Geheime Romanze in Dubai

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Als Georgia auf einer Luxusparty sexy Dan Ryan in die Arme läuft, möchte die Erzieherin mit den roten Locken am liebsten fliehen. Denn um nichts in der Welt darf sie ihren guten Ruf verlieren … doch genau der scheint nach einem Kuss mit dem smarten Geschäftsmann ruiniert! Ebenso wie Dans milliardenschwerer Deal mit dem Scheich … denn als unverheiratetes Paar sind öffentliche Küsse streng verboten! Kein Wunder, dass Georgia in Dans verrückten Plan einwilligt, seine Frau auf Zeit zu werden! Aber warum fühlt sich ihr falsches Spiel so unfassbar richtig an?


  • Erscheinungstag 19.01.2016
  • Bandnummer 0002
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702335
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit klopfendem Herzen stieg Georgia Blue aus der Limousine und reichte dem Portier ihren Autoschlüssel. In ihrem besten Alaia-Kleid – zugegeben, es war ein Modell aus der letzten Saison – wirkte sie, als könnte sie es sich tatsächlich leisten, hier Hotelgast zu sein. Verrückt, dass es reichte, sich einfach ein Stück glänzenden Stoff anzuziehen und die Füße in scharfe High Heels zu zwängen, damit sich das Tor zum Paradies mühelos öffnete.

Sie bahnte sich den Weg durch die Lobby des Sieben-Sterne-Hotels Al-Jafar. Hier schien alles versammelt zu sein, was Rang und Namen hatte. Inmitten riesiger Palmen und goldglänzender Säulen plätscherte ein überdimensionaler Springbrunnen. Zwischen all den Kleidern und maßgeschneiderten Anzügen berühmter Designer erinnerten die traditionellen Kleidungsstücke – schwarze Abayas für die Frauen, weiße Kanduras für die Männer – Georgia unmissverständlich daran, dass sie nicht mehr in London war. Nicht einmal annähernd.

Unbeirrt ging sie an der freundlich wirkenden Rezeptionistin vorbei und steuerte auf die Fahrstühle zu. Kurz blitzte die Erinnerung an jene großartigen Tage auf, an denen sie gemeinsam mit Nick auf den breiten Sofas gesessen und eisgekühlte Drinks getrunken hatte. Damals hatte es noch so ausgesehen, als ob ihr altes Alaia-Kleid die Bekanntschaft von neuen Modellen machen würde. An ihrem Finger hatte ein Diamantring gefunkelt, immerhin ein halbes Karat schwer, und sie war sicher gewesen, dass sich wenig später ein schmaler Goldreif dazugesellen würde.

Mittlerweile war ihr Ring ganz eindeutig ein Solitär. Fest verschlossen in einem kleinen violetten Samtkästchen, zusammen mit ihrem Stolz. Und das Großartigste, was ihr für eine kleine Auszeit blieb, war eine Happy Hour in einem Club in der Pause zwischen den zwei Jobs, die sie über Wasser hielten.

Und jetzt dies. Eine Singleparty, von der ihre Freundin Kirsty ihr erzählt hatte, mit der sie die Wohnung teilte. Hier trafen sich all jene, die nichts zu verlieren hatten. Und sie hatte nichts Besseres vor. Ihre Freundinnen hatten längst ihre Sachen gepackt und waren zu einem Mädelswochenende aufgebrochen. Sollte sie etwa zu Hause sitzen und im Internet posten, was für eine tolle Zeit sie hatte?

Nein, es war Zeit, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Und eine Singleparty war genau das, was sie jetzt brauchte. Warum also die Angst?

Entschlossen drückte sie den Knopf. Als die Türen des Lifts sich öffneten, musterte sie sich in den bodentiefen Spiegeln, mit denen die Fahrstuhlkabine ausgestaltet war. So also sah es aus, wenn man sich im Rückspiegel eines Wagens schminkte, noch dazu innerhalb von fünf Minuten auf einer halbfertigen Straße und mitten in einem Sandsturm. Ihre Augen hatten fast die Dramatik einer Kleopatra, und ihre Lippen wirkten weniger wie ein Kussmund, sondern mehr wie ein Fischmaul.

Auch ohne diesen Fehlschlag war ihr Selbstbewusstsein schon am Boden. Am besten mache ich auf dem Absatz kehrt, steige wieder in meinen Wagen und begnüge mich mit einem gemütlichen Fernsehabend. Ja, das klang perfekt.

