Geheimes Verlangen nach dem Tycoon

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Für Immobilien-Tycoon Sawyer Steele ist die erste Begegnung mit Wirbelwind Kat ein Erlebnis der besonderen Art: Mitten auf einem Ball verpasst sie ihm eine Ohrfeige, weil sie ihn für seinen treulosen Zwillingsbruder hält. Aber noch nie hat allein der Blick einer Frau seine Welt so aus den Angeln gehoben! Ihr Sex-Appeal bringt ihn um den Verstand, und schon bald landen sie in seinem Bett. Doch wieder und wieder fragt er sich: Gelten ihre Küsse wirklich ihm, oder begehrt sie heimlich noch immer seinen Bruder?


  • Erscheinungstag 28.04.2020
  • Bandnummer 2130
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726157
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Obwohl Sawyer Steele kein Fan von Hochzeiten war, fand er diese eigentlich ganz nett. Nicht, dass er bereits an vielen Hochzeiten teilgenommen hätte. Aber da seine Eltern das Event ausgerichtet hatten, war es exklusiv und teuer. Vermutlich war es sogar die gigantischste Hochzeit, die es in Charleston jemals gegeben hatte. Sawyer kannte sich da nicht so aus, weil er nicht auf solche Dinge stand.

Doch seine kleine Schwester Morgan heiratete, und er wollte ihr den großen Tag um keinen Preis der Welt vermiesen. Also lächelte er für die unvermeidlichen Fotos und aß Hochzeitstorte. Schade, dass er sich nicht so leicht aus der Affäre hatte ziehen können wie sein Zwillingsbruder Finn, der zurzeit geschäftlich in China unterwegs war.

Allerdings hatte Trevor Steele seinen Sohn wohl nicht ganz unabsichtlich genau jetzt ins Ausland geschickt, um sich Scherereien zu ersparen. Auf Sawyer und Tom, den Ältesten, konnte er bauen. Sie waren solide und benahmen sich korrekt.

So steckte Sawyer in einem frisch gereinigten Smoking, war beim Friseur gewesen, um seine dunkelblonden Locken in Form zu bringen, und hatte sich um eine passende Begleiterin bemüht. Mehr wurde heute Abend von ihm nicht verlangt. Es würde keine peinlichen Szenen geben, Morgan würde eine überglückliche Braut sein, und alles war gut.

Langsam neigte sich das Fest dem Ende zu. Das Dinner war verspeist, Reden auf das Hochzeitspaar waren gehalten, der Brautwalzer war getanzt und die Hochzeitstorte angeschnitten worden. Noch ein paar Runden auf dem Parkett, und es durften die Wunderkerzen angezündet werden, ehe Sawyers Schwester mit ihrem Bräutigam in die Flitterwochen aufbrach. Sawyer war froh, dass er es bald hinter sich hatte. Er zerrte an seiner Fliege, weil er das Gefühl hatte, sie schnürte ihm die Luft ab.

Als er Serena, seiner Begleiterin, die er vor ein paar Wochen auf einer Konferenz kennengelernt hatte, einen Blick zuwarf, bemerkte er, dass sie die Paare auf der Tanzfläche sehnsüchtig beobachtete. Es war Zeit für Sawyer, das Tanzbein zu schwingen, auch wenn er kein leidenschaftlicher Tänzer war. Für einen Walzer oder einen Foxtrott reichte es allemal, denn seine Eltern hatten dafür gesorgt, dass alle ihre Kinder zum Tanzkurs gingen. In den Südstaaten achtete man auf Etikette, und in der guten Gesellschaft, zu der die Steeles nun mal gehörten, musste man sich anpassen.

„Möchtest du tanzen?“, fragte er Serena. Die Blondine trug ein tief ausgeschnittenes, eng anliegendes Kleid und hatte ihr helles Haar aufgesteckt. Sie sah ausgesprochen hübsch aus, doch Sawyer war nicht im Geringsten verliebt in sie. Dazu war Serena einfach zu schlicht gestrickt. Schön anzusehen, aber langweilig. Sie erinnerte ihn an die teuren Antiquitäten, mit denen seine Mutter ihr Haus ausstaffierte.

Sein Zwillingsbruder Finn bevorzugte Frauen, die schick, sexy und teuer waren wie ein Sportwagen. Sie kosteten ihn viel Geld und brachten ihn oft genug in Schwierigkeiten.

Sawyers Exfreundin Mira war ein ähnlicher Typ gewesen. Ein Ferrari unter lauter Mittelklassewagen, um im Bild zu bleiben. Danach war er nach und nach zu der Überzeugung gelangt, dass er mit einem guten, soliden SUV besser fahren würde. Schön, zuverlässig, zweckmäßig. Gut gepflegt würde er ihm jahrelang Freude bereiten.

Doch Serena sah Mira derart ähnlich, dass er oft kurz davor war, sie mit dem Namen seiner Ex anzureden. Auch charakterlich glichen sich die beiden Frauen so sehr, dass die hässliche Trennung von Mira auf seine Gefühle für Serena abfärbte. Dazu kam, dass Serena nicht ganz gehalten hatte, was der erste Eindruck versprach.

„Ich würde sehr gern tanzen“, erwiderte sie lächelnd.

Na schön. Er seufzte im Stillen. Mitgegangen, mitgefangen … Sawyer nahm ihre Hand und führte sie auf die Tanzfläche, wo sich mindestens zwanzig andere Paare zu einem alten Song von Frank Sinatra wiegten. Er legte einen Arm um ihre Taille, und sie begannen zu tanzen.

Als Serena sich eng an ihn schmiegte, begriff Sawyer, dass es womöglich ein Fehler gewesen war, sie gleich beim dritten Date auf eine Hochzeit mitzunehmen. Plötzlich fühlte sich die kleine Affäre so furchtbar ernst an. Bisher war es bei Drinks und Dinner geblieben. Wenn er keine Begleiterin für dieses Event hier benötigt hätte, wären sie heute vielleicht zur Abwechslung ins Kino gegangen. Er musste dafür sorgen, dass Serena keine romantischen Vorstellungen entwickelte, denn er hatte nicht vor, sich noch einmal mit ihr zu verabreden.

Sein Blick fiel auf eine Frau, die soeben den Ballsaal betrat. Selbst aus dieser Entfernung machte sie Eindruck auf ihn. Ihre helle Haut bildete einen aparten Kontrast zu ihrem schwarzen Cocktailkleid und ihrem leuchtend rotbraunen Haar. Sie sah sich um, als suchte sie jemanden. Und dann schaute sie Sawyer direkt in die Augen. Ihr Blick traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. So etwas hatte er noch nie erlebt. Diese magische Kraft, diese Anziehung. Er vergaß die Begleiterin in seinen Armen komplett. Jedenfalls für diesen Moment.

Doch gleichzeitig bemerkte er, dass diese Frau wütend war, sogar äußerst wütend. Er fragte sich, ob seine heftige Reaktion nicht doch eher darauf zurückzuführen war.

Rasch schob sie sich durch die Menge und kam auf ihn zu. Wie angewurzelt blieb er stehen und konnte seinen Blick nicht von ihr wenden, auch wenn sein Instinkt ihm sagte: Hau ab, so schnell du kannst.

Als sie ihn fast erreicht hatte, rief sie: „Du verdammtes, mieses Stück Dreck!“

Ihre zornige Stimme schlug ein wie eine Bombe. Alle hielten inne und starrten die aufregende Rothaarige an, die am Rand der Tanzfläche stehen geblieben war und Sawyer fixierte.

Oder meinte sie gar nicht ihn? Er wandte den Kopf, um zu sehen, wer hinter ihm stand. Aber da war niemand. Also musste dieser Auftritt ihm gelten. Weshalb bloß? Er konnte sich keinen Reim darauf machen.

„Wer ist diese Frau, Sawyer?“, fragte seine Begleiterin.

Gute Frage. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Eine solch atemberaubende Schönheit mit flammendem Haar und porzellanfarbenem Teint hätte er niemals vergessen. Und trotz ihrer Wut interessierte sie ihn, wollte er mehr über sie wissen. „Ich habe keine Ahnung“, antwortete er und wandte sich an den wilden Rotschopf. „Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“

„Ob du mir weiterhelfen kannst?“, wiederholte sie bitter. „Ja. Du kannst stillhalten.“ Sie stürmte die letzten Schritte auf ihn zu, die sie trennten. Ohne Vorwarnung haute sie ihm eine runter.

Im ersten Moment war er viel zu überrascht, um zu reagieren. Nie zuvor hatte ihm jemand eine Ohrfeige verpasst. Von einer völlig Fremden geschlagen zu werden, war noch viel schlimmer. Es schmerzte nicht sehr, aber die Heftigkeit des Schlags bewies ihm, dass diese Frau ihm hatte wehtun wollen. Aus welchem Grund auch immer.

Die Anwesenden gaben unisono einen erschrockenen Laut von sich. Dann begann ein allgemeines Gemurmel. Alle redeten über das, was gerade passiert war. Aus dem Augenwinkel erspähte Sawyer zwei Sicherheitsleute, die sein Vater für die Party angeheuert hatte. Sie kamen auf ihn zu, um die Sache zu regeln. Tatsache war, dass die letzten beiden Events in diesem Haus mit einer Entführung und einem Bombenanschlag geendet hatten. Da konnte man Security durchaus brauchen.

„Bitte folgen Sie uns, Ma’am“, sagte einer der Wachleute. Er trug einen schwarzen Anzug und einen Ohrring.

Die Rothaarige zögerte einen winzigen Moment, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ mit langen Schritten den Ballsaal, gefolgt vom Sicherheitspersonal. Anscheinend war ihr Auftrag erledigt.

Obwohl ihm klar war, dass es schlechter Stil war, seine Begleiterin stehen zu lassen, um herauszufinden, was diese aggressive Fremde eigentlich bezweckt hatte, entschuldigte er sich bei Serena. „Ich bin gleich wieder da.“

Serena nickte, und Sawyer rannte in Richtung Eingang, um herauszufinden, wohin man die Frau gebracht hatte. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Security sie nach draußen geleitete.

Mit zwei, drei Schritten passierte er das marmorne Portal und blieb oben an der Treppe stehen. Die Frau, nun befreit von ihren bewaffneten Begleitern, die wieder nach drinnen gingen, wartete darauf, dass man ihren Wagen vorfuhr.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen ihn bereithalten“, fuhr sie einen der Männer an, die sein Vater engagiert hatte, um die vielen Autos der Hochzeitsgäste zu parken. „Es sollte doch nicht lange dauern. Und jetzt ist das Ganze durch diese Idioten auch noch abgekürzt worden.“ Nervös schaute sie sich um und entdeckte Sawyer auf dem obersten Treppenabsatz.

„Tragen Sie auf Hochzeiten immer schwarz?“, fragte er und umging damit zunächst die Frage, weshalb sie ihn geohrfeigt hatte. „Das gehört sich doch eigentlich nicht, oder?“

Sie seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es war das einzige halbwegs schöne Kleid, das noch passt. Ich wollte deine Schwester nicht kränken. Egal, kümmere dich einfach nicht um mich. Die Security hat deutlich gemacht, dass ich nicht willkommen bin. Geh zurück zu deiner heißen Blondine. Anscheinend hast du dich bereits anderweitig orientiert.“

Sawyer kam die Treppe herunter, trat auf sie zu, hielt aber wohlweislich eine Armeslänge Abstand. Noch mal wollte er sich keine fangen. „Es tut mir leid, aber ich glaube, es gibt hier eine Verwechslung. Kenne ich Sie?“ Die Ohrfeige bewies, dass das offenbar der Fall sein musste, doch er war sicher, dass er dieser Frau noch nie begegnet war. Selbst in diesem schlichten schwarzen Kleid war sie aufregend schön. Sie hatte wenig Make-up aufgelegt, und ihre roten Locken schimmerten im Mondlicht.

Nein, er würde sich bestimmt an sie erinnern.

„Meinst du das ernst?“, fauchte sie und funkelte ihn aus smaragdgrünen Augen an. „Seit Wochen hast du dich nicht bei mir gemeldet, und jetzt, da ich dich endlich ausfindig gemacht habe, tust du so, als wüsstest du von nichts. Was soll das? Willst du mir weismachen, dein böser Doppelgänger habe mit mir geschlafen, und nicht du?“

Sawyer wollte etwas erwidern, doch dann begriff er endlich. Warum kapierte er das erst jetzt? Frauen ohrfeigten seinen Bruder ständig. Zumindest würde es ihn nicht wundern. Und vielleicht brächte es ihn irgendwann zur Vernunft. „Mir scheint, Sie sind auf der Suche nach meinem Zwillingsbruder, nicht nach mir.“

„Das hört sich nach einer lächerlichen Ausrede an“, gab sie zurück.

„Ist es aber nicht. Jeder auf dieser Party wird Ihnen bestätigen, dass ich einen Zwillingsbruder habe. Kein Mensch kann uns auseinanderhalten.“

Misstrauisch blickte sie ihn an. „Soll das heißen, dass du nicht Sawyer Steele bist?“

Er wollte antworten, hielt dann aber inne. Was war denn das jetzt? „Doch, ich bin Sawyer Steele. Doch ich bin sicher, dass Sie auf der Suche nach meinem Bruder sind. Finn Steele.“

Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und siezte ihn automatisch. „Wollen Sie behaupten, ich sei ein Flittchen?“

Hm, normalerweise konnte Sawyer Menschen richtig einschätzen. In schwierigen Situationen setzte er meist auf Diplomatie. Aber was diese Frau betraf, sagte er offenbar immer das Falsche. Ihr Haar war so feurig wie ihr Temperament. „Wie bitte? Nein, natürlich nicht.“

„Warum wollten Sie mir dann erzählen, ich wüsste nicht, wie der Mann heißt, mit dem ich im Bett war?“, gab sie zurück.

„Das meinte ich nicht.“ Er hob beide Hände in einer Friedensgeste und kam die Treppe herunter. Hoffentlich kriegte sich dieser Feuerkopf bald wieder ein. „Immer wieder kommt es vor, dass die Leute meinen Bruder und mich verwechseln. Ich schwöre, dass ich Sie nie zuvor gesehen habe. Also ist eine Verwechslung doch naheliegend. Wie heißen Sie?“

„Katherine McIntyre.“ Ihr Ton verriet, dass sie ihm immer noch nicht glaubte. „Aber ich werde Kat genannt, falls das Ihrer Erinnerung auf die Sprünge hilft.“

Sawyer runzelte die Stirn. Um ehrlich zu sein, klang der Name irgendwie vertraut, aber er war sicher, dass er ihr noch nie begegnet war. Und Sex hatte er schon gar nicht mit ihr gehabt.

Er ließ seinen Blick über ihre vollendete Figur gleiten. Das schwarze Kleid saß knapp und war kurz genug, um ihre langen, schlanken Beine zur Geltung zu bringen. Wie schade, dass sie mit seinem Bruder geschlafen hatte und nicht mit ihm. Falls er auf einen bestimmten Typ Frau stand, dann passte Kat hundertprozentig in sein Beuteschema. Ein roter Lamborghini, um im Bild zu bleiben.

Da seine Miene kein Wiedererkennen verriet, erklärte sie: „Wir haben uns vor drei Monaten bei der Verleihung des Charleton’s Best Awards im Aquarium kennengelernt. Es wurde viel Champagner getrunken, wir haben uns unterhalten, und als wir keine Lust mehr hatten, Fische anzugucken, sind wir ins Hotel gegangen und … kamen uns näher.“

Ein Event im Aquarium? Daran konnte Sawyer sich beim besten Willen nicht erinnern. Allerdings dämmerte es ihm, dass dort vor einiger Zeit eine Veranstaltung stattgefunden hatte, an der er hätte teilnehmen sollen. Ah, genau! An diesem Tag war er krank gewesen. Eine Magenverstimmung. Und seine Eltern konnten den Preis nicht entgegennehmen, weil sie mitten in den Vorbereitungen für Morgans Hochzeit steckten.

Doch ein Mitglied der Familie Steele musste hingehen. Also hatte er Finn überredet, den Job zu übernehmen. Damit nicht genug, hatte er ihn bestochen und ihm sein neues Jet-Ski versprochen, wenn er die Steeles im Aquarium repräsentieren würde.

Verdammt.

Endlich begriff er, was passiert war. Sawyer fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Es war Jahre her, seit Finn so einen Unfug getrieben hatte. Auf dem College hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, Frauen aufzureißen und sich als Sawyer Steele auszugeben. Vielleicht war es auch Taktik gewesen, damit die Mädchen ihn danach in Ruhe ließen. Jedenfalls hatte Sawyer seitdem einen Ruf als Playboy weg, ohne dass er auch nur das Geringste dafür konnte. Nun aber waren sie beide Anfang dreißig. Dreiunddreißig, um genau zu sein. Und zu alt für solch kindische Spielchen.

„Ich glaube, ich weiß, wo das Problem liegt“, sagte er.

„Der Sex mit mir war so toll, dass Sie ihn verdrängt haben, weil sie Angst hatten, so etwas nie wieder zu erleben?“

Verblüfft schaute Sawyer sie an, dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Ich sollte an diesem Event teilnehmen, aber ich war krank, und mein Bruder ist hingegangen. Offensichtlich hat er es nicht für nötig gehalten, den Leuten zu sagen, dass er Finn ist, nicht Sawyer.“

„Er trug ein Namensschild. Darauf stand Sawyer Steele“, insistierte sie.

Das überraschte Sawyer nicht. „Klar. Es war ja nicht schwer, so zu tun, als wäre er ich. Dann würde mein Vater nicht erfahren, dass ich mich gedrückt habe.“

Kat schwieg einen Moment. Ihre Miene verriet, dass sie fieberhaft nachdachte. „Aber wäre es nicht anständig gewesen, mir zu sagen, wer er ist, nachdem wir uns geküsst hatten? Vom Rest ganz zu schweigen.“

„Sehr anständig“, stimmte Sawyer zu. „Ich kann mir nicht erklären, weshalb er es Ihnen verschwiegen hat. Es tut mir wirklich sehr leid. Mein Bruder ist so etwas wie das schwarze Schaf der Familie. Wenn er jetzt hier wäre, würde ich ihm nachdrücklich klarmachen, dass sein Verhalten Ihnen gegenüber unterirdisch war. Aber er ist zurzeit geschäftlich in Beijing und bleibt noch ein paar Wochen. Wenn Sie möchten, können Sie eine Nachricht für ihn hinterlassen, die ich ihm nur zu gerne übergeben werde, wenn er wieder da ist. Ohrfeige inklusive.“

Das Feuer war aus Kats Augen gewichen, und sie schien plötzlich zierlicher zu sein und sehr verletzbar. „Heißt das, der Mann, den ich kennengelernt habe, war tatsächlich Finn Steele? Ich bin fassungslos. Nach allem, was zwischen uns war, konnte er mir doch nicht einfach seinen Namen verschweigen.“

Oh, doch, das kann er, dachte Sawyer grimmig. Finn nutzte jede Möglichkeit, sich vor den Konsequenzen seines Handelns zu drücken. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern erfahren, ob es bei diesem einen Mal geblieben ist“, fragte er vorsichtig.

Kat schaute unsicher zu ihm auf. „Ja. Zumindest war das der Plan.“

Ganz der Stil seines Bruders. Flachlegen und verschwinden. „Dann ist es doch eigentlich nicht so schlimm, dass er einen falschen Namen benutzt hat. Es war doch nur ein One-Night-Stand.“

Sie senkte den Kopf, und ihre dunklen Wimpern beschatteten ihre Augen. „Es ist aber wichtig, Sawyer. Ich bin heute hier auf dieser Party aufgetaucht, weil ich … Finn … etwas zu sagen habe. Ich bin von ihm schwanger.“

Noch nie hatte Kat erlebt, wie ein Mann von einem Moment zum anderen totenblass wurde. Obwohl es Nacht war und die Beleuchtung nur schwach, konnte sie deutlich erkennen, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich und seine gesunde Bräune schwand. Er war ein kraftvoller, energiegeladener Typ. Sonst hätte sie befürchtet, dass er kurz davor war, in Ohnmacht zu fallen.

Aber warum war er so entgeistert? Er war ja schließlich nicht der Vater. Und er war nicht derjenige, der gerade herausgefunden hatte, dass der Mensch, mit dem er Sex gehabt hatte, ein Lügner und Betrüger war. Sie steckte in der Klemme, nicht er. Okay, er hatte sich eine Ohrfeige eingefangen, obwohl ihn keine Schuld traf, und er würde seiner Begleiterin Rede und Antwort stehen müssen, wenn er sie wiedersah, doch das konnte kein Problem für ihn sein.

Der Parkplatzwächter brachte endlich ihren Wagen. „Es tut mir leid“, entschuldigte sich der Mann. „Er war zugeparkt, ich brauchte einen Moment zum Rangieren.“

Kat schaute ihn kurz an und wandte sich dann an Sawyer, der immer noch völlig fertig wirkte. „Ich gehe dann mal besser.“

Da streckte er spontan die Hand aus. „Warten Sie! Kommen Sie ins Haus, dann reden wir.“

Die Versuchung war groß, ja zu sagen, denn sie sah das Mitgefühl in Sawyers Augen. Gern wäre sie ihm gefolgt und hätte sich mit ihm unterhalten. Obwohl sie äußerlich keinen Unterschied entdecken konnte, spürte sie instinktiv, dass sich die Zwillingsbrüder charakterlich überhaupt nicht glichen. Aber was machte es für einen Sinn, mit Sawyer zu reden, wenn es Finn war, den die Sache mit dem Baby betraf?

Ein weißer Rolls-Royce fuhr vor, und die Flügeltüren des Eingangsportals wurden geöffnet. Festlich gekleidete Leute strömten heraus. Offenbar war es Zeit für das Hochzeitspaar, in die Flitterwochen aufzubrechen. Kat hatte nicht vor, Zeugin dieses Spektakels zu werden, auch wenn ihr alter Jeep ausnahmsweise nicht im Weg stand.

„Das geht nicht“, erwiderte sie. „Aber Saw… – ich meine Finn – sollte wissen, wo er mich erreichen kann, wenn er aus China zurückkehrt. Bitte sagen Sie ihm, er soll mich anrufen.“ Aus ihrer Handtasche holte sie eine Visitenkarte und gab sie Sawyer. Auch Finn hatte sie eine gegeben, aber sie vermutete, dass sie am Morgen nach dem Date im Müll gelandet war.

Sawyer schaute über die Schulter zu den Partygästen, die die Treppe herunterkamen. Es schien ihm etwas auszumachen, dass sie nicht mit reinkommen wollte. Mit einem Seufzer nahm er die Karte, warf einen Blick darauf und nickte. „Ich sorge dafür, dass er Sie anruft, und zwar ehe er wieder hier ist. Um genau zu sein, werde ich ihn jetzt sofort anrufen, egal, wie spät oder früh es in China gerade ist. Er hat es verdient.“

Kat nickte, ging zu ihrem Jeep und stieg ein. Als sie losfuhr, schaute sie gegen ihren Willen in den Rückspiegel, und sah, dass Sawyer Steele ihr unverwandt nachblickte. Selbst als sie das große, heute weit geöffnete Tor des Anwesens erreichte und auf die Straße einbog, stand er noch am gleichen Fleck, den Blick auf ihre Rücklichter geheftet.

Seufzend packte sie das Lenkrad fester und gab Gas. So hatte sie sich den Abend nicht vorgestellt. Denn alles, was sie vorgehabt hatte, war, Sawyer – nein, Finn – zu konfrontieren. Die Schwangerschaft war völlig ungeplant und auch nicht willkommen. Doch es gehörte sich, es dem Vater zumindest mitzuteilen. Wenn er ihre Anrufe ignorierte, musste sie eben einen anderen Weg finden, um ihn in Kenntnis zu setzen.

Sie hatte ihn treffen, ihn beiseitenehmen, mit ihm reden und schauen wollen, wohin das führte. Dem Vater ihres Kindes vor allen Leuten eine zu knallen, war nicht ihre Absicht gewesen. Doch dann hatte sie gesehen, wie er mit dieser scharfen Blondine tanzte, und ihre Sicherungen waren durchgebrannt. Seit einigen Wochen war ihr morgens übel, und sie war oft müde. Kein angenehmer Zustand. Während der Verursacher ihres Problems sich amüsierte. Ein Moment der Rache durfte wohl erlaubt sein …

Doch dann hatte sie herausgefunden, dass sie den Falschen geohrfeigt hatte. Sawyer. Der richtige Vater ihres Kindes war in China, aber das war ja nicht so schlimm. Dass er sie angelogen und sich eine falsche Identität zugelegt hatte, war jedoch unverzeihlich. Solch einen Mann konnte sie nicht brauchen. Weder als Partner noