Gefährliche Geheimnisse einer Lady

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Sie wirkt wie eine echte Lady. Insgeheim aber nutzt Marianne ihre Schönheit und ihren Charme, um für eine Diebesbande günstige Gelegenheiten in Londons feiner Gesellschaft auszukundschaften. Dumm nur, dass ausgerechnet der atemberaubend attraktive Justin, Lord Lambeth sie beim Schnüffeln ertappt. Zwar verzichtet er darauf, sie anzuschwärzen allerdings folgt ihr fortan der misstrauische Blick seiner betörend blauen Augen überall hin. Obwohl Marianne sich heftig zu ihrem Bewacher hingezogen fühlt, versucht sie alles, um ihn abzuschütteln. Doch als ein mysteriöser Schatten aus ihrer Vergangenheit sie bedroht, ist Justin der Einzige, den sie um Hilfe bitten kann …


  • Erscheinungstag 07.11.2014
  • Bandnummer 75
  • ISBN / Artikelnummer 9783733760946
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Schläfrig hob das kleine Mädchen den Kopf und sah den Mann an, der ihm in der Kutsche gegenübersaß. Die Kleine blinzelte ein wenig verwirrt, doch dann verfinsterte sich ihre Miene.

„Du bist ein böser Mann.“

Der Angesprochene warf ihr einen kurzen Blick zu und seufzte. „Sei ruhig. Wir sind fast da.“

Sein Gesicht war im Zwielicht kaum auszumachen. Er war knochig und dünn und rutschte ununterbrochen ruhelos auf seinem Sitz herum. Marie Anne dachte an ihr Kindermädchen Amélie, die ihn mit Sicherheit zurechtgewiesen hätte, er solle still sitzen, wenn sie jetzt hier gewesen wäre.

„Ich will nach Hause“, klagte sie. Sie war vollkommen durcheinander. Seit Wochen schon war nichts mehr wie sonst. Sie vermisste John und ihre kleine Schwester. Aber am meisten vermisste sie Mama und Papa. Sie dachte an die Nacht, in der ihre Mutter sie zur Tür hinausgeschoben hatte und mit ihr eine dunkle, unheimliche Straße entlanggeeilt war. Sie hatte noch den Duft von Mamas Parfüm in der Nase und hörte sie sagen „Pass auf dich auf, ma chérie“. Mama hatte geweint, während sie Marie Anne fest an sich gedrückt hielt. Marie Anne hatte genau gewusst, dass die bösen Männer auf der Straße Mama zum Weinen gebracht hatten.

„Ich will bei dir bleiben!“, hatte Marie Anne geschrien und sich fest an ihre Mutter geklammert. Daraufhin hatte auch ihre kleine Schwester zu weinen angefangen und so sehr gestrampelt, dass es ihr beinahe gelungen war, sich aus den Armen von Mrs Ward herauszuwinden und zurück zu ihrer Mutter zu gelangen. Nur John hatte sich nicht gerührt.

Chérie, wenn ich dir nur erklären könnte, was geschehen ist – ich wünschte, dass wir zusammenbleiben könnten, aber das geht nicht, du bist in Gefahr.“ Ihre wunderschöne Mutter hatte sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt und versucht zu lächeln. „Du musst nach Hause, nach England. Zu deiner Mimi. Es wird dir dort bestimmt gefallen. Mrs Ward bringt euch hin. Du kennst doch Mrs Ward. Sie ist Mamas Freundin und wird gut auf euch aufpassen. Sie sorgt dafür, dass ihr in London zu Mimis Haus findet. Papa und ich müssen hierbleiben und Großmutter und Großvater dazu überreden, das Land auch zu verlassen. Aber sobald wir das geschafft haben, kommen wir nach. Wir sehen uns alle bei Mimi wieder.“

„Versprochen?“

„Versprochen, meine liebe Kleine, versprochen.“

„Wo ist Mama?“, fragte Marie Anne ihren Begleiter jetzt und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Du hast gesagt, du bringst mich zu Mama.“ Sie hatte geweint und nach ihm getreten, als er sie früher am Abend plötzlich aus ihrem Bett gerissen und fortgetragen hatte. Schließlich hatte er gesagt, sie solle sich beruhigen, er werde sie zu ihrer Mutter bringen.

„Wir sind gleich da“, wiederholte der Mann, während er aus dem Fenster sah.

Marie Anne sah ebenfalls hinaus und versuchte zu erkennen, wo sie sich befanden. Sie fuhren auf ein großes Haus zu. Doch was da vor ihnen lag, war nicht ihr Zuhause und auch nicht Mimis großes Landhaus oder ihr weißes Haus in der Stadt. Es war ein riesengroßer, kompakter Block aus grauem Mauerwerk, Mama würde sich niemals an einem so hässlichen Ort aufhalten. Tränen traten Marie Anne in die Augen.

„Das ist nicht Mimis Haus.“ Mamas Pariser Freundin Mrs Ward hatte sie zu ihr gebracht, und Marie Anne hatte sich sogar darauf gefreut, bei ihrer geliebten Großmutter zu sein. Doch dann hatten sie Mimi gar nicht zu Gesicht bekommen und waren von der Frau in ein anderes Haus gebracht worden, wo der fürchterliche Mann auf sie gewartet hatte. Sie hatte ihn schon einmal gesehen, aber er gehörte nicht zu den Erwachsenen, die mit Kindern sprachen, deshalb war sie sich nicht sicher, wer er war.

Dann hatte die Frau ihr etwas zum Einnehmen gegeben und auch versucht, John etwas davon einzuflößen, doch der hatte sich vehement erbrochen. Sie hatte die Geschwister ohne Aufsicht in einem Zimmer eingeschlossen, wo John sich schwitzend und zitternd auf dem Bett hin und her gewälzt hatte. Marie Anne war bei seinem Anblick angst und bange geworden; sie hatte nicht gewusst, was sie tun sollte, ohne den Beistand der Erwachsenen. Doch jetzt, da sie von John getrennt war, hatte sie noch mehr Angst. Sie fuhr ganz allein mit einem Fremden durch die dunkle Nacht. Warum hatte Mrs Ward sie mit der Frau allein gelassen? Warum hatte sie ihre kleine Schwester mitgenommen, aber weder John noch Marie Anne? Wo war Mimi?

Sie fing an zu weinen, obwohl sie den seltsamen Fremden eigentlich nicht merken lassen wollte, wie sehr sie sich fürchtete. „Ich will zu Mimi“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich will zu Amélie, ich will zu Mama!“

„Ja, ja, später“, erwiderte der Fremde ungeduldig. Er wartete nicht einmal ab, bis die Kutsche angehalten hatte, ehe er die Tür aufmachte und hinaussprang. Er griff nach Marie Anne, aber sie wich ihm aus. Ihr Herz begann zu rasen. Draußen ragte das hässliche Haus bedrohlich in den Nachthimmel, dort wollte sie ganz sicher nicht hinein.

„Nein. Nein!“ Ihre Stimme ging in ein schrilles Kreischen über, als er sie schließlich zu fassen bekam und aus der Kutsche zog.

Sie schrie wie am Spieß und wand sich, sosehr sie konnte. „Mama! Papa!“

Doch der Mann hatte kein Erbarmen mit ihr, er schleifte sie die Stufen zur Eingangstür hinauf und betätigte den schweren Türklopfer. Es dauerte eine ganze Weile, bis ein mürrisches Dienstmädchen die Tür öffnete, und dann noch einige Zeit, ehe eine große, missmutig dreinblickende Frau in Morgenmantel und Nachthaube am Eingang erschien.

Bei ihrem Anblick erstarb Marie Annes Schluchzen. Sie starrte die Frau an, dabei wurde ihr eiskalt im Magen. Die Frau war hochgewachsen und kräftig, sie hatte keinen Funken der Schönheit und Anmut, die Marie Annes Mutter und Großmütter auszeichneten. Die Augen dieser Frau waren blass und kalt wie Metall, ihr Gesicht war grimmig, ihre Nase ragte wie der Schnabel eines Raubvogels daraus hervor. Sie blickte durch Marie Anne hindurch, und ihr war, als könnte die Frau dabei jede einzelne kleine Ungehorsamkeit sehen, die sie je begangen hatte.

„Ich habe sie von der Straße aufgelesen“, sagte der Mann. „Sie stand am Rinnstein, jemand muss sie dort zurückgelassen haben. Ich wusste nicht, was ich mit ihr machen sollte.“

Bei diesen Worten brach Marie Anne in wütenden Protest aus „Das ist gelogen! Ich bin nicht allein auf der Straße herumgelaufen!“

Als die Frau in die Hände klatschte, gab es einen so lauten Knall, dass sowohl Marie Anne als auch der Mann vor Schreck zusammenzuckten. „Das reicht!“ Ihre Worte hatten die Wirkung eines Peitschenhiebs. „Was fällt dir ein, einer Autoritätsperson ins Wort zu fallen, Mädchen! Wir werden dich hier schon lehren, dass du nur zu reden hast, wenn man dich fragt, und dass du Erwachsenen nicht zu widersprechen hast.“

Beim Tonfall der Frau schlug Marie Anne das Herz bis zum Hals, aber sie straffte die Schultern und hob den Kopf. So leicht ließ sie sich nicht unterkriegen. Sie dachte daran, wie ihr Vater über ihren Kampfgeist geschmunzelt und sie seinen kleinen Tiger genannt hatte.

„Aber ich bin nicht allein auf der Straße herumgelaufen“, wiederholte sie.