Doch gerade in diesem Moment stieg jemand hinter ihr in den Fahrstuhl und blockierte den Fluchtweg. Groß, dunkel und in ziemlich teuren Klamotten. Und selbst der kurze Blick unter Mascara-verschmierten Wimpern zeigte ihr, dass der Typ verdammt gut aussah. Ehe sie ihr missglücktes Make-up hinter ihren dunkelroten Locken verbergen konnte, hatte er ihr einen Blick zugeworfen.

Verlegen sah Georgia zu Boden und starrte auf seine Schuhe. Handgefertigt. Italienisch. Jetzt kamen sie einen Schritt auf Georgia zu und drehten sich um, während ihr Besitzer seine Aufmerksamkeit den Knöpfen im Fahrstuhl widmete. Dann traten sie zur Seite, um weiteren Fahrgästen Platz zu machen. Georgia hörte Männerstimmen, Lachen, Plaudern.

Junge reiche Männer waren nichts Besonderes in Dubai. Und diese hier verrieten durch ihre Lautstärke und ihren alkoholgeschwängerten Atem, dass sie zum Essen nicht nur Wasser getrunken hatten.

Die Türen schlossen sich, der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, und das plötzliche Schweigen verriet Georgia, dass die Männer sie wahrgenommen hatten. Kunststück – es war nicht wirklich schwierig, hier mit einem hellen Teint und roten Haaren aufzufallen. Noch dazu, da sie gerade aussah, als wäre sie der Explosion in einer Make-up-Fabrik zum Opfer gefallen.

„Entschuldigen Sie, Miss?“

Die Stimme des Mannes mit den italienischen Schuhen klang beunruhigend dunkel und tief.

„Welche Etage?“

Angestrengt blickte sie auf die messingglänzenden Knöpfe, auf der die bronzefarbene Hand des Schuhbesitzers lag.

„Welche Etage?“, wiederholte er.

Sein Akzent war schwer einzuordnen. Englisch schien seine Muttersprache zu sein, doch sein Tonfall war leicht schleppend und erinnerte an raue Küsten und wogende Felder. An gemütliche Pubs und Bierkrüge. Der Mann selbst aber – sie ließ den Blick von seiner Hand über die breiten Schultern und das ebenmäßige Gesicht gleiten – war ganz eindeutig ein Stadtmensch.

Er hielt sich abseits der anderen Männer und wirkte größer als sie, kämpferischer. Eine unbändige Kraft umgab ihn wie ein besonderer Duft. Kraftvolle Männer bedeuteten immer harte Arbeit. Sie stellten Ansprüche, hatten hohe Erwartungen. Beruflich hatte Georgia häufig genug mit ihnen zu tun, um zu wissen, dass man sich am besten von ihnen distanzierte.

Noch dazu hatte er wundervoll geschwungene, gleichmäßige Augenbrauen. Männer, die schönere Augenbrauen hatten als man selbst, waren grundsätzlich unattraktiv. Nick gehörte auch zu dieser Sorte. Aber Nick war sowieso ein Idiot. Er hatte sogar zugegeben, sich die Augenbrauen zu zupfen und zu färben. Dieser Mann liebte nur sich selbst und die Idee von der Liebe. Und sie war so dumm gewesen, sich ausgerechnet auf ihn einzulassen.

„Miss?“ Die noch immer geduldig klingende Stimme des Fremden holte sie zurück in die Gegenwart.

„Neunundfünfzigster Stock“, sagte sie und sah, wie der Knopf unmittelbar aufleuchtete.

Es war mehr als leichtgläubig von ihr gewesen, auf Nick hereinzufallen. Dieser Mann hier aber, auch wenn durchaus ein bisschen glatt und zu geschmeidig, war offensichtlich ein ganz anderes Kaliber. Eine Naturgewalt. Echt. Hart im Nehmen. Sein Dreitagebart sah aus, als wäre er nicht dazu gekommen, sich zu rasieren, weil er stattdessen ein Abenteuer bestehen musste – und nicht etwa, weil irgendwelche Männermagazine das für schick hielten. Seine Nase war ein bisschen schief, als hätte er sie sich irgendwann beim Rugby oder in einer Kneipe gebrochen. Seine Lippen wirkten, als wüsste er genau, was er damit anrichten konnte.

