.“

„Rachel Donovan?“ Es traf ihn wie ein Schock. Natürlich! Jessica Donovan hatte ihm vor einem Monat erzählt, dass Rachel aus England heimkam und fortan auf der Ranch leben wollte.

„Ja, ich bin es“, sagte sie leise. „Du hast mich an den Zöpfen gezogen, als wir noch klein waren. Aber daran wirst du dich nicht mehr erinnern, oder?“

Jim rang sich ein Lächeln ab. „Oh doch!“ Die kleine Rachel Donovan war zaundürr gewesen. Damals hatte sie das lange, dunkle Haar zu Zöpfen geflochten, ganz wie ihre Mutter Odula, die Medizinfrau der östlichen Cherokees. Rachel war ihm stets ausgewichen. Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich an sie heranzuschleichen, an einem ihrer Zöpfe zu ziehen und wegzulaufen. So hatte er ihr gezeigt, dass er sie mochte. Damals war er zu schüchtern gewesen, um es ihr zu sagen. Außerdem gab es andere Gründe, aus denen er ihr keine Zuneigung zeigen konnte.

„Du hast mich immer geneckt, Jim Cunningham“, sagte Rachel schwach. Sie hatte Durst. Die Geräte der Feuerwehrleute verursachten einen höllischen Lärm. Ohne Jim hätte sie sich zu Tode gefürchtet.

„Hey, Cougar, wir müssen die Windschutzscheibe herausbrechen, damit wir das Lenkrad wegziehen können.“

Jim nickte Captain Cord Ramsey zu. „In Ordnung.“ Er richtete sich auf die Knie auf und griff nach einer Decke. „Rachel, meine Kameraden schlagen die Scheibe heraus. Die Decke schützt uns vor den Splittern.“

Vor Rachels Augen wurde es dunkel. Jim Cunningham schirmte sie mit seinem Körper ab. Sie fühlte seine Wärme. Wie nahe er ihr doch war. Und es war wunderbar, wie sehr er sich um sie kümmerte.

„Der Wagen wird sich etwas bewegen“, sagte er dicht an ihrem Ohr. „Das hat nichts zu bedeuten.“

„Du machst das großartig“, flüsterte sie schwach. „Bei dir fühlt man sich sicher.“

„Rachel“, fragte er besorgt, „kennst du deine Blutgruppe?“

„AB positiv.“

„Das ist sehr ungewöhnlich“, stellte er möglichst gelassen fest.

„So ungewöhnlich wie ich.“ Sie lächelte matt.

„Ich habe auch AB positiv. Was sagst du dazu? Zwei ungewöhnliche Vögel.“

Rachel hörte das Krachen der Windschutzscheibe. Es gab einen heftigen Ruck. Dann entfernte Jim die Decke, und Rachel erkannte die Sorge in seinem Blick.

„Jim, auf dem Rücksitz liegt eine Tasche mit homöopathischer Medizin. Das ist sehr wichtig. Das Mittel heißt Arnika Montana. Es hilft gegen meine Blutung. Kannst du mir zwei Tabletten in den Mund schieben?“

Er entdeckte auf dem Rücksitz neben Larry eine schwarze Arzttasche. „Bist du Ärztin?“

„Nein, Homöopathin.“

„Davon habe ich schon gehört.“ Er holte die Tasche nach vorne, öffnete sie und fand neben medizinischem Gerät einen schwarzen Behälter. „Das hier?“, fragte er und zeigte ihn Rachel.

„Ja. Ich brauche zwei Pillen.“

Jim fand ein Fläschchen mit der Aufschrift „Arnika“, schraubte den Deckel ab und schob Rachel zwei Pillen in den Mund.

„Danke.“ Der süßliche Geschmack tat ihr gut. „Das ist gegen Schock und Blutungen.“

Jessica stellte die Tasche weg und kontrollierte noch ein Mal den Blutdruck. Er sank nicht weiter ab. Die Manschette an der Wade hatte vermutlich die Blutung gestoppt.

„Haben sie dich vorhin Cougar, Puma, genannt?“

„Ja, das ist mein Spitzname.“ Die Kameraden entfernten endlich die Metallteile von ihrem Fuß.

„Woher hast du ihn?“ Rachel fühlte, wie das homöopathische Mittel wirkte. „Jim, von diesem Mittel wird es vielleicht so aussehen, als wäre ich bewusstlos, aber ich bin es nicht. Es wirkt stabilisierend. Also, keine Panik, klar?“

Er nickte und schirmte sie erneut ab, als seine Kameraden die verbogenen Metallteile wegzogen. „In Ordnung, keine Panik.“ Sie war nicht mehr so blass, aber der Blutdruck war zu niedrig. „Sobald wir sie hier heraus haben“, sagte er zu Larry, „soll Ramsey im Krankenhaus nachfragen, ob sie Blutkonserven AB positiv haben.“

„In Ordnung.“

Rachel genoss Jims Nähe. Metall kreischte und gab ihren Fuß frei. Hoffentlich war die Verletzung nicht schlimm. In einer Woche musste sie an der Hochzeit teilnehmen.