Die Frau runzelte die Stirn. „Ich sehe schon, dass du ganz schön widerborstig bist. Rotschöpfe wie du machen immer Ärger.“

„Sie wird sich schon beruhigen“, sagte der Mann schnell und mit einem leichten Anflug von Furcht in der Stimme. „Wenn sie eine Weile hier ist, wird sie sich schon eingewöhnen.“

„Machen Sie sich keine Sorgen, Sir“, meinte die Frau mit der Andeutung eines spöttischen Lächelns. Sie bedachte ihn mit dem gleichen Blick, mit dem sie vorher Marie Anne gemustert hatte, so als wüsste sie genau, was in seinem Kopf vorging. „Ich nehme sie auf. Ich lasse doch kein Kind auf der Straße stehen, nur weil es keine Manieren hat. Wir werden ihr die Flausen schon austreiben.“ Bei diesen Worten leuchteten die Augen der Frau voller Vorfreude.

Erleichtert seufzte der Mann auf und ließ Marie Anne los. „Ich danke Ihnen.“

Er drehte sich um und eilte zur Kutsche. Obwohl das Mädchen ihn nicht leiden konnte, hatte sie Angst davor, dass er wegging. Es war immer noch besser, bei ihm zu sein als bei der Frau mit dem strengen Gesicht.

„Nein! Warte!“, rief Marie Anne und wollte ihm nachlaufen, doch die Frau hatte sie bereits am Kleid gepackt und hielt sie fest.

„Stopp! Hör sofort auf!“ Mit diesen Worten versetzte die Frau ihr einen scharfen Schlag auf die Rückseite der nackten Beine.

Marie Anne, die in ihrem ganzen Leben noch niemals geschlagen worden war, fuhr vor Schreck herum und blickte die Frau mit offenem Mund an. Die Kutsche mit dem Mann darin verschwand.

„So ist es schon besser.“ Die Frau nickte zustimmend. „Hier in St. Anselm wissen Kinder, was sich gehört, das wirst du bald merken. Hier haben Kinder still und folgsam zu sein. Also …“ Die Frau betrachtete sie, offenbar zufrieden damit, wie schnell sie dieses unmögliche Mädchen zur Räson gebracht hatte. „Wie alt bist du?“

„Fünf“, antwortete Marie Anne prompt, voller Stolz darauf, wie groß sie schon war.

„Und wie heißt du?“

„Marie Anne.“

„Das ist ja wohl kaum ein Name für ein Mädchen wie dich. Du bist zweifelsohne das Ergebnis einer außerehelichen Liaison des Gentlemans, der dich hergebracht hat. Wir werden dich einfach Mary nennen, das reicht ja wohl. Hast du auch einen Nachnamen?“

Marie Anne starrte sie beklommen an. „Ich … ich weiß nicht so genau. Ich bin einfach nur Marie Anne.“

„Hast du einen Vater?“

„Natürlich!“, entgegnete Marie Anne entrüstet. „Und er wird kommen und mich abholen! Und dann wird es dir leidtun!“

„Ja sicher“, sagte die Frau trocken. „Wir haben hier jede Menge Kinder, die auf ihren Vater warten. In der Zwischenzeit brauchen wir allerdings einen Namen für dich. Also, wie nennen andere Leute deinen Vater?“

„Chilton“, antwortete sie.

„In Ordnung. Mary Chilton. So heißt du also. Ich bin Mrs Brown. Ich bin die Hausmutter von St. Anselm.“

„Aber so heiße ich überhaupt nicht“, rief Marie Anne energisch.

„Jetzt heißt du so. Keine Widerrede. Habe ich dir nicht eben schon gesagt, dass ich ein solches Benehmen nicht akzeptieren werde?“

„Aber Sie haben unrecht!“

Mrs Brown holte zu einer scharfen Ohrfeige aus und schlug zu. „So redest du nicht mit mir. Ist das klar?“

Marie Anne nickte zaghaft, während sie sich mit der Hand die schmerzende Wange rieb. Noch nie hatte irgendjemand sie so behandelt. Selbst in den schrecklichen Wochen, die hinter ihr lagen, während sie mit Mrs Ward und John und der kleinen Schwester über Land hatte fahren müssen, immer auf der Flucht vor den bösen Leuten, und sie hatten vorgeben müssen, sie seien die Kinder von Mrs Ward, hatte niemand die Hand gegen sie erhoben oder auch nur in einem solchen Ton mit ihr gesprochen. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, sie konnte sie gerade noch zurückhalten. Ihre aristokratische Erziehung ließ sie nicht im Stich, sodass es ihr gelang, sich aufzurichten und die Frau scheinbar ruhig anzusehen. Mama hätte ihr Gegenüber bestimmt als gewöhnlich bezeichnet. Papa wiederum hätte gesagt, ihr Benehmen zeuge von schlechter Erziehung. Marie Anne hielt sich an diesen Worten fest, in ihrem Kopf hallten dabei die Stimmen ihrer Eltern wider.

„Antworte mir, wenn ich dir eine Frage stelle“, herrschte Mrs Brown sie an.

„Ja, Mrs Brown“, gab Marie Anne pflichtschuldig zurück, aber mit fester Stimme.

Die Frau musterte sie prüfend, konnte aber nicht genau bestimmen, was ihr am Tonfall des Mädchens nicht gefiel. Endlich wandte sie sich um und sagte barsch: „Komm mit.“

Sie führte sie die Treppen hinauf und einen spärlich erleuchteten Korridor entlang. Das Licht der wenigen Kerzen flackerte und warf seltsame Schatten an die Wände. Furcht stieg in Marie Anne auf, doch sie drängte sie zurück, so gut sie konnte. Dabei half es ihr, sich an die Stimme ihrer Großmutter zu erinnern, als sie einmal zu ihr gerannt war, weil John und die anderen Jungen ihr mit Gruselgeschichten Angst eingejagt hatten: „Haltung, mein Mädchen. Zeig ihnen nie, dass du Angst hast. Genau das wollen sie doch erreichen.“

Mrs Brown blieb vor einem Schrank stehen, öffnete ihn und nahm eine dünne Decke und ein zusammengefaltetes braunes Kleid heraus. Anschließend legte sie einen weißen Unterrock auf den Stapel, der von vielen Wäschen fadenscheinig und grau geworden war, ein Paar grob gestrickte Strümpfe, die an mehreren Stellen geflickt waren, und ein riesengroßes Nachthemd. Sie drückte Marie Anne den Kleiderstapel in die Hand.

„Hier ist etwas zum Anziehen und eine Bettdecke.“

Marie Anne betrachtete das hässliche braune Kleid ungläubig. „Aber ich habe etwas zum Anziehen. Mein eigenes Kleid mag ich lieber.“

Die ältere Frau betrachtete Marie Annes Aufzug verächtlich. „Dein Kleid ist vollkommen unangemessen für deinen Stand. Du bist jetzt in St. Anselm, und du wirst das Kleid anziehen, das ich dir gegeben habe.“

Eingedenk der Ohrfeige beschloss Marie Anne, keinen neuen Streit zu provozieren. Wortlos umfasste sie den Stapel Kleider und folgte Mrs Brown durch die Tür gleich neben dem Schrank.

Hinter dieser Tür befand sich ein langgestreckter Schlafsaal, in dem an beiden Wänden Betten aufgereiht waren. Neben jedem Bett stand eine kleine Kommode mit drei Schubladen. In jedem der Betten lag ein Mädchen. Marie Anne hatte noch nie zuvor gesehen, dass so viele Menschen in ein und demselben Raum schliefen. Sollte sie etwa auch noch hier schlafen, mit all den anderen Kindern? Wo war ihr Zimmer? Wehmütig dachte sie an ihr Kinderzimmer zu Hause, wo sie ihr eigenes Reich hatte und wo John, die kleine Schwester und Amélie ihre eigenen Zimmer hatten, hinter ihrem Unterrichtsraum.

Einige der Mädchen schliefen fest, aber die meisten von ihnen waren aufgewacht, als Mrs Brown den Saal betreten hatte. Im Licht der Kerze konnte Marie Anne die vielen Augenpaare erkennen, die sie unter den Bettdecken heraus beobachteten. Mrs Brown sah Marie Anne an und deutete auf ein leeres Bett.

„Ich möchte, dass du jetzt dein Nachthemd anziehst und schlafen gehst. Morgen stelle ich dich den anderen Mädchen vor und mache dich mit deinen Pflichten vertraut.“

„Pflichten?“

„Natürlich. Wer essen will, muss auch arbeiten. So läuft das hier.“ Mit diesen Worten machte die Frau auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür.

„Aber hier ist kein Licht“, sagte Marie Anne. Bei dem Gedanken, im Dunklen allein zurückgelassen zu werden, bebte ihre Stimme vor Angst. „Wie soll ich mich umziehen, wenn ich nichts sehen kann?“

„Durch die Fenster kommt genügend Licht herein“, erklärte die Hausmutter über die Schulter hinweg und nickte dabei in Richtung der hohen Fenster zu beiden Seiten des Saals, die keine Vorhänge hatten. „Kinder dürfen hier keine Kerzen verschwenden.“

Ohne weitere Worte verließ sie mit großen Schritten den Schlafsaal. Marie Anne sah dem flackernden Licht der Kerze nach, das langsam in der Dunkelheit verschwand. Erneut traten ihr die Tränen in die Augen, und ihre Unterlippe fing an zu zittern, sosehr sie sich auch bemühte, das Weinen zu unterdrücken. Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt, nicht einmal in der Nacht, als ihre Mutter sie Mrs Ward übergeben und schluchzend zur Tür hinausgestürzt war. Damals waren zumindest John und Alexandra bei ihr gewesen, und sie hatte Mrs Ward gekannt, die freundlich und sanftmütig war. Aber jetzt – jetzt war sie ganz allein und verlassen.

