Gefangen im Sturm der Leidenschaft

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Ein Tropensturm! Angsterfüllt klammert Eve sich in den Sitz der kleinen Cessna! Hoffentlich weiß der Pilot, was er tut! Das ist ihr letzter Gedanke, bevor sie auf einer einsamen Insel notlanden. Aber allein mit sexy Chase Gallagher gerät jetzt auch noch Eves Herz in Gefahr …


  • Erscheinungstag 02.06.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507226
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Tuamotu-Archipel, Südpazifik

Dr. Evelyn Carmichael kniff die Augen fest zu, grub die Fingernägel in die Armlehnen zu beiden Seiten des Sitzes und dankte Gott für die über die Brust geschnallten Gurte. Das große Wasserflugzeug schwankte bedrohlich in dem Sturm, der gerade mal eine Stunde nach dem Start in Port Laurent wie aus dem Nichts aufgekommen war. Sie konnte nichts anderes mehr denken als: Ich werde sterben … Ich werde mitten im Südpazifik sterben und habe noch nicht einmal einen einzigen halbwegs anständigen … na ja, das eben.

Ein mörderischer Windstoß traf das Flugzeug volle Breitseite und drohte, es in seine Bestandteile zu zerlegen. Metall kreischte unter der Naturgewalt, als wäre die Tortur zu groß, um sie in stoischem Schweigen zu ertragen. Das konnte Eve nachfühlen. Sie stand selbst kurz davor, zu schreien. Und sie hätte sich nicht zurückhalten können, wäre sie so geistesgegenwärtig gewesen, irgendetwas anderes zu tun, als mit schreckgeweiteten Augen dazusitzen, während die Welt unterging.

Aber das hatte auch sein Gutes, weil ihre Schockstarre verhinderte, dass sie ausflippte. Denn offen gestanden wäre sie lieber gestorben, als dem Mann neben ihr – dem Höllenpiloten – die Freude zu gönnen, dass er sie zusammenbrechen sah.

Sie blickte nicht aus dem Cockpitfenster und auch nicht zur Seite auf den unablässig fluchenden Wilden. Er war groß und furchterregend genug, auch ohne die greifbare Anspannung, die er während all seiner Verwünschungen ausstrahlte.

Zum Glück hatte er Eve im Kampf mit seinem Flugzeug und Mutter Natur anscheinend vergessen. Was ihr nur recht war, bedeutete es doch, dass er zu beschäftigt war, um ihren Nervenzusammenbruch wahrzunehmen.

Schon wieder.

Ein paar Stunden zuvor hatte sie die Augen aufgeschlagen und festgestellt, dass sie auf einem Rattansofa lag und ein großer halbnackter Meeresgott sich vor ihr aufbaute. Breitschultrig und langbeinig erfüllte er den Raum mit einer gefährlichen Mischung aus männlicher Überlegenheit und absolutem sexuellem Selbstvertrauen. Sie hasste ihn auf Anhieb.

Das hatte natürlich überhaupt nichts mit seiner Nähe zu tun, der Eve sich auf so ursprüngliche Art bewusst war, sondern eher mit der abrupten Erkenntnis, dass er sie so überaus verletzlich und hilflos gesehen hatte.

Und wenn Eve eines hasste, dann war es, hilflos zu sein.

Na schön. Vielleicht hatte es auch mit dem Gefühl zu tun, das er in ihr wachrief: als wäre sie unbeholfen, linkisch und wieder dreizehn Jahre alt. Als müsste sie erneut so tun, als liefe sie nicht als Zielscheibe von Mitleid oder Spott in Second-Hand-Ladenhütern herum.

Sie musste ihn nur ansehen, wie er sich über sie beugte und Wassertropfen auf sie herabregnen ließ, um zu wissen, dass er der Prototyp des harten Burschen war.

