Für wen schlägt dein Herz, Corrie?

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Das große Glück mit einem geliebten Mann - das war für die junge Corrie Davis bis jetzt ein unerfüllter Traum. Doch plötzlich wird sie gleich von zwei attraktiven Männern umschwärmt. Die Brüder John und Shane Merrick, die reichsten Rancher von Coulter City, werben um sie. Corrie ist hin- und hergerissen: Shane, ein berühmter Rodeoreiter, ist ein guter Freund aus ihrer Teenagerzeit, und alle erwarten, dass sie ihn heiratet. Aber es sind Johns Küsse unter dem weiten Himmel von Texas, die ihr Herz schneller schlagen lassen…


  • Erscheinungstag 20.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777654
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Das Land war wild und groß, und die Ranch lag wie ein kleiner Fleck in der endlosen Weite. Die Arbeit hier war schwer und hörte nie auf. Es gab auch keine garantierte Sicherheit. Die Tiere waren groß, und auch die gutmütigen oder gut geschulten unter ihnen konnten an schlechten Tagen gefährlich werden. Dann kam es zu Unfällen, von denen die Vorsichtigen so wenig wie die Unvorsichtigen verschont blieben.

Holz wurde morsch und fiel in sich zusammen. Von Westen brachen verheerende Unwetter herein, und unter jedem Stein konnte eine Viper lauern und blitzschnell zubeißen.

Beileibe keine Umgebung für eine Lady, aber Corrie Davis hatte es aufgegeben, eine zu sein. Mit achtzehn hatte sie vorübergehend versucht, ihren Lebensstil zu ändern. Sie hatte den Kampf mit Strumpfhosen und Kosmetikfläschchen aufgenommen. Sie hatte sich in der örtlichen Bücherei Ratgeber für gutes Benehmen ausgeliehen, hatte bekannte Frauenzeitschriften gelesen und ein ganzes Wochenende in San Antonio verbracht, um sich hübsche, betont weibliche Kleidung zuzulegen.

Alle diese modischen Artikel hingen jetzt – noch mit dem Preisschild daran – in ihrem Kleiderschrank, und die frechen Dessous, die sie bei derselben Gelegenheit erworben hatte, lagen unbenutzt in einer Schublade.

Derselbe Mann, dem Corries kurzfristiges Streben nach mehr Weiblichkeit zu verdanken war, hatte dieses Streben unbewusst mit wenigen harten Worten auch wieder zunichte gemacht.

Du bist vernünftig, Corrie, und du hast Verstand. Deshalb ist dir inzwischen sicher klar geworden, dass du nicht die Richtige für meinen Bruder bist. Unser Vater hat viel mit Shane vor. Er soll das College besuchen und später Teilhaber der Merrick-Ranch werden. Während der nächsten Monate und Jahre wird er sich draußen umsehen, nach neuen Möglichkeiten suchen und seinen Platz finden …

John Merrick hatte eine Pause gemacht und Corrie mit seinen dunklen Augen unverwandt angesehen. Sie hatte vor Angst und Scham Herzklopfen bekommen, denn ihr war klar gewesen, was jetzt folgen würde.

In dieses Leben passt du nicht hinein, Corrie. Ich darf nicht zulassen, dass du dich bei dem Versuch unglücklich machst.

Johns Worte hatten ihr wehgetan, obwohl sie ins Schwarze trafen. Sie hätte in Jake Merricks Pläne für seinen jüngeren Sohn nicht hineingepasst. Sie war nicht die richtige Frau für Shane, wenn auch aus einem anderen Grund. Sie wollte nicht in sein Leben „hineinpassen“, und sie wollte ihn nicht heiraten. Damals nicht und heute nicht.

Corrie würde bis zu ihrem Tod dankbar sein, dass John die Wahrheit niemals herausgefunden hatte. Er selbst war nämlich damals ihr Traummann gewesen – und nicht Shane. Ihn hatte sie mit den hübschen Kleidern und dem feinen Benehmen beeindrucken wollen. Die unverhohlene Feststellung, dass sie für Shane nicht die richtige Frau sei, hatte für sie wie seine eigene Meinung geklungen. Genauso gut hätte er sagen können, dass sie für keinen der Merrick-Brüder die Richtige war.

Leider hatten die Tatsachen gegen sie gesprochen. Sie wurde nicht von Männern umschwärmt – auch heute noch nicht –, und so hatten Johns Worte ihre düstere Ahnung, dass kein Mann sie jemals anziehend finden würde, nur bestärkt. Sie galt als „Freundin“, als „guter Kumpel“, aber mehr nicht. Gerade ihr kameradschaftliches Wesen hatte ihr für eine Weile Shanes Freundschaft gesichert.

Johns Andeutung, sie oder Shane könnten es auf mehr abgesehen haben, war geradezu ein Schock gewesen. Corrie hatte sich seit Jahren nicht mehr an das peinliche Gespräch erinnert. Es war ihr nicht leicht gefallen, die verletzenden Worte zu vergessen, aber schließlich war sie darüber hinweggekommen und hatte weitergelebt wie bisher.

Kurz vor ihrem zwanzigsten Geburtstag war ihr Vater gestorben. Mit seinem Tod war ihr zwar die Ranch, aber auch die ganze Arbeitslast zugefallen, und sie hatte keine Zeit mehr gehabt, einem der beiden Merrick-Brüder nachzutrauern.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Merrick-Ranch an Corries Ranch grenzte, hatte es kaum Gemeinsamkeiten oder irgendeine Veranlassung zu irgendwelchen geselligen Zusammenkünften gegeben. Mit John traf sie nur selten zusammen, und Shane war abgereist, um das College zu besuchen. Doch er hatte nicht lange durchgehalten, sondern nach dem ersten Semester alles hingeworfen, um seinem Rodeotraum nachzujagen. Der Lebensplan, den John und sein inzwischen verstorbener Vater für Shane aufgestellt hatten, war gescheitert.

Um ehrlich zu sein, hatte Corrie in den vergangenen sechs Jahren so wenig von Shane gehört, dass sie kaum noch an ihn dachte. Jedenfalls war es so gewesen, bis John gestern eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Seitdem kehrten die Erinnerungen an die alten Zeiten langsam zurück.

John ging offenbar davon aus, dass sie während all der Jahre Kontakt zu Shane gehalten hatte.

Wenn Shane kommt, sagen Sie ihm bitte, dass er mich anrufen soll.

Die unerwartete telefonische Nachricht hatte Corrie zu denken gegeben. Am Ende hatte sie sich entschlossen, nicht bei John anzurufen. Er ging davon aus, dass Shane zu ihr kommen würde, dann konnte sie die Bitte an ihn weitergeben. Wenn Shane allerdings nicht kam …

Inzwischen waren vierundzwanzig Stunden vergangen, ohne dass Shane bei ihr aufgetaucht war. Bestimmt hatte John inzwischen persönlich mit ihm gesprochen. Sie brauchte sich also auch jetzt nicht bei ihm zu melden, es sei denn, sie fand eine neue Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter vor.

Nach dem anstrengenden Vormittag kam Corrie der Weg von den Ställen zum Wohnhaus länger als sonst vor. Sie schwitzte und fühlte sich schmutzig. Ihre Hände mit den kurz gehaltenen Fingernägeln waren ölverschmiert. Wahrscheinlich befanden sich auch Ölflecken auf ihrem Gesicht und in ihrem Haar, ein Hemdsärmel war zerrissen, und sie war von Kopf bis Fuß staubig – alles sichtbare Beweise für den zermürbenden Kampf mit einer defekten Windmühle und dem schmerzhaften Sturz von dem Fohlen, das sie gerade zuritt. Beides waren außerplanmäßige Arbeiten gewesen, die sie besser auf einen späteren Zeitpunkt hätte verschieben sollen, wie sie inzwischen einsah.

Nach einer kurzen Dusche würde sie frische Sachen anziehen, etwas Kaltes zum Lunch essen und sich dann der lästigen Schreibtischarbeit zuwenden. Auch im Haus gab es noch einiges zu erledigen, allemal genug, um die Merrick-Brüder zu vergessen und die Vergangenheit wieder Vergangenheit sein zu lassen.

Corrie überlegte noch, ob sie den zerrissenen Ärmel flicken oder einfach abschneiden sollte, als eine männliche Stimme ihre Aufmerksamkeit auf die hintere Veranda lenkte.

„Hast du deinen Gegner ebenso zugerichtet?“, fragte jemand lachend.