„Warum so ein finsteres Gesicht?“, fragte Jim. Sie war nur wenige Zentimeter entfernt. Was für einen schönen Mund Rachel doch hatte. Aus dem hageren Mädchen war eine unbeschreibliche Schönheit geworden.

„Ach, die Hochzeiten von Katie und Jessica. Ich soll die Ehrenbrautjungfer sein. Mein Fuß … Ich mache mir Sorgen wegen des Fußes. Wenn er nun gebrochen ist …“

„Das werden wir gleich wissen“, beruhigte er sie und legte ihr die Hand auf die Schulter, während die letzten Metallteile entfernt wurden.

„Cougar?“

„Ja?“ Jim drehte sich zu Captain Ramsey um.

„Du kannst sie jetzt untersuchen.“

Rachel fühlte, wie Jim sich von ihr entfernte. Larry hielt weiterhin ihren Kopf fest.

Jim kletterte vorsichtig auf die andere Seite des Wagens. Es wurde immer kälter, und der Wind blies schärfer. Ein Schneesturm zog auf. Neben dem Fahrersitz ging Jim in die Hocke und betrachtete Rachels Fuß.

Auf dem Spann war eine Arterie aufgerissen. Rasch befestigte er einen Verband und wandte sich wieder an den Captain.

„Verständige das Krankenhaus. Sie braucht eine Bluttransfusion. AB positiv.“ Ohne die Manschette wäre Rachel jetzt schon verblutet. „Also, holen wir sie heraus.“

Er stand auf und blickte auf Rachel hinunter. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Gute und schlechte Erinnerungen stiegen in Jim hoch. Sehnsucht, unerwiderte Liebe … Während der ganzen Schulzeit hatte er sich nach Rachel Donovan gesehnt.

Mit Unterstützung seiner Kameraden legte er Rachel auf die Trage und verspürte zum ersten Mal seit langer Zeit Hoffnung. Vielleicht bekam er bei Rachel eine zweite Chance. Doch dann schüttelte er über sich selbst den Kopf. Die seit mindestens hundert Jahren andauernde Fehde zwischen den Cunninghams und den Donovans war in diesem Landesteil schon Legende.

Im Moment hatte Jim keine Zeit, um über die Vergangenheit nachzudenken. Rachel hatte einen Schock erlitten und viel Blut verloren. Die Uhr im Wagen war auf sieben stehen geblieben. Ihr Leben hing bereits an einem seidenen Faden.

Ramsey schaltete das Funkgerät ab. „Schlechte Neuigkeiten, Cougar.“

„Was gibt es?“ Jim sorgte dafür, dass Rachels Rückgrat auf der Trage gesichert war.

„Sie haben AB positiv nicht im Cottonwood Hospital.“

„Versuch es in Flagstaff.“

Ramsey schüttelte den Kopf. „Die Gruppe haben sie nirgendwo.“

Jim breitete noch eine Decke über Rachel aus. „Cottonwood soll sich für eine Bluttransfusion bereithalten“, sagte er zum Captain. „Ich habe AB positiv. Sie braucht mindestens einen halben Liter, sonst kriegen wir sie nicht durch.“

„In Ordnung“, erwiderte Ramsey und griff wieder zum Funkgerät.

2. KAPITEL

Eine Hand strich Rachel sanft über das Haar. Fremde Geräusche drangen zu ihr. Es roch nach Desinfektionsmitteln. Wo war sie? Der Kopf schmerzte. Die Berührung linderte den Schmerz. Stimmen. Fremde Stimmen.

„Alles in Ordnung, Rachel“, sagte eine leise Männerstimme dicht neben ihr. „Du bist in Sicherheit und wirst gesund. Streng dich nicht an. Bleib ganz ruhig liegen. Du hast viel durchgemacht.“

Wer war das? Sie Stimme kam ihr bekannt vor. Die Hand auf ihrem Kopf wirkte wahre Wunder und nahm den Schmerz bei jedem Streicheln. Zog der Mann die Hand zurück, kehrte der Schmerz wieder. Wer war das? Rachel war mit Heilen durch Handauflegen vertraut. Odula, ihre Mutter, hatte das mit ihnen allen gemacht, wenn sie krank waren. Davon waren die Schmerzen stets weggegangen.

Der Geruch erinnerte sie an ein Krankenhaus. In ihrer Verwirrung konzentrierte sie sich auf den Mann neben ihr. Seine andere Hand lag auf ihrem Arm, als wollte er ihr einen festen Halt bieten.