Zu ihrem Glück war Eve nicht mehr schüchtern oder unbeholfen, und auf harte Jungs hatte sie noch nie gestanden. Für die hatte ihre Mutter eine Schwäche gehabt, und Eve hatte sich geschworen, diese niemals zu teilen. Außerdem war sie eine dreißigjährige, kürzlich approbierte Spezialistin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Beginn einer vielversprechenden Karriere und hatte schon früh gelernt, dass ein kühler Blick und eine hochgezogene Braue unwillkommene Vorstellungen rasch zerstreuen können.

Aber dieser … Neandertaler mit seinem stahlharten Körper, den kühlen grauen Augen und interessant sitzenden Cargo-Hosen hatte ihre eisigen Blicke amüsant gefunden. Mit mehr Spott, als sie jemals aufbringen könnte, hatte er seinerseits eine Braue hochgezogen.

Damit hatte er prompt Eves Blutdruck in unendliche Höhen getrieben – und nicht nur wegen ihrer Verärgerung. Das war Eves Meinung nach Grund genug, ihn zu hassen.

Doch nichts davon war wirklich wichtig. Nicht, wenn ihr gesamtes Leben vor ihrem inneren Auge Revue passierte.

„Immer schön die Ruhe bewahren!“, übertönte der Pilot das Brüllen des Sturms und das gequälte Kreischen von Metall.

„Ich bin ruhig“, fauchte sie, schlug die Augen auf und funkelte ihn böse an. Und prompt hätte sie sich treten mögen, als er die verstörenden schiefergrauen Augen auf sie richtete und ihr leicht schwindlig wurde.

Von Jetlag, Sorge und Erschöpfung, redete sie sich beruhigend ein. Oder vielleicht von den Mengen an Testosteron, die ihn wie eine dichte Giftwolke einhüllten. Eve war eindeutig allergisch. Alles, was sie brauchte, war das irgendwo in ihrem Gepäck verborgene Antihistamin, dann wäre alles gut.

Und sie wäre hoffentlich immunisiert.

Moment mal. Ihr Gepäck war verloren gegangen. Wie auch ihr Verstand, als sie überhaupt erst zu diesem Abenteuer aufgebrochen war.

„Und weshalb stöhnen Sie dann?“

Seine Lippen zuckten, und Eve war versucht, ihn noch einmal anzufauchen, vielleicht sogar die Zähne einzusetzen. Sie neigte nicht zu Gewalttätigkeit, doch für ihn würde sie eine Ausnahme machen. Leider war er etwa so empfindsam wie ein Stein, und wenn sie ihn biss, legte er es höchstwahrscheinlich als Interesse aus.

„Sorgen Sie einfach dafür, dass dieses fliegende Schiff in der Luft bleibt, Schlaumeier, und überlassen Sie mich meinem Rückblick auf mein Leben.“

„Uns passiert nichts, versprochen“, sagte er. „Chris hat mich noch nie im Stich gelassen, und ich bin schon bei bedeutend schlechterem Wetter geflogen.“

„Sie haben Ihr Wasserflugzeug Chris getauft? Wofür steht die Abkürzung? Christine? Crystal?“ Sie feixte. „Christian?“

Er bedachte sie mit einem höhnischen Blick, der ihre Intelligenz infrage stellte, bevor er mit einem langen braunen Zeigefinger gegen das Christophorus-Medaillon schnippte, das über ihm hing.

„Sankt Chris. Wir haben eine Abmachung.“

Sie wünschte, er hätte eine Abmachung mit dem Wettergott statt mit einem Stück Blech, das ungefähr so viel Zauberkraft besaß wie sein fliegendes Schiff.

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als die Welt in einem blendenden blauweißen Blitz explodierte. Eve erstickte ihren Schreckensschrei, indem sie tief durchatmete, und hätte sich mit dem beißenden Gestank beinahe die Lungen verätzt, als Funken aus dem Kontrollfeld sprühten, gefolgt von ominösen Knallgeräuschen.

