Für eine Nacht in deinen Armen

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Die hübsche Nikki will ihren herrischen Vater und ihren gehässigen Bruder verlassen. Am besten für immer! Auf ihrer kopflosen Flucht landet die aufstrebende Anwältin auf der Farm des Künstlers Jeff Kendall. Und der faszinierende Mann kümmert sich voller Zärtlichkeit um sie, bis die Leidenschaft entflammt. Doch im entscheidenden Moment scheut Jeff immer zurück …


  • Erscheinungstag 12.03.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776732
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es ist lächerlich für eine Frau mit siebenundzwanzig Jahren, auf die Zustimmung ihres Vaters Wert zu legen, dachte Nikki Spencer, als sie mit ihrem grünen Cabriolet in die Camelback Road einbog. Lächerlich, aber wahr.

Vielleicht lag es daran, dass Clayton Spencer nicht irgendein Vater war, sondern ein imposanter Mann, seit fünfzehn Jahren Richter im Bezirk Phoenix. Sie holte tief Luft und fragte sich, wie sie ihn dazu bringen konnte, ihren Standpunkt zu verstehen.

Denn ob Clayton Spencer ihrem Plan zustimmte oder nicht, Nikki wollte ihn ausführen. Sie war es leid, in der Anwaltskanzlei zu arbeiten, die ihrem Vater gehörte und von ihrem Bruder geleitet wurde. Sie war es leid, im hektischen Phoenix zu leben und nach der Pfeife anderer zu tanzen. Sie wollte sich in einer ruhigen Kleinstadt von Arizona selbstständig machen.

Nikki strich sich durch das kurze, lockige Haar und seufzte. Sie hatte das Thema bereits zweimal angeschnitten, und Clayton hatte wie immer Dutzende von Gründen vorgebracht, warum sie das tun sollte, was er wünschte. Aber diesmal wollte sie sich nicht unterkriegen lassen, so überzeugend seine Argumente auch sein mochten.

Nikki bog in die Auffahrt zum Spencer-Haus ein und parkte direkt hinter dem Kombi ihres Bruders. Ausgerechnet heute muss er da sein, dachte sie, während sie in ihrer Umhängetasche nach dem Hausschlüssel suchte. Jeff würde automatisch ihrem Vater beistehen, ohne ihre Seite zu berücksichtigen. Es war immer so, zwei gegen eins, schon seit dem Tod ihrer Mutter vor vielen Jahren.

Sie betrat das Haus, hörte Stimmen aus dem ersten Stock und eilte die Treppe hinauf. Die Tür zu Claytons Arbeitszimmer am anderen Ende des Korridors stand offen. Als Nikki sich näherte, schnappte sie Gesprächsfetzen auf.

„Es könnte uns beide ruinieren …“

„Nein. Ich würde es so hinstellen, dass …“

„Schlafende Hunde soll man nicht wecken.“

„Ich kann nicht anders. Verstehst du denn nicht …“

Es klang ganz nach einem Streit. Seltsam, da zwischen Jeff und Clayton selten Unstimmigkeiten herrschten. Durch die geöffnete Tür sah sie ihren Vater gelbe Rosen in einer Vase arrangieren. Seine ruhigen Bewegungen standen in krassem Widerspruch zu seinem zornigen Ton. Jeff wanderte auf und ab mit aufgeregter Miene.

Plötzlich verschwamm die Szene vor Nikkis Augen. Ihre Handflächen wurden feucht, ihre Knie weich. Sie umklammerte die Türklinke. Die zornigen Worte aus dem Arbeitszimmer wirbelten in ihrem Kopf umher, wurden lauter, aber dennoch verstand sie nichts. Sie atmete tief durch, blinzelte heftig, um ihre Sicht zu klären, um den Schwindelanfall zu bekämpfen.

Ein überwältigendes Gefühl von Déjà-vu überfiel sie. Sie hatte schon einmal dort gestanden, auf demselben Fleck, und zornigen Stimmen gelauscht. Sie spürte die Angst von damals, und den übermächtigen Drang zu entkommen. Ihr schwindelte erneut. Unwillkürlich stieß sie einen hilflosen, verlorenen Laut aus.

