Geheime Schwestern – Wenn Träume in Erfüllung gehen (3-teilige Serie)

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

BLEIB BEI MIR, GREG von ANNETTE BROADRICK
Sie sind die Frau, die ich suche! In eisiger Kälte steht ein amerikanischer Detektiv vor Fionas Cottage, hoch fiebernd und erschöpft. Sie nimmt ihn auf, pflegt ihn liebevoll und spürt: Greg könnte der Mann ihrer Träume sein! Aber warum kam er den weiten Weg zu ihr?

VERTRAU MIR, KELLY von ANNETTE BROADRICK
'
Der attraktive Milliardär Nick Chakaris ist nicht gerade begeistert, als er sein Portrait in einer New Yorker Galerie hängen sieht. Das Bild zeigt einen Mann mit eiskalten Gesichtszügen – so sieht er sich überhaupt nicht! Nick lädt die junge Künstlerin Kelly MacLeod zum Essen ein, um herauszufinden, wieso sie ihn derartig verzerrt gemalt hat. Tatsächlich scheint die hübsche junge Frau Gründe zu haben, ihn so zu verachten: Er soll für den Tod ihres Vaters verantwortlich sein! Nick ist entsetzt über diesen Vorwurf! Er hat sich auf den ersten Blick in Kelly verliebt und will ihr beweisen, dass ihn keine Schuld trifft.

WENN TRÄUME IN ERFÜLLUNG GEHEN von ANNETTE BROADRICK
Sein ganzes Leben möchte der Erfolgsautor Ian McGowan mit der bezaubernden Jenna auf seinem Schloss in Schottland verbringen. Daran besteht für ihn nach ihrer leidenschaftlichen Nacht kein Zweifel mehr. Doch sie zögert bei seinem Heiratsantrag. Warum?


  • Erscheinungstag 02.12.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512510
  • Seitenanzahl 480
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Annette Broadrick

Geheime Schwestern - Wenn Träume in Erfüllung gehen (3-teilige Serie)

IMPRESSUM

Bleib bei mir, Greg erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2003 by Annette Broadrick
Originaltitel: „Man in the Mist“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1436 - 2004 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Renate Moreira

Umschlagsmotive: Serbogachuk/Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733786571

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

PROLOG

28. November 1978

„Ich weiß, ich weiß. Die Wehen werden jetzt stärker und damit auch schmerzhafter“, sagte Dr. James MacDonald zu der jungen Frau, die in einem seiner Untersuchungsräume lag. „Aber Sie machen das großartig. Ganz großartig.“

Durchgefroren von dem kalten Wind, der draußen wehte, war die Hochschwangere gegen Abend in seiner Praxis erschienen. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen, doch da sie Wehen hatte, hatte er sie auch trotz der späten Stunde nicht fortschicken können.

Seine Frau Margaret stand neben dem jungen Mädchen und wischte ihm den Schweiß von der Stirn. „Es wird alles gut werden“, versprach Margaret, aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich Sorgen machte.

Die junge Frau hatte hohes Fieber. Dr. MacDonald hatte getan, was er konnte, doch bei der Auswahl der Medikamente hatte er auf die Babys Rücksicht nehmen müssen, die in Kürze auf die Welt kommen würden. Eigentlich hätte die Patientin dringend in ein Krankenhaus eingeliefert werden sollen, aber das konnte erst geschehen, wenn sie ihre Kinder geboren hatte.

Es würden Drillinge sein, so hatte sie ihm gesagt.

In einer Pause zwischen den Wehen blickte der Arzt sie mitfühlend an. „Wie heißen Sie eigentlich, meine Liebe?“, fragte er freundlich.

„Moira“, antwortete sie.

„Ah, Moira. Und wo ist Ihr Ehemann in dieser ungemütlichen Nacht?“

Moira schüttelte den Kopf und begann zu weinen. „Er ist tot“, schluchzte sie. „Ich sah, wie sein Bruder ihn getötet hat. Ich musste fliehen, um nicht auch umgebracht zu werden.“

„Schon gut, schon gut, Sie brauchen keine Angst zu haben, Moira. Sie sind bei Meggie und mir in Sicherheit.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wie war doch gleich der Name Ihres Mannes?“

„Douglas, aber versprechen Sie mir, dass Sie keinesfalls seinen Namen auf den Geburtsschein setzen. Wenn Sie das tun, wird sein Bruder uns finden.“

„Machen Sie sich keine Sorgen. Bei uns sind Sie sicher. Entspannen Sie sich, so gut es geht. Ich glaube, dass Ihre Babys es gar nicht erwarten können, auf die Welt zu kommen.“

„Sie sind ein wenig zu früh dran“, erklärte Moira schwach. „Mein Arzt sagte mir, dass er mich zwei Wochen vor der Geburt ins Krankenhaus einweisen würde. Und das hätte in der nächsten Woche sein sollen.“ Sie stöhnte leise auf, als eine neue Wehe einsetzte.

James MacDonald praktizierte seit inzwischen dreißig Jahren in seiner Heimatstadt, hier im schottischen Hochland, und war mit vielen schwierigen Situationen konfrontiert gewesen. Doch dieser Abend hatte ihm einen besonders komplizierten Fall beschert. Seine junge Patientin – er bezweifelte, dass sie älter als achtzehn war – hatte nicht nur eine ernst zu nehmende Lungenentzündung, sondern musste in diesem Zustand auch noch Drillinge gebären.

Nachdem Moira zwei weitere Stunden in den Wehen gelegen hatte, erblickten schließlich drei winzige, aber gesunde Mädchen kurz hintereinander das Licht der Welt. Jedes einzelne von ihnen besaß ein kräftiges Stimmchen und hatte auch keine Hemmungen, es zu gebrauchen. Margaret säuberte und wog die Neugeborenen und wickelte sie dann in warme Tücher. Zum Schluss legte sie die Säuglinge in einen großen Korb.

„Sie haben wunderbare Töchter geboren, Moira“, lobte James die junge Frau. Er war unendlich erleichtert, dass die Geburt ohne weitere Komplikationen verlaufen war. „Es sind richtige Schönheiten, genau wie ihre Mutter.“

Der Anflug eines Lächelns huschte über Moiras Gesicht, bevor sie erschöpft die Augen schloss. Ihre Arbeit war getan, sie hatte ihre Kinder auf die Welt gebracht. James trug sie in eines der oben gelegenen Schlafzimmer, damit sie sich ausschlafen und von der Geburt erholen konnte, während Margaret sich weiter um die Babys kümmerte.

Bevor der Arzt gehen konnte, umfasste Moira James’ Handgelenk. „Lassen Sie es nicht zu, dass er meine Töchter findet.“ Ihre Augen waren vom Fieber glasig, und ihre Stimme klang matt und rau von der Anstrengung der Geburt. „Er darf sie nicht finden. Er wird sie töten. Bitte, tun Sie alles, damit er sie nicht findet.“

„Sie und Ihre Babys sind hier in Sicherheit, Moira. Ruhen Sie sich jetzt aus. Ihnen wird es schon bald wieder besser gehen.“

Moira sah ihn an. Trauer und Schmerz spiegelten sich in ihrem Blick wider. „Ich habe Douglas so sehr geliebt. Ich will nicht ohne ihn weiterleben“, stieß sie leise hervor.

„Sie haben drei wundervolle Töchter, für die Sie sorgen müssen, Moira“, erwiderte James ermutigend. „Die Kleinen brauchen Sie.“

„Bitte, finden Sie ein gutes Zuhause für meine Lieblinge. Versprechen Sie mir das“, flüsterte sie. „Versprechen Sie mir, dass Sie meine Töchter beschützen werden.“

James sah sie alarmiert an. „Sie sind die Mutter. Sie selbst müssen Ihre Kinder beschützen. Geben Sie sich ein wenig Zeit. Sie werden schon bald wieder …“ Er hielt inne, als er bemerkte, dass sie das Bewusstsein verloren hatte.

Die junge Frau kam nicht wieder zu sich. Sie hauchte mit einem letzten Atemzug ihr Leben aus.

Moira hatte getan, was sie konnte, um ihren Kindern eine Chance zum Leben zu geben. Jetzt war es an James und Margaret zu entscheiden, was sie mit den Töchtern der jungen Frau tun sollten, dabei kannten sie noch nicht mal den Nachnamen der Babys.

1. KAPITEL

16. Oktober 2003

Greg Dumas blickte mit einer Mischung aus Ärger und Enttäuschung durch die beschlagene Windschutzscheibe seines Mietwagens. Nur mit Mühe konnte er das Ende der Motorhaube erkennen. Er lehnte sich vor, um besser sehen zu können, während die Scheibenwischer vergebens gegen den strömenden Regen ankämpften.

Nach einigen Wochen Schottland hatte er das Gefühl, in einer Welt aus ewigem Regen und Nebel gefangen zu sein.

Greg wusste, dass es besser gewesen wäre, in Craigmor zu bleiben, statt im Dunkeln nach einem abgelegenen Dorf zu suchen. Auf der Landkarte hatte es so ausgesehen, als ob der Ort nicht sehr weit von Craigmor entfernt wäre, aber er hatte nicht bedacht, dass dieser Ort in den Bergen lag.

Außerdem war er erschöpft. Der Husten, der ihn bereits seit Wochen quälte, war inzwischen noch schlimmer geworden war. Vor einem Monat war er in Glasgow angekommen und seitdem ständig unterwegs gewesen. Er hatte sich einen Wagen gemietet und war in dem Glauben nach Edinburgh gefahren, bestimmt drei Tage später schon nach New York zurückfliegen zu können. Stattdessen war Edinburgh nur die erste Station auf seiner Suche geworden. Seitdem folgte er einer Spur nach der anderen und fuhr kreuz und quer durch das schottische Hochland.

Greg wusste, dass sein Husten sich gar nicht gut anhörte. Außerdem hatte er das Gefühl, sein Kopf wäre in Watte gepackt, und er musste ständig niesen. Und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, hatte er sich auch noch mitten in der Nacht verirrt. Er war überzeugt gewesen, der Landkarte zu folgen, auf der er die Strecke markiert hatte, aber irgendwie war es ihm gelungen, auf eine Straße zu geraten, die offensichtlich ins Nichts führte.

Er konnte sich nicht erinnern, wann er die letzten Lichter gesehen hatte. Allerdings hätte er bei diesem Nebel wahrscheinlich durch eine Kleinstadt fahren können, ohne sie auch nur zu bemerken.

„Da lobe man sich Manhattan“, murmelte er.

Ich hätte diesen Auftrag niemals annehmen sollen, dachte er weiter. Es war inzwischen drei Jahre her, dass er sich als Privatdetektiv selbstständig gemacht hatte. Was als Einmann­unternehmen begann, hatte sich mittlerweile zu einer Firma mit mehreren Privatdetektiven – alle ehemalige Polizisten wie er – und etlichen Angestellten entwickelt.