„Na, großartig!“

„Was?“ Starr, als hätte sie einen Stock verschluckt, sah sie ihren Piloten aus großen Augen an. Sein Gesicht war finsterer als die Nacht, und die Art, wie er den Steuerknüppel umklammerte, ließ in Eve keine große Zuversicht aufkeimen. „Was?“

„Verdammt, sitzen Sie nicht rum“, fuhr er sie an, während seine Finger über die Instrumente flogen. „Holen Sie den Feuerlöscher.“

„Wir brennen?“ Eve vergaß, den Mund zu schließen. Sie blickte den Piloten entsetzt an. Um Himmels willen, sie flogen fünfzig Meter über dem Meer. Das Flugzeug konnte doch nicht brennen. Sie hatte nicht vor, in einem fliegenden Feuerball zu braten.

„Aus dem Kontrollfeld schlagen Flammen, herrje“, bellte er. „Natürlich brennen wir. Holen Sie jetzt endlich den Feuerlöscher.“

Benommen tastete Eve nach der Gurtschnalle und fragte sich, ob es ratsam war, den Sitz zu verlassen. Vielleicht verlöschte das Feuer ja von selbst. Vielleicht konnte der Pilot es mit seinem verdammten Ego ersticken. Außerdem zitterten ihre Hände so stark, dass mehrere Sekunden verstrichen, bevor sie den Verschluss geöffnet hatte und sich aus dem Sicherheitsgurt befreien konnte.

Das habe ich nicht bestellt, sagte sie um Fassung bemüht zu sich selbst. Das alles war nur ein böser Traum. Sie sollte doch in London sein, in einem vornehmen Hotel sitzen und an einer Konferenz über Frauen und Geburt teilnehmen. Tatsächlich war sie ja auch in London gewesen – ganze zwei Stunden lang –, bevor sie den erstbesten Flug von Heathrow aus nahm, weil ihre Schwester ihr eine Nachricht hinterlassen hatte, die besagte, dass sie jemanden kennengelernt hatte und heiraten würde.

Heiraten! Einen Kerl, den sie gerade erst kennengelernt hatte. In der Südsee, verdammt noch mal. Hatte Amelia den Verstand verloren? Hatte sie nichts aus ihrer gestörten Kindheit gelernt?

Aus der Heirat wird nichts, schwor Eve sich inbrünstig. Jedenfalls jetzt noch nicht. Denn wenn ihre Schwester tatsächlich den Verstand verloren hatte, war es an Eve als der älteren Zwillingsschwester, sie zur Vernunft zu bringen.

Das Leben auf einer tropischen Insel verdrehte Amelia offenbar genauso den Kopf wie damals ihrer Mutter, als sie den Vater der Schwestern kennengelernt und sich ihm Hals über Kopf in Lust und Liebe ergeben hatte. Noch ein Mann in einer langen Reihe von Fehlgriffen, mehr nicht. Eve brauchte weiter nichts zu tun, als hinzufliegen, ihrer Zwillingsschwester die Augen zu öffnen und rechtzeitig zu den letzten drei Konferenztagen nach London zurückzukehren, vorzugsweise mit ihrer Schwester im Schlepptau. Es würde genauso sein wie in ihrer Kindheit. Sie beide gegen den Rest der Welt.

Allerdings schaffte sie es vielleicht nicht zurück zur Konferenz. Vielleicht nicht einmal bis nach Tukamumu, um die Hochzeit zu verhindern. Oder war es Moratunga?

Ach, kam es darauf jetzt noch an? Sie würde beides nicht schaffen, denn sie befand sich auf dem Weg in ein nasses Grab.

Sie fühlte sich wie betrunken in dem heftig schlingernden Flugzeug, kam taumelnd hoch und wankte zu dem hinter dem Sitz des Piloten angebrachten Feuerlöscher. Was mit Sieben-Zentimeter-Absätzen keine leichte Aufgabe war.

„Verdammt noch mal, Beeilung. Bewegen Sie sich!“

Die Worte wurden zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgestoßen, und Eve hätte ihn am liebsten wissen lassen, was er sie mal konnte. Aber wenn er sich dann mit dem einzigen funktionstüchtigen Fallschirm aus dem Staub machte? Was dann passierte, wollte sie sich lieber nicht vorstellen.