Plötzlich griff eine kleine Hand nach der ihren, und eine sanfte Stimme flüsterte leise: „Schon gut, weine doch nicht. Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.“

Marie Anne blickte sich nach dem Mädchen um, das ungefähr genauso groß war wie sie, aber dessen Gesicht verriet, dass es schon viel älter war. Sie sah sie neugierig an, während ihre Tränen langsam versiegten. Sie wischte sich mit der Hand über die Augen und sagte: „Hallo. Wer bist du?“

„Ich heiße Winny“, antwortete das Mädchen mit einem schüchternen Lächeln. „Ich bin acht. Und wer bist du?“

„Marie Anne. Aber die Frau hat gesagt, ab jetzt heiße ich Mary.“

Das kleine Mädchen nickte. „Sie mag einfache Namen. Wie alt bist du? Wollen wir Freundinnen sein?“

„Jetzt bilde dir bloß nichts sein, Winny.“ Das kam mit rauer Stimme aus dem Bett neben ihnen und stammte von einem älteren Mädchen, das sich nun aufsetzte und Marie Anne von oben bis unten musterte. Sie hatte krause dunkle Haare, die zu Zöpfen geflochten waren, und ein rundes Gesicht voller Sommersprossen. Sie blickte kampflustig drein. „Wer will schon mit dir befreundet sein?“

„Ich zum Beispiel“, meinte Marie Anne tapfer. „Winny scheint sehr nett zu sein.“

„Winny scheint sehr nett zu sein“, äffte das andere Mädchen mit hoher Stimme Marie Anne nach. „Wer bist du denn? Eine verdammte Prinzessin?“

Marie Anne reckte das Kinn. „Nein, aber eines Tages werde ich eine Duchess sein, wenn ich will, hat Mimi gesagt.“

„Eine Duchess!“ Das andere Mädchen konnte sich vor Lachen kaum mehr halten. Sie schlug sich auf die Schenkel. „Hey, schaut mal alle her, wir haben eine verdammte Duchess hier.“

Marie Anne sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Du solltest solche Wörter nicht benutzen. Amélie sagt, das macht man nicht, weil es unfein ist. Außerdem bin ich jetzt noch gar keine Duchess. Aber ich werde eine, wenn ich will. Mimi hat gesagt, ich kann, und sie ist eine Countess!“

„Die Duchess of St. Anselm“, rief das Mädchen und lachte dabei noch immer.

„Kümmere dich nicht um sie“, flüsterte Winny. „Betty kann niemanden leiden. Ich finde, du siehst aus wie eine Duchess.“ Bewundernd befühlte sie den Stoff von Marie Annes Kleid. „Aber es ist besser, wenn du jetzt dein Nachthemd anziehst. Miss Patman macht gleich ihre Runde. Sie kommt einmal in der Stunde zur Kontrolle, und wenn du dann nicht im Bett bist, bestraft sie dich.“

Marie Anne seufzte. Sie wollte das kratzige Nachthemd nicht anziehen, aber sie war unglaublich müde. Und vielleicht wurde ja alles wieder gut, wenn sie jetzt einschlief. Vielleicht wachte sie morgen früh in ihrem Kinderzimmer auf und war wieder bei John und ihrer kleinen Schwester, und Amélie kam herein, um sie mit ihrem fröhlichen Guten Morgen und einer Tasse heißer Schokolade zu wecken.

Winny half ihr dabei, ihr Kleid aufzuknöpfen, dann zog Marie Anne es über den Kopf und griff nach dem Nachthemd.

„Moment, was ist das denn?“ Betty hatte ihr die ganze Zeit zugesehen, und jetzt fasste sie nach dem Medaillon, das an einer Kette um Marie Annes Hals hing.

Marie Anne machte schnell einen Schritt zurück und hielt dabei das Medaillon mit der Hand fest. Sie hatte es letzte Weihnachten von Mimi geschenkt bekommen. Es war aus Gold, und wenn man es aufklappte, sah man ein winziges, aber ganz exaktes Porträt ihrer Mutter auf der einen und ihres Vaters auf der anderen Seite. Auf dem Deckel war ein reich verziertes, verschnörkeltes M für Marie eingraviert. Ihre kleine Schwester hatte genauso eines bekommen, mit einem A für Alexandra auf dem Deckel. Natürlich war sie noch zu klein, um es zu tragen, aber Marie Anne hatte ihres sofort umgelegt und nahm es nie ab.

„Gib es mir“, verlangte Betty. Dabei stand sie auf und kam um das Bett herum auf sie zu.

„Nein! Es gehört mir! Mimi hat es mir geschenkt.“

Betty lachte böse. „Jetzt gehört es mir.“

Sie streckte den Arm aus und packte Marie Annes kleine Hand so heftig, dass die Kette schmerzhaft in Marie Annes Hals einschnitt. In diesem Augenblick explodierte die ganze Wut und die ganze Angst der letzten Wochen in Marie Anne. Sie stieß einen lauten Schrei aus und biss, so fest sie konnte, in die Hand des anderen Mädchens.

Betty zog erschrocken die Hand zurück und jaulte dabei laut auf. Die andere Hand ballte sie zur Faust und wollte ihrer Gegnerin einen Hieb verpassen, aber Marie Anne warf sich wie eine Wilde auf sie, schlug nach ihr, trat und biss. Schließlich kam das älteste Mädchen im Saal lachend zu den beiden herüber, trennte Marie Anne von der Angreiferin und stellte sie auf ihre Füße. Betty sank auf den Boden. Sie krümmte sich und versuchte, gleichzeitig ihre verletzte Hand und ihre blutige Nase zu schützen. Sie rang nach Luft, denn Marie Anne hatte ihr einen heftigen Schlag in die Magengrube versetzt.

„Ich glaube, du hast endlich jemanden gefunden, der es mit dir aufnehmen kann, Bet“, sagte das große Mädchen belustigt. Sie verbeugte sich spöttisch vor dem kleineren Mädchen, das neben ihr stand, noch immer ganz starr vor Wut. „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Duchess, mein Name ist Sally Gravers.“

„Vielen Dank, es freut mich ebenfalls sehr“, erwiderte Marie Anne und machte einen kleinen Knicks, so wie Amélie es ihr beigebracht hatte, falls sie Erwachsenen begegnete. Sally Gravers war zwar noch nicht erwachsen, aber es sah ganz so aus, als wäre sie die wichtigste Person im Raum, deshalb erschien die Geste Marie Anne angemessen.

Das ältere Mädchen grinste noch immer „Du bist in Ordnung.“ Sie sah Betty eindringlich an. „Lass sie jetzt in Ruhe, hast du gehört? Die Kette gehört ihr.“

„Schon gut, Sally“, sagte Betty mürrisch.

„Dann ist ja alles gut. Lasst uns weiterschlafen“, fuhr Sally fort. „Ich habe jedenfalls keine Lust, morgen um fünf aufzustehen und die Fußböden zu schrubben, ohne dass ich ordentlich geschlafen habe.“

Marie Anne starrte das ältere Mädchen mit offenem Mund an, sie traute ihren Ohren nicht. War sie jetzt auch noch ein Dienstmädchen geworden? Es hätte sie nicht gewundert, so sehr wie die Welt in den letzten Wochen aus den Fugen geraten war. Sie schlüpfte in ihr Nachthemd. Das Medaillon steckte sie zum Schutz, so tief sie konnte, in den Kragen hinein.

Winny, die noch immer neben ihr stand, flüsterte: „Sie wird jetzt nicht noch einmal versuchen, es dir abzuknöpfen – dazu hat sie zu viel Angst vor Sally. Aber die Hausmutter wird es dir wegnehmen, wenn sie es sieht. Sie wird sagen, es steht dir nicht zu. Ich habe ein Versteck, das hat noch niemand gefunden. Ich zeige es dir morgen, dann kannst du es dort verstecken.“

Marie Anne nickte dankbar, während Winny und sie ihre Decken auf den schmalen Matratzen ausbreiteten. Dann kroch sie ins Bett, das neben dem von Winny stand. Dabei dachte sie wehmütig an ihre weiche Matratze zu Hause und an die vielen warmen Decken, mit denen Amélie sie abends immer zudeckte. Schließlich dachte sie auch an ihre Mutter, die jeden Abend noch einmal zu ihr kam, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Manchmal hatte sie dabei schon ihre Abendkleider an, dann bauschten sich ihre eleganten Röcke aus Brokat unter der schmalen Taille, ihr Haar war schon gepudert und hochgesteckt und mit Federn oder Edelsteinen geschmückt. An anderen Tagen trug sie noch ihren Hausmantel, ihre dicken schwarzen Locken lagen dann wie eine dunkle Wolke um ihre Schultern. Immer aber beugte sie sich zu Marie Anne hinunter und sagte, dass sie sie lieb habe. Marie Anne meinte, ihren Duft nach Haarpuder und Parfüm riechen zu können.