Bei näherem Hinsehen erkannte sie auch, dass seine Augenbrauen keineswegs gestutzt waren, sondern von der Natur genau in diesem Winkel gebogen, um seine perfekten blauen Augen zur Geltung zu bringen.

Der Fahrstuhl wurde langsamer, hielt an, dann öffneten sich die Türen und ein Paar quetschte sich noch hinein, obwohl kaum mehr Platz war für die Wolke billigen Parfums, die es einhüllte. Die Männer drängten sich enger an Georgia. Sie spürte, wie sie eindeutige Blicke wechselten, aber das interessierte sie nicht. Von diesen Typen würde sie sich nicht aus der Fassung bringen lassen.

Sie war spät dran. Und sie hatte keine Ahnung, auf was sie sich mit dieser Party einließ. Aber sie war fest entschlossen, nicht länger die Opferrolle zu übernehmen. Von heute an würde sie über den Dingen stehen, ihr Leben im Griff haben. Und genau jetzt fing sie damit an.

Wenige Stockwerke höher stoppte der Lift erneut, und das Pärchen stieg aus. Doch für den Mann, der am dichtesten neben ihr stand, war das offensichtlich kein Grund, ein Stück von ihr abzurücken. Stattdessen drehte er sich zu ihr um und zwinkerte.

Kühl schaute sie geradeaus.

„Hey, Süße, wie wär’s mit uns?“

Georgia hatte schon den Mund zu ihrer Standard-Antwort geöffnet. Du kannst dir eine Frau wie mich nicht leisten. Das war der übliche Spruch, mit dem Babs und sie sich die Kerle vom Hals hielten, wenn sie in The Tavern, einem Pub mitten in London, kellnerten. Aber das hieße, ein Gespräch anzufangen, und dafür waren diese Männer viel zu jung, zu betrunken und zu selbstsicher.

Heute Abend würde sie sich mit Männern unterhalten, die ein bisschen älter waren, ruhiger, vielleicht nicht mehr ganz so attraktiv. Mit Männern, denen sie … trauen konnte?

Nachdem Nick sie verlassen und alles mitgenommen hatte, was sie besessen hatte, wollte sie von heißblütigen jungen Kerlen nichts mehr wissen. Wobei der heiße Typ in der Ecke des Fahrstuhls fast noch gefährlicher war. Allein durch seine Anwesenheit brachte er die Luft zum Glühen. Und sie sehnte sich nach einem langen, wärmenden Feuer, nicht nach einer hochexplosiven Brandbombe. Oder?

Wieder setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung, und sie spürte, wie die Anspannung in dem kleinen abgeschlossenen Raum anstieg. Die jungen Männer heizten sich gegenseitig mit ein paar Sprüchen auf. Georgia bemerkte, dass der Fremde mit den italienischen Schuhen sie unverwandt ansah. Als sie seinem Blick begegnete, schlugen sie seine Augen regelrecht in den Bann.

Sie hatte Hunderten von Männern Drinks serviert und sie angesehen. Doch der Blick dieses Mannes berührte sie tief im Innern und rüttelte sie auf. Es war, als könnte er alles erkennen, was ihr auf der Seele brannte – das Heimweh, den Herzschmerz, den verletzten Stolz.

Nicht eine Sekunde tat er auch nur so, als würde er den Blick abwenden. Und sie kannte sich gut genug mit Männern aus, um zu erkennen, dass er zu einem erstklassigen Flirt taugte. Allerdings nicht, wenn sie wirklich nach einem ruhigen, unauffälligen Begleiter suchte, bei dem sie sich einfach aufgehoben fühlen konnte.

Er verzog keine Miene. Und plötzlich kam ihr der erschreckende Gedanke, dass er sich wahrscheinlich einfach nur fragte, wie eine Frau sich so schminken konnte. Als sie an sich hinuntersah, kam ihr das Designerkleid plötzlich viel zu offenherzig vor.

Einer seiner betrunkenen Freunde brach das Schweigen. „Komm schon, lass uns zu der Party gehen. Meine Hand sehnt sich nach einem hübschen prallen Po …“

„Tommy, reiß dich zusammen, es ist eine Dame unter uns.“

Sein Tonfall war ruhig, dennoch verfehlten die Worte ihre Wirkung nicht. Die ganze Zeit hielt er ihren Blick gefangen, und ihre Haut prickelte vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Ernst sah er sie an, und sie spürte, wie Adrenalin – oder war es Angst? – durch ihren Körper schoss. Dieser Typ bedeutete Ärger.