Sie zerrte an dem Zylinder und schrie auf, als das Flugzeug zum Sturzflug ansetzte. Sie taumelte rückwärts, stieß gegen die Cockpitwand und versprühte Schaum in alle Himmelsrichtungen.

Nur nicht ins Feuer.

„Was in drei Teufels Namen machen Sie da?“, brüllte der Pilot, griff hinter sich in ihre Seidenbluse und zog Eve hoch.

„Das Feuer“, knurrte er. Mit Schaum im Haar, der ihm auch von Nase und Kinn tropfte, sah er eher furchterregend als komisch aus. „Zielen Sie gefälligst auf das verdammte Feuer.“

„Dann sollten Sie vielleicht das verdammte Flugzeug still halten“, fuhr Eve ihn grob provokativ an und schlug seine Hand weg, die ihren Brüsten gefährlich nahe gekommen war. Was sich allerdings als Fehler erwies, als der Boden sich abrupt wieder neigte und Eve dem Piloten in einem Gewirr von Armen, Beinen, Düse und Feuerlöscher auf den Schoß taumelte.

Eve kreischte und bemühte sich, ihm nicht den Behälter auf den Kopf zu schlagen, denn ein bewusstloser Pilot war etwas, was sie nicht brauchen konnte. Auf keinen Fall. Stattdessen briet sie sich selbst eins über, sah sofort Sterne und fragte sich, ob tatsächlich ihr Leben an ihr vorüberzog.

Mit einem Aufschrei ließ sie den Feuerlöscher fallen, legte die Hand auf ihre Verletzung und dachte: toll! Noch ein blauer Fleck, passend zu dem bereits vorhandenen dank Mr. Ich-bin-Ihr-Pilot, Chase. Ein leises Brummen war zu hören, gefolgt von einem saftigen Fluch, und schon saß sie auf dem Hintern. Durch einen Tränenschleier sah Eve, wie er die Düse mit einer Hand auf das Kontrollfeld richtete und mit der anderen den Steuerknüppel bediente. Binnen Sekunden waren die Instrumente mit einer dicken Schaumschicht bedeckt.

Das Feuer zischte noch einmal trotzig und erlosch.

Die Erleichterung war jedoch nur von kurzer Dauer, denn kaum hatte Chase den Behälter zur Seite geworfen, umfasste er den Steuerknüppel mit beiden Händen, so fest, dass die Knöchel weiß wurden, blickte auf das vor Schaum triefende Kontrollfeld und fluchte.

Schon wieder.

Sein Gesichtsausdruck behagte Eve nicht.

„Was jetzt?“

Seine Miene war angespannt und finster, er kniff in grimmiger Konzentration die Augen zusammen. Ein Muskel zuckte in seiner schmalen braunen Wange.

„Wagen Sie nicht, mir zu sagen, dass wir abstürzen“, riet sie ihm scharf. „Denn dann haben Sie es mit einer hysterischen Frau zu tun. Und mich wollen Sie nicht hysterisch erleben.“

Der Blick, den er ihr zuwarf, besagte, dass sie schon vor einer halben Stunde die Obergrenze der Hysterie überschritten hatte. Eve ignorierte ihn. Sie stürzten ab. Sie wusste es. Er wusste es. Er war nur zu sehr Macho und zu starrsinnig, um zuzugeben, dass Sankt Chris sie beide im Stich gelassen hatte.

Eve schluckte und sah mit fasziniertem Entsetzen zu, wie Chases Arm- und Schultermuskeln sich unter dem weichen Polohemd und der glatten braunen Haut wölbten, als wollten sie daraus hervorplatzen.

„Schnallen Sie sich an“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. „Jetzt wird es ungemütlich.“

Eves Kiefer klappte herunter. Noch ungemütlicher? Ein Wimmern drohte sich Bahn zu brechen; mit ihrer Beherrschung war es nicht mehr weit her. Sie war völlig sicher, dass sie mit der Ungemütlichkeit nicht fertig wurde.