Schon wieder schossen ihr Tränen in die Augen, und sie zog das Medaillon unter dem Nachthemd hervor und ballte die Faust fest darum. Warum war Mama nicht gekommen, um sie zu holen? Sie hatte versprochen, dass Papa und sie zu ihnen kommen würden, so schnell sie konnten. Ein trostloses Gefühl der Einsamkeit stieg in Marie Anne auf, als eine kleine gemeine Stimme ihr zuflüsterte, dass Mama und Papa nichts mehr von ihr wissen wollten.

Aber das war nicht wahr! Marie Anne stemmte sich gegen die Welle von Furcht. Sie wusste, dass ihre Mutter und ihr Vater sie lieb hatten. Sie würden kommen und sie von hier wegbringen, und sie würden auch ihre kleine Schwester zurückholen und John – und John würde wieder gesund werden. Sie musste nur durchhalten, bis sie eines Tages kamen, um sie zu holen. Eines Tages würde ihre Familie sie wiederfinden, und dann würden sie alle für immer glücklich sein …

1. KAPITEL

Marianne atmete tief durch und betrachtete die prächtige bunte Menge. Sie war noch nie auf einem so großen Fest gewesen, schon gar nicht auf einem, zu dem so viele Adlige eingeladen waren. Sie dachte darüber nach, was diese wohl von ihr halten würden, wenn sie wüssten, dass sie einfach nur Mary Chilton aus St. Anselm war und nicht die adlige Witwe Mrs Marianne Cotterwood.

Sie lächelte in sich hinein. Dass sie die Aristokratie hinters Licht führen konnte, gefiel ihr an der Maskerade am besten. Es erfüllte sie mit Genugtuung, wenn sie mit einem Mitglied des ton sprach, das entsetzt gewesen wäre, wenn es erfahren hätte, dass seine Gesprächspartnerin ein ehemaliges Dienstmädchen war.

Diese Überlegung verlieh Marianne ein wenig Zuversicht. Die Gesellschaft hier mochte größer und modebewusster sein als die in den Seebädern von Bath oder Brighton, aber im Kern waren es genau die gleichen Menschen. Wenn man wie selbstverständlich mit ihnen sprach und sich elegant bewegte, auf seine Haltung und seine Tischmanieren achtete, als wäre man von klein auf dazu erzogen worden, nahmen die Leute ganz einfach an, dass man dazugehörte. So lange sie es mit ihrer eigenen Legende nicht übertrieb und glaubwürdig blieb und vor allem nicht versuchte, den Eindruck zu erwecken, sie stehe höher als der einfache Landadel, war es mehr als unwahrscheinlich, dass ihr jemand auf die Schliche kam. Schließlich waren die meisten der Leute, die hier versammelt waren, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auch nur einen Gedanken an irgendjemand anderen zu verschwenden, weder im Guten noch im Bösen. Deshalb war es ja so leicht, sie zu täuschen.

Marianne betrachtete die herrschende Klasse als ihren natürlichen Feind. Sie konnte sich ganz genau daran erinnern, wie die feinen Damen „aus Nächstenliebe“ im Waisenhaus herumstolziert waren. Wohlgenährt und in warmen Kleidern, die mehr kosteten, als für jede der Waisen im ganzen Jahr ausgegeben werden konnte, hatten sie herumgestanden und sie mitleidig, aber eben auch voller Geringschätzigkeit, angestarrt. Danach waren sie wieder verschwunden und hatten sich überlegen gefühlt, von Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit erfüllt, weil sie sich so großherzig gezeigt hatten. Marianne hatte ihnen mit brennender Wut nachgesehen. Nichts, was sie anschließend, nach der Zeit im Waisenhaus, erlebt hatte, konnte ihre Verachtung mindern. Mit vierzehn war sie als Hausmädchen in die Dienste von Lady Quartermaine getreten. Sie hatte die Asche aus dem Kamin gekehrt, hatte Wasser zum Baden geschleppt und geputzt und das alles für weniger als einen Schilling am Tag. Nur sonntagnachmittags hatte sie freigehabt – und wehe ihr, wenn jemand der Meinung gewesen war, sie habe etwas falsch gemacht oder vergessen. Natürlich war das bei Weitem nicht das Schlimmste, was ihr in Quartermaine Hall widerfahren war …

„Was für ein schönes Fest“, sagte Mariannes Begleiterin und zwang Marianne damit dazu, sich von ihren Erinnerungen loszureißen und sich ihr wieder zuzuwenden.

Mrs Willoughby war eine eitle Frau, und sie war so stolz darauf gewesen, dass sie zu Lady Batterslees Fest eingeladen worden war, dass sie jemanden hatte bitten müssen, sie zu ihrem großen Auftritt in der feinen Gesellschaft zu begleiten. Marianne hatte Glück gehabt, dass sie gerade zu Besuch gewesen war, als Mrs Willoughby die Einladung erhielt.

Eine Gelegenheit wie dieses Fest in einem so eleganten Haus bot sich nicht jeden Tag, und Marianne hatte sie beim Schopfe gepackt, auch wenn es bedeutete, dass sie den ganzen Abend langweilige Konversation mit Mrs Willoughby machen musste.

Natürlich hatte sie nicht vor, den ganzen Abend mit Mrs Willoughby zu verbringen. Sie würde genau so lange bei ihr bleiben, dass ihr Rückzug nicht zu offensichtlich war – und bis Mrs Willoughby ihr möglichst viele von ihren Bekannten vorgestellt hatte. Denn so viele Menschen zu treffen, die sie dann ihrerseits ebenfalls zu Festlichkeiten einladen konnten, war Marianne beinahe ebenso willkommen wie die Möglichkeit, die Schätze des Hauses in Augenschein nehmen zu können. Sie hatte geplant, sich davonzustehlen, sobald sie konnte, und den Abend für diese Erkundungen zu nutzen.

Sie waren in der Zwischenzeit beinahe bis an den Anfang der Reihe von Gästen vorgerückt, die darauf warteten, von der Gastgeberin begrüßt zu werden, und standen direkt im Eingang zum Ballsaal. Der Anblick dieses Saals voller Menschen, deren kostbare Kleider und Schmuck mehr wert waren, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben verdienen konnten, hatte Marianne anfänglich in eine Heidenangst versetzt. Der Saal war riesig, weiß und golden und voller Spiegel. Am Kopfende spielte ein kleines Orchester auf einer Empore, doch das Gewirr der vielen Stimmen übertönte alles, sodass Marianne kaum eine Melodie erkennen konnte. An den Wänden waren Stühle mit filigranen Beinen aufgereiht, die wie der ganze Saal in Weiß und Gold gehalten waren. Die einzige Ausnahme bildeten Polster aus rotem Samt. Große, weit ausladende Leuchter waren mit weißen Kerzen bestückt, und in den Kronleuchtern flackerten noch mehr Kerzen, deren Licht das geschliffene Glas, das von ihnen herabhing, in allen nur erdenklichen Farben schillern ließ.

Das alles wäre schon für sich genommen ein extravaganter Anblick gewesen, doch das Glitzern wurde noch durch den unglaublichen Reichtum an Juwelen verstärkt, die an den Ohren, Hälsen und Händen der Damen funkelten. Eine richtiggehende Schatzkammer von Diamanten, Rubinen, Saphiren und Smaragden strahlte mit dem subtileren Glanz von Perlen um die Wette. Die Männer ähnelten einander sehr in der schwarz-weißen Eleganz ihrer Abendgarderobe, aber die Roben der Damen leuchteten in allen Regenbogenfarben. Seide, Satin und Spitze waren reich vertreten und – trotz des warmen Augustabends – sogar Samt. Marianne fragte sich, ob ihr eigenes, eher schlicht geschnittenes, eisblaues Abendkleid wohl elegant genug war. Für Bath war es absolut angemessen gewesen, aber hier in London …

Marianne schaute sich noch einmal um und hoffte, man merkte ihr nicht an, dass sie hier in Wirklichkeit fehl am Platz war. Ihr Blick blieb an einem Mann hängen, der sich nur wenige Meter entfernt von ihr mit dem Rücken an eine der schlanken Säulen des Ballsaals gelehnt hatte. Er beobachtete sie, und als sie ihn ansah, senkte er nicht etwa verlegen den Blick, wie es die meisten getan hätten. Er starrte sie vielmehr weiterhin unverhohlen an, es war direkt unhöflich.

Er war groß und schlank, mit breiten Schultern und muskulösen Beinen, die den Schluss nahelegten, dass er den größten Teil seines bisherigen Lebens auf dem Pferderücken verbracht hatte. Sein Haar war hellbraun und an einigen Stellen von der Sonne gebleicht. Er trug es kurz geschnitten, doch jetzt war es leicht zerzaust. Seine Augen waren goldbraun mit schweren Lidern und erinnerten Marianne an die eines Falken. Er hatte zudem hohe Wangenknochen und eine gerade schmale Nase. Es war zweifellos das Gesicht eines Aristokraten: gut aussehend, stolz und ein wenig gelangweilt.

Er beunruhigte sie. Ihr war plötzlich warm geworden, und es fiel ihr schwer, den Blick von ihm abzuwenden. Er lächelte ihr zu, ein langes, vielsagendes Lächeln, das ein seltsames Kitzeln in ihrem Bauch auslöste. Marianne hätte es beinahe erwidert. Sie konnte sich gerade noch beherrschen. Beinahe hätte sie vergessen, wer er war und was sie von ihm und seinesgleichen hielt. Außerdem stand es einer Witwe aus der gehobenen Gesellschaft nicht an, fremden Männern schöne Augen zu machen. Sie bemühte sich also um einen ruhigen und unbewegten Gesichtsausdruck und hob geringschätzig eine Augenbraue. Schließlich drehte sie ihm demonstrativ den Rücken zu.