„Nikki!“

Sie sah Jeff stehen bleiben und sie anstarren. Ihr fiel auf, dass ihr Vater sie mit ungewöhnlich unsicherer Miene anblickte. Irgendetwas war falsch. Und sie musste verschwinden.

Von Angst getrieben, wirbelte sie herum, lief zur Treppe. Sie konnte sich nicht erinnern, je zuvor eine derart bedrückende Gefahr gewittert zu haben.

„Nikki, warte!“, rief Jeff.

Dann ertönte die befehlende Stimme ihres Vaters: „Hol sie! Bring sie zurück!“

Nikki hastete die Stufen hinunter, stolperte beinahe, musste das Geländer ergreifen. Sie rannte zur Tür hinaus, schlüpfte hinter das Lenkrad. Als sie mit dem Zündschlüssel hantierte, sah sie Jeff aus dem Haus stürmen. Der Motor sprang an. Sie raste die Auffahrt hinab. Ein Blick zurück verriet ihr, dass Jeff gerade in seinen Wagen stieg. Großer Gott, wollte er ihr nachjagen?

Sie hatte keine Ahnung, warum sie sich plötzlich vor zwei Männern fürchtete, die sie ihr Leben lang geliebt hatten. Sie wusste nur, dass sie entkommen musste.

Sie bog nach Westen in die Camelback Road ein, schlängelte sich durch den gemächlichen Sonntagnachmittagsverkehr. Aus Angst umklammerte sie das Lenkrad. Die heiße Sonne von Arizona brannte ihr erbarmungslos auf den Kopf, ließ Schweißperlen auf ihre Stirn treten.

Immer wieder blickte sie nervös in den Rückspiegel. Er war dort hinten, verfolgte sie. Dessen war sie sicher. In ihrer Hast wechselte sie ziemlich unberechenbar die Fahrspuren. Sie blickte erneut in den Rückspiegel. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. Da war er, der braune Kombi, den sie gefürchtet hatte. Der dunkelhaarige Mann am Steuer, mit dem sie aufgewachsen war, näherte sich bedrohlich.

Warum folgte Jeff ihr? Was wollte er von ihr? Sie durfte sich von ihm nicht zur Rückkehr zwingen lassen. Sie brauchte einen ruhigen Ort, an dem sie nachdenken und ergründen konnte, was das alles bedeutete.

Sie überholte einen Lastwagen und erblickte eine Auffahrt zur Autobahn nach Norden. Kurz entschlossen bog sie dicht vor einem blauen Reisebus ab und folgte einem weißen Lieferwagen. Auf der Autobahn trat sie das Gaspedal durch.

Der Fahrtwind zerrte an ihrem Haar, doch Nikki merkte es kaum. Immer wieder blickte sie in den Rückspiegel. Sie glaubte nicht, dass der Kombi die Abfahrt geschafft hatte, aber sie behielt das Tempo bei.

Trotz der Hitze rann ein Schauer über ihren Rücken. In wenigen Augenblicken war ihre behagliche Welt auf den Kopf gestellt worden. Wie hatte es geschehen können?

Erneut spähte sie in den Rückspiegel. Sie sah einen Kombi sechs Wagenlängen hinter sich. Wo konnte sie sich nur in Sicherheit bringen? Fieberhaft überlegte sie.

Plötzlich fiel ihr die Hütte in Sedona ein, die den Eltern ihrer Mitbewohnerin gehörte. Erst an diesem Morgen hatte sie Roxie Lowell und deren Familie zu einem zweiwöchigen Urlaub in Florida zum Flughafen gefahren. Sie hatten ihr erlaubt, das Haus zu benutzen. Nicht im Traum hätte sie gedacht, das Angebot so überstürzt annehmen zu müssen.