Warum hatte er sich also doch entschlossen, diesen Job anzunehmen? Es war nicht das Geld gewesen, obwohl sein Auftraggeber ihm das Doppelte der normalen Bezahlung angeboten hatte, wenn er den Fall persönlich übernehmen würde.

Zuerst hatte er den Auftrag ablehnen wollen. Er hatte seine Tochter Tina nie länger als eine Nacht allein gelassen, und der Gedanke, ohne sie zu verreisen, hatte ihm nicht behagt. Doch Tinas Großmutter hatte ihn gedrängt, den Fall anzunehmen. Sie meinte, er hätte eine Abwechslung von seiner Routine verdient. Als sie ihn auch noch davon überzeugt hatte, dass Tina bei den Großeltern bestens aufgehoben wäre, hatte er schließlich den Auftrag angenommen. In New York war er allerdings auch noch der Ansicht gewesen, dass er in Schottland sehr rasch die Informationen finden würde, nach denen er suchen sollte.

Bisher war jedoch fast jede Spur im Sande verlaufen, und langsam bereute er es, auf Helen gehört zu haben. Dabei hatte das, was Helen sagte, normalerweise Hand und Fuß. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn seine Schwiegermutter ihm nach dem Tod von Jill nicht beigestanden und ihm geholfen hätte, seine Tochter aufzuziehen. Helen äußerte nur selten ihre Meinung, aber wenn sie es tat, hörte er normalerweise auf sie.

Sollte sich aber diese letzte Spur ebenfalls als Sackgasse erweisen, dann würde er aufgeben und nach New York zurückkehren. Weit und breit hatte sich kein anderer Anhaltspunkt mehr aufgetan.

Im Augenblick hätte er am liebsten auf der Stelle ein Flugzeug bestiegen und wäre in die Staaten zurückgekehrt, aber das war nicht möglich. Stattdessen irrte er im Westen der nebligen, regnerischen Highlands herum.

Greg wusste, dass er bereits zu lange unterwegs und zu viele Stunden gefahren war. Er musste unbedingt einen Platz zum Schlafen finden – und zwar bald. Besser gesagt, er brauchte ein Zimmer, in dem er die Nacht verbringen konnte. Die Feuchtigkeit und die kalte Luft taten ihm nicht gut. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er bald Schüttelfrost bekommen würde.

Er war in Richtung Westen gefahren, um eine Frau mittleren Alters aufzusuchen, die sich in die Einsamkeit des schottischen Hochlands zurückgezogen hatte. Bislang war es ihm jedoch nicht gelungen, diese Frau zu finden. Wie er aus Gesprächen mit mehreren Einwohnern von Craigmor erfahren hatte, war diese Frau die einzige Hoffnung, eine Antwort auf seine Fragen zu erhalten.

Als er in Schottland ankam, hatte er damit gerechnet, Kontakt mit dem Anwalt aufnehmen zu können, der die Adoption seiner Klientin abgewickelt hatte, und ebenso mit dem Arzt, der seinerzeit der Geburtshelfer gewesen war. Doch ein Arzt mit dem Namen MacDonald war in ganz Edinburgh nicht zu finden. Die Adoption war außerdem vor bereits fünfundzwanzig Jahren erfolgt, und der Anwalt, Calvin McCloskey, hatte sich inzwischen zur Ruhe gesetzt. Einer seiner Nachfolger hatte Greg versichert, dass der gute Calvin immer noch lebte, und ihm dann die Privatadresse des Anwalts gegeben.

Allerdings hatte Greg das fürs Erste auch nicht weitergeholfen. McCloskey war nämlich zum Fischen gefahren, und da selbst seine Haushälterin nicht wusste, wo er sich aufhielt, war Greg nichts anderes übrig geblieben, als zu warten.

Da er nichts Besseres zu tun hatte, besichtigte er die Sehenswürdigkeiten der Stadt und der Umgebung. Er war überrascht, wie gut erhalten die Burgen in und um Edinburgh waren. Zudem stellte sich die Geschichte dieser Stadt als wirklich faszinierend heraus.

Am Ende der folgenden Woche hinterließ Mr McCloskey dann eine Nachricht im Hotel, dass er Greg am nächsten Tag zur Verfügung stehen würde.

Sie hatten sich im Haus des Anwalts getroffen. Der Mann war zwar höflich, aber äußerst reserviert gewesen. Er erklärte Greg, er könnte ihm in dieser Sache leider nicht helfen, und entschuldigte sich damit, dass er seine alten Akten auswärts gelagert und keine Ahnung hätte, wo sich ausgerechnet diese Akte befinden würde.

Greg konnte verstehen, dass es nach fünfundzwanzig Jahren nicht so einfach war, eine bestimmte Akte wiederzufinden. Er wunderte sich allerdings darüber, dass der Anwalt am Schicksal seiner Klientin interessiert zu sein schien, denn er stellte mehrere Fragen über ihre momentane Situation.

Nachdem Greg dem Mann erklärt hatte, er könne keine Auskünfte zur Person seines Auftraggebers geben, zeigte der Anwalt ihm zumindest den Geburtsschein und die Adoptionspapiere seiner Klientin. Greg wies den Anwalt darauf hin, dass der Name der leiblichen Eltern nicht darauf stand. Er fand das sehr ungewöhnlich und bat den Anwalt, Licht in diese mysteriöse Angelegenheit zu bringen.

Calvin seufzte und lehnte sich in den Sessel zurück. Dann strich er sich über das Kinn und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Schließlich wandte er sich wieder Greg zu.

„Ihre Suche wird nichts Gutes bringen. Warum fliegen Sie nicht nach New York zurück? Sagen Sie Ihrer Klientin, dass Sie keine Spur gefunden hätten, die zu ihren leiblichen Eltern führt. Erklären Sie ihr, dass das letztendlich auch keine Rolle spielt, da es schließlich ihre Adoptiveltern waren, die ihr ein liebevolles Zuhause geschenkt hätten.“

Greg lehnte sich vor. „Sie reden, als ob Sie die Adoptiveltern gekannt hätten.“

„Das habe ich, junger Mann, ja, das habe ich. Es waren großartige Menschen.“

„Wenn das so ist, müssen Sie auch die leiblichen Eltern gekannt haben. Warum sollte man sonst ausgerechnet Sie als Anwalt für die Adoption ausgesucht haben.“

Mr McCloskey faltete die Hände und schüttelte den Kopf. „Ich wurde von dem Arzt, der Ihre … nun, Ihre Klientin zur Welt brachte, gebeten, mich der Sache anzunehmen“, murmelte er.

„Dr. MacDonald“, stellte Greg fest. „Wissen Sie, wie ich den Arzt erreichen kann?“

„Gar nicht mehr. Er und seine Frau liegen auf dem Friedhof von Craigmor.“

Greg war zutiefst enttäuscht. „Dr. MacDonald ist tot?“

„Leider. Er und seine Frau sind bei einem Fährenunglück ertrunken, weil sie anderen das Leben gerettet haben. Das einzig Gute an dieser schrecklichen Tragödie ist die Tatsache, dass sie zusammen gestorben sind. Ich glaube nicht, dass einer lange ohne den anderen gelebt hätte.“

Greg sah ihn aufmerksam an. „Ich habe den Eindruck, Dr. MacDonald hätte gewollt, dass ein Mädchen erfährt, wer seine leiblichen Eltern sind. Sagen Sie mir, hat dieser Arzt hier in Edinburgh praktiziert?“

„Nein. Er war nach dem Studium in seine Heimatstadt Craigmor zurückgekehrt. Er war der einzige Arzt in der Gegend.“

Craigmor. Das könnte eine Spur sein. Nicht viel, aber vielleicht erinnerte sich dort noch jemand an das, was vor fünfundzwanzig Jahren passiert war.

Greg hatte sich gerade damit abgefunden, dass er von dem Anwalt nichts mehr erfahren würde, da begann Mr McCloskey plötzlich zu reden, als würde er mit einer unsichtbaren Person in seiner Nähe sprechen. „Es sind jetzt fast fünfundzwanzig Jahre vergangen, Jamie. Haben wir die Babys nicht lange genug geschützt? Vielleicht ist es an der Zeit, dass sie sich endlich finden.“

Greg glaubte, den Mann falsch verstanden zu haben. Hatte er „Babys“ gesagt?

„Es gab mehr als ein Baby?“, fragte er erstaunt und spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Der Fall schien eine unerwartete Wende zu nehmen.

Mr McCloskey nickte, nahm dann seine Brille ab und polierte die Gläser mit einem blütenweißen Taschentuch. Er nahm sich Zeit, bevor er das Taschentuch wieder faltete und in seine Tasche steckte.

„Es waren Drillinge“, erzählte er schließlich. „Es war furchtbar. Wir hatten eine unserer schwierigsten Entscheidungen zu treffen. Wir wussten, dass wir für die Mädchen gute Eltern finden mussten, und das so schnell wie möglich.“

„Sie haben die Drillinge getrennt?“, vermutete Greg.

Calvin nickte. „Ja, und zwar zu ihrem Schutz. Es sollte ihnen nichts zustoßen.“

„Warum hätte ihnen denn etwas zustoßen sollen?“, fragte Greg, dessen Neugierde augenblicklich geweckt worden war.

„Man hat mir gesagt, dass der Vater der Drillinge in der Nacht vor der Geburt von seinem Bruder ermordet worden wäre und dass die werdende Mutter dann geflüchtet ist. Als sie in Craigmor eintraf, stand sie nicht nur unter Schock, sondern hatte auch eine schwere Lungenentzündung. Sie starb kurz nach der Entbindung. Offenbar hatte sie entsetzliche Angst, dass der Bruder ihres Mannes die Säuglinge finden und sie ebenfalls umbringen könnte. Sie bat die MacDonalds, ihre Töchter zu beschützen.“

Greg dankte dem Himmel für Mr McCloskeys Bereitschaft, ihm diese Information letztendlich doch noch zu geben. „Haben Sie die Namen der leiblichen Eltern erfahren?“

„Nein. Die Mutter, Moira war ihr Name, hatte ihren Nachnamen nicht genannt und auch nur den Vornamen ihres Mannes erwähnt. Douglas soll er geheißen haben. Die MacDonalds wussten weder, wie die junge Frau mit Nachnamen hieß, noch, woher sie gekommen war. Und sie haben es auch nie herausbekommen. Aus Angst, Interesse bei den falschen Leuten zu erwecken, haben sie natürlich nicht allzu viele Fragen gestellt.“

Greg machte sich Notizen und überlegte, wie er diese Neuigkeit seiner Klientin beibringen sollte. Sie war eine von drei Schwestern. Das würde eine schöne Überraschung sein!

„Jamie und Meggie haben viele Mühen und Anstrengungen auf sich genommen, um die Mädchen vor ihrem Onkel zu schützen.“

Greg erhob sich und streckte dem Mann die Hand entgegen. „Danke, dass Sie so offen zu mir waren, Sir. Ich muss zwar zugeben, dass ich jetzt noch mehr Fragen habe als vorher, aber zumindest haben Sie mich auf eine Spur geführt.“

Mr McCloskey erhob sich ebenfalls und schüttelte Gregs Hand. „Und die wäre?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Ich würde gern irgendwelche Verwandten der MacDonalds finden, vielleicht kann sich noch jemand an damals erinnern.“ Er warf einen Blick auf seine Notizen. „Sie haben den Ort Craigmor genannt. Ich werde dort mit meiner Suche fortfahren.“

Mr McCloskey rückte seine Brille zurecht. „Ich bezweifle, dass Sie dort Antworten finden werden.“ Er hörte sich leicht irritiert an, so als ob er gehofft hätte, Greg würde es aufgeben, nach weiteren Informationen zu suchen.

„Wahrscheinlich nicht, aber ich werde so lange in Schottland bleiben, bis auch die letzte Spur im Sande verlaufen ist“, hatte Greg dem Anwalt an jenem Tag geantwortet.

„Der Anwalt hat wahrscheinlich recht gehabt“, dachte Greg jetzt, während er angestrengt durch den strömenden Regen auf die Straße schaute. Greg hatte noch nie zuvor so verschlossene Menschen getroffen wie hier im schottischen Hochland. Jeder, dem er begegnet war, hatte behauptet, dass niemals Drillinge in dieser Gegend geboren worden wären.

Schließlich hatte einer der Leute erwähnt, dass die MacDonalds eine Tochter hätten, und Greg hatte sich entschlossen, diese Frau aufzusuchen. Jetzt wünschte er, er hätte es sich anders überlegt und wäre stattdessen nach Hause geflogen. Er hätte seiner Klientin sagen können, dass es keine Chance gab, die Tochter der MacDonalds ausfindig zu machen. Und dass damit auch die Hoffnung erloschen wäre, jemals ihre Eltern zu finden.

Doch Greg konnte nicht gegen sein Gewissen handeln. Solange es auch nur die geringste Chance gab, würde er seine Suche weiterführen.

Vielleicht würde Fiona MacDonald, die Tochter des Arztes, sich an etwas erinnern, das ihm weiterhelfen könnte. Bis er nicht mit ihr gesprochen hatte, wollte er nicht aufgeben.

Er musste erneut husten und war gezwungen, noch langsamer zu fahren. Zumindest brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dass jemand bei diesem Nebel auf ihn auffuhr. Kein normaler Mensch würde sich in einer Nacht wie dieser freiwillig auf die Straße begeben.

Einige Zeit später sah er vor sich ein seltsames Phänomen. Vor ihm schien eine Nebelschwade die Form eines Pfeils anzunehmen, der nach rechts zeigte. Er schüttelte leicht den Kopf. Wahrscheinlich hatte er inzwischen Fieber. Dennoch schaute er während der Weiterfahrt nach rechts und entdeckte eine schmale Landstraße.

Trotz der schlechten Sichtverhältnisse konnte Greg erkennen, dass diese Straße auf einen Hügel hinaufführte. Nirgendwo stand ein Schild, das ihm hätte verraten können, wohin dieser Weg ging, doch irgendetwas drängte ihn, hier einzubiegen. Vielleicht fand er dort ein Farmhaus, wo er nach dem Weg in die nächste Stadt fragen konnte.

Ohne lange nachzudenken, folgte er seiner Intuition und bog in die schmale Landstraße ein.

2. KAPITEL

Fiona MacDonald hatte es sich mit dem neuesten Roman ihres Lieblingsautors vor dem Kamin ihres Cottage gemütlich gemacht. Vertieft in die anregende Lektüre, hatte sie Raum und Zeit vergessen. Auf der warmen Decke, die sie sich über ihre Knie gebreitet hatte, schlief Tiger, ihr hellbraun gestreifter Kater.

Neben ihrem Sessel genoss McTavish, eine Bulldogge, die Wärme des Kaminfeuers.

Fiona war Heilerin. Die Menschen dieser Gegend vertrauten Fionas selbst gezogenen Kräutern, selbst gefertigten Salben und Tinkturen, und sie hatte den ganzen Tag mit Hausbesuchen verbracht. Als sie endlich wieder in ihrem Cottage war, fühlte sie sich zwar körperlich erschöpft, war aber trotzdem noch zu wach, um schon schlafen zu gehen. Also entschloss sie sich, eine Weile ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen und zu lesen.

Obwohl Fiona nur das Prasseln des Kaminfeuers und das leise Schnarchen des Katers hörte, hob McTavish plötzlich den Kopf und schaute zum Vorderfenster hinüber. Fiona legte ihr Buch in den Schoß und lauschte. Sie hörte immer noch nichts, aber sie wusste, dass Hunde ein sehr viel feineres Gehör haben als Menschen, und blickte deshalb aufmerksam zum Fenster hinaus.

Schließlich sah sie durch den dicken Nebel ein schwaches Licht näher kommen, und Fiona wurde klar, dass jemand den Weg zu ihrem Haus hinauffuhr. Sie seufzte, setzte Tiger widerwillig auf den Boden und warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits nach Mitternacht. Handelte es sich vielleicht um einen Notfall? Aber warum hatte man sie nicht angerufen, statt bei solch einem Wetter und zu dieser nächtlichen Stunde hier herauszufahren?

Glücklicherweise trug sie noch kein Nachthemd, sondern immer noch ihren dicken Pullover und eine Jeans. Rasch schlüpfte sie in ihre Schuhe und lief zur Tür, McTavish brav an ihrer Seite. Dann nahm sie eine warme Jacke von der Garderobe, zog sie an, setzte sich die Kapuze auf und öffnete die Tür. Erst jetzt sah sie, dass der Regen in Schneeregen übergegangen war.

Sie und McTavish warteten im Schutz der Veranda auf den Wagen, der sich langsam ihrem Haus näherte. Bis jetzt hatte McTavish noch nicht gebellt, doch seine Haltung verriet, dass er sofort angreifen würde, wenn er Gefahr für seine Herrin witterte.

Der Wagen fuhr in den Hof und blieb vor der Garage stehen. In der Hoffnung, ihren Besucher zu erkennen, schaltete Fiona das Hoflicht ein.

Sie sah jedoch, wie ein fremder Mann in einer Lederjacke aus dem Wagen stieg. Er blieb vor der geöffneten Wagentür stehen, schlug den Kragen hoch und schaute sich um. McTavish knurrte, rührte sich jedoch nicht. Gerade hatte sie die Hand auf den Kopf des Hundes gelegt, um ihn zu beruhigen, als der Mann sie auf der Veranda entdeckte.

„Es tut mir leid, dass ich Sie so spät störe“, begann er mit rauer Stimme. Er hatte einen unverkennbar amerikanischen Akzent. Dann begann er zu husten. Es war ein Husten, der nicht Gutes verriet. „Ich habe gehofft, jemanden zu finden, der mir sagen kann, wie ich ins nächste Dorf gelange. Ich suche einen Platz, wo ich übernachten kann.“

Fiona begriff sofort, dass ihr Besucher – wer immer er sein mochte – krank war. Und es war ihr unmöglich, sich von einem Menschen abzuwenden, der Hilfe brauchte.

Also trat sie vor, damit er sie besser sehen konnte. „Kommen Sie bitte herein. Ihr Husten hört sich gar nicht gut an.“

Er schüttelte den Kopf. „Danke, aber mir geht es gut. Ich hätte nur gern die Richtung gewusst, in die ich fahren muss, um in eine Ortschaft zu kommen.“

Das Licht der Hoflampe fiel auf sein volles, dunkles Haar und betonte seine hohen Wangenknochen. Das markante Kinn verriet die gleiche Eigenwilligkeit, die bereits in seiner Stimme gelegen hatte.

Während Fiona den Mann schweigend betrachtete, hatte sie die verschiedensten Empfindungen. Als Heilerin war sie es gewohnt, die Ausstrahlung von Patienten wahrzunehmen, und so spürte sie, dass dieser Mann nicht nur unter körperlichem, sondern auch unter seelischem Schmerz litt. Eine tiefe, lange bestehende Trauer schien ihn zu quälen. Wichtig war im Moment jedoch vor allem, dass der Fremde kurz vor einer Lungenentzündung stand.

Zumindest hatte er sich den richtigen Ort ausgesucht, um sich zu kurieren. Wahrscheinlich wusste er gar nicht, welch ein Segen es war, in seinem Zustand ausgerechnet bei einer Heilerin nach dem Weg gefragt zu haben.

Nun, er hat Glück im Unglück, dachte sie.

Und laut sagte sie: „Bitte, kommen Sie doch herein, damit wir in Ruhe über alles sprechen können.“

Der Fremde sah sich um, als ob er den Schneeregen jetzt erst bemerkt hätte, schloss dann mit einem resignierten Schulterzucken die Wagentür und ging auf Fiona zu. Sobald er die Veranda betreten hatte, öffnete Fiona die Tür und bat ihn, in das Haus einzutreten.

Jetzt, da sie ihn aus der Nähe sah, wusste Fiona, dass ihr erster Eindruck richtig gewesen war. Ihrem unerwarteten Besuch ging es gar nicht gut. Er stand kurz vor einer Lungenentzündung, und sie war sicher, dass er Fieber hatte.

McTavish folgte dem Mann ins Haus und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Fiona lächelte, als sie bemerkte, wie ernst ihr Hund die Rolle des Beschützers nahm, wann immer ein Fremder auftauchte. Nur selten hatte sie Besucher, die sie nicht kannte, aber sie musste zugeben, dass dieser Mann sie irgendwie faszinierte. Allerdings war sie sich noch nicht darüber im Klaren, ob er mehr die Heilerin in ihr ansprach oder die Frau. Schließlich war er trotz seines Zustands ausgesprochen attraktiv. Nun, das würde sie auch noch herausfinden. Sie schloss die Tür hinter sich und lächelte ihn freundlich an.

„Ich bin Fiona MacDonald“, stellte sie sich vor und streckte ihm die Hand entgegen. „Und wer sind Sie?“

Er blinzelte. „Sie sind Fiona MacDonald? Ich kann es nicht fassen. Sie sind die Frau, die ich suche! Mein Name ist Greg Dumas“, erklärte er und schüttelte ihr die Hand.

Die Berührung durchzuckte sie wie ein elektrischer Schlag. Oder hatte seine Bemerkung dieses Gefühl hervorgerufen? Angeblich war sie die Frau, nach der er gesucht hatte? Sollte sie ihm das abnehmen? Hatte er ebenfalls von der ersten Sekunde an diese starke Anziehung gespürt, die auch sie empfand?

Irgendwie hatte sie Zweifel. Die Vorstellung, dass ihre große Liebe mitten in der Nacht vor ihrer Haustür erscheinen und ihr mit amerikanischem Akzent erklären könnte, dass er sie endlich gefunden hätte, war selbst für eine romantische Seele wie sie etwas zu unglaubwürdig.

Fiona wies auf die Tür zum Wohnzimmer hinüber. „Sie sind bestimmt völlig ausgekühlt. Ihre Jacke ist nicht geeignet für ein Wetter, wie wir es im Moment haben. Bitte, wärmen Sie sich doch am Feuer auf. Ich werde gleich wieder zurück sein und Ihnen einen Tee bringen.“

Der Fremde sah sie so verwirrt an, dass sie sich fragte, ob er sie überhaupt verstanden hatte. „Oh, danke für Ihr Angebot“, stieß er nach einem kurzen Schweigen hervor, als ob er ihre Worte erst jetzt begriffen hätte. „Aber ich kann nicht bleiben. Ich brauche nur eine Wegbeschreibung zum nächsten Dorf.“

Aha, sie hatte sein markantes Kinn also richtig gedeutet. Er war ein eigensinniger Mann. Als er bemerkte, dass sie ihn beobachtete, lächelte er leicht verlegen. Fiona hatte keine Zweifel, er war zwar erschöpft, wollte das aber nicht zugeben.

Mit dem Kopf wies sie zum Wohnzimmer hinüber. „Es wird nicht lange dauern“, erklärte sie und signalisierte damit, dass sie ebenfalls einen eigenen Kopf hatte. „Gehen Sie zum Kamin hinüber, und wärmen Sie sich auf.“ Sie sprach mit ihm wie mit einem trotzigen Kind.

Fiona hängte ihre Jacke auf und ging dann den Flur hinunter in die Küche, die im hinteren Teil des Cottage lag.

Greg beobachtete, wie sie in der Küche verschwand. War sie vielleicht auch nur eine Erscheinung wie der Pfeil, der plötzlich im Nebel aufgetaucht war?

Das ist Fiona MacDonald? dachte er und zwang sich, an seine gegenwärtige Situation zu denken. Nein, das konnte nicht sein. Die Frau, nach der er suchte, musste in den Dreißigern sein. Diese Frau hingegen wirkte so jung, als ob sie noch nicht mal zwanzig wäre. Außerdem war MacDonald ein weit verbreiteter Name in Schottland. Er rieb sich den Nacken und rollte den Kopf, um sich zu entspannen.

Zu schade, dass er die falsche Person gefunden hatte. Es wäre aber auch zu viel verlangt gewesen, gleich einen Volltreffer zu landen.

Diese Fiona MacDonald hatte leuchtend rotes Haar, das in sanften Wellen ihr Gesicht umrahmte und ihr bis auf den Rücken fiel. Sie war zierlich und höchstens einen Meter fünfundsechzig groß, so dass sie ihm gerade mal bis zur Schulter reichte.

Greg schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären. Er war so erschöpft, dass er kaum noch vernünftig denken konnte, und er brauchte unbedingt ein Bett zum Schlafen. Alles, was er von ihr erwartete, war eine Wegbeschreibung zum nächsten Dorf. Hatte er sich nicht deutlich genug ausgedrückt?

Greg trat einige Schritte vor, damit er ins Wohnzimmer schauen konnte. Der Raum wirkte gemütlich, und die Wärme des Kaminfeuers zog ihn magisch an. Ohne groß nachzudenken, ging er auf das Feuer zu und wärmte seine kalten Finger. Ein weiterer Hustenanfall schüttelte ihn, und er hielt sich rasch die Hand vor den Mund.

Als er endlich wieder Luft bekam, ließ er sich in den Sessel neben dem Feuer fallen.

Der große Hund beobachtete ihn von der Tür aus, und Greg war nicht ganz wohl dabei. Auf der anderen Seite des Kamins stand ein weiterer Sessel, auf dem eine getigerte Katze lag, die ihn misstrauisch beäugte. Eine warme Decke hing zusammengefaltet über der Lehne, und auf dem kleinen Tisch daneben lag ein aufgeschlagenes Buch.

Es sah ganz so aus, als ob Fiona in diesem Sessel bis zu seiner Ankunft gelesen hätte. Er schaute wieder zum Feuer hinüber und schloss die Augen, die vor Müdigkeit brannten.

Dann kam ihm ein Gedanke, bei dem er leise aufstöhnte. Vielleicht hatte man ihm eine Wegbeschreibung zu der falschen Fiona MacDonald gegeben. Wäre das nicht genau das, was zu diesem unseligen Tag passte?

Er setzte den Ellbogen auf die Armlehne und stützte den Kopf mit der Hand ab. All seine heutigen Anstrengungen waren wahrscheinlich umsonst gewesen, und jetzt hatte er sich auch noch verirrt und war zu erschöpft, um sich darüber aufzuregen. Am liebsten wäre er auf der Stelle eingeschlafen, da die Wärme des Raumes seine Benommenheit noch verstärkte. Wenn die Hausherrin nicht bald zurückkehrte, dann …

„Hier ist Ihr Tee.“ Fionas Stimme riss ihn aus den Gedanken, und er zwang sich, die Augen zu öffnen. „Er wird Ihnen helfen. Sie werden sich danach bald besser fühlen“, fügte sie hinzu und hielt ihm einen dampfenden Keramikbecher entgegen.

„Ich kann wirklich nicht …“, begann er, doch sie wischte seinen Einwand mit einer Handbewegung fort und lächelte.

Greg schluckte benommen. Die junge Frau stand mit dem Rücken zum Kamin, und im Licht des flackernden Feuers schien ihr Haar förmlich zu glühen. Diese Fiona MacDonald hatte eine unglaubliche Ausstrahlung.

„Trinken Sie das“, forderte sie ihn sanft auf. „Ich verspreche Ihnen, dass ich nicht vorhabe, Sie zu vergiften.“

Widerwillig nahm Greg ihr den Becher aus der Hand. Er führte ihn zum Mund und atmete den Duft ein. Das Getränk roch gar nicht so schlecht, aber er war noch nie ein großer Teetrinker gewesen. Er zog Kaffee vor, allerdings war der Tee heiß und konnte ihm sicher helfen, sich aufzuwärmen. Außerdem war sie so nett gewesen, den Tee extra für ihn zuzubereiten. Die Höflichkeit verlangte, dass er ihn trank.

Greg legte beide Hände um den Becher und genoss die Wärme. Er hatte gar nicht recht wahrgenommen, wie ausgekühlt er gewesen war. Versonnen blickte er ins Feuer, bemerkte aber aus den Augenwinkeln, dass Fiona sich in den Sessel neben seinem setzte. Die Katze sprang ihr sofort auf den Schoß und beobachtete ihn weiter. Er hätte wetten können, dass eine Spur Verachtung in dem Blick des Tieres lag.

Als der Tee genug abgekühlt war, nahm er den ersten vorsichtigen Schluck und stellte überrascht fest, wie angenehm er schmeckte. Beinahe in einem Zug trank er den Becher aus.

Dann schaute er zu Fiona hinüber. „Der war ziemlich gut“, bemerkte er höflich.

Sie lächelte. „Sie hören sich überrascht an, Mr Dumas.“

„Ich bin normalerweise kein Teetrinker“, murmelte er etwas verlegen. Er musste wieder husten und stellte den Becher rasch auf den Beistelltisch. Als der Hustenanfall vorüber war, seufzte Greg und lehnte sich mit geschlossenen Augen in den Sessel zurück.

Als er die Augen etwas später wieder öffnete, stand Fiona vor ihm und hielt ihm den frisch gefüllten Becher hin. „Das wird Ihnen helfen“, sagte sie sanft.

Er seufzte und schaute sie an. Sie ist wirklich sehr freundlich, dachte er, aber die Erschöpfung machte es ihm unmöglich, noch etwas zu sagen.

Als ob sie seine Gedanken lesen könnte, lehnte sie sich vor und hielt ihm den Becher an die Lippen. Er hätte gern protestiert, schließlich war er kein Kind mehr, aber da ihn im Moment sogar das Sprechen Kraft kostete, trank er gehorsam den Tee.

Sobald er den Becher geleert hatte, schloss er erneut die Augen. Er spürte, dass die junge Frau nicht sofort wegging, sondern noch vor ihm stehen blieb. Ein leichter Blumenduft umgab sie und ließ ihn an Sonnenschein, Wiesen, Glück und … Sie musste gegangen sein, denn plötzlich war ihr Duft samt Sonnenschein und Glück verflogen.

Er sollte ihr für den Tee danken. Er sollte … Dann hörte er ihre Stimme wie aus weiter Ferne. Er zwang sich, die Augen zu öffnen, und versuchte zu verstehen, was sie sagte, doch schon bald gab er das auf. Stattdessen ließ er sich von ihrer melodiösen Stimme einlullen. Er war müde, so unendlich müde …

„Es ist viel zu spät, um jetzt noch eine Schlafmöglichkeit für die Nacht zu suchen, Mr Dumas. Es geht Ihnen nicht gut, und Sie brauchen Ruhe. Kommen Sie mit. Ich habe ein Gästezimmer. Im Bett ist es bequemer als hier im Sessel.“

Sie ergriff seine Hand, und als sie ihn hochziehen wollte, erhob er sich widerwillig. Der Raum schien zu schwanken, dennoch folgte er ihr langsam. Etwas stimmte nicht mit ihm. In seinem Kopf war ein Summen, das alle anderen Geräusche zu übertönen schien.

Fiona führte ihn durch das Wohnzimmer und über den Flur. Nachdem sie eine Tür geöffnet hatte, schaltete sie das Licht an und ging zum Bett hinüber.

„Warum ziehen Sie sich nicht die Jacke und die Schuhe aus?“, schlug sie mit einem fürsorglichen Lächeln vor. Er versuchte den Reißverschluss seiner Lederjacke zu öffnen, aber dieses verflixte Ding musste sich irgendwie verhakt haben. Als sie merkte, dass er Probleme hatte, schob sie seine Hände sanft zur Seite, und kurz darauf hatte sie ihm die durchnässte Jacke ausgezogen. Als sie auf seine Schuhe wies, setzte er sich aufs Bett und zog sie unbeholfen aus.

Sie ging zur anderen Seite des Bettes und schlug die Decke auf. „Ich denke, für eine Nacht wird es hier bequem genug sein.“

Schlagartig wurde ihm bewusst, was sie da sagte. Er sollte hier übernachten? Nein, so war das nicht ausgemacht!

„Was haben Sie mir da zu trinken gegeben?“, fragte er. „Warum fühle ich mich so benommen? Wer sind Sie?“ Dann bekam er erneut einen Hustenanfall.

„Wir können morgen früh über alles reden, Mr Dumas. Sie sind hier in Sicherheit. Schlafen Sie erst mal“, beruhigte sie ihn und ging zur Tür. Sie schaltete das Licht aus, schloss die Tür hinter sich und ließ ihn in der Dunkelheit zurück.

Greg saß auf dem Bett. Wie war er bloß im Gästezimmer dieser Frau gelandet? Er konnte jedoch keinen klaren Gedanken fassen. So benommen und schläfrig, wie er sich fühlte, hatte sie ihm wahrscheinlich etwas in den Tee getan.

Mit letzter Kraft zog er sich bis auf die Boxershorts aus, schlüpfte zitternd vor Kälte unter die Bettdecke und genoss dann die wohlige Wärme, die bald darauf durch seinen Körper strömte. Er gestand sich ein, dass es wohl tatsächlich das Beste war, die Nacht hier zu verbringen. Am nächsten Morgen würde er jedoch sofort abfahren. Er musste unbedingt die Suche nach der richtigen Fiona MacDonald fortsetzen.

Das war Gregs letzter Gedanke, bevor der Schlaf ihn übermannte.

3. KAPITEL

Fiona wurde durch das laute Husten ihres Besuchers geweckt. Sie warf einen Blick auf den Wecker und sah, dass es erst kurz vor fünf war.

Der Tee hatte ihm wenigstens ein paar Stunden Ruhe verschafft. Ruhe, die er dringend gebraucht hatte. Nicht, dass er es zugegeben hätte, oh, nein. Mr Greg Dumas, der Starrsinn in Person, war davon überzeugt gewesen, seine Reise fortsetzen zu können.

Sie gähnte und stand auf. Er brauchte noch mehr von der Kräutermixtur, die sie ihm gegeben hatte. Entschlossen zog Fiona ihren Morgenmantel über und ging hinunter in die Küche, wo sie die Zutaten mischte, die gegen seinen Husten und sein Fieber helfen würden.

Während sie die Kräuter abwog und zerkleinerte, wanderten ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit. Bereits als Teenager hatte sie gewusst, dass sie Menschen helfen wollte, gesund zu werden. Oft hatte sie mit ihrem Vater gearbeitet, der sich selbst im Ruhestand noch um alte Leute kümmerte, die zu keinem anderen Arzt mehr wechseln wollten. Wegen ihres Interesses an seiner Arbeit hatte er sie ermutigt, Medizin zu studieren. Und das hatte sie dann auch getan.

Doch das Studium hatte sie enttäuscht. Sie hatte fast nichts über richtige Ernährung, Präventivmedizin oder über die Naturheilmittel gelernt, die genauso gut heilten wie pharmazeutische Produkte, aber weniger Nebenwirkungen besaßen. Statt weiter Medizin zu studieren, belegte sie Kurse in Ernährungslehre und Naturheilkunde.

Als ihre Eltern starben, brach Fiona ihre Studien dann ganz ab und suchte sich einen Ort, an dem sie mit ihrem Verlust fertig werden und Trauerarbeit leisten konnte. Der Zufall führte sie nach Glen Cairn. Als sie durch die Highlands fuhr und sich nach einer freistehenden Immobilie erkundigte, fand sie dieses Cottage. Es war genau das, was sie brauchte. Das Haus lag in der Nähe eines Dorfes, so dass sie Gesellschaft haben konnte, wenn sie es wünschte, war jedoch abgeschieden genug, um ihr echte Ruhe zu garantieren. Und so hatte sie den Umzug nie bereut.

Als sich in Glen Cairn herumgesprochen hatte, was für eine Ausbildung und welche Fähigkeiten sie hatte, begannen die Leute, mit ihren Krankheiten und Wehwehchen zu ihr zu kommen. Immer wieder spürte Fiona, dass ihr eigener Kummer gemildert wurde, wenn sie anderen half. Seitdem heilte sie die hiesigen Einwohner mit ihren selbst gemachten Kräutermixturen und Salben. Sie besaß eine fast untrügliche Intuition, die sie Krankheiten mit sicherem Blick erkennen ließ.

Nachdem Fiona die Kräuter mit heißem Wasser übergossen und fünf Minuten später wieder abgeseiht hatte, brachte sie den fertigen Sud ins Gästezimmer.

Sie klopfte an die Tür, erhielt jedoch keine Antwort. Also öffnete sie die Tür leise und betrat das Zimmer. Statt das Deckenlicht einzuschalten, knipste sie nur eine kleine Lampe an, die neben der Tür auf der Kommode stand.

Ihr Patient lag mit nacktem Oberkörper auf dem Bett und hatte den Kopf abgewandt. „Ich habe Ihnen Tee gebracht“, flüsterte sie.

Als er sie anschaute, sah sie, dass seine Augen glasig waren. Sie berührte seinen Arm und spürte, dass er vor Fieber glühte. „Können Sie sich bitte aufsetzen?“, forderte sie ihn auf.

Benommen guckte er sie an. „Was wollen Sie?“

„Ich möchte, dass Sie das hier trinken“, erwiderte sie, während sie sich auf die Bettkante setzte und ihm den Becher reichte. Greg stützte sich auf einen Ellbogen, nahm den Becher und trank ihn in einem Zug leer. Ohne ein Wort zu sagen, gab er ihr den Becher zurück und ließ sich wieder ins Kissen fallen.

Fast amüsiert lächelte sie über sein Verhalten. Vielleicht war er zu krank, um sich Sorgen zu machen, was sie ihm geben könnte. Fiona ging zur Kommode hinüber, zog die oberste Schublade auf, holte ein großes Flanellhemd heraus und brachte es dem Fremden.

„Hier. Ziehen Sie das an. Sie müssen sich warm halten.“

Greg öffnete die Augen und runzelte die Stirn. „Mir ist heiß. Ich brauche kein Hemd.“

„Glauben Sie mir, Sie müssen unbedingt Ihre Brust warm halten.“

Die Falten auf seiner Stirn wurden noch tiefer, aber er setzte sich auf und zog sich das Hemd über. Mit einem Blick, der Bände sprach, rollte er sich schließlich zur Seite, so dass er ihr den Rücken zudrehte. „Machen Sie das Licht aus, wenn Sie gehen“, murmelte er ungnädig.

Fiona wusste nicht viel über ihren Besucher, aber es war offensichtlich, dass er kein einfacher Patient sein würde.

Sie knipste ein kleines Nachtlicht an, schaltete die Lampe aus und kehrte wieder in die Küche zurück, um die Salbe zu suchen, die sie für seine Brust brauchte.

McTavish war ihr nach unten gefolgt und sah sie missmutig an. „Ja, ich weiß“, sagte sie beruhigend, „ich habe dich gestört. Geh wieder nach oben. Ich werde gleich nachkommen.“

Mit einem leisen Knurren lief der Hund in den Flur, blieb einen Moment vor dem Gästezimmer stehen und trottete dann langsam die Treppen hinauf. Manchmal benimmt er sich so, als ob er jedes Wort, das ich sage, verstehen würde, dachte sie. Nun, vielleicht verstand er sie ja tatsächlich.

Wenig später betrat Fiona erneut das Schlafzimmer. Sie hatte einen Salbentiegel dabei und einen weiteren Becher Tee. Im schwachen Schein des Nachtlichts setzte sie sich auf den Bettrand und legte Greg die Hand auf die Stirn. Er glühte vor Fieber. Sie musste alles tun, um seine Temperatur zu senken. Sein Immunsystem brauchte unbedingt Hilfe, um gegen die Krankheit anzukämpfen. Sie vermutete, dass dieser Mr Dumas ein Mann war, der seine körperlichen Grenzen ständig überschritt. Das machte ihn zwar menschlich, aber leider war das auch der Grund, warum er kaum noch Kraftreserven hatte, um gegen seine Krankheit anzugehen.

Als sie nach dem Salbentiegel griff, bewegte er sich. „Jill?“, murmelte er. „Ich habe dich so sehr vermisst.“ Er ergriff Fionas Hand und zog sie zu sich.

„Mr Dumas“, protestierte sie sanft. „Wir müssen unbedingt etwas tun, um Ihr Fieber zu senken. Außerdem möchte ich Ihre Brust mit dieser Salbe einreiben, damit Ihr Husten sich löst.“

Sie rückte von ihm ab und griff zu dem Teebecher, doch er wollte ihre Hand nicht loslassen.

„Jill?“ Er hörte sich verwundert an.

„Nein. Mein Name ist Fiona.“

Sie entzog ihm die Hand, schob ihm den Arm unter den Kopf und hob ihn leicht an. „Das wird Ihnen helfen“, versprach sie und führte ihm den Becher an die Lippen.

Er leerte ihn genauso gierig wie beim ersten Mal. Schließlich stellte sie den Becher wieder ab und legte Gregs Kopf sanft zurück in das Kissen.

Dann öffnete sie den Tiegel, wärmte etwas Salbe in ihren Händen, bis sie Körpertemperatur erreicht hatte und geschmeidig war, schob Gregs Hemd nach oben und strich dann die Salbe auf Gregs Brust. Die Energie, die von seinem Körper ausging, war unglaublich, und Fiona spürte diese Kraft wie einen Strom unter ihren Fingern.

Greg Dumas war selbst in seinem kranken Zustand noch ein sehr vitaler Mann. Zumindest hatte er eine äußerst erregende Wirkung auf sie. Er entspannte sich merkbar unter ihren Händen und lächelte, aber dieses Lächeln irritierte sie, und sie beeilte sich, die Salbe in seine Haut einzureiben. Seine Brust war kräftig und muskulös, und ein seltsam prickelndes Gefühl zog durch ihren Bauch.

Nachdem Fiona sich versichert hatte, dass die Salbe gut eingezogen war, wollte sie ihm das Hemd wieder über die Brust ziehen, doch er hielt ihre Hand fest.

„Sie müssen sich jetzt ausruhen“, verlangte Fiona und bemühte sich, einen bestimmten Ton anzuschlagen. „Es ist erst früh am Morgen. Versuchen Sie, noch ein wenig zu schlafen.“

Er öffnete die Augen. Im schwachen Schein der Nachtleuchte konnte sie seinen Blick jedoch nicht deuten. „Ich werde schlafen, aber ich möchte dich an meiner Seite haben.“ Er hörte sich plötzlich sehr entschieden an, und in diesem Moment wollte er sie zweifellos in seinem Bett haben.

Fiona war noch nie in einer solch delikaten Situation gewesen. Erstens, weil sie noch nie mit einem Mann allein im Zimmer gewesen war, während sie ihn behandelt hatte. Zum anderen hatte noch nie einer ihrer Patienten persönliches Interesse an ihr gezeigt.

„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre“, erwiderte sie schließlich so freundlich wie möglich. Der Mann hatte hohes Fieber. Wahrscheinlich war ihm gar nicht klar, was er sagte, und er würde sich nach seiner Genesung auch nicht mehr an diese Szene erinnern können.

Gleichzeitig wusste sie nicht recht, was sie tun sollte.