Zeit zu verschwinden.

Sie musste sich zwingen, sich zu bewegen. Einige der Männer machten ihr Platz, und sie setzte einen Fuß in ihren scharfen High Heels vor den anderen.

Tief durchatmend betrat sie einen langen Flur, den unzählige Lampen beleuchteten. An den Wänden glänzte heller Marmor. Ein dezentes goldenes Hinweisschild wies zu fünf Räumen auf der rechten und ebenso vielen auf der linken Seite. Sie entschied sich für links. Außer dem Klicken ihrer Absätze war nichts mehr zu hören.

Rechter Hand entdeckte sie einen lichtdurchfluteten Balkon, der oberhalb des Innenhofs lag. Sie trat hinaus und sah auf den Springbrunnen hinunter, an dem sie eben vorbeigekommen war. Kurz genoss sie den grandiosen Ausblick, dann ging sie weiter. Zwei Türen lagen noch vor ihr, beide beinahe einschüchternd pompös. Und wieder ein kleines goldenes Hinweisschild: Jumeirah-Suite.

Hier war es.

Sie streckte die Hand aus und setzte ihr schönstes Lächeln auf.

Die Tür schwang auf.

Georgia ließ den Blick von dem großen Mann in Westernkleidung, der ihr geöffnet hatte, ins Innere der Suite schweifen. Die edle Dekoration zeugte von Geschmack und Geld. Schöne Frauen und attraktive Männer plauderten ungezwungen in kleinen Gruppen. Wie von selbst bewegten sich ihre Füße in den hochhackigen Sandalen weiter.

Der Raum war riesig. Kein Wunder – schließlich durfte man in einem Sieben-Sterne-Hotel auch eine Sieben-Sterne-Suite erwarten. Dennoch war sie auch nach einem halben Jahr in Dubai noch immer nicht auf das vorbereitet, was sie erwartete.

Zwei marmorne Stufen führten hinab in einen Sitzbereich mit weißen Ledersofas und dicken, blauen Kissen mit eingewebten Goldfäden, die zum Verweilen einluden. Der ganze Raum war in Zwischenebenen mit weiteren Sitzecken unterteilt, außerdem gab es eine Bar und ein Buffet mit kleinen Köstlichkeiten. Eine Seite der Suite mündete in einer deckenhohen Fensterfront. Dahinter schimmerte der Persische Golf in majestätischem Blau in der untergehenden Sonne.

Das alles war sie mittlerweile gewohnt. Es war nicht der zur Schau gestellte Reichtum, der ihr auffiel, sondern etwas anderes. Sie sah nur Paare, die auf den Sofas entspannten, einen Drink in der Hand. Es herrschte eine Atmosphäre von … Genusssucht, die sie irritierte.

Suchend sah sie sich nach Singlefrauen um – doch außer ihr waren alle in männlicher Begleitung.

In diesem Moment löste sich eine der Frauen aus einer Gruppe und kam die Treppe herauf. Ihr schwarzes Haar schimmerte seidig, und sie musterte Georgia aus dunklen, mandelförmigen Augen. Neben ihrem eng anliegenden, schulterfreien Kleid, das bis zur Hüfte geschlitzt war, kam sich Georgia in ihrem Outfit beinahe vor wie eine Nonne.

„Hallo, ich bin nicht sicher, ob ich hier richtig bin“, fasste sich Georgia ein Herz. „Dies ist doch eine Singleparty, oder?“

Die Frau im roten Kleid ignorierte sie. Zuvor aber fixierte sie Georgia von Kopf bis Fuß, hob eine Augenbraue, verzog die perfekt geschminkten roten Lippen und ging an ihr vorbei. Sie lehnte sich an die Theke, strich einem korpulenten Gast mit einem ihrer scharlachrot lackierten Fingernägel über die Wange und wehrte sich nicht, als er sie an sich presste. Fassungslos beobachtete Georgia, wie sie sich in seinen Armen zurückbog und zuließ, dass er ihre Brust streichelte.

Ganz sicher war sie nicht prüde. Aber ebenso sicher waren dies keine unschuldigen jungen Frauen auf der Suche nach Mr. Right. Das hier war ein ganz anderes Kaliber.