Nikki fuhr zu schnell und war zu nervös, um den Kombi eindeutig zu identifizieren, aber sie wagte nicht, das Tempo zu verringern. Sie raste weiter, ungeachtet der wundervollen roten Berge ringsum, der Wolken, die sich am blassblauen Himmel zusammenbrauten, und der sinkenden Temperatur in den nördlichen Höhen. Sie sah nur die Straßenschilder, die sie informierten, dass sie sich Sedona und relativer Sicherheit näherte.

Endlich erreichte sie die Abfahrt. In der Stadt musste sie das Tempo verringern. Angst überkam sie erneut. Jeff konnte sie nun leicht einholen. Die sinkende Sonne war hinter Wolken verborgen, die plötzlich grau und rastlos wirkten.

Sie hatte beinahe die dichten Bäume am Ufer des Oak Creek erreicht, als der Motor zu stottern begann. Bitte nicht! betete sie, doch kaum hatte sie es gedacht, als dicker Rauch unter der Motorhaube des kleinen Zweisitzers hervorquoll. Sie unterdrückte einen Fluch, fuhr an den Straßenrand. Sie blickte nach hinten und sah keine verdächtigen Kombis. Dennoch zitterten ihre Hände, als sie ausstieg.

Niedergeschlagen betrachtete Nikki den Wagen. Wer in der Wüste von Arizona lebte, wusste, wie schnell ein Motor an einem sehr heißen Tag bei hoher Geschwindigkeit überhitzen konnte. Sie war an einer Tankstelle vorbeigefahren und hätte Wasser holen können, aber sie wagte nicht, so viel kostbare Zeit zu vergeuden.

Sie nahm ihre Handtasche aus dem Wagen, schloss hastig das Verdeck und verriegelte die Türen. Ein paar Autos fuhren vorüber. Die Dämmerung brach an. Nikki fröstelte, als sie in den Wald eilte. Leider hatte sie keine Jacke mitgenommen, aber zum Glück trug sie Jeans und Lederstiefel.

Mit gesenktem Kopf, den Blick auf den unebenen Boden geheftet, ging sie zwischen den Bäumen hindurch in die Richtung, an die sie sich vage erinnerte, auf der Suche nach dem Pfad, der irgendwo in der Nähe sein musste. Als es leise donnerte, stöhnte sie. Regen hatte ihr gerade noch zur Abrundung dieses beunruhigenden Tages gefehlt.

Sie überquerte eine schmale Brücke, fand schließlich einen beinahe zugewachsenen Pfad zwischen den Bäumen. Im Laufe der Jahre, die sie mit Roxie befreundet war, hatte sie mehrere Wochenenden in der Hütte verbracht, aber nicht in letzter Zeit. Sie erinnerte sich, dass die Hütte an einer breiten Stelle des Bachs lag, und sie wusste, wo der Schlüssel versteckt war.

Es knackte laut, als sie auf einen trockenen Ast trat. Sie zuckte zusammen, blickte sich ängstlich um. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie spähte durch die Bäume. Es wurde beständig dunkler, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie weit es noch bis zur Hütte war, und ob sie überhaupt die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Ein Blitz zuckte über den grauen Himmel, gefolgt von Donner. Sie beschleunigte den Schritt.

Einige Minuten später fielen die ersten Regentropfen. Und es wurde immer kälter. Nikki begann zu laufen, den Kopf gegen den kalten Wind eingezogen. Immer wieder blickte sie auf, suchte zwischen den Bäumen nach einem erleuchteten Fenster oder den Umrissen einer Hütte, irgendeiner Hütte. Sie wusste, dass es in dieser Gegend mehrere gab. Aber es war keine in Sicht.

Plötzlich schoss ein stechender Schmerz in ihren rechten Knöchel. Sie schrie auf. Wie ein Schraubstock schloss sich etwas um ihren Fuß. Sie stolperte, stieß mit der Stirn an einen tief hängenden Ast. Sie taumelte, fiel rückwärts auf den kalten, feuchten Boden.