Sie stürzten ab.

„Wir werden sterben.“

„Wir werden nicht sterben. Ich bin ein hervorragender Pilot“, sagte er fest, und die Motoren protestierten mit einem beinahe menschlichen Aufschrei.

„Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, Schlaumeier“, schrie Eve fast so laut wie die Motoren, während sie mit dem Sicherheitsgurt kämpfte, der offenbar ein böses Eigenleben angenommen hatte, „dies ist kein Sturm für hervorragende Piloten. Menschen sind ja nicht einmal fürs Fliegen geschaffen. Das hier ist Armageddon. Und wenn ich sterbe, bringe ich Sie um. Ganz, ganz langsam.“

„Ich habe nicht die Absicht, zu sterben“, fuhr Chase sie an, als hätte sie nicht nur seine Männlichkeit, sondern seinen gesamten Familienstammbaum beleidigt.

Er schüttelte den Kopf, griff nach seinem Christophorus, küsste das Medaillon und legte sich die Kette um den Nacken.

„Was Sie brauchen, ist ein bisschen Vertrauen“, verkündete Chase, als die Maschine bockte und erschreckend stotterte.

Eve schluckte einen neuerlichen Aufschrei hinunter. Sie grub die Fingernägel in die Armlehnen und wünschte sich, es wäre Chases harter Schenkel. Sie hätte ihm gern ein paar Löcher in sein dickes Fell gerissen.

„Was ich brauche“, fauchte sie, „ist, dass Sie uns aus diesem Unwetter retten. Ich muss meine Schwester finden und sie vor dem größten Fehler ihres Lebens bewahren.“ Sie hob die Stimme. „Ich muss daran denken, dass ich vor meinen Schöpfer treten werde, ohne jemals schreiend zum Orgas… ach, egal.“

„Was?“ Er wandte sich ihr so ruckartig zu, dass sie beinahe damit rechnete, sein Kopf würde ihm von den Schultern fliegen. Er heftete den Blick auf Eves Mund. „Schreiend was?“

„Egal“, kreischte sie und verlor ein bisschen von ihrer berühmten Fassung. „Ich will nicht darüber reden, dass ich beinahe einunddreißig Jahre alt bin und noch nie einen welterschütternden Orgasmus gehabt habe. Bevor ich den Löffel abgebe, hätte ich gern noch einen. Nur einen!“ Sie wurde noch lauter. „Ist das zu viel verlangt?“

„Sie haben keinen …?“ Chase wirkte so verblüfft, dass seine erschütterte Sprachlosigkeit ihr geschmeichelt hätte, wäre sie nicht einem totalen Nervenzusammenbruch nahe gewesen.

„Nein. Und jetzt werde ich es nie erleben.“

Seine Antwort ging in einer ohrenbetäubenden Explosion unter, und im nächsten Moment brach das Flugzeug seitwärts aus und kippte. Eve wurde hart vom Sicherheitsgurt aufgefangen. In ihrem Kopf explodierten Lichter, und sie wusste, das war’s. Sie würde sterben, und sie würde niemals einen Orgasmus erleben, der ihr Lustschreie entlockte.

2. KAPITEL

Sechs Stunden zuvor, Port Laurent, Tangaroa

Evelyn fiel praktisch aus dem Taxi, als es mit kreischenden Reifen vor einem rechteckigen Gebäude anhielt, das die Büros von Tiki Sea & Air Charter Services beherbergte. Sie war um die halbe Weltkugel geflogen, doch die letzten fünf Meilen hatten sich als der bei Weitem schlimmste Teil der Reise erwiesen. Fünf Meilen des nackten Grauens in einem Taxi, die sie zu ihrer eigenen Verwunderung überlebt hatte.