Verunsichert sah Georgia sich um in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, woran sie sich festhalten konnte. Doch es gab nicht einen freien Platz, keinen Gast, der nicht schon ins Gespräch vertieft war. Gut, sie war noch nie auf einer Singleparty gewesen. Aber es konnte doch nicht sein, dass buchstäblich jeder schon um – sie warf einen Blick auf die Uhr – halb acht jemanden gefunden hatte. Als sie ein bisschen genauer hinsah, stellte sie fest, dass manche sogar mehr als einen Partner gefunden hatten. Einige Paare bildeten eher Trios. Oh-oh.

Plötzlich fühlte sie sich, als stünde sie auf dem Deck eines sinkenden Schiffs, das Haie umkreisten. Wenn so die Partys abliefen, bei denen man möglicherweise jemanden kennenlernte, blieb sie lieber Single.

Das musste ein Missverständnis sein. Am besten ging sie nach Hause, sah sich einen Film im Fernsehen an und schickte Kirsty eine Nachricht, dass sie die schlimmste Party ihres Lebens hinter sich hatte.

Die kommenden Abende sollte sie lieber damit verbringen zu arbeiten. Das war sinnvoller, außerdem konnte sie Babs dann mehr Geld schicken. Sosehr sie auch über Nick hinweg war – Babs’ Schulden hatte sie noch nicht zurückgezahlt. Und angesichts der Summe, insgesamt sechzigtausend Pfund, würde das wohl auch noch eine ganze Weile dauern.

Entschlossen drehte sie sich um. Sie wollte weg von hier. Sofort. In diesem Moment öffnete sich die Tür … und herein kamen die angetrunkenen Typen aus dem Lift. Eine dunkle, ruhige Stimme mahnte sie, leiser zu sein, und Georgia sah in diese unglaublich kobaltblauen Augen.

Einer nach dem anderen trat ein, nur der Anführer – dass er das war, daran zweifelte Georgia keine Sekunde – blieb in der Tür stehen. Ihre Blicke trafen sich.

Wie erstarrt hielt sie in der Bewegung inne. Sie war unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte. Abwartend sah er sie an. Dann nahm er ihr die Entscheidung ab und trat auf sie zu. Ohne Eile, aber selbstsicher und zielstrebig.

Ein Lichtstrahl erhellte sein Gesicht, das plötzlich nicht mehr finster erschien. Die blauen Augen leuchteten auf, das Lächeln machte seine Züge weicher. Er war atemberaubend attraktiv. Wie habe ich Nick jemals für heiß und gut aussehend halten können! Dieser Typ legte die Messlatte für Männlichkeit verdammt hoch. Jetzt war er bei ihr angekommen, und sie hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.

Er war so groß, dass sie sich neben ihm weiblich und beschützt fühlte. Seine Brust war so breit, dass sie am liebsten sofort ihren Kopf an sie gelehnt hätte. Diese Stärke, diese Präsenz …

„Hi. Schön, Sie zu sehen – besser gesagt, wiederzusehen.“

Wortlos ließ sie es geschehen, dass er ihre Hand nahm und an seine Lippen führte. Ihr Arm schien einer Puppe zu gehören. Seine Haut fühlte sich warm und ein bisschen rau an. Mit großen Augen sah sie ihn an, während er sie ein bisschen näher zu sich heranzog, ihre Hand wieder sinken ließ und ihr ein unglaubliches Lächeln schenkte. Keine Frage, dieser Mann wusste, wie man eine Frau verführte, und war das Versprechen einer langen, sinnlichen Liebesnacht.

„Wie heißen Sie?“

„Georgia“, stieß sie aus und erlaubte ihm, ihre Hand noch länger zu halten.

„Georgia. Ein wunderschöner Name.“

Ist Blau die Farbe der Sünde? In diesem Fall ganz bestimmt.

„Dan Ryan“, stellte er sich vor.

„Hi.“ Mehr brachte sie nicht heraus.

Willenlos fragte sie sich, wo ihre Abwehrmechanismen geblieben waren. Dieser Mann spielte in der ersten Liga. Und das bedeutete, dass ihre Lauf-um-dein-Leben-Hormone reihenweise ausgeschüttet werden müssten. Stattdessen schmolz sie dahin.