Mit Mühe hob Rachel die Lider an. Zuerst sah sie nur einen dunkelgrünen Vorhang. Dann hörte sie neben sich leises Lachen. Verwirrt blickte sie hoch.

Jim lächelte. „Willkommen in der Welt der Lebenden, Rachel.“ Er fing einen verwirrten Blick aus ihren dunkelgrünen Augen auf und strich das lange braune Haar von ihrer Wange zurück. „Du bist im Flagstaff Hospital. Wir haben dich vor einer Stunde hergebracht. Du hattest auf dem Highway 89A einen Unfall. Erinnerst du dich?“

Rachel war von diesem Mann fasziniert, von seiner sanften Stimme, die sie an die Zärtlichkeiten eines Liebhabers erinnerten. Seine Hand lag auf ihrem Haar. Er hatte ein nettes Lächeln. Und sie mochte seine freundlichen Augen. Wer war das? Das Gesicht kam ihr bekannt vor, aber der Name fiel ihr nicht ein. Ihr Mund war fast gefühllos, der Fuß schmerzte. Sie sah sich um.

„Du bist in der Notaufnahme“, erklärte Jim. „Der Arzt hat die Wunde an deinem Fuß genäht. Eine Ader war aufgerissen. Du hast eine Bluttransfusion bekommen. Dein Kopf wird eine Weile wehtun, aber du hast keine Gehirnerschütterung.“

Die Erinnerung kehrte allmählich zurück. Der Jaguar. Der Jaguar mitten auf der vereisten Straße. Rachel schloss die Augen.

„Diese Wildkatze … auf der Straße“, sagte sie heiser. „Ich machte eine Vollbremsung, weil ich sie nicht überfahren wollte. Dann verlor ich die Kontrolle.“

Jim drückte ihren Arm. „Eine Wildkatze? Meinst du einen Puma?“

Rachel fühlte sich schrecklich schwach. „Meine Tasche. Wo ist sie?“

Ihre Wangen hatten wieder Farbe. Die Bluttransfusion wirkte dem Schock entgegen. „Tasche?“

„Ja.“ Das Sprechen fiel ihr schwer. „Die Tasche mit meiner homöopathischen Medizin. Im Wagen. Ich brauche sie.“

„Ach, deine schwarze Tasche. Die habe ich mitgenommen. Warte, ich bin gleich wieder bei dir.“

Rachel wollte protestieren, als er sie verließ. Die Wärme seiner Hand fehlte ihr. Die Geräusche in der Notaufnahme dröhnten in ihrem Kopf. Ein Baby schrie, jemand stöhnte. Das alles war ihr als Homöopathin vertraut. Sie hätte gern ihre Medikamente verteilt, um den Menschen zu helfen, aber sie war nicht mehr in England, sondern in den Vereinigten Staaten.

Der Vorhang wurde zur Seite geschoben. Rachel öffnete die Augen. Der Mann war mit ihrer schwarzen Arzttasche zurückgekehrt.

„Da ist sie“, sagte er lächelnd, stellte die Tasche neben sie und öffnete sie.

„Wer sind Sie?“, fragte Rachel verwirrt. „Ich sollte Sie kennen, aber ich erinnere mich nicht.“

„Jim Cunningham“, erwiderte er. „Ich habe mich als Sanitäter am Unfallort um dich gekümmert.“ Er holte den weißen Plastikbehälter heraus und zeigte ihn ihr.

„Oh …“

„Mann, ich muss ja einen tollen Eindruck auf dich gemacht haben. Da liegt die schönste Frau vor mir, die ich seit Langem gesehen haben, und du vergisst meinen Namen.“

Rachel versuchte zu lächeln, doch die Kopfschmerzen waren zu heftig. Jim Cunningham sah sehr gut aus. Ungefähr eins fünfundachtzig, schlank und geschmeidig wie ein Puma und mit den kraftvollen Bewegungen eines durchtrainierten Sportlers. Das dunkelblaue Hemd und die Hose konnten seine athletische Gestalt nicht verbergen.

„Nimm es nicht persönlich“, bat sie heiser. „Mein Schädel ist leer.“ Ihre Hand zitterte.

„Sag mir, welche Pillen du haben willst“, bot Jim an. „Du bist im Moment ziemlich schwach. In einigen Stunden wird es dir aber wieder besser gehen.“

Autor

Lindsay Mc Kenna
Lindsay McKenna führt ein unglaublich buntes, interessantes Leben und hat so viele Dinge gemacht und gesehen, dass es kein Wunder ist, dass ihre Romances zu den beliebtesten, meist gelesenen überhaupt gehören! Sie ist von indianischer Herkunft und glaubt fest daran, dass man sein eigenes Schicksal in die Hände nehmen muss,...
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