Fluchend, den Tränen nahe, rang sie nach Luft. Sie konnte kaum noch etwas sehen und musste sich vorbeugen, um festzustellen, dass sie in eine Kleintierfalle geraten war. Die Stahlklammern hatten sich um ihren Knöchel geschlossen und die scharfen Zähne in den Stiefel gebohrt. Sie stöhnte laut auf, strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht und betastete vorsichtig die schwellende Beule an der Stirn.

Was nun? fragte Nikki sich mit klopfendem Herzen. Sie tastete um sich, fand den Stahlpflock, der die Falle im Boden verankerte. Sie kniete sich auf das unverletzte Bein, packte den Pflock mit beiden Händen und zerrte mit aller Kraft daran, immer wieder, bis er sich schließlich löste.

Durch die Anstrengung schmerzte ihr Kopf, und der Fuß pochte heftig. Und wie sollte sie die Stahlklammer lösen? Sie beschloss, darüber nachzudenken, wenn sie die Hütte erreicht hatte, und erhob sich mit wackligen Beinen.

Sie machte vorsichtig einen Schritt und schrie vor Schmerz auf. Doch sie musste weiter. Sie suchte die Handtasche, die ihr entglitten war, schob den Riemen über die Schulter und machte sich auf den Weg. Sie musste humpeln, und die Falle an ihrem rechten Fuß schien mit jedem Schritt schwerer zu werden.

Der Regen fiel nun beständig. Ihre blaue Seidenbluse war durchnässt, das Haar klebte ihr wirr am Kopf. Trotz der Kälte spürte sie Schweißperlen auf der Stirn.

Als Nikki gerade glaubte, keinen Schritt mehr gehen zu können, sah sie in der Ferne ein verschwommenes Licht. Durch den willkommenen Anblick getrieben, schleppte sie sich weiter und erkannte schließlich ein Haus.

Flutlichter beleuchteten mehrere Nebengebäude und eine große, umzäunte Fläche neben dem kleinen Haus. Es war nicht die Lowell-Hütte, aber in Nikkis Zustand sah es wie ein Palast aus.

Einer der Gründe, warum Adam Kendall sich einen abgelegenen Ort für den Bau seines Hauses ausgesucht hatte, bestand darin, dass er keine Nachbarn störte, wenn er seine Stereoanlage mit voller Lautstärke spielte, wie an diesem Abend. Er öffnete eine Dose Hundefutter für seinen Beagle und sang zusammen mit Michael Bolton. Wäre Maudie, die am Abend stets ausgehungert war und an seiner Seite blieb, bis er ihr das Fressen hinstellte, nicht bellend zur Tür gelaufen, hätte er nicht gemerkt, dass sich jemand auf der Schwelle befand.

Adam schaltete den CD-Spieler ab und ging hinüber zu der hochschwangeren Hündin, die aufgeregt mit dem Schwanz wedelte. Sie bekamen nicht oft Besuch in dieser abgelegenen Gegend, besonders nicht an einem regnerischen Abend. Und es war ihm lieber so.

Wahrscheinlich ein verirrter Wanderer. Er wollte ihn aus dem Wald dirigieren und den ruhigen Abend fortsetzen, den er geplant hatte. Ein Topf Chili köchelte auf dem Herd, sein Krimi wartete, ausgelesen zu werden, und das Feuer im Kamin, das er vor Kurzem entfacht hatte, vertrieb die herbstliche Kühle aus seiner Hütte.

Manche Leute hätten ihn als Einzelgänger bezeichnet, und vielleicht war er es. Nicht immer schon, aber seit einiger Zeit. Seine Zurückgezogenheit hatte ihm in den vergangenen Jahren viele Probleme erspart. Und so sollte es bleiben.

Er schaltete die Verandabeleuchtung ein und öffnete die Tür. Die Frau auf der Schwelle war tropfnass und sah völlig erschöpft aus. Sie lehnte am Türrahmen, so als hätte sie nicht die Kraft, allein zu stehen.

„Was ist passiert?“, fragte Adam und stützte sie instinktiv.

„Ich … ich …“ Nikki spürte ihre Knie weich werden und kämpfte gegen einen Schwindelanfall.