Sie war bei eiskaltem Regen in Boston aufgebrochen und mitten in einem Schneesturm in Heathrow gelandet, und das flotte Kostümchen, das sie zur Feier ihres neuen beruflichen Status gekauft hatte, klebte jetzt an ihr, als wäre sie ein eingeschweißter Snack. Ihr Koffer war unterwegs abhandengekommen, und ihr Handgepäck enthielt nichts Geeignetes für die derzeit steigende Temperatur und die erstickende Schwüle.

Mannomann … Die Südsee.

Ihr Puls beschleunigte sich, es summte in ihren Ohren, und unangenehme Hitze breitete sich über ihren Körper aus. Einen scheußlichen Moment lang glaubte Eve, sie würde ohnmächtig werden, und atmete rasch und tief die warme, feuchte Luft ein, um einen klaren Kopf zu bekommen.

Wer hätte gedacht, als sie in Heathrow aus dem Flugzeug stieg und ihr Handy einschaltete, dass sie, statt wie geplant an der Konferenz zum Thema „Frauen und Geburt“ teilzunehmen, erneut in ein Flugzeug steigen und nach Tuka-Tuka fliegen würde?

Oder war es Moramumu?

Sie seufzte.

Sie hatte bisher noch nicht einmal von den Gesellschaftsinseln gehört, geschweige denn von einer Kette mit dem Namen Tuamotu-Archipel. Was die Frage aufwarf: Was zum Geier trieb ihre Schwester hier? Das Letzte, was sie gehört hatte, war, dass Amelia in irgendeinem schicken Hotel in Hawaii gesungen hatte.

Gut gelaunt, wie Eve selbst gern gewesen wäre – mein Gott, das hier war die Südsee –, zerrte der Fahrer ihre Tasche aus dem Taxi, stellte sie Eve vor die Füße und warf ihren schweren Wintermantel obenauf. Dann stieg er wieder in seinen altersschwachen fahrbaren Untersatz und schoss mit einem Affenzahn davon, wobei er aus voller Kehle den Song aus seinem Ghettoblaster mitsang.

Die Luft, die Eve atmete, war so feucht, dass sie glaubte, sich Kiemen wachsen lassen zu müssen, als sie sich den Riemen der Tasche und den Mantel über die Schulter warf. Sie klemmte sich den Laptop unter den Arm und überquerte die Straße zu dem kleinen Gebäude, das inmitten exotischer Blumen und dichter Vegetation stand.

Plötzlich wusste Eve überhaupt nicht mehr, was sie da tat.

Die Holztüren zu den Büros von Tiki Sea & Air standen offen, und Eve stieg die Steintreppe zu einer breiten, mit hängenden Blumenkörben geschmückten umlaufenden Veranda hinauf. Der berauschende Duft erinnerte sie an die Parfümerie von Bloomingdale’s. Schwer, üppig und exotisch.

Sie wischte sich die Schweißperlen von der Stirn, sah einen alten Mann, der auf einem Rattansofa lag und döste, und erlebte einen Augenblick puren Neides. Für ein weiches Bett, saubere Laken und etwa vierundzwanzig Stunden Schlaf hätte sie wer weiß was gegeben.

Wohl wissend, dass sie nicht die Kraft aufbrachte, dem alten Kerl sein Sofa streitig zu machen, ging Eve zur offenen Tür und betrat ein altes Gebäude im französischen Kolonialstil, dessen Verfallsdatum um mindestens drei Jahrzehnte überschritten war.

Der Raum sah aus wie aus einem Film. Abgenutzte Rattanmöbel, Kokosfasermatten auf dem Boden und ein großer Deckenventilator, der träge die dicke Luft verquirlte.

Ein riesiger geschwungener Bambustresen nahm den größten Teil des hinteren Bereichs ein, und dahinter sah Eve durch die offenen Lamellentüren die rückseitige Veranda, die sich bis zu einem langen, breiten Anleger aus Holz erstreckte. Auf dem geradezu lächerlich türkisfarbenen Wasser schaukelte ein großes weißes Wasserflugzeug. Ansonsten erblickte sie nichts als eine Landzunge und den Pazifik, der in der Sonne glitzerte wie Millionen von Edelsteinen.