Reiß dich zusammen. Du wolltest nach Hause gehen. Das Letzte, was du im Moment brauchst, ist, dich auf etwas mit einem Mann wie diesem einzulassen.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Dan. Aber es scheint, als wäre ich auf der falschen …“ Sie schaute sich um und suchte nach dem richtigen Wort für das Treiben um sie herum. Dann entzog sie ihm ihre Hand. Doch das nützte wenig. Allein seine Gegenwart zog sie magisch an.

„Das ist schade, denn ich hatte gehofft, mich für den Auftritt meiner Freunde im Fahrstuhl entschuldigen zu können. Wir hatten eine anstrengende Woche, und jetzt haben sie ein bisschen zu viel getrunken. Keiner von ihnen wird Sie mehr belästigen.“

„Das ist ja nicht Ihre Schuld. Und ich muss jetzt wirklich gehen. Also …“

Sie betrachtete noch einmal seine Freunde, die neuen Schwung in den Abend gebracht hatten. Trotzdem fühlte sie sich nicht wohl. Obwohl der heißeste Typ im Raum gerade mit ihr flirtete. Weil der heißeste Typ im Raum gerade mit ihr flirtete.

„Also. Ja. Danke. War nett, Sie kennenzulernen.“

Kaum merklich runzelte er die Stirn. Als hätte er ihr nicht die Erlaubnis gegeben zu verschwinden. Wahrscheinlich hatte er erwartet, dass sie mit einem Lachen über die Situation im Lift hinwegging und sich mit seinen Freunden amüsierte. Aber auch wenn sie ganz gut ein bisschen Aufmerksamkeit für ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein gebrauchen konnte, war dieser Mann ganz sicher nicht der Richtige dafür.

„Tommy.“ Es war eher ein Knurren als eine Einladung. Und schon stand der Kerl vor ihr, der ihr im Fahrstuhl so nah gekommen war.

„Tut mir leid, was eben passiert ist“, sagte er.

„Vergessen Sie’s“, schnitt sie ihm das Wort ab und sah sich suchend nach einem Fluchtweg um.

Doch die Dinge nahmen bereits ihren Lauf. Alle möglichen Mädchen umringten die Gruppe, flirteten mit den neu Angekommenen und verwickelten sie in Gespräche. Jede von ihnen war eine Schönheit, ob blond und groß, dunkel und heißblütig oder mit zartem Elfenbeinteint. Sind all diese Frauen einsam? Oder bin ich eventuell auf einer ganz anderen Art von Party gelandet?

Tommy hatte längst zwei der Frauen mit Beschlag belegt, und auch die anderen Jungs hatten glänzende Augen, als wären sie mitten in einer Weihnachtsbescherung gelandet.

Oh, nein! Vermutlich glaubte Dan Ryan jetzt, sie wäre ebenso leicht zu haben wie die anderen Mädchen. Und – schlimmer noch – wahrscheinlich hielt er genau nach diesem Typ Frau Ausschau. Höchste Zeit, das Weite zu suchen.

„Ich muss jetzt wirklich los.“ Keinen Moment länger wollte sie hierbleiben.

„Warten Sie.“ Er griff nach ihrer Hand. „Warum bleiben Sie nicht noch ein bisschen?“

„Tut mir leid. Wie ich schon sagte – dies ist nicht meine Art von Party.“

Stirnrunzelnd ließ er den Blick schweifen. „Ja, ich weiß, was Sie meinen. Tatsächlich hatte ich auch etwas anderes erwartet.“

Dann sah er Georgia lange mit seinen stahlblauen Augen an, als könnte er sie dadurch zwingen zu bleiben.

„Suchen wir uns doch etwas … Zivilisierteres.“

Sie versuchte, sich von seinem Blick zu lösen. Diese Augen waren von einem derart klaren Blau, keine Spur von kleinen grauen Wölkchen oder einem Hauch von Moosgrün. Es wäre möglich, Stunden damit zu verbringen, nur in diese blauen Augen zu sehen und nach einem winzigen Makel zu suchen. Aber sie wollte in ihrem Leben keine Zeit mehr verschwenden, sondern es endlich wieder in die richtige Spur bringen. Genug Geld verdienen, um Babs den Kredit zurückzuzahlen, und dann einen Flug buchen, um endlich wieder nach Hause zu fahren – das war das Einzige, was im Moment zählte.

„Vielen Dank, aber ich werde lieber nach Hause gehen. Ich bin nicht in der Stimmung zu feiern.“

Wieder ließ er seinen Blick durch die Suite gleiten und sah sich nach seinen Freunden um.