Adam hörte ein metallisches Klicken und sah irgendeine Art von Falle um ihren Knöchel. Gerade als sie in den Knien einknickte, hob er sie auf die Arme, trug sie hinein und schloss die Tür mit einem Fuß. Maudie bellte neugierig und folgte ihm, als er die Frau auf die gestreifte Decke auf der Couch legte.

„Es tut mir leid, dass ich Ihnen so viel Mühe mache“, brachte sie hervor. „Ich brauche nur einen Moment.“

Sie sah aus, als brauchte sie wesentlich mehr als einen Moment. Sie war nass und schlammig, so als wäre sie gestürzt, ihr Gesicht war sehr blass, ihre Hände zitterten. Trotz seines Missfallens über den ungebetenen Gast konnte er sie nicht fortschicken.

Er ging hinaus, kam mit einem feuchten Waschlappen und Handtüchern zurück. Sie zog eine Grimasse, als sie sich das Gesicht säuberte und dabei die Beule an der Stirn berührte.

Adam untersuchte ihre Stirn. „Da sollten wir lieber Eis drauflegen.“ Er beugte sich hinab, musterte die Stahlzähne, die sich in ihren Stiefel bohrten. „Sieht böse aus. Wieso sind Sie da draußen im Regen herumgewandert?“

Nikki holte tief Luft. „Ich suche die Lowell-Hütte. Mein Wagen hat gestreikt, und dann wurde es so schnell dunkel und begann zu regnen. Ich bin gerannt und in die Falle geraten.“

Er ging in die Küche, füllte Eiswürfel in einen Plastikbeutel und kehrte zurück. Behutsam legte sie sich den Beutel auf die Stirn und erschauerte, trotz der Wärme vom knisternden Kaminfeuer. Sie musste aus den nassen Sachen heraus.

Er holte einen grauen Trainingsanzug aus dem Schlafzimmer und reichte ihn ihr.

Ihr wurde bewusst, dass er nicht besonders glücklich über die Rolle des guten Samariters war. Nikki konnte es ihm nicht verdenken. Sie war es nicht gewohnt, von jemandem abhängig zu sein, und es gefiel ihr nicht. „Ich hasse es, Ihnen zur Last zu fallen.“

„Schon gut.“ Adam hatte noch nie so grüne Augen gesehen. Er erkannte Schmerz in ihren Tiefen und einen Anflug von Angst. Fürchtete sie sich vor ihm, oder war sie vor jemandem auf der Flucht? Nicht meine Angelegenheit, befand er und besänftigte seine Miene. Die junge Frau war offensichtlich ebenso wenig erfreut über die Situation wie er. Zumindest konnte er höflich zu ihr sein. „Ziehen Sie sich doch das Oberteil an, während ich in der Scheune nach etwas suche, womit ich die Falle entfernen kann.“ Es würde seiner Konzentration helfen, wenn sie etwas anderes trug als die nasse Bluse, die an ihrem Körper klebte und nur wenig der Fantasie überließ. „Wenn ich die Stiefel abgestreift habe, können Sie die Hose anziehen. Sie ist zu groß, aber wenigstens trocken.“

„Danke.“ Nikki nahm die Sachen und blickte sich um. Sie befand sich in einem großen, behaglichen Raum mit hohen Fenstern, Kuppeldecke und einem Kamin aus Feldstein gegenüber der Couch. Hinter einem Torbogen lag die Küche, und an den Seitenwänden befanden sich drei Türen.

Ein rostfarbener Beagle mit braunen und weißen Flecken, offensichtlich schwanger, lag neben ihr auf dem ovalen Teppich und beobachtete sie neugierig. „Leben Sie hier allein?“, fragte sie mit einem Anflug von Nervosität und der Hoffnung, seine Frau befände sich hinter einer der geschlossenen Türen.

„Nur ich und Maudie“, antwortete er und deutete auf den Hund. „Ich bin kein Axtmörder, falls Sie das befürchten.“

Sie lächelte schwach. „Es erleichtert mich, das zu hören.“ Doch die Sorge blieb in ihrem Blick.