Jetzt standen nur noch zwei andere Gäste zwischen ihr und Lady Batterslee, die einen nach dem anderen geschäftsmäßig empfing und im Saal willkommen hieß. Sie begrüßte Mrs Willoughby ohne ein Zeichen des Wiedererkennens und nickte Marianne höflich, aber distanziert zu. Das Fest war sehr groß, weshalb Marianne sich sicher war, dass sie nicht die Einzige war, die Lady Batterslee kaum kannte. Deshalb war es ja so eine gute Gelegenheit für sie. Innerlich dankte sie ihrer Begleiterin dafür, dass sie sie mit hierhergenommen hatte, obwohl sie einander nicht mehr als flüchtige Bekannte waren.

Es war gar nicht so einfach, sich einen Weg durch die unüberschaubare Menschenmenge zu bahnen. Marianne konnte sich kaum vorstellen, dass irgendjemand genügend Platz zum Tanzen finden würde, obwohl das Orchester am anderen Ende des Saales noch immer unverdrossen aufspielte. Schließlich hatten sie den Saal durchquert und zwei freie Stühle entdeckt. Mrs Willoughby ließ sich auf einen davon fallen und fächelte sich Luft zu. Sie sah sich um. In ihrem Gesicht war deutlich die Begeisterung zu erkennen, die sie aufgrund ihres gesellschaftlichen Erfolgs empfand.

„Dort drüben steht Lady Bulwen – es wundert mich, dass sie hier ist. Wissen Sie, ich habe gehört, sie steht mit einem Bein im Schuldgefängnis.“ Sie schüttelte den Kopf und schnalzte scheinbar mitleidig mit der Zunge, dann stürzte sie sich wieder in die neuesten Klatschgeschichten: „Das dort drüben ist Harold Upsmith. Kennen Sie ihn? Ein ausgesprochener Gentleman, in jeder Hinsicht anständig, das genaue Gegenteil seines Bruders, der ist der reinste Tunichtgut.“

„Allerdings“, murmelte Marianne. Sie brauchte kaum etwas zu sagen; um das Gespräch am Laufen zu halten, genügte ein gelegentliches Nicken oder ein beiläufiger Kommentar, mit dem sie ihrer Begleiterin signalisierte, dass sie ihr zuhörte. Es war ein Segen für sie, dass Mrs Willoughby ihr gesellschaftliches Fortkommen ebenso wichtig war wie die Verbreitung des neuesten Tratsches. Noch ehe der Abend zu Ende ging, würde Marianne genauso viel über die feine Gesellschaft von London wissen, als wäre sie seit Jahren ein Teil von ihr.

Nur kurze Zeit später wurde ihre Aufmerksamkeit jedoch vom gebieterischen Tonfall einer Dame zu ihrer Rechten abgelenkt. „Sitz gerade, Penelope. Und versuch zumindest so auszusehen, als würdest du dich amüsieren. Das ist ein Ball, weißt du, keine Totenwache.“

Marianne war neugierig geworden und warf einen Blick zur Seite. Die Stimme gehörte zu einer stattlichen Frau in einem unvorteilhaften violetten Kleid. Ihre Brust stach wie der Bug eines Schiffes aus ihrem Kleid hervor, und auch ihr Kinn war sehr markant. Sie beobachtete die Anwesenden wie ein Raubvogel auf der Suche nach Beute, dabei kommentierte sie der Reihe nach die anwesenden heiratsfähigen Junggesellen und gab ihrer jungen Begleiterin Anweisungen. Das Mädchen saß zwischen Marianne und der älteren Frau, sie war ein unscheinbares Ding in einem weißen Kleid. Marianne hatte gelernt, dass Weiß die einzige Farbe war, die ein unverheiratetes Mädchen auf einem Ball tragen durfte, aber dieser jungen Frau schmeichelte es ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Das weiße Kleid betonte nur die Farblosigkeit ihres Gesichts. Die schwere Brille, die das Mädchen trug, verbarg zudem das Hübscheste an ihr: ihre warmen braunen Augen.

„Ja, Mama“, murmelte Penelope tonlos. Dabei hielt sie ihre Finger ineinander verschränkt auf dem Schoß. Sie hob die Hand, um ihre Brille zurechtzurücken, dabei fiel ihr Fächer, der auf ihrem Schoß gelegen hatte, zu Boden, überschlug sich und landete auf Mariannes Fuß.

„Penelope, pass doch auf. Es gibt wirklich nichts Unschöneres als Unbeholfenheit bei einem Mädchen in deinem Alter.“

„Es tut mir leid, Mama.“ Penelope errötete und beugte sich hinunter, um ihren Fächer aufzuheben, doch Marianne hielt ihn da bereits in der Hand.

Sie reichte ihn Penelope mit einem Lächeln voller Mitgefühl. Hier zu sitzen, ohne dass einen jemand zum Tanzen aufforderte, war schon schlimm genug. Aber das auch noch in Begleitung einer Mutter, die einen andauernd maßregelte, das war wirklich zu viel.

„Vielen Dank“, sagte Penelope leise und lächelte Marianne zaghaft an.

„Überhaupt nichts zu danken. Es herrscht ein fürchterliches Gedränge, nicht wahr?“

Penelope nickte nachdrücklich, dabei spiegelte sich das Licht des Saals in ihren Brillengläsern. „Ja wirklich, ich kann so große Gesellschaften eigentlich nicht leiden.“

„Ich bin Mrs Cotterwood. Marianne Cotterwood“, stellte Marianne sich vor. Natürlich wusste Marianne, dass es eigentlich nicht passend war, sich selbst vorzustellen, aber sie hatte nicht den Eindruck, dass Penelope es ihr verübeln würden. Andere, Penelopes Mutter etwa, hätten ihre Kühnheit mit einer Abfuhr quittiert.

Doch Penelope lächelte und sagte: „Ich bin Penelope Castlereigh. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.“

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Sie müssen mich für sehr ungehörig halten, mich einfach selbst vorzustellen, aber wenn ich ganz ehrlich bin, halte ich es für mehr als albern, hier zu sitzen und zu schweigen, nur weil gerade niemand greifbar ist, der uns miteinander bekannt machen könnte.“

„Sie haben vollkommen recht“, stimmte Penelope zu. „Ich hätte mich auch selbst vorgestellt, wenn ich den Mut dazu gehabt hätte, aber ich bin ein schrecklicher Feigling.“

In diesem Augenblick bemerkte Penelopes Mutter, dass diese ihrem andauernden Monolog schon länger nicht mehr zugehört hatte, und drehte sich um, um herauszufinden, was da vor sich ging. Als sie sah, dass das Mädchen sich angeregt mit einer Fremden unterhielt, runzelte sie die Stirn und hob ihre Lorgnette an die Augen, um Marianne missbilligend zu mustern.

„Penelope! Was tust du denn da?“

Penelope fuhr vor Schreck zusammen und setzte eine schuldbewusste Miene auf. Sie wandte sich um und sah ihre Mutter an. Dabei sagte sie fröhlich: „Ich sprach gerade mit Mrs Cotterwood. Ich habe sie letzte Woche bei Nicola kennengelernt.“

Hastig, als wollte sie weiteren Fragen zuvorkommen, stellte sie Marianne und ihre Mutter einander vor. Diese war, wie Marianne jetzt erfuhr, Lady Ursula Castlereigh.

Auf Mariannes anderer Seite beugte sich jetzt Mrs Willoughby zu ihnen hinüber und sagte erfreut: „Oh, Sie kennen Lady Castlereigh, Mrs Cotterwood? Mrs Willoughby, Lady Castlereigh. Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern, wir sind uns letztes Jahr auf einer von Mrs Blackwoods Feiern begegnet.“

„Ach wirklich?“, antwortete Lady Ursula in einem Tonfall, der eine weniger entschlossene Person als Mrs Willoughby sicherlich eingeschüchtert hätte.

„Ja, wirklich. Ich habe das Kleid bewundert, das Sie damals trugen.“ Mrs Willoughby fuhr fort, das besagte Kleid in allen Details zu beschreiben, dabei sprang sie auf und trat an den anderen vorbei, um sich auf den freien Platz neben Lady Ursula zu setzen.

Marianne ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen, gleich beiden Frauen zu entkommen. „Wollen wir einen kleinen Rundgang durch den Saal machen, Miss Castlereigh?“

Penelopes Miene hellte sich auf. „Liebend gern.“

Es war Marianne mehr als recht, der schnatternden Mrs Willoughby zu entkommen, aber sie hatte den Rundgang auch deshalb vorgeschlagen, um Penelope aus der Patsche zu helfen. Trotz ihrer hohen gesellschaftlichen Stellung tat das Mädchen ihr leid. Sie konnte nicht anders, als Penelope zu bedauern, die so offensichtlich schüchtern war und ebenso offensichtlich von ihrem Drachen von Mutter herumkommandiert wurde.

Penelope entspannte sich merklich, sobald sie außerhalb von Lady Ursulas Hörweite waren. Während sie umherwanderten, schaute Marianne sich immer wieder um und machte sich genau mit dem Saal vertraut. In diesem großen offenen Raum gab es nur wenige Wertgegenstände, die von Interesse für sie gewesen wären. Marianne lotste Penelope zu den großen Fenstern, die offen standen, um eine frische Brise in den überhitzten Saal hineinzulassen.