Als Georgia sich ebenfalls umsah, stellte sie fest, dass jeder von ihnen ziemlich zielstrebig darauf zusteuerte, eine heiße Nacht mit einer der Partyschönheiten zu verbringen. Das hier war keine Singleparty – es war ein Sexgelage.

„Geben Sie mir eine Minute“, bat er. „Ich muss mich gerade noch mit meinen Freunden absprechen. Sie haben keine Ahnung, wo sie hier hineingeraten sind. Und dann sehen wir mal, wie wir Ihre Laune verbessern können.“

Seit ihr klar geworden war, was hier vorging, wollte sie keine Minute länger bleiben. Und sie hatte auch keine Lust, in dieser Umgebung auf einen Mann zu warten – egal, wie großartig er war.

Seine Freunde wirkten nicht gerade begeistert von dem, was er ihnen sagte. Und einige der Frauen warfen ihr finstere Blicke zu.

Es war definitiv Zeit zu gehen. Sie schob den Riemen ihrer Tasche über die Schulter, straffte sich und wandte sich um.

Von der Tür her hörte sie ein lautes Geräusch, und plötzlich waren einige der Gäste verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Verwirrt sah sie sich um. Männer in Uniform. Polizisten. Oh nein – konnte es tatsächlich noch schlimmer kommen?

In diesem Moment tauchte Dan Ryan wieder neben ihr auf und griff nach ihrer Hand.

„Was ist los? Warum ist die Polizei hier?“, fragte sie.

„Ich kann mir nur einen triftigen Grund vorstellen – und der beruhigt mich nicht gerade. Kommen Sie.“

Er klang verstimmt, nein, eher furchterregend. Unwillkürlich presste sie sich dichter an ihn, als könnte er ihr Sicherheit geben.

Hastig zog er sie zur Treppe. Ihre Absätze klapperten auf dem Marmor, während sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten.

„Vielleicht irre ich mich, aber wahrscheinlich sind wir auf einer unerlaubten Party gelandet, und jemand hat vergessen, den entscheidenden Personen Schmiergeld zu zahlen. Das würde auch erklären, warum hier mehr im Angebot war als nur ein paar Kanapees.“

„Was wollen Sie damit sagen? Ich hatte schon das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Hören Sie – ich bin Erzieherin, ich kann es mir nicht leisten, meinen guten Ruf zu ruinieren.“

„Niemand von uns kann sich das leisten, Georgia, das können Sie mir glauben.“

Er öffnete eine Tür, und sie landeten auf dem breiten, umlaufenden Balkon. Einige Gäste lagen entspannt in den Loungesesseln, ahnungslos, dass drinnen eine Razzia begonnen hatte.

Georgia fühlte sich wie in einem Albtraum. Sie hatte Verpflichtungen, insbesondere Babs gegenüber – ihrer Lebensretterin, die alles getan hatte, um sie wieder aufzurichten und ihr ein Zuhause zu bieten. Das Vertrauen, das Babs ihr entgegenbrachte, durfte sie nicht aufs Spiel setzen.

„Sie verstehen mich nicht – wenn ich meinen Job verliere oder ins Gefängnis muss, bin ich erledigt.“

„Ich habe nicht vor zuzulassen, dass irgendjemand eingesperrt oder arbeitslos wird. Hier entlang. Ich weiß, wo wir in Sicherheit abwarten können.“

Zielstrebig zog er sie über einen weichen, violetten Teppich. Ihre hohen Absätze versanken förmlich darin, und sie strauchelte. Missbilligend sah Dan sie an und hielt sie fest. Über ihnen rumorte es.

„Was ist mit Ihrem Team?“, erkundigte Georgia sich.

„Ich habe allen genau gesagt, was sie sagen und tun sollen, falls sie in Schwierigkeiten geraten. Solange sie sich daran halten, wird ihnen nichts passieren.“ Einen Moment hielt er inne und sah sie an. „Und auch Ihnen wird nichts passieren, Georgia.“

Autor

Bella Frances
Im Alter von zwölf Jahren entdeckte Bella Frances ihre Leidenschaft für romantische Geschichten – zwischen Strickmusterbögen und Rezepten in den Zeitschriften ihrer Großmutter. Ganz und gar mitgerissen aber war sie erst, als sie in einem langen, heißen Sommer nach ihrem ersten Abschluss in englischer Literatur die Romane von Mills &...
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