„Ich heiße Adam Kendall.“ Er wartete, aber sie schwieg. „Und Sie sind?“

„Nikki … Smith.“ Sie senkte den Blick zum Hund. Sie hatte nicht lügen wollen, aber sie fühlte sich schrecklich verwundbar und brauchte momentan den Schutz der Anonymität. Ihre Gefühle waren verwirrt, ihre Gedanken ebenso, und der verdammte Schmerz in ihrem Knöchel machte sie gereizt.

Smith. Aha. Adam sah die Initialen N.S. auf ihrer Schultertasche und glaubte ihr trotzdem nicht. Sie hatte zu lange gezögert und mied seinen Blick. Doch was kümmerte es ihn, ob sie log? Er wollte sie befreien, verbinden und einen ihrer Freunde oder Verwandten anrufen, der sie abholte. Das war alles.

„Ich bin gleich zurück.“ Er ging hinaus zur Scheune mit geducktem Kopf vor dem kalten Regen. Nur ein sehr wachsames Auge entdeckte ein leichtes Hinken in seinem Gang. Er hatte lange und hart gearbeitet, um die Nachwirkungen seines Unfalls und seiner jugendlichen Fehler zu beseitigen. Mit vierunddreißig Jahren lebte er ruhig und mit sich im Frieden.

In der Scheune roch es nach Tieren, Leder und sauberem Heu. Er nahm sich einen Moment Zeit, um mit den beiden Stuten Bo und Honey zu reden, und hörte den Araberhengst Salomon auf der anderen Seite der Trennwand eifersüchtig mit den Hufen scharren.

Adam ging in die Sattelkammer und kramte in den Werkzeugen, bis er das Richtige fand. Er hoffte, die Falle entfernen zu können, ohne seinen ungebetenen Gast noch mehr zu verletzen.

Sie lag mit geschlossenen Augen und angespannter Miene da, als er zurückkam. Sie sah jung, verängstigt und schmerzgepeinigt aus – und sehr hübsch. Nikki Smith – oder wie immer sie heißen mochte – wirkte sehr klein in seinem Sweatshirt. Ihre dichten, dunklen Wimpern unterstrichen die Blässe ihres ovalen Gesichts. Ihr Mund war voll, wohlgeformt und vermutlich schnell zum Schmollen bereit. Das lockige, dunkle Haar, obwohl zerzaust, ließ einen teuren Schnitt erkennen. Sie duftete nach Regen und einem verführerischen, teuren Parfum.

Die schlanken Hände hatten gewiss nicht viel Arbeit geleistet. Sie trug einen Opalring mit Goldfassung, der jemanden mehrere Tausend Dollar gekostet haben musste. Die Bluse, die sie ausgezogen hatte, war aus Seide, die Lederstiefel waren handgearbeitet, und die Jeans trug das Etikett eines exklusiven Designers.

Warum wanderte diese offensichtlich gut situierte junge Frau nach Einbruch der Dunkelheit in diesen abgelegenen Wäldern umher? Auf der Suche nach der Lowell-Hütte, hatte sie gesagt. Er hatte nie von den Lowells gehört. Vermutlich war der Name ebenso falsch wie Smith.

Adam holte einen Stuhl aus der Küche und stellte ihn neben das Sofa. Nikki schlug die Augen auf. „Ich versuche, sanft zu sein“, versprach er und nahm ihren Fuß. Er befestigte einen Schraubstock am Stuhl und spannte eine Seite der Falle ein.

Nikki verspürte einen pochenden Schmerz im Fuß. Um sich abzulenken, musterte sie Adam Kendall. Er war groß, schlank und gebräunt. Sein sonnengebleichtes, blondes Haar hing über den Kragen seines blauen Hemdes. Er trug verblichene, aber saubere Jeans, die seine muskulösen Schenkel umspannten. Die Hände waren groß und kräftig, aber sanfter, als sie vermutet hatte.