Doch Greg nahm die Situation in die Hand – im wahrsten Sinne des Wortes. Er zog sie zu sich, bis ihr nichts anderes übrig blieb, als sich neben ihm aufs Bett zu legen. Mit einem Lächeln, das ihn noch attraktiver machte, schlang er die Arme um sie.

„Jetzt werde ich schlafen“, murmelte er, als ob er ein Versprechen halten würde.

Mr Dumas war sehr viel stärker, als sie es ihm in seinem Zustand zugetraut hätte. Fiona war nicht sicher, ob sie genug Kraft hätte, sich aus seinen Armen zu befreien. Am meisten erstaunte sie jedoch, dass sie keine Angst vor ihm hatte, obwohl sie noch nie einem Mann so nahe gewesen war.

Sie versuchte, sich zu entspannen, und hoffte, dass er bald einschlafen würde. Der Tee, den sie ihm gegeben hatte, würde in ein paar Minuten wirken.

Er drehte ihr den Kopf zu und schmiegte sein Gesicht an ihren Hals. „Hm, du riechst gut.“

Sie erstarrte, als er mit der Zunge über ihr Ohrläppchen fuhr, und stöhnte vor Überraschung und Lust leise auf, als er seine Hand in den Ausschnitt ihres Nachthemdes schob. Eine Welle purer Sinnlichkeit durchströmte sie, als er ihre Brust so lange streichelte, bis sich ihre Brustknospe unter seiner Hand aufrichtete.

Fiona geriet in Panik. Sie durfte nicht zulassen, dass diese Situation sich weiterentwickelte. Es wäre schrecklich peinlich, wenn er sich nach dem Fieber an diese Szene erinnerte – für sie und für ihn. Inzwischen hatte er mit der anderen Hand ihr Nachthemd hochgeschoben, um die Innenseite ihrer Schenkel zu streicheln, während er zärtlich ihr Ohr mit der Zunge liebkoste.

„Mr Dumas“, stieß sie schließlich – atemlos vor Erregung – hervor. „Sie sollten sich wirklich ausruhen.“

Er ignorierte ihren Protest und hauchte leichte Küsse auf ihren Hals. „Bleib bei mir“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich habe dich so vermisst, Liebling. Es gab Zeiten, in denen ich glaubte, ohne dich nicht weiterleben zu können. Aber jetzt bist du hier. Bleib bei mir und liebe mich.“

Schließlich setzte die beruhigende Wirkung des Tees ein, und seine Hand glitt von ihrer Brust herunter. Fiona schluckte, legte seinen Arm auf die Bettdecke und erhob sich langsam. Bevor sie aus dem Zimmer ging, betrachtete sie ihn noch mal und spürte, wie eine nie gekannte Sehnsucht sich in ihr ausbreitete. Sein volles Haar hing ihm in die Stirn, und sein Gesicht war vom Fieber gerötet. Fiona hätte ihm am liebsten das Haar aus dem Gesicht gestrichen und verließ rasch das Zimmer, bevor sie diesem Impuls womöglich nachgab. Sie brauchte unbedingt selbst eine Tasse Tee, um sich zu beruhigen.

Während sie einige Minute später an dem heißen Tee nippte, erinnerte Fiona sich daran, dass man Greg nicht für sein Handeln verantwortlich machen konnte. Das Fieber war in der Nacht noch gestiegen, und das war leider kein gutes Zeichen. Sie machte sich ernsthafte Sorgen um ihn. Kurz entschlossen nahm sie einige Heilmittel, Tee und Salbe inklusive, und kehrte damit wieder in sein Zimmer zurück. Sie würde ihn beobachten müssen.

Greg wälzte sich unruhig im Bett hin und her und rief immer wieder nach dieser Jill. Er redete mit ihr, flehte sie an.

Fiona musste unbedingt sein Fieber senken. Sie setzte sich neben ihn. „Mr Dumas … bitte, trinken Sie das.“ Sie legte den Arm um seinen Nacken, führte den Becher zu seinem Mund und wartete, bis er den Tee geleert hatte. Dann rückte sie rasch von ihm ab.

Da sie befürchtete, das Fieber könnte noch höher steigen, legte sie sich eine Decke über die Schultern und nahm in einem Sessel Platz, um bei ihrem Patienten Wache zu halten. Wenige Minuten später kam McTavish zur Tür herein und legte sich zu ihren Füßen auf den Teppich.

Er konnte nicht atmen. Ein schweres Gewicht lastete auf seiner Brust, und er hatte Mühe, Luft zu bekommen. Als er hustete, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz.

Etwas stimmte nicht mit ihm.

Dann drang eine sanfte Stimme an sein Ohr. Weiche Hände kühlten seinen Körper mit feuchten Tüchern, aber immer wieder wurde er von Schüttelfrost gepackt.

„Jill?“, stieß er rau hervor.

„Ich bin es, Fiona. Trinken Sie. Es wird Ihnen helfen.“

Er spürte, wie etwas Warmes in seinen Mund und dann seine ausgetrocknete Kehle hinunterlief. Fiona … Er hatte diesen Namen schon mal gehört. Kannte er Fiona? Er konnte sich nicht erinnern?

Oh, jetzt fiel es ihm wieder ein. Er suchte nach einer Fiona. Er konnte sich nicht erinnern, warum, aber er wusste, dass es aus irgendeinem Grund wichtig für ihn war, sie zu finden. Und offensichtlich hatte er sie gefunden, und das war gut. Er musste nämlich unbedingt nach Hause.

Tina brauchte ihn.

Jill brauchte ihn.

Nein. Es war zu spät, um Jill zu helfen. Er konnte nichts mehr tun, um sie zu retten.

Jill war tot, und es war seine Schuld. Sein Leben lang würde die Schuld ihn quälen.

Und er zahlte den Preis. Jetzt saß er dafür in der Hölle. Ja, es musste die Hölle sein.

Ein junges Mädchen besuchte ihn hin und wieder. Sie bot ihm etwas zum Trinken an, nahm seine Temperatur, wusch ihn und half ihm, seine Bedürfnisse zu verrichten.

Eigentlich hätte es ihn verlegen machen sollen, schließlich kannte er dieses Mädchen nicht. Aber irgendwie spielte alles keine Rolle mehr. Dennoch fragte er sich, was sie getan hatte, um hier in der Hölle zu sitzen. Das arme Ding. Aber er war viel zu müde, um zu fragen, warum sie da war.

Bilder eines unbekannten Schlafzimmers stiegen immer wieder vor ihm auf. Manchmal war der Raum so hell, dass ihn die Augen schmerzten, dann war es wieder so dunkel, dass er nur Schatten sah. Aber ob hell oder dunkel, die glühende Hitze und die Erinnerungen ließen ihn nicht los.

Greg sah den Revolver. Er gab Jill ein Zeichen, das Geschäft zu verlassen, bevor der Gangster mit der 38er sie entdeckte.

Doch wo war plötzlich der andere Verbrecher hergekommen? Die Polizei hätte längst hier sein müssen.

Ein Kugelhagel zerschmetterte das Glas um ihn herum. Er musste diesen Schießwütigen aufhalten. Er musste sich um Jill kümmern.

Blut. So viel Blut.

„Um Himmels willen“, stieß er mit gebrochener Stimme hervor. „Jill!“

„Sie träumen“, redete Fiona ihm tröstlich zu. „Sie sind hier in Sicherheit. Es wird alles gut. Ruhen Sie sich einfach aus.“

Die Stimme wirkte so sanft, so liebevoll.

„Tina?“

„Ich bin Fiona. Ich werde Sie nicht allein lassen. Die Medizin wird Ihnen helfen. Es wird Ihnen bestimmt bald besser gehen. Sie sind hier in Sicherheit“, wiederholte sie.

Natürlich war er in Sicherheit. Es war Jill, die er unbeschützt gelassen hatte.

Fiona hatte geahnt, dass in dieser Nacht die entscheidende Krise stattfinden würde. Drei Nächte waren vergangen, seit ihr Besucher vor ihrem Haus erschienen war. Abgesehen von kurzen Unterbrechungen, um zu essen oder zu duschen, hatte sie ihn rund um die Uhr betreut. Wenn er ausnahmsweise mal friedlich schlief, hatte sie in ihrem Sessel genickt, doch allzu oft schien er von Albträumen geplagt gewesen zu sein.

Sie hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Sie wusste nicht mehr, wie oft sie den Mann gewaschen oder in feuchte Tücher gewickelt hatte, um sein Fieber zu senken. Löste sich sein Husten bereits ein wenig? Atmete er inzwischen leichter? Sie war sich nicht sicher. Sie wusste nur, dass sie ihn in seinem Kampf nicht allein lassen durfte.

Irgendwann zwischen vier und fünf Uhr morgens war die Kraft des Fiebers gebrochen, und Greg fiel in einen tiefen, heilenden Schlaf.

Fiona war ebenfalls erschöpft.

Sie zwang sich, die Treppen zu ihrem Schlafzimmer hinaufzugehen, ließ sich in ihr Bett fallen und schlief sofort ein.

4. KAPITEL

Fiona wurde von einem Klopfen geweckt. Als sie schließlich aus ihrem tiefen Schlaf erwachte, wurde ihr bewusst, dass sie das Geräusch schon seit einer Weile gehört haben musste. Benommen öffnete sie die Augen und schaute sich um. Helles Sonnenlicht strömte durch die Fenster. Erstaunt blinzelte sie. Normalerweise erwachte sie bereits bei Sonnenaufgang.

Dann fiel ihr Greg ein und gleich darauf die vergangenen Tage und Nächte. Sie hatte ihn in den letzten Stunden nicht mehr husten gehört und hoffte, dass es ihm tatsächlich besser ging.

Fiona warf einen Blick auf die Uhr und erschrak. Es war bereits drei Uhr nachmittags, und jemand klopfte an ihre Haustür.

McTavish hatte nicht gebellt, also war es jemand, den er kannte.

Sie ging zum Fenster hinüber und wollte gerade hinausschauen, als sie eine Frauenstimme hörte.

„Fiona, bitte, öffnen Sie die Tür. Ich muss unbedingt mit Ihnen reden!“

Mrs Cavendish.

Oh, nein. Sarah Cavendish war eine Seele von Mensch, hilfsbereit und liebenswert, aber sie war auch die größte Klatschtante der ganzen Gegend. Fiona hatte zwar keine Bedenken, jemandem zu erzählen, was sie in den vergangenen Tagen und Nächten getan hatte, aber sie hätte es vorgezogen, diese Erklärung ausgeschlafen und nach einer guten Tasse Tee abzugeben.

Nun, es war nicht zu ändern. Mrs Cavendish war hier. Der Mietwagen im Hof war stummer Zeuge der Tatsache, dass sich ein Besucher in ihrem Cottage aufhielt. Sie drehte sich um und schaute zu McTavish hinüber, der immer noch auf dem Teppich neben ihrem Bett lag.

„Du bist mir ja ein feiner Wachhund“, schalt sie ihn und griff zu ihrer Kleidung, die auf einem Stuhl lag. „Du hättest mich auch warnen können.“ Rasch zog sie sich Sweatshirt und Hose an und lief nach unten. Bevor sie die Tür öffnete, atmete sie mehrere Male tief durch und setzte ein – so hoffte sie zumindest – liebenswürdiges Lächeln auf.

Sarah Cavendish stand mit einem riesigen Korb vor der Tür und wirkte leicht bestürzt. „Oh, Mrs Cavendish“, begrüßte Fiona die Besucherin freundlich und hatte Mitleid mit der armen Frau, die so lange hatte vor der Tür stehen müssen. „Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht sofort gehört.“ Sie trat zwei Schritte zurück, damit Sarah eintreten konnte. „Kommen Sie, ich werde Ihnen den Korb abnehmen.“

„Oh, danke“, erwiderte Sarah erleichtert. „Mein Mann hat mich unten an der Straße abgesetzt, weil ich dachte, dass ein Fußmarsch mir guttun würde, aber der Korb wurde mit jedem Schritt schwerer.“

Da Fiona mit beiden Händen den Korb hielt, stieß sie mit der Hüfte die Tür zu. „Sie müssen ja völlig ausgekühlt sein“, meinte sie besorgt. „Kommen Sie, ich werde Ihnen einen Tee zubereiten.“

In der Küche setzte sich Sarah an den Tisch und beobachtete Fiona aufmerksam. „Komme ich vielleicht ungelegen, meine Liebe?“

Fiona maß den Tee ab, während sie darauf wartete, dass das Wasser zu kochen begann. Sie sah sich nicht um. „Nein. Warum?“

„Oh.“ Es entstand eine kleine Pause. „Ich dachte nur. Ihr Haar ist zerzaust, und Sie haben den Pullover linksherum an.“

Fiona schloss die Augen und wog ab, ob sie erklären sollte, warum sie gerade erst aufgestanden war. Aber ging das überhaupt jemanden etwas an?

Sie zwang sich zu einem Lachen, das leider recht gezwungen ausfiel, und fuhr sich rasch mit den Händen durchs Haar.

„Das habe ich gar nicht bemerkt“, murmelte sie schließlich. „Wie dumm von mir. Wenn Sie mich bitte einen Moment entschuldigen würden.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Fiona die Küche und lief rasch die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Als sie in den Spiegel schaute, stellte sie fest, dass ihre Haare völlig verwühlt aussahen.

Rasch zog sie das Sweatshirt aus, zog sich einen BH und dann das gewendete Sweatshirt wieder an. Anschließend lief sie ins Bad, wusch sich das Gesicht und bürstete ihr Haar.

Als sie wieder in die Küche kam, goss Sarah ihnen gerade Tee ein. Sie hatte einen Kuchen auf den Tisch gestellt und Fiona bereits ein Stück auf einen Dessertteller gelegt.

„Ich habe heute Morgen drei Kuchen gebacken und dachte mir, dass ich Ihnen einen davon abgebe“, erklärte sie. „Außerdem habe ich Ihnen noch frische Eier mitgebracht und zwei hausgemachte Brote. Ich backe immer zu viel, und ich weiß, dass Sie bei all Ihrer Arbeit kaum Zeit dafür finden.“

Fiona nahm ihre Tasse auf und trank. Wann hatte sie eigentlich zuletzt etwas gegessen? Sie erinnerte sich kaum. Kuchen wäre zwar nicht gerade ihre erste Wahl gewesen, aber es war besser als gar nichts. Erst jetzt war ihr bewusst geworden, was für einen Hunger sie hatte.

„Danke, dass Sie den Tisch gedeckt und bereits den Tee eingegossen haben. Und es ist wirklich reizend von Ihnen, dass Sie mir Kuchen, Brot und Eier gebracht haben. Vielen Dank.“

Sarah errötete vor Freude. „Meine Liebe, Sie tun so viel für uns. Es ist nur fair, wenn wir Ihnen etwas zurückgeben.“

Fiona lächelte. „Ich werde für meine Dienste bezahlt, Mrs Cavendish.“

Sarah winkte ab. „Unsinn. Sie lassen sich nie genug be­zahlen. Erst neulich hat Terese mir erzählt, wie viele Stunden Sie bei ihren kranken Jungs verbracht haben. Sie ist davon überzeugt, dass kein Arzt die Kinder so schnell hätte heilen können. Sie vollbringen jeden Tag ein Wunder.“

„Ganz und gar nicht. Mein Vater war Arzt, und auch ich habe einige Semester Medizin studiert.“

Sarah zog die Augenbrauen hoch. „Aber er hat Ihnen nichts über die Kräuter beigebracht, die Sie in Ihrem Garten ziehen und zu Tees und Salben verarbeiten, stimmt’s?“

„Nein, das hat er nicht“, gab Fiona mit einem Lächeln zu. „Das habe ich in speziellen Kursen gelernt. Ich finde, dass Naturheilmittel viel zu wenig genutzt werden.“ Sie erhob sich, holte die Teekanne und goss beiden noch mal nach. Dann nahm sie wieder Platz und kostete den Kuchen. Er schmeckte wunderbar, und Fiona fragte sich, wie viel Butter und Eier Sarah dafür wohl verwendet haben mochte.

Die beiden Frauen plauderten noch eine Weile, bis Sarah schließlich einen Blick auf die Uhr warf. „Du liebe Güte, ich habe gar nicht bemerkt, wie spät es bereits ist. Ich muss zurückgehen, solange es noch hell ist.“

Beide erhoben sich. „Danke, für die guten Sachen, die Sie mir mitgebracht haben“, sagte Fiona herzlich. „Dank Ihren Backkünsten werde ich noch zunehmen“, fügte sie lachend hinzu

Sarah lachte ebenfalls. „Und wenn schon. Sie sind so schlank, dass Sie ruhig ein paar Pfund zulegen können.“ Sie warf Fiona einen viel sagenden Blick zu. „Männer mögen Kurven.“

Nein, nicht schon wieder! Jede Frau in der Stadt wollte sie unbedingt mit einem Mann verkuppeln.

Fiona brachte Mrs Cavendish zur Tür und verabschiedete sich. Doch bevor Sarah ging, wandte sie sich noch mal um. „Ich werde mit dem Alter wirklich immer vergesslicher. Ich wollte Sie bereits bei meiner Ankunft gefragt haben, wem der Wagen dort gehört?“

„Nun“, begann Fiona. „Ich … äh …“

Sie wurde von einem Husten unterbrochen, das aus dem Gästezimmer kam. Obwohl es sie verlegen machte, Gregs Anwesenheit zu erklären, war sie gleichzeitig erleichtert, dass sein Husten sich bereits viel besser anhörte.

Sarahs Augen weiteten sich vor Erstaunen. „Du meine Güte! Da ist jemand wirklich krank, nicht wahr? Ich wusste nicht, dass Sie einen Patienten haben, sonst hätte ich Sie nicht so lange aufgehalten.“

Fiona lächelte. „Ich muss mich jetzt auch wieder um ihn kümmern und einen neuen Kräutertee zubereiten.“

Sarah nickte. „Nun, ich werde Sie nicht länger stören. Ist der Patient aus unserer Stadt? Ich kenne den Wagen gar nicht.“

„Nein, das ist er nicht. Er …“

„Er?“, unterbrach Sarah sie erstaunt und nicht ohne Neugierde. „Sie beherbergen einen fremden Mann in Ihrem Haus? Fiona, halten Sie das für klug? Sie hätten jemanden anrufen sollen, um nicht allein mit ihm zu sein.“

„Das war nicht nötig, Mrs Cavendish. Er war viel zu krank, um gefährlich werden zu können.“ Unglücklicherweise musste sie genau in diesem Moment daran denken, wie Greg ihre Brust gestreichelt hatte. Sie spürte, wie ihre Wangen sich bei der Erinnerung an jenen Moment röteten.

Mrs Cavendish entging nie etwas, und ein wissendes Lächeln trat auf ihr Gesicht. „Oh, so ist das! Nun, ich werde Sie nicht weiter aufhalten.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging rasch den Weg hinunter.

Fiona atmete erleichtert auf und schloss die Tür. Als sie sich umdrehte, sah sie McTavish mit missmutigem Gesichtsausdruck an der Treppe stehen. „Ja, ich weiß, du hast Hunger. Aber ich muss zuerst nach unserem Patienten sehen. Danach werde ich dich füttern, in Ordnung?“

Sie warf einen Blick in das Gästezimmer und sah, dass Greg noch immer schlief. Sie ging zum Bett hinüber und betrachtete ihn. Seine Gesichtsfarbe wirkte bereits viel gesünder. Das Fieber schien fast verschwunden, und sein Atem ging schon deutlich leichter. Greg war offensichtlich auf dem Weg der Genesung. Es war an der Zeit, dass sie ihm eine leichte Mahlzeit zubereitete, damit er wieder zu Kräften kam.

McTavish folgte ihr in die Küche. Sie fütterte den Hund und ließ ihn dann hinaus, bevor sie einen Haferbrei kochte. Kaum hatte sie ihre Arbeit beendet, als die Bulldogge schon wieder an der Tür kratzte.

„Oh, du willst also wieder Wache halten, nicht wahr?“, stellte sie lächelnd fest.

McTavish warf ihr einen treuherzigen Blick zu und hob die Pfote.

Unwillkürlich musste sie lachen. Wer war in diesem Haushalt eigentlich für wen verantwortlich? Im selben Moment kam Tiger mit stolz erhobenem Schwanz vom Flur hereinspaziert. Es sollte wohl niemand vergessen, dass er der Herr im Hause war.

Er schnupperte an seiner Schüssel und sah sich dann beleidigt um.

„Ja, ja, ist schon gut“, beruhigte Fiona ihn. „Du bekommst auch was.“

Nachdem sie auch dem Kater etwas zu fressen gegeben hatte, stellte sie Gregs Haferbrei sowie einen Becher Tee auf ein Tablett und ging zum Gästezimmer.

„Mr Dumas?“

Dieses Mal antwortete er ihr sogar. „Kommen Sie herein“, sagte Greg rau und hustete sofort wieder. Ja, der Husten hörte sich bereits viel besser an, aber er schien immer noch schmerzhaft zu sein.

„Guten Tag“, grüßte sie ihn lächelnd und stellte das Tablett auf den Nachttisch. „Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit zum Essen gebracht. Es ist nur etwas Leichtes, weil Sie lange nichts Festes mehr zu sich genommen haben.“

Er sah sie stirnrunzelnd an. „Was ist los? Warum bin ich eigentlich hier? Und wo bin ich? Und wer sind Sie?“

„Sie sind in Glen Cairn, Mr Dumas. Sie sind in den vergangenen Tagen schwer krank gewesen. Sie sollten jetzt einen Bissen essen und den Tee trinken.“ Fiona nahm den Becher in die Hand und reichte ihn ihm.

Greg sah den Becher an, als ob sie ihm Gift anbieten würde. Es musste ihm also bereits viel besser gehen, denn er reagierte genau wie in der ersten Nacht. Sein misstrauisches Verhalten war wieder da.

„Wie bin ich hierhergekommen?“, wollte Greg wissen. Den Teebecher nahm er ihr nicht ab.

„Sie haben sich vermutlich verirrt und sind dann die Zufahrtsstraße zu meinem Haus hinaufgefahren.“ Sie beugte sich zu ihm. „Das hier wird Ihnen helfen, den Husten loszuwerden.“

Er nahm ihr den Becher aus der Hand und roch daran. Sie hatte zur Verbesserung des Geschmacks etwas Zimt hinzugefügt, und der vertraute Duft schien ihm zu gefallen. Vorsichtig nahm er den ersten Schluck und trank den Becher dann in einem Zug leer. Nachdem er auch seinen Haferbrei gegessen hatte, sah er sich in dem Zimmer um.

„Entschuldigung, ich müsste mal Ihre Toilette benutzen.“

„Das Gästebad befindet sich gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Flurs. Soll ich Sie dorthin begleiten?“

„Nein, das schaffe ich schon. Aber wenn Sie mich bitte allein lassen würden. Ich habe nur Boxershorts an und ein Hemd, das gar nicht mir gehört.“

Fiona hätte fast gelächelt. Er erinnerte sich offensichtlich nicht daran, dass sie seinen ganzen Körper mehrmals gewaschen hatte. Dann wusste er bestimmt auch nicht mehr, dass er sie ins Bett gezogen und ihre nackte Brust gestreichelt hatte. Nun, wie beruhigend, das zu wissen.

Sie nickte und ging rasch zurück in die Küche. Sie brauchte unbedingt etwas Herzhafteres zu essen als Kuchen, und vielleicht hatte ihr Gast ja auch noch Hunger.

Doch dann vernahm sie einen dumpfen Aufprall, einige herzhafte Flüche und schließlich Schritte sowie das Öffnen der Badezimmertür. Obwohl sie beunruhigt war, war sie fest entschlossen, ihn allein zu lassen. Er würde schon zurechtkommen. Stattdessen stellte sie zwei Schälchen für den Haferbrei auf den Tisch und begann, Toast zuzubereiten.

Gerade hatte sie die fertigen Toastscheiben auf einen Teller gelegt, als sie ein Geräusch hörte. Sie blickte auf und sah Greg gegen den Türrahmen gelehnt dastehen. Erstaunt schaute er sich in der Küche um.

Fiona hatte völlig vergessen, wie groß er war. Er hatte zwar kein Fieber mehr, sah aber immer noch sehr blass aus. Sein Haar war zerzaust, und die Bartstoppeln gaben ihm einen verwegenen Ausdruck.

Fiona hätte am liebsten gelacht. Man spürte, wie sehr er sich zusammenriss, um den starken Mann zu spielen. Er fand es offensichtlich unerträglich, so schwach zu sein. Also versuchte er, seinen Zustand zu überspielen.

„Ich habe Ihnen noch eine Schüssel Haferbrei und etwas Toast gemacht“, sagte sie und stellte den Teller mit dem Toast auf den Tisch. „Nach dem Essen sollten Sie sofort wieder ins Bett gehen. Sie werden einige Zeit brauchen, um wieder ordentlich zu Kräften zu kommen.“

„Bin ich eigentlich Ihr Gefangener?“

Fiona trat vom Tisch zurück und starrte ihn an. „Was?“

„Ich verstehe nicht, was hier los ist.“ Er stand immer noch im Türrahmen.

„Ich will Ihnen was zu essen geben. Ist das etwa ein Verbrechen?“ Sie setzte sich und begann, ihren Toast mit Butter zu bestreichen.

Schweigend trat er zum Tisch und schaute sie an. „Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet.“

In Ruhe biss sie von ihrem Toast ab, kaute genüsslich und schluckte. „Manche Fragen sind eben zu lächerlich, um sie zu beantworten.“

Er zog einen Stuhl hervor und setzte sich. „Ist es auch lächerlich, nach Ihrem Namen zu fragen?“

„Oh, nein, natürlich nicht. Ich heiße Fiona MacDonald.“ Sie bot ihm die Butter an.

Er nahm sie und runzelte die Stirn. „Ich suche nach einer Frau mit genau diesem Namen“, erklärte er schließlich.

„Das erwähnten Sie bereits bei Ihrer Ankunft.“

Er rieb sich die Stirn. „Ich kann mich kaum noch erinnern, wie ich hierhergekommen bin.“

„Sie sind bereits seit vier Tagen hier, Mr Dumas.“

„Vier Tage? Wie ist das möglich?“

„Sie hatten den Beginn einer Lungenentzündung und sehr hohes Fieber. Glücklicherweise haben mein Tee und die Salbe, die ich auf Ihre Brust aufgetragen habe, Ihnen geholfen, die Krankheit schnell zu überstehen.“

„Sind Sie Ärztin oder so etwas?“

Sie nickte. „Oder so etwas, ja. Ich habe getan, was ich konnte, um Ihnen zu helfen. Und es muss etwas genützt haben, sonst würden Sie jetzt nicht hier am Tisch sitzen und essen. Trotzdem werden Sie sich einige Tage noch sehr schwach fühlen. Sie müssen viel schlafen und sich erholen, sonst riskieren Sie einen Rückfall.“

Erst nachdem er Haferbrei sowie gebutterten Toast ge­gessen und seinen Tee ausgetrunken hatte, sprach er wieder. „Ich habe keine Zeit, mich auszuruhen. Ich muss diese Frau finden, nach der ich suche.“

„Ich dachte, ich wäre diejenige, nach der Sie suchen.“

Er schaute sie an und schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Findet man den Namen Fiona in Schottland eigentlich öfters?“

„Nicht so oft, besonders nicht in Kombination mit dem Namen MacDonald.“

Er rieb sich erneut die Stirn. „Trotzdem können Sie nicht die Frau sein, nach der ich suche. Die, die ich meine, ist wahrscheinlich schon über dreißig.“

„Haben Sie Kopfschmerzen?“

„Was? Ein wenig.“

„Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr Fieber auch wieder steigen könnte. Warum legen Sie sich nicht ins Bett. Es ist nicht gut, wenn Sie sich überanstrengen.“

„Haben Sie nicht gehört, was ich sagte? Ich habe keine Zeit, im Bett herumzuliegen. Ich muss nach Glen Cairn und diese Frau finden.“

Fiona klatschte in die Hände. „Mr Dumas, ich bin die einzige Fiona MacDonald, die in der Gegend von Glen Cairn lebt. Und Sie, Sir, sehen bereits wieder so blass aus, als ob Sie jeden Moment in Ohnmacht fallen könnten. Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie mir jetzt erlauben, Sie bis zu Ihrem Bett zu begleiten. Es wäre sehr viel einfacher, als Sie ohnmächtig durch das halbe Haus hinter mir herziehen zu müssen.“

5. KAPITEL

Greg schaute die zierliche Frau, die ihm gegenübersaß, erstaunt an. Er hatte das Gefühl, ein harmloses, niedliches Kätzchen hätte ihn plötzlich mit Zähnen und Krallen attackiert.

In seinem Kopf pochte es so unbarmherzig, dass er sie kaum noch hören konnte. Er wollte ins Bett, und zwar sofort. Und genau das hatte Fiona vorgeschlagen. Warum saß er dann also noch hier und versuchte vergeblich, den starken Mann zu spielen?

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, erhob er sich und ging so würdevoll wie möglich zur Küchentür hinaus. Als er den Flur erreicht hatte, lehnte er sich erschöpft gegen die Wand und betete, dass er sich nicht die Blöße geben und hier im Flur ohnmächtig werden würde.

Fionas Hund kam gemächlich aus dem vorderen Raum und schaute ihn nachdenklich an. Das große Tier tapste langsam auf ihn zu, und Greg wurde immer mulmiger zumute. Doch als der Hund sich leicht gegen ihn lehnte, wurde Greg plötzlich klar, dass das Tier ihm Hilfe anbot.

Greg legte zuerst vorsichtig, aber dann fester die Hand auf den Rücken des Hundes und stützte sich mit der anderen Hand an der Wand ab. So gingen sie langsam den Flur hinunter, bis sie das Gästezimmer erreicht hatten. Dort blieb die Bulldogge stehen und ließ ihn zuerst eintreten, bevor sie folgte.

„Danke, Junge“, murmelte Greg, taumelte zum Bett und ließ sich darauffallen. Nie war ihm ein Bett himmlischer erschienen als dieses jetzt. Außer in den Flitterwochen, dachte er kurz, aber er hatte nicht vor, diese Erinnerung heraufzubeschwören.

Er zog sich wieder aus bis auf die Boxershorts und schlüpfte unter die Decke. Als er sich auf die Seite drehte, sah er ein Glas Wasser auf dem Nachttisch stehen. Er stützte sich auf dem Ellbogen auf und trank es gierig aus.

Als er das leere Glas wieder auf den Nachttisch zurückstellte, sah er, dass der Hund das Zimmer nicht verlassen hatte. Er saß vor ihm und sah ihn unverwandt an.

„Wie heißt du, mein Junge?“, fragte Greg, tätschelte leicht den Kopf des Hundes und wollte sich gerade wieder hinlegen, als er unvermittelt eine Antwort erhielt.

„McTavish.“

Hastig wandte er den Kopf und sah Fiona mit einem Tablett im Türrahmen stehen.

„Hallo, McTavish“, sagte er und nickte dem Hund freundlich zu. Irgendwie hatte er das Gefühl, einen Verbündeten in diesem Haus gefunden zu haben.

Fiona schob das leere Wasserglas zur Seite und stellte das Tablett auf den Nachttisch. Dann goss sie aus einer Karaffe Wasser in das Glas und reichte es Greg zusammen mit zwei Tabletten.

Er nahm sie ihr aus der Hand und starrte die Tabletten an.

„Wenn ich Sie vergiften wollte, hätte ich in den letzten Tagen ausreichend Gelegenheit dazu gehabt, Mr Dumas“, bemerkte Fiona amüsiert.

Schweigend schaute er sie einen Moment lang an. „Sind Sie immer so sarkastisch?“, erwiderte er schließlich.

„Nur bei unausstehlichen Patienten. Und im Moment führen Sie die Liste an.“

Er nickte. „War nur eine Frage.“ Erneut warf er einen Blick auf die Tabletten. „Darf ich wenigstens fragen, wofür die gut sind?“

Autor

Annette Broadrick

Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung.

Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...

Mehr erfahren