„Ah“, sagte sie. „Hier ist es doch gleich viel angenehmer.“

„Allerdings“, stimmte Penelope zu. „Die frische Luft tut gut.“

Marianne warf beiläufig einen Blick nach draußen. Sie waren im zweiten Stock und sahen auf einen kleinen Garten auf der Rückseite des Hauses hinunter. Es gab keine geeigneten Bäume oder Vorsprünge in nächster Nähe. Dennoch betrachtete Marianne routiniert die Fenster und ihre Schlösser, ehe sie Penelope weiter geleitete.

Als sie ihren Rundgang fortsetzten, bemerkte Marianne, dass sie beobachtet wurde. Sie sah sich suchend im Saal um und schließlich erblickte sie ihn – denselben Mann, der sie vorhin schon gemustert hatte. Als sie ihn ansah, deutete er eine Verbeugung ihr gegenüber an. Ihr wurde plötzlich ganz ungewohnt warm. War sie etwa verlegen geworden?

„Penelope …“ Sie nahm den Arm ihrer Begleiterin. „Wer ist dieser Mann?“

„Welcher Mann?“ Penelope blieb stehen, um sich umzuschauen.

„Dort drüben.“ Marianne wies mit dem Kopf in seine Richtung.

Penelope rückte ihre Brille zurecht und folgte Mariannes Blick. „Oh, meinen Sie Lord Lambeth?“

„Den gut aussehenden Schurken mit dem überheblichen Lächeln.“

Penelope lächelte verhalten bei dieser Beschreibung. „Ja, das ist Justin. Er ist der Marquess of Lambeth.“

„Er starrt mich die ganze Zeit an. Es ist beinahe unheimlich.“

„Ich hätte gedacht, Sie seien es gewöhnt, dass Männer Sie anstarren“, antwortete Penelope grinsend und sah ihre Begleiterin an. Mit ihrem leuchtend roten Haar, ihren blauen Augen und der schneeweißen Haut war Marianne Cotterwood eine umwerfende Erscheinung. Sie war Penelope gleich aufgefallen, als sie den Saal betreten hatte. Obwohl Mariannes Abendkleid weniger prunkvoll war als die Roben der anderen Damen, brachte es ihre Schönheit voll zur Geltung, vor allem ihre hochgewachsene, wohlproportionierte Gestalt; sie hatte die Rüschen und Schleifen schlicht nicht nötig, die so viele andere Frauen ihren Kleidern hinzufügten.

„Vielen Dank für das Kompliment – glaube ich.“ Marianne lächelte sie an. „Aber ich habe ihn heute Abend bereits das zweite Mal dabei erwischt, dass er mich geradezu unverschämt anstiert. Und er scheint sich nicht im Mindesten darum zu kümmern, wenn ich ihn dabei ertappe. Er steht einfach nur da und sieht …“

„Arrogant aus?“, ergänzte Penelope. „Das überrascht mich gar nicht. Lambeth ist ziemlich arrogant. Wahrscheinlich hat er auch allen Grund dazu. Alle schwärmen von ihm, insbesondere die heiratsfähigen jungen Mädchen.“

„Ist er eine gute Partie?“

Penelope gluckste. „Das kann man wohl so sagen.“ Sie blickte Marianne neugierig an. „Wollen Sie damit sagen, Sie haben noch nie von ihm gehört?“

„Ich fürchte, nein. Ich habe die letzten Jahre in Bath gelebt, wissen Sie, und dort habe ich ein eher zurückgezogenes Leben geführt – seit dem Tod meines Mannes.“

„Natürlich. Es tut mir leid. Sie haben sicher nicht von ihm gehört. Bath gehört nicht zu den bevorzugten Reisezielen von Lambeth. Nicht aufregend genug.“

„Er ist also ein Abenteurer?“

Penelope zuckte mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher, dass sein Leben aufregender ist als das der meisten Männer. Aber er hat eine regelrechte Abneigung gegen Langeweile. Bucky sagt, er tut alles, um ihr zu entgehen. Letzten Monat haben er und Charles Pellingham sogar Wetten darauf abgeschlossen, wie schnell eine Spinne ihr Netz im Gasthof White spinnen würde.“

Marianne verzog das Gesicht. „Das hört sich extrem albern an.“

„Sir Charles ist ziemlich albern“, gab Penelope freimütig zu „Aber Bucky sagt, dass Lambeth sich in der Welt auskennt.“

„Wer ist Bucky?“, erkundigte sich Marianne.

Penelope errötete leicht. „Lord Buckminster. Er ist der Cousin meiner Freundin Nicola Falcourt“, fuhr sie fort. „Er gilt als sehr gute Partie.“

„Wer? Lord Buckminster oder Lord Lambeth?“, fragte Marianne skeptisch.

Penelope errötete noch mehr. „Na ja, beide, würde ich sagen, aber ich habe Lord Lambeth gemeint. Es heißt, er sei so reich wie Krösus, und sein Vater ist der Duke of Storbridge, deshalb ist er die bevorzugte Beute von allen Müttern, die ihre Töchter verheiraten wollen.“

„Ach so ist das.“ Dann war es ja kein Wunder, dass der Mann sich nicht genierte, sie so dreist anzustarren. Die meisten Frauen auf diesem Fest wären gewiss entzückt gewesen, wenn er sie auch nur bemerkt hätte. Marianne schaute wieder in seine Richtung, aber er war in der Zwischenzeit verschwunden. Penelope und sie gingen weiter.

„Aber ich glaube, sie bemühen sich alle vergeblich“, griff Penelope den Faden wieder auf. „Mutter sagt, es gibt ein unausgesprochenes Einvernehmen zwischen ihm und Cecilia Winborne, dass die beiden eines Tages heiraten. Es wäre die perfekte Verbindung. Ihre Herkunft ist ebenso gut wie seine, und ihre Familie ist absolut frei von Skandalen – sie sind alle fürchterlich selbstgefällig“, erklärte sie in vertraulichem Tonfall.

Marianne musste lachen.

Penelope räusperte sich. „Entschuldigung. Das hätte ich nicht sagen sollen. Sie müssen mich für eine furchtbare Person halten. Mutter sagt, ich kann meine Zunge nicht im Zaum halten.“

„Unsinn“, beruhigte Marianne sie. „Ich finde Ihre Gesellschaft sehr angenehm – und Ihre zügellose Zunge ist einer der wesentlichen Gründe dafür.“

„Wirklich?“, rief Penelope erfreut. „Ich habe immer Angst, dass ich etwas Falsches sage – und dann, wenn ich etwas sagen soll, scheint meine Zunge nicht mehr zu funktionieren.“

„So habe ich mich auch schon oft gefühlt“, log Marianne freundlich. In Wirklichkeit war Schüchternheit für sie überhaupt kein Problem. Die Hausmutter von St. Anselm hatte immer wieder erklärt, dass ihre Frechheit ihre schlimmste Untugend sei – die erste auf einer langen Liste natürlich.

Sie hatte es jedoch geschafft, Penelope ein wenig aufzuheitern, denn diese begann wieder zu reden. „Bucky hält viel von Lord Lambeth, er sagt, er sei ein guter Kerl. Aber mir macht er ein bisschen Angst“, fügte sie aufrichtig hinzu. „Er ist so stolz und so kalt. Das sagen alle. Seine ganze Familie ist so. Seine Mutter ist noch unheimlicher als er.“

„Dann muss sie ein echter Albtraum sein.“

„Das ist sie. Ich persönlich glaube ja, dass sie und Cecilia Winborne einander seelenverwandt sind. Aber da Lord Lambeth nichts von der Liebe hält, wird es ihm wohl nichts ausmachen.“

„Hmm. Das hört sich nach einem wundervollen Paar an.“

Penelope kicherte.

„Na so was – Penelope!“, erklang eine männliche Stimme hinter ihnen, woraufhin die beiden Damen sich umdrehten. Ein Mann kam auf sie zugesteuert. Er war groß und rotblond, hatte ein freundliches Gesicht, und er lächelte Penelope an. „Was für ein Glück, Sie ohne Lady Ursula zu treffen.“

Penelope errötete leicht, und ihre sanften braunen Augen leuchteten. Sie hielt ihm ihre Hand hin. „Bucky! Ich war nicht sicher, ob du heute Abend hier sein würdest!“

„Oh ja. Ich habe die Oper vorzeitig verlassen. Nicolas Mutter wird mir sicher die Hölle heißmachen, wenn wir uns das nächste Mal begegnen, aber wirklich!“ Er unterbrach seine Rede, seine Entrüstung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ein Mann kann nur eine begrenzte Menge Gejaule an einem Abend ertragen!“

Penelope lächelte. „Dafür wird Lady Falcourt ganz bestimmt Verständnis haben.“

„Nein“, antwortete er reumütig. „Aber sie wird es nicht erwähnen, weil sie Angst hat, dass ich sie beim nächsten Mal gar nicht begleite.“ Er sah Marianne an und sagte: „Wie unhöflich von mir, entschuldigen Sie bitte …“

Er verstummte mitten im Satz; bei Mariannes Anblick war die Farbe aus seinem Gesicht gewichen und kehrte dann plötzlich zurück. „Oh, äh, ich – ich wollte sagen …“

Marianne konnte ein Kichern kaum unterdrücken. Lord Buckminster machte den Eindruck, als hätte ihm jemand eins übergezogen.

„Mrs Cotterwood, erlauben Sie, dass ich Ihnen Lord Buckminster vorstelle“, sagte Penelope.

„Wie geht es Ihnen?“ Marianne streckte ihm höflich die Hand entgegen.

„Oh. Nun ja. Es freut mich sehr“, brachte Buckminster hervor und machte einen Schritt auf sie zu, um ihre Hand zu ergreifen. Er geriet ins Stolpern, konnte sich aber gerade noch wieder fangen. Er nahm Mariannes Hand und verbeugte sich, dann ließ er sie wieder los und grinste sie dümmlich an.

Marianne seufzte innerlich. Es war offensichtlich, dass Penelope „Bucky“ sehr gewogen war, aber der Mann hatte keine Ahnung davon. Es war ebenso offensichtlich, dass er fasziniert von Marianne war. Sie erlebte das nicht zum ersten Mal. Marianne war sich bewusst, dass ihr Äußeres anziehend auf Männer wirkte, obwohl sie nicht eitel war – in ihrem bisherigen Leben hatte ihre Schönheit sie häufiger in Schwierigkeiten gebracht als ihr geholfen.

Normalerweise war ein Bewunderer nicht mehr als ein Ärgernis; sie hatte mittlerweile Übung darin, sie zu entmutigen und ihnen auszuweichen. Jetzt allerdings befürchtete sie, dass Lord Buckminsters unverhohlene Bewunderung ein Grund für Penelope sein könnte, sich von ihr abzuwenden. Sie warf einen Seitenblick auf Penelope, die ein wenig traurig und resigniert dreinblickte, dann sah sie Lord Buckminster an, der noch immer mit blödsinnigem Lächeln vor ihr stand.

„Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte Marianne freundlich zu Lord Buckminster, „aber ich befürchte, ich darf mich nicht länger aufhalten. Ich muss nach Mrs Willoughby suchen, die fragt sich sonst sicher, was aus mir geworden ist.“

„Erlauben Sie, dass ich Sie begleite“, erwiderte Buckminster eifrig. Während er seine Manschetten zurechtrückte, löste er irgendwie seine goldenen Manschettenknöpfe, und einer von ihnen fiel ihm auf den Boden und rollte davon. „Oh, so was …“ Der Mann sah dem Schmuckstück mit komischer Verzweiflung nach und bückte sich, um es wieder aufzuheben.

„Nein, nein“, protestierte Marianne. „Sie sollten hier bei Penelope bleiben. Ich bin sicher, Sie haben sich viel zu erzählen.“

Schnell machte sie sich auf den Weg, sie nutzte den Moment, in dem Lord Buckminster damit beschäftigt war, den Manschettenknopf in einer seiner Anzugtaschen zu verstauen. Ihr war klar, dass ihr plötzlicher Rückzug ein wenig unhöflich war, aber sie war sicher, dass Penelope sich nicht daran stören würde.

Sie schob sich durch die Menge hindurch auf die Tür zu. Dabei öffnete sie ihren Fächer und fächelte sich Luft zu, so als wäre die Hitze, die im Saal herrschte, der Grund dafür, dass sie den Raum verlassen wollte. Dann eilte sie den Korridor entlang und an zwei Lakaien vorbei. Unauffällig ließ sie den Blick schweifen und prägte sich im Vorbeigehen die Lage der Türen, Fenster und Treppen genau ein. Sie hielt ab und an einen Augenblick inne, wie um ein Porträt zu bewundern, dabei überprüfte sie, ob das Fenster, neben dem sie stand, von der Straße aus zugänglich war. Anschließend wandte sie sich nach rechts und ging weiter, bis sie außer Sichtweite der Lakaien war.

Sie vergewisserte sich, dass keine anderen Gäste oder Dienstboten in der Nähe waren, dann durchquerte sie die Halle und blickte dabei in jeden Raum hinein, an dem sie vorüberkam. In jedem gab es Kostbarkeiten, angefangen von Kunstwerken bis hin zu den Möbeln, aber Marianne war nur an Dingen interessiert, die sich leicht transportieren und vor allem leicht zu Geld machen ließen, wie silberne Vasen oder Dekorationsstücke. Ihr Hauptziel war allerdings das Arbeitszimmer, denn das war der Ort, an dem mit größter Wahrscheinlichkeit ein Panzerschrank zu finden war. Den Panzerschrank und den einfachsten Zugang zu ihm zu ermitteln, darin bestand immer ihre Hauptaufgabe.

Sie entdeckte zwei weitere Salons und ein Musikzimmer, aber kein Arbeitszimmer, deshalb kehrte sie um und ging zurück in den Korridor. Als sie die große Eingangshalle erreichte, die den Korridor kreuzte, der zurück zum Ballsaal führte, öffnete sie wieder ihren Fächer und verlangsamte ihre Schritte, sodass es den Eindruck erweckte, als wanderte sie ziellos umher und studierte dabei die Porträts an den Wänden. Sie ging am Korridor vorbei und sah verstohlen hinein. Niemand, weder die Lakaien noch die zwei Männer, die vor der Tür des Ballsaals standen und sich miteinander unterhielten, schienen sie zu bemerken.

Nachdem sie die Eingangshalle hinter sich gelassen hatte und außer Sichtweite war, setzte sie ihre Untersuchung fort, öffnete Türen und blickte in die Räume hinein, die hinter ihnen lagen. Hinter der zweiten Tür, die sie öffnete, befand sich ganz offensichtlich das Reich des Hausherrn. Allerdings schien es eher ein Rauchsalon als ein Arbeitszimmer zu sein. Es gab keinen Schreibtisch oder Bücher, dafür aber große bequeme Sessel und ein Schränkchen mit Gläsern, auf dem mehrere Karaffen mit Whisky und Brandy standen. Daneben befand sich ein schmaler Tisch mit zwei Humidoren und einer Reihe Pfeifen. Die Zeichnungen an der Wand stellten Jagdszenen dar, lauter Pferde und Hunde.

Mit einem zufriedenen Lächeln machte Marianne einen Schritt ins Zimmer, nahm den Kerzenleuchter, der auf einem Tisch neben der Tür stand, und zündete die Kerze am Wandleuchter auf dem Gang an. Dann schlüpfte sie ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Dies war der riskante Teil des Unternehmens, aber auch der aufregendste. Es gab keine Ausrede dafür, dass sie sich im Rauchsalon ihrer Gastgeber aufhielt. Wenn jemand sie hier überraschte, würde es ihr kaum gelingen, ihre Anwesenheit hier zu erklären. Sie hätte natürlich die Tür hinter sich abschließen können, aber wenn dann jemand gekommen wäre und versucht hätte, den Raum zu betreten, hätte das noch verdächtiger gewirkt. Das Beste in dieser Situation war es, so rasch ans Werk zu gehen wie möglich und zu hoffen, dass, falls sie wirklich jemand erwischte, ein gewinnendes Lächeln und eine schnelle Zunge ausreichen würden, um sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien.

Mit klopfendem Herzen stellte Marianne den Leuchter auf dem Tisch ab und begann damit, den Raum zu durchforsten, dabei hob sie die Bilder mit den Jagdmotiven an, um die Wand dahinter zu untersuchen. Hinter dem dritten Bild stieß sie auf das, was sie gesucht hatte: einen in die Wand eingelassenen Panzerschrank. Sie beugte sich vor, um das Schloss genauer zu betrachten, das sich mit einem Schlüssel öffnen ließ, nicht mit einer Zahlenkombination.

„Es tut mir wirklich leid, aber ich kann Ihnen nicht gestatten, den Panzerschrank meines Gastgebers aufzubrechen“, sagte eine Männerstimme hinter ihr.

Marianne zuckte zusammen und wirbelte herum, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Dort in den Türrahmen gelehnt und eine Augenbraue spöttisch hochgezogen, stand Lord Lambeth.

2. KAPITEL

Eine gefühlte Ewigkeit lang stand Marianne nur da und starrte ihn an, dabei überschlugen sich ihre Gedanken. Schließlich gelang ihr ein schiefes Lächeln und sie sagte: „Mylord! Wie haben Sie mich erschreckt!“

„Habe ich das?“ Er grinste, dabei konnte sie seine Zähne sehen, die weiß und ganz gerade waren. Marianne musste plötzlich an einen Wolf denken. „Ich hätte gedacht, dass Sie nicht so leicht zu erschüttern sind bei Ihrem Beruf“, fügte er hinzu.

Marianne straffte die Schultern und setzte eine überhebliche Miene auf, die sie sich von Lady Quartermaine abgeschaut hatte. „Ich bitte um Verzeihung? Mein Beruf? Ich fürchte, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie sprechen.“

„Nicht schlecht.“ Lambeth löste sich vom Türrahmen und betrat den Salon, dabei schloss er die Tür hinter sich. „Ich könnte Ihnen beinahe glauben – wenn ich Sie nicht gerade mit der Hand in der Keksdose erwischt hätte.“

Mariannes Magen zog sich vor Furcht zusammen. „Was tun Sie da?“ Sie hatte bemerkt, dass ihre Stimme vor Angst eine Oktave höher war als üblich, und zwang sich, normal weiterzusprechen. „Ich muss darauf bestehen, dass Sie die Tür sofort wieder öffnen. Ihr Verhalten ist äußerst ungebührlich.“

Er legte den Kopf zur Seite. „Ich hätte vermutet, dass es Ihnen lieber wäre, Ihren Diebstahl außerhalb der Hörweite der restlichen Gesellschaft zu diskutieren. Aber wenn Sie darauf bestehen, dass wir die Tür öffnen, sodass jeder hören kann, was wir zu bereden haben …“

Lambeth machte einen Schritt in Richtung der Tür, doch Marianne kam ihm zuvor. „Nein! Nein, warten Sie. Sie haben vollkommen recht. Lassen Sie uns das unter uns klären.“

Er lächelte so selbstgefällig, dass es Marianne in den Fingern juckte, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. „Sie haben eine Erklärung hierfür? Bitte fahren Sie fort. Ich bin schon ganz gespannt.“

„Ich sehe überhaupt gar keinen Grund für Erklärungen“, gab Marianne wütend zurück.

Sie hatte sich von ihrem Schrecken erholt, ihr üblicher Mut war zurückgekehrt. Das Grinsen dieses Mannes stachelte sie an. Er verkörperte alles, was ihr an der Aristokratie zuwider war: Hochmut, Arroganz, eine vollkommene Missachtung aller, die er als niedriger gestellt betrachtete – was beinahe alle waren.

„Abgesehen davon, dass ich Sie unserem Gastgeber übergeben sollte, weil Sie sein Rauchzimmer durchsucht haben?“

„Seien Sie nicht albern! Ich habe mich lediglich umgeschaut. Das ist doch sicherlich nicht verboten.“

„Und was ist mit dem Panzerschrank?“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Bildes, das noch immer verschoben war.

„Panzerschrank?“ Marianne fiel auf die Schnelle nichts Besseres ein, als sich dumm zu stellen.

Es zuckte um seinen Mund. „Ja, der Panzerschrank. Hinter dem Bild. Sie wissen schon, der, den Sie gerade aufbrechen wollten.“

„So etwas hatte ich niemals vor!“ Entrüstet stemmte sie die Fäuste in die Hüften. „Das Bild hing schief, und ich habe es gerade gerückt.“

Er brach in lautes Gelächter aus. „Sie sind ganz schön kühn, das muss man Ihnen lassen. Aber ich habe Sie auf frischer Tat ertappt, das wissen Sie ganz genau.“ Er trat auf sie zu. „Das war ein fürchterlich langweiliges Fest, aber es ist wesentlich interessanter geworden, nachdem Sie angekommen waren.“

„Soll das ein Kompliment sein?“ Marianne wich ihm aus. Seine Nähe beunruhigte sie. Sie konnte ihn absolut nicht ausstehen; er war der Feind. Und doch hatte sie, wenn er lächelte, ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Und als er näher kam, konnte sie in seine Augen sehen, die klar wie Gold waren und vom dichten Kranz seiner Wimpern verdunkelt wurden, sodass sie die Farbe von Sherry annahmen. Sie starrte ihn an, unfähig, den Blick von ihm abzuwenden.

Sein Ausdruck war selbstsicher und amüsiert, als wüsste er, was sie fühlte. „Allerdings. Die meisten jungen Frauen langweilen mich fürchterlich.“

„Ich bin keine junge Frau“, sagte sie. „Ich bin verwitwet.“

„Sind Sie das?“

„Allerdings. Wie können Sie so eine Frage stellen!“ Er stand jetzt so dicht neben ihr, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Marianne machte noch einen weiteren Schritt zurück, doch sie stieß gegen den Barschrank, der ihr den Weg versperrte. Sie räusperte sich und versuchte, Lambeth‘ Blick standzuhalten. „Sie sind ein unmöglicher Mann.“

„Das hat man mir auch schon gesagt. Ich bin allerdings kein Trottel, also schlage ich vor, Sie halten mich nicht länger zum Narren. Ich habe Sie bereits den ganzen Abend über beobachtet.“

„Das ist mir nicht entgangen. Daran habe ich gemerkt, wie unmöglich Sie sind.“

„Ich habe Sie zunächst nur beobachtet, weil Sie teuflisch attraktiv sind.“ Er lächelte und strich ihr mit dem ausgestreckten Zeigefinger über die Wange.

Marianne erschauerte, seine Berührung war ihr durchaus nicht ausschließlich unangenehm. Sie wurde wütend auf sich selbst.

„Ich fragte mich gerade, wer mich Ihnen wohl vorstellen könnte, da sah ich Sie mit Miss Castlereigh und Lord Buckminster. Ich war mir sicher, dass die beiden uns miteinander bekannt machen würden, doch ehe ich zu Ihnen gelangen konnte, waren Sie verschwunden. Ich bin Ihnen in die Eingangshalle gefolgt, und dort habe ich Ihr äußerst seltsames Benehmen bemerkt.“

„Sie haben mir nachspioniert? Das finde ich äußerst seltsam, Mylord.“

„Sie sind mir gegenüber im Vorteil. Sie scheinen zu wissen, wer ich bin – Sie nennen mich schon zum zweiten Mal Mylord. Doch ich kenne Ihren Namen nicht.“

„Der tut hier kaum etwas zur Sache.“

„Sie können ihn mir genauso gut sagen. Ich erfahre ihn ohnehin von Bucky.“

Marianne runzelte die Stirn. „Ich bin Marianne Cotterwood. Mrs Cotterwood.“

„Ja natürlich, eine Witwe, das hätte ich beinahe vergessen.“

„Ich wünschte, Sie würden damit aufhören, in diesem herablassenden Ton mit mir zu sprechen. Warum sollte ich behaupten, ich sei verwitwet, wenn es nicht wahr wäre?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht stimmt es. Andererseits könnte es auch einfach Teil Ihrer Tarnung sein.“

„Ich brauche keine Tarnung. Diese Unterhaltung ist gänzlich sinnlos, ich werde jetzt gehen.“

Sie versuchte, an ihm vorbeizukommen, aber Lambeth streckte einen Arm aus und stützte sich auf den niedrigen Schrank, sodass Marianne nichts anders übrig blieb als zu verharren. „Nicht ehe Sie mir verraten haben, warum Sie hier auf den Korridoren herumschleichen und alle Zimmer unter die Lupe nehmen. Und warum Sie hier hereingekommen sind und herumgeschnüffelt haben und alle Bilder lüften, solange bis sie dasjenige mit dem Panzerschrank dahinter gefunden haben.“

Mariannes Kehle war wie zugeschnürt, sodass sie kaum sprechen konnte, und das lag nur zum Teil an ihrer Furcht. Lambeth war jetzt nur wenige Zentimeter von ihr entfernt; er schien sie mit seinen Blicken zu durchbohren. Sie konnte kaum atmen, und ihr war gleichzeitig heiß und kalt.

„Sie sind eine Diebin, Mrs Cotterwood“, sagte er leise. „Eine andere Erklärung kann ich mir nicht vorstellen.“

„Nein.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ihre Lippen waren trocken, und sie versuchte, sie mit der Zunge zu befeuchten.

Lambeth hob eine Hand, um mit dem Daumen über ihre Unterlippe zu streichen. „Sie sind wahrscheinlich die schönste Frau, die mir je begegnet ist, aber ich kann nicht erlauben, dass Sie meine Freunde ausrauben.“ Er unterbrach sich, ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte seine Lippen. „Auf der anderen Seite würde ich Lord Batterslee nicht unbedingt als einen Freund bezeichnen. Er ist doch eher ein Bekannter, würde ich sagen.“

Er kam ihr noch näher, seine Wärme und sein Duft umfingen sie. Marianne schloss die Augen, seine Nähe machte sie beinahe benommen. Dann berührten seine Lippen die ihren, sie zuckte leicht zusammen vor Überraschung, aber sie bewegte sich nicht von der Stelle. Das Gefühl, das sie überkam, war zu überwältigend und ungewohnt. Ihre Spannung ließ nach, als sie sich der Erregung überließ. Sie konnte seinen warmen Atem an ihrer Wange spüren. Lambeth umarmte sie, zog sie an sich und küsste sie.

Marianne war zumute, als würde sie zerschmelzen, ihre Knie wurden weich, ihr ganzer Körper glühte vor Lust. Kein Mann hatte je solche Gefühle in ihr ausgelöst. Sie hatte kaum einem Mann gestattet, ihr so nahezukommen, nicht seit Daniel. Daniels Küsse hatten am Anfang eine ebensolche Wirkung gehabt …

Beim Gedanken an Daniel Quartermaine richtete Marianne sich wieder auf. Noch so ein Aristokrat mit Küssen und schmeichelnden Worten – und nichts anderem im Kopf, als wie er Marianne benutzen und anschließend loswerden konnte. Plötzlich wurde ihr klar, was Lambeth im Sinn hatte. Sie entwand sich seinem Griff und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

Überrumpelt starrte er sie an, während er unwillkürlich nach seiner Wange tastete.

„Ich weiß ganz genau, was Sie vorhaben!“, schrie sie.

„Das ist wohl ziemlich offensichtlich“, antwortete er gelassen.

„Sie denken, ich werde mit Ihnen das Bett teilen, damit Sie niemandem erzählen, dass ich eine Diebin bin!“

Er hob erstaunt die Augenbrauen „Ich habe nie gesagt …“

Autor

Candace Camp
<p>Bereits seit über 20 Jahren schreibt die US-amerikanische Autorin Candace Camp Romane. Zudem veröffentlichte sie zahlreiche Romances unter Pseudonymen. Insgesamt sind bisher 43 Liebesromane unter vier Namen von Candace Camp erschienen. Ihren ersten Roman schrieb sie unter dem Pseudonym Lisa Gregory, er wurde im Jahr 1978 veröffentlicht. Weitere Pseudonyme sind...
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