Sein Gesicht war markant mit winzigen Fältchen in den Augenwinkeln. Doch es schienen keine Lachfalten zu sein, denn ihm haftete eine gewisse Traurigkeit an, die ihm angeboren zu sein schien. Bartstoppeln beschatteten die schmalen Wangen und das kantige Kinn, verliehen ihm ein geheimnisvolles Aussehen.

Plötzlich spürte sie, wie sich die Klammer ein Stück öffnete, dann noch ein Stück. Sie unterdrückte einen Aufschrei. Maudie, wie aus Mitgefühl, erhob sich, legte die Vorderpfoten auf die Couch und leckte Nikkis Hand. Sie vergrub die Finger in dem weichen Fell.

Adam wusste, dass er ihr wehtat, aber er hatte keine andere Wahl. Mit dem Rücken zu ihr hielt er die Falle so weit wie möglich offen, während er den Stiefel langsam herauszog. Die scharfen Zähne hatten sich in das weiche Leder gefressen, und er musste jeden Zahn einzeln lösen. Er spürte, wie sie gegen den Schmerz kämpfte, aber sie gab keinen Laut von sich.

Schließlich war ihr Fuß befreit, und Adam atmete erleichtert auf. Sanft legte er ihr Bein auf die Couch und drehte sich zu ihr um.

Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn, und ihr Atem kam stoßweise. Sie wischte sich mit dem Handtuch ab und begegnete seinem Blick. „Danke“, flüsterte sie.

„Wir sind noch nicht fertig. Ihr Knöchel ist geschwollen. Ich muss den Stiefel aufschneiden.“ Und es wird verdammt wehtun, dachte er.

Nikki befeuchtete ihre Lippen und nickte. „Tun Sie’s.“

Obwohl sie offensichtlich sehr verhätschelt war, schien sie keine Heulsuse zu sein. Das musste er anerkennen. Mit der Gartenschere, die er mitgebracht hatte, schnitt er das Hosenbein auf und nahm dann den Stiefel in Angriff.

Denk nicht daran, befahl Nikki sich. Mit einer Hand umklammerte sie die Decke, die andere ruhte auf Maudies schlankem Kopf, der sich Trost spendend ankuschelte. Es schien ewig zu dauern, doch schließlich spürte sie, dass Adam den Stiefel entfernte.

Sie setzte sich auf, beugte sich vor. Der Knöchel war mindestens doppelt so dick wie normal und der blaue Kniestrumpf blutbefleckt. Sie blickte zur Falle auf dem Stuhl und sah, dass sie so rostig war, wie sie befürchtet hatte.

„Wann haben Sie die letzte Tetanusspritze bekommen?“, fragte Adam.

„Am sechsundzwanzigsten November.“

„Sie sind sich ja so sicher“, bemerkte er überrascht. „Hatten Sie einen Unfall?“

Sie hielt die linke Hand hoch, zeigte ihm eine lange Narbe am kleinen Finger. „Ich habe mich am Erntedankfest geschnitten.“

„Dann brauchen wir also keinen Wundstarrkampf zu befürchten.“

Er hatte wir gesagt, so als wäre ihr Problem zu seinem geworden. Aus unerklärlichem Grund war ihr die Meinung dieses Fremden wichtig. „Sie müssen mich für schrecklich linkisch halten. Küchenunfälle und jetzt diese Falle.“

Adam zuckte die Schultern. „Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich mich beim Bau dieses Hauses verletzt habe.“

„Sind Sie Zimmermann?“, fragte sie überrascht, denn trotz seiner rauen Erscheinung wirkte er nicht wie ein Arbeiter.

„Eigentlich nicht, aber ich arbeite gern mit den Händen. Für die schwierigeren Dinge wie Elektrik und Installationen habe ich Fachleute beauftragt.“ Er sah Nikki zusammenzucken, als sie das Knie beugte, um den Strumpf auszuziehen. „Wir sollten den Fuß lieber reinigen.“

„Das kann ich selbst.“

„Da bin ich sicher, aber ich kann es momentan besser als Sie.“ Er ging hinaus und kehrte kurz darauf mit warmem Wasser und Verbandzeug zurück. Behutsam wusch er die blutigen Schnittstellen, desinfizierte sie und verband den Fuß vom Knöchel bis zu den Zehen. Dann untersuchte er die Beule an ihrer Stirn.

Irgendetwas an seinem Verhalten ließ Nikki fragen: „Sie sind Arzt?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte es werden, aber ich habe aufgehört. Diese Beule macht Ihnen bestimmt arge Kopfschmerzen, aber es ist nichts Ernstes.“

„Ich habe oft Kopfschmerzen, aber Sie haben recht. Diesmal ist es arg.“

Adam reichte ihr die Trainingshose. „Ziehen Sie die an, während ich Ihnen eine Schmerztablette hole.“

Er ging hinaus, und sie zog sich mühsam und unter Schmerzen die nasse Jeans aus. Seine Hose war zu lang und zu weit, aber weich und warm. Erschöpft legte Nikki sich nieder.

Als Adam zurückkam, nahm sie die Tablette und trank ein ganzes Glas Wasser. Ihm fiel auf, dass ihre Wangen glühten und sie zitterte. Er hoffte, dass er die Wunden schnell genug gereinigt hatte und sich keine Infektion einstellte. Adam schürte das Feuer und legte ein paar Scheite nach. „Ich habe Chili gekocht. Möchten Sie einen Teller?“

Mit einiger Mühe zog Nikki die Decke unter sich hervor und breitete sie über sich aus. „Danke, aber ich bin nicht hungrig.“

Adam setzte sich auf das Sofaende. „Wen soll ich anrufen, damit Sie abgeholt werden?“

„Niemanden. Wenn ich über Nacht hierbleiben könnte, mache ich mich bei Tagesanbruch gleich auf die Suche nach der Lowell-Hütte. Ich bezahle Sie gern für all die Mühe, die ich Ihnen bereite.“ Der Wind heulte ums Haus, und Regen prasselte an die Fenster. Sie erschauerte und hoffte inständig, dass Adam sie nicht hinaus in die Finsternis und den Sturm jagte.

Adam musterte sie nachdenklich. Sie war allein mit einem Fremden und verletzt, wollte aber dennoch lieber bleiben, anstatt jemanden zu benachrichtigen. Und dieser Anflug von Angst zeigte sich erneut in ihren Augen. „Haben Sie Probleme? Vielleicht mit der Polizei?“

Sie begegnete seinem Blick. „Nein, nichts dergleichen. Ich brauche nur ein wenig Zeit für mich allein.“

„Wer sind die Lowells?“

Sie zögerte, wählte sorgfältig ihre Worte. „Die Eltern meiner Mitbewohnerin. Sie sind verreist und haben mir die Benutzung ihrer Hütte angeboten. Sie sind selten hier.“

Nikki hielt seinem Blick stand, sagte vermutlich die Wahrheit. Aber er kannte Frauen, die einem Mann ins Gesicht sehen und überzeugend lügen konnten. Zu seinem Bedauern hatte er eine von ihnen geheiratet. Er konnte die Geschichte von Nikki Smith durch ein Telefonat leicht nachprüfen. Sein Freund Matt Towers kannte jeden im Umkreis von Meilen. Aber Adam wollte, dass sie es ihm selbst sagte.

„Ist der Strom eingeschaltet? Das Wasser? Wenn die Hütte selten benutzt wird, ist wahrscheinlich alles abgeschaltet.“ Er spürte, dass sie keine Antwort wusste. „Warum sind Sie nicht früher aufgebrochen, um bei Tageslicht anzukommen und sich um all das kümmern zu können?“

Nikki fühlte sich zu erschöpft für Erklärungen. „Ich sollte jetzt lieber gehen.“ Sie schlug die Decke zurück, setzte sich auf, bekämpfte einen plötzlichen Schwindelanfall, den Adam ihr nicht anmerken sollte. Mit weichen Knien stand sie auf. „Danke für Ihre Hilfe.“

Autor

Pat Warren
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