Shane Merrick saß auf dem Geländer der Veranda und sah so ansehnlich wie immer aus. Er trug einen schwarzen Stetson, ein kobaltblaues, mit Perlmuttknöpfen geschlossenes Westernhemd und ausgeblichene, aber ziemlich neu wirkende Jeans. Seine schwarzen Stiefel hatten einen matten, fast vornehmen Glanz, und die große goldene Gürtelschnalle, die ihn als Rodeo-Champion auswies, vollendete das Bild.

Als Corrie die beiden Stufen zur Veranda hinaufging, schwang sich Shane vom Geländer und kam auf sie zu. Sie merkte, dass er sie zur Begrüßung umarmen wollte, und hob abwehrend eine Hand, während sie gleichzeitig einen Schritt zurückwich.

„Mach dich nicht schmutzig, Shane!“

„Etwas schmutzig ist besser als zu sauber“, antwortete er mit einem texanischen Sprichwort und nahm sie gleichzeitig so fest in die Arme, dass sie nach Luft ringen musste. „Du ahnst nicht, was es bedeutet, dich wiederzusehen, Corrie.“

Etwas Netteres hatte Corrie lange nicht gehört. Es tat auch gut, Shanes starke Arme um sich zu fühlen, aber sie hütete sich, mehr daraus zu machen, als beabsichtigt war.

„Du siehst gut aus, alter Ausreißer“, antwortete sie teils lachend und teils verlegen. „Und du riechst gut.“ Sie wand sich aus seinen Armen und rückte ihren Stetson zurecht. „Was macht die Karriere? Kämpfst du noch um die dritte Gürtelschnalle?“

Shane strich ihr lächelnd eine dunkle Haarsträhne zurück, die sich im Lauf des Vormittags aus ihrem Zopf gelöst hatte. „Es hat lange gedauert, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Man soll aufhören, solange man oben ist.“

Corrie wich dem Kontakt mit Shane aus und ging zur Hintertür. „Was hältst du von einem Drink?“

„Eine Menge.“

Die Hintertür führte direkt in die Küche. Corrie ging voran, hängte ihren Stetson an den dafür vorgesehenen Haken und trat ans Waschbecken. „Nimm dir, was du willst. Ich muss erst den gröbsten Schmutz loswerden.“

Sie krempelte den heilen Ärmel auf, versuchte dasselbe mit dem Rest des anderen und drehte den Wasserhahn auf. Dann griff sie nach der Seife und der Nagelbürste, die auf einem Teller neben dem Becken lagen, und begann, ihre Hände zu schrubben.

„Was darf ich dir einschenken?“, fragte Shane. Er hatte den Kühlschrank geöffnet und stand etwas ratlos davor.

„Für mich nur Eiswasser“, antwortete sie, ohne sich ablenken zu lassen. „Aus dem Glaskrug.“

Sie hörte, wie Shane zwei Gläser füllte und die Tür des Kühlschranks wieder zuschnappen ließ. Dann kam er zu ihr und hielt ihr das eine Glas hin.

„Stell es auf die Anrichte, bis ich etwas manierlicher aussehe“, sagte sie und lächelte ihn von der Seite an.

„Für mich siehst du ganz in Ordnung aus“, antwortete er und zwinkerte ihr dabei zu.

Corrie hätte auf das Zwinkern wenig gegeben, aber sie entdeckte einen Ausdruck in Shanes blauen Augen, der neu war und sie verwirrte. Schnell wandte sie sich ab und bearbeitete ihre Fingernägel weiter mit der kleinen, harten Bürste. Nachdem sie ihre Hände abgespült hatte, griff sie noch einmal nach der Seife, wusch sich das Gesicht und drehte dann blind den Hahn zu. Bevor sie nach dem Handtuch tasten konnte, hielt Shane es schon für sie bereit.

„Dein Bruder hat gestern eine Nachricht für dich hinterlassen“, berichtete sie, während sie sich Gesicht und Hände abtrocknete. „Er wollte, dass du ihn anrufst.“ Sie warf das Handtuch beiseite und nahm das Glas von der Anrichte. „Du bist doch inzwischen zu Hause gewesen?“

„Lange genug, um mir die Predigt anzuhören.“

„Welche Predigt?“ Corrie trank ihr Glas in einem Zug aus und hielt es Shane wieder hin. Er füllte es zum zweiten Mal und stellte den Krug dann in den Kühlschrank zurück.

„John ist bereit, mich auch ohne Collegeabschluss in meine ererbten Rechte einzusetzen. Ich soll an seiner Seite über die Merrick-Ranch herrschen.“

Corrie hatte Shanes Gesicht beobachtet, während er das sagte. Sein fröhlicher, jungenhafter Ausdruck war plötzlich verschwunden.

„Ist das nicht ein faires Angebot?“, fragte sie vorsichtig.

Shane zuckte die Schultern. „Die Aufteilung von fünfundvierzig zu fünfundfünfzig Prozent schmeckt mir nicht. Abgesehen davon, dass John immer mehr zu sagen hätte, habe ich nichts getan, um meine fünfundvierzig Prozent zu verdienen. Die Mitherrschaft steht mir also nicht zu. Ich würde mir lieber eine eigene Ranch kaufen, auf der ich allein das Sagen habe.“

Corrie schwieg dazu, aber im Grunde war sie nicht überrascht. Shane hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt, sich einzufügen. Das bewiesen die häufigen Auseinandersetzungen mit seinem Vater und seinem älteren Bruder. Nach dem Tod des alten Jake, kurz bevor Shane aufs College hatte gehen sollen, hatten sich die Streitigkeiten mit John gehäuft. Shanes Entschluss, das College vorzeitig zu verlassen und seinen eigenen Weg zu gehen, hatte dann den endgültigen Bruch herbeigeführt.

Corrie war nicht der Ansicht, dass Shane seinen Erbanteil nicht verdiente. Er war ein Merrick, dem ein Teil der väterlichen Ranch zustand. Bei ihr selbst war es nicht anders. Sie war eine Davis, also stand ihr auch die Davis-Ranch zu.

„Komm mit“, sagte sie. „Drinnen ist es gemütlicher.“

Sie ging von der Küche in den Flur, und Shane folgte ihr. Plötzlich hörte sie ihn lachen.

„Bevor du dich hinsetzt, solltest du wissen, dass du einen handgroßen Ölfleck auf der rechten Pobacke hast“, sagte er.

„Wirklich?“

Corrie blieb stehen, um zu überprüfen, ob Shane die Wahrheit sagte oder sie nur necken wollte.

Anstatt zu antworten, hielt er die Zeitung hoch, die er aus der Küche mitgenommen hatte. „Die kannst du dir unterlegen.“

Corrie ging weiter ins Wohnzimmer und wartete, bis Shane die Zeitung auf dem Polstersessel ausgebreitet hatte, ehe sie sich mit einem Seufzer der Erleichterung hineinfallen ließ und dabei zu ihrer Genugtuung keinen Tropfen aus ihrem frisch gefüllten Glas verschüttete.

Shane setzte sich auf die Fußbank, die zu dem altmodischen Sessel gehörte.

„Jeder andere hätte eben mindestens das halbe Glas verschüttet“, sagte er voller Bewunderung. „Aber du hattest schon immer etwas Elegantes an dir.“

Wieder entdeckte Corrie diesen merkwürdigen Ausdruck in Shanes Augen, und wieder versuchte sie, nicht darauf zu achten.

„Ein Gartentor, das schief in den Angeln hängt, ist eleganter als ich“, widersprach sie und stellte ihr Glas hin.

Shane runzelte die Stirn. „Du hast immer noch nicht gelernt, mit Komplimenten umzugehen“, beschwerte er sich. „Bestimmt weißt du nicht einmal, dass die meisten Männer in dieser Gegend ein Auge auf dich geworfen haben und Unanständiges von dir träumen.“

Corrie erschrak bei diesen Worten und schämte sich fast noch mehr. Die meisten Männer nahmen sie nicht einmal wahr, und es kränkte sie, hintenherum darauf hingewiesen zu werden.

Mit einem verlegenen Lächeln griff sie ungeduldig nach ihrem Zopf und warf ihn nach vorn über die Schulter. Er reichte ihr bis unter die Schulterblätter. Wenn sie ihr dunkles Haar offen trug, berührte es fast ihre Taille.

„Pass auf, was du sagst“, warnte sie Shane und fing an, den Zopf neu zu flechten.

Das war ein Fehler, wie sie gleich darauf feststellte, denn Shane verfolgte jede ihrer Bewegungen mit ernstem, fast feierlichem Gesichtsausdruck. Ein seltsames, völlig ungewohntes Gefühl beschlich sie.

„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen“, sagte sie, „aber würdest du dir vielleicht einen anderen Platz suchen? Ich könnte dann meine Stiefel ausziehen. Die eine Socke drückt mich schon den ganzen Tag.“

Wieder reagierte Shane anders, als Corrie gehofft hatte. Statt der Aufforderung nachzukommen, nahm er ihren rechten Fuß auf den Schoß, zog ihr den Stiefel aus und stellte ihn zur Seite. Die intime Geste kam so überraschend und war so neu zwischen ihnen, dass Corrie nur stumm dasitzen und zusehen konnte.

„Schließlich habe ich dich vom Umziehen und von der Dusche abgehalten“, erklärte Shane mit einem leichten Lächeln, das ihn fast noch anziehender machte. „Das muss ich doch wieder gutmachen.“

Corrie war immer noch zu verwirrt, um zu reagieren. Daher merkte sie nicht gleich, dass Shane ihren rechten Fuß weiter festhielt, während er gleichzeitig nach dem linken griff.

„Es hat dir nie viel ausgemacht, schmutzig zu werden“, sagte er dabei, „aber sobald du zu Hause warst, konntest du nicht schnell genug ins Badezimmer kommen.“

Er nahm auch den linken Fuß auf seinen Schoß, streifte den Stiefel ab und betrachtete beide Füße, die jetzt nebeneinander auf seinem Oberschenkel ruhten. „Soweit ich sehen kann, sitzen beide Socken, wie sie sitzen sollen.“

Sich auf so intime Weise entlarvt zu sehen, erhöhte noch die Peinlichkeit für Corrie, aber sie konnte wenigstens wieder sprechen.

„Gibt es einen Grund dafür, dass du so besorgt um mich bist?“, fragte sie und zog beide Füße zurück, was Shane zu ihrer Erleichterung geschehen ließ.

„Keinen seriösen Grund“, gab er zu. „Ich wollte nur deine Reaktion testen. Hast du dir jemals die Füße massieren lassen?“

„Nein, und ich bin auch nicht begierig darauf.“

Corrie kam sich etwas prüde vor, weil sie den unbedeutenden Vorfall so ernst nahm, aber irgendetwas hatte sich verändert. Bisher war sie für Shane immer ein Kumpel gewesen, eine aus seiner Clique. Natürlich hatte er sie zarter behandelt, aber nie so sehr, dass sie sich als Frau gefühlt hatte. Ihr Geschlecht hatte im Umgang mit ihm einfach keine Rolle gespielt.

Zugegeben, einmal hatte sie sich im falschen Moment umgedreht, als er ihr etwas ins Ohr flüstern wollte. Ihre Lippen hatten sich flüchtig berührt, aber sie waren beide zurückgeschreckt, als hätten sie sich verbrannt. Danach hatten sie sich vor Lachen ausgeschüttet, aber heute war ihr ganz anders zu Mute. Shane konnte zwar noch so lächeln wie früher – so frech, sexy und dabei irgendwie unschuldig –, aber sein Blick hatte sich verändert. Es lag etwas darin, das Corrie ängstigte und gleichzeitig ungeheuer neugierig machte.

„Du bist immer noch unschuldig, nicht wahr?“, fragte er jetzt mit ebenfalls veränderter Stimme. „Du ahnst nicht, wie selten und kostbar das für jemanden ist, der aus der großen weiten Welt kommt.“

Corrie wusste nicht genau, was sie darauf erwidern sollte. Sie wurde überhaupt nicht mehr schlau aus diesem neuen Shane Merrick. Er schien das zu merken und spaßig zu finden, denn er begann plötzlich zu lachen, beugte sich vor, um mit einer Locke ihres Haars zu spielen, und stand dann unvermittelt auf.

„Ab mit dir unter die Dusche, Darling. Ich muss weiter, aber ich rufe dich später an. Okay?“

Darling!

Corrie war zu überwältigt, um auch nur die kleinste Bewegung zu machen. Sie konnte Shane nur erstaunt ansehen. „Okay!“, piepste sie schließlich, und es klang, als hätte sie plötzlich die Stimme verloren.

Sie sah zu, wie Shane das Zimmer verließ und durch den Flur zur Haustür ging. Erst als er verschwunden war, richtete sie sich halb auf, wobei ihr Blick auf die leere Fußbank fiel.

Tiefe Verwirrung erfasste Corrie, und zum ersten Mal in ihrem Leben empfand sie das ganze Ausmaß ihrer Unerfahrenheit. Über ihre Arbeit, über den Gang der Geschäfte und sogar über Politik konnte sie sich mit jedem Mann unterhalten, aber sobald es um die Beziehung der Geschlechter ging, war sie hilflos. Sie wusste, dass Männer Frauen umwarben. Sie wusste auch, wie Sex funktionierte, aber wie sich das alles mit einem normalen Leben verbinden ließ, war ihr schleierhaft.

Oder genauer gesagt … mit ihrem Leben. Die Jungen, mit denen sie aufgewachsen war, hatten nichts dabei gefunden, in der Schule oder auf der Ranch mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie war keine Drückebergerin, das hatte den Jungen imponiert, und sie zierte sich auch nicht, wenn es um die Arbeit mit dem Vieh ging.

In der Schule war ihr regelmäßig die Aufgabe zugefallen, zwischen Jungen und Mädchen zu vermitteln. Vielleicht, weil sie in allen Fächern gute Noten hatte, vielleicht auch, weil sie sich niemals verliebte und daher alle Jungen von ihrer Freundschaft profitierten.

Nur wenn es um Schulfeste, irgendwelche Tanzveranstaltungen oder heimliche Verabredungen ging, ließ man sie links liegen und zog die Mädchen aus der Stadt vor. Mädchen, die sich schminkten und mit den Wimpern klimperten. Mädchen, die Strumpfhosen, kurze Blusen und Röcke trugen, bei denen möglichst viel Bauch und Schenkel hervorblitzte. Mädchen, die offenbar von Geburt an wussten, wie man einen Jungen um den Finger wickelte. Aber nicht ein Mädchen wie sie, das Lasso werfen und reiten konnte, das beim „Drücken“ Siegerin blieb, beim Angeln den richtigen Köder anbrachte und sogar mit auf die Jagd ging.

Solange Corrie in John Merrick verliebt war, hatte sie diesen Mädchen nachgeeifert. Einige von ihnen waren nicht mal hübsch, aber sie glichen das mit Lidschatten und anderen Tricks, die sie sich aus Zeitschriften zusammensuchten, aus. Corries Fehler war es gewesen, sich dasselbe zuzutrauen – in der blinden Hoffnung auf denselben Erfolg.

Während sie jetzt wieder an diese Zeit dachte, wurde ihr klar, wie eintönig ihr Leben war und wie sehr sie manchmal unter der Einsamkeit litt. Sie war während der letzten Monate öfter in die Stadt gefahren, um verheiratete Schulfreundinnen zu besuchen. Sie hatte sich eingeredet, dass man mit vierundzwanzig keineswegs eine alte Jungfer war, aber das alles hatte nichts an ihrer trüben Stimmung geändert.

Jetzt war Shane Merrick wieder da und … flirtete mit ihr. Tat er das wirklich? Sie glaubte, sich nicht zu irren, und das gab ihrem Leben einen ganz neuen Reiz.

Corrie sah nachdenklich vor sich hin. Wie auch immer, ihr Leben hatte sich in den letzten zehn Minuten entscheidend verändert. Es war interessanter geworden. Morgen würde sie vielleicht schon nicht mehr so empfinden, aber heute …

Heute war der eintönige Rhythmus, der immer gleiche Tagesablauf unterbrochen worden. Corries Niedergeschlagenheit war verflogen, obwohl sie der Ursache dafür nicht recht traute. Sie war sich nicht einmal sicher, ob es diese Ursache wirklich gab, aber sie verspürte zum ersten Mal eine echte Veränderung in ihrem rauen, alltäglichen Leben. Ein Hauch von Romantik war hineingekommen, eine leise Ahnung, dass es auch für Corina Jean Davis so etwas wie Gefühle gab.

Die Chance, sich ein bisschen zu verlieben und auch ein bisschen wiedergeliebt zu werden, vielleicht war sie gar nicht so unmöglich. Vielleicht war sie doch kein halber Junge und daher von der Liebe ausgeschlossen. Vielleicht steckte in Corina Jean, die sich Corrie nannte, doch eine ganze Frau, die sogar heiraten und Kinder haben konnte. Vielleicht …

Als Corrie endlich geduscht und gegessen hatte und versuchte, sich auf die Schreibtischarbeit zu konzentrieren, wusste sie nicht mehr genau, auf wen sie hören sollte – auf ihren gesunden Menschenverstand oder auf ihre schwärmerische Seele, die ihr verlockende Bilder vorgaukelte.

Am Ende siegte, wie immer, der gesunde Menschenverstand.

2. KAPITEL

Es fiel John Merrick schwer, sich Corrie Davis als Femme fatale vorzustellen. Er verstand immer noch nicht, was sein kleiner Bruder vor Jahren in ihr gesehen hatte – besonders nicht, wenn er Corrie mit den hübschen und erfahrenen Mädchen verglich, die Shane in der Oberschule umworben hatten.

Und nicht nur in der Oberschule, wenn John an die vielen Verehrerinnen dachte, die Shane von einem Rodeo zum nächsten folgten. Zwei besonders hartnäckige Fans hatten bereits auf der Ranch angerufen und Nachrichten für ihn hinterlassen. Ein dritter Anruf war gekommen, als Shane sich gerade auf den Weg zur Davis-Ranch gemacht hatte.

John nahm jedenfalls an, dass die Davis-Ranch Shanes Ziel war. Warum hatte er sich sonst so herausgeputzt? Seine ehemaligen Freundinnen waren entweder verheiratet oder weggezogen, also blieb nur Corrie übrig. Shane hatte sie am Tag zuvor schon nach wenigen Minuten erwähnt. Das konnte als zusätzlicher Beweis gelten, denn ein anderer Name war nicht gefallen.

Corrie Davis hatte Shane vor Jahren schon einmal ermutigt. Er, John, konnte nicht wissen, ob sie ihren Einfluss auch während Shanes Rodeojahren weiter ausgeübt hatte, aber dass sie ihm gefährlich werden konnte, war unbestreitbar. Es lohnte sich, darüber nachzudenken.

Corrie war auf einer kleinen Ranch aufgewachsen, hatte sie nach dem Tod ihres Vaters übernommen und erhielt den Betrieb aufrecht. Natürlich nur, so gut es eben ging. Von den Aufgaben und Problemen, die auf einer großen Ranch wie der Merrick-Ranch zu bewältigen waren, hatte sie keine Ahnung. Ganz zu schweigen von den anderen geschäftlichen Interessen der Merricks, die ihr bestimmt ein Buch mit sieben Siegeln waren.

Shane war immer noch rebellisch genug, um nach irgendeiner Seite auszubrechen. Deshalb weigerte er sich so hartnäckig, endgültig auf die Merrick-Ranch zurückzukehren. Dass Corrie ihr eigener Boss war, imponierte ihm natürlich. Ihr Beispiel einer erfolgreichen – wenn auch bescheiden erfolgreichen – Rancherin musste Shanes Drang nach Unabhängigkeit bestärken und seinen Verdacht nähren, dass er als Teilhaber seines älteren Bruders niemals selbstständig sein würde.

Ehrlicherweise musste John zugeben, dass er sich wahrscheinlich auch dagegen gewehrt hätte, die zweite Geige zu spielen und von einem älteren Bruder abhängig zu sein, der immer das letzte Wort hatte. Vielleicht hätte er ebenso nach Freiheit gestrebt und den Wunsch gehabt, etwas Eigenes zu schaffen, das nicht mit ererbtem Geld erworben war.

Doch John fühlte sich seinem Vater und Generationen von Merricks verpflichtet, Shane wieder in den Schoß der Familie zurückzuholen. Verpflichtungen gegenüber der Familie waren nicht einfach vorhanden oder nicht vorhanden. Sie galten für jeden, und es wurde allmählich Zeit, dass Shane sich daran erinnerte und seinen Platz in der Familie einnahm.

Jake Merrick hatte in Shanes Streben nach Glanz und Ruhm eines Rodeohelden einen Charakterfehler gesehen. John selbst hatte nicht so streng geurteilt, aber doch gehofft, dass Shane seinen Vater nicht enttäuschen und dessen Erwartungen am Ende erfüllen würde. Das hoffte er immer noch, obwohl der alte Jake inzwischen nicht mehr da war.

Autor

Susan Fox
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