Eine weitere offene Tür hinter dem Tresen gab den Blick in ein unordentliches kleines Büro frei, doch auch das war menschenleer.

„Verdammt“, murrte Eve und stieß gereizt den Atem aus. „Wo zum Kuckuck sind denn alle?“

Ein lautes, raues Ia ora na e maeva!“ ließ sie heftig zusammenfahren. Mit großen Augen sah sie sich nach dem Besitzer dieser heiseren Stimme um. Doch alles blieb still, bis auf das laute Schnarchen des alten Mannes auf der vorderen Veranda.

Still und verlassen.

Na, großartig. Jetzt hörte sie zu allem Überfluss auch noch Stimmen.

Eve redete sich gut zu, dass sie keinen Realitätsverlust erleide, stellte ihre Habseligkeiten auf einem Stuhl ab und ging zu den offenen Türen, fest entschlossen, die Herkunft dieser heiseren Stimme aufzuklären. Und hoffentlich jemanden anzutreffen, der ihr sagen konnte, wo sie einen Piloten namens Chase fand.

Sie trat hinaus auf die hintere Veranda und war unvermittelt geblendet von der Mittagssonne. Hitze stieg vom Anleger auf, und die große Bucht reflektierte das Sonnenlicht wie eine Lasershow.

Eve unterdrückte das Bedürfnis, sich wieder in das herrlich dämmerige Gebäude zurückzuziehen, und hob eine Hand, um ihre Augen zu beschatten, als die krächzende Stimme ihr ins Ohr schrie: „Ia ora na e maeva!“

Eves Herz machte vor Schreck einen Satz, sie fuhr herum und rechnete mit einem axtschwingenden Psychopathen, sah sich jedoch einem leuchtend blau-roten Papageien auf einem Baumstumpf gegenüber, der sie aus bösen Augen beobachtete.

„Oh!“, sagte sie mit einem Seufzer der Erleichterung zu dem Vogel und wich vorsichtig einen Schritt vor dem gefährlich aussehenden Schnabel zurück. „Hi. Weißt du, wo ich, hm … Chase finde?“

Der Vogel legte den Kopf auf die Seite, und Eve seufzte erneut. Jetzt redete sie schon mit einem Papageien. Was vermutlich bedeutete, dass Schlafmangel in Verbindung mit Stress und Panik sie an den Rand des Wahnsinns trieben.

„Gut“, sagte sie knapp. „Dann suche ich ihn am besten auf eigene Faust, hm?“

„Ma…oo roo…roo ro…aa“, gurrte der Papagei und hüpfte auf und nieder.

„Ja, du auch“, murmelte Eve auf dem Weg zum Geländer der Veranda. Sie beugte sich hinüber und blickte über die wuchernde Vegetation hinweg auf breite Holzplanken, die direkt zu einem noblen Jachthafen und dem betriebsamen Geschäftszentrum führten.

Nirgendwo ein Lebenszeichen; offenbar hatte sich alles vor der drückenden Hitze verkrochen.

Mit einem leicht flauen Gefühl im Magen ließ Eve sich auf der obersten Stufe nieder und atmete erschöpft durch. Da tauchte ein langer gebräunter Arm aus dem Wasser auf und klatschte auf den Anleger.

Sofort folgten ein zweiter Arm und eine Hand, die ein Netz voller Fische hielt. Und dann stemmten sich beide großen Hände auf den Anleger, und der Rest des Mannes – weit über einsachtzig groß – tauchte wie ein Meeresgott zu Besuch bei den gewöhnlich sterblichen Landbewohnern aus der Bucht auf.

Eve riss Mund und Augen auf. Ihr Blick heftete sich auf die Wasserströme, die so liebevoll all diese braune männliche Pracht auf dem Weg nach unten nachzeichneten.

Sie leckte sich die trockenen Lippen und verfolgte mit Blicken die Fluten, die über seine breite Brust und die perfekten Schultern und Bizeps liefen, als wollten sie auf ihrem Weg das feste Fleisch liebkosen. Das Wasser floss über sehenswerte Brustmuskeln, ausgeprägte Bauchmuskeln in Richtung der Schamhaarlinie, die im Bund seiner tief sitzenden Bordshorts verschwand.

Eve schnappte verblüfft nach Luft – heiliger Strohsack! Seine Beine waren lang und genauso perfekt wie der Rest. Sie blinzelte, als das Bild verschwamm, und fragte sich, ob sie halluzinierte. Doch als der Mann blieb, in Sonnenschein gebadet, der seinen Körperbau detailliert ausleuchtete, da seufzte sie. Seufzte wie ein dummes kleines Mädchen, was sie entsetzt hätte, wenn sie nicht am äußersten Rande der Erschöpfung gestanden hätte.

Sich ihrer faszinierten Betrachtung nicht bewusst, schüttelte der Meeresgott den Kopf und versprühte Wasser in alle Himmelsrichtungen, bevor er sich herabbeugte und mit einer mühelosen Bewegung das Netz mit den Fischen aufhob. Er richtete sich auf und näherte sich Eve über den Anleger, während er sich mit der freien Hand das Wasser aus dem Gesicht wischte.

Eve erkannte den exakten Zeitpunkt, als er sie sah. Seine Bewegungen stockten einen Herzschlag lang, und hätte sie ihn nicht so intensiv angestarrt, wäre ihr diese kaum wahrnehmbare Pause entgangen. Ohne innezuhalten, setzte er seinen Weg über den Anleger locker aus den Hüften heraus gehend fort. Seine Miene war düster und reserviert.

Plötzlich nervös stand Eve auf und strich mit beiden Händen über ihren Rock – ob sie die Knitterfalten glätten oder ihre feuchten Handflächen trocknen wollte, war ihr nicht ganz klar. Beinahe augenblicklich war ein lautes Summen in ihrem Kopf. Ihre Sicht verschwamm bedrohlich, und wie aus einem langen, hohlen Tunnel hörte sie sich sagen: „Ich bin Evelyn Carmichael und ich suche … ich suche … Ch…“

Wenn Chase Gallagher eines noch mehr hasste als das Finanzamt, dann waren es Großstadt-Karrierefrauen mit Großstadt-Allüren. Doch selbst er musste zugeben, dass der Anblick von langen wohlgeformten Beinen mit eleganten High Heels an den Füßen verteufelt sexy war, etwas, was ihm gefehlt hatte, ohne dass es ihm bewusst gewesen wäre.

Mittelgroß, hübsch kurvige Figur und straff gekämmtes rötlich-braunes Haar, das wahrscheinlich in der Sonne in hundert verschiedenen Nuancen glänzt, wenn sie sich denn jemals so weit gehen lässt, es offen zu tragen, dachte er und schnaubte durch die Nase. Als er dann ihr Gesicht näher in Augenschein nahm, schnappte er schockiert nach Luft, denn einen Moment lang glaubte er, seine Schwägerin in spe vor sich zu haben.

Doch das war lächerlich, denn er hatte Amelia nicht nur bei seinem Bruder Jude in der Feriensiedlung zurückgelassen, sondern dieser Frau drang die Reizbarkeit der Großstädterin aus allen Poren; sie hatte nichts von Amelias sonnigem Gemüt.

Sie musste Amelias Schwester sein. Die böse Zwillingsschwester, sagte er zu sich selbst, als er einen Arm unter ihre Schultern und den anderen unter ihre Kniekehlen schob.

Chase hob sie hoch, trug sie die Treppe hinauf und verfluchte sein Pech. Mit einem einzigen Blick war ihm klar gewesen, dass diese Frau Ärger bedeutete. Und neuerdings ging Chase Gallagher Ärger tunlichst aus dem Weg.

Autor

Lucy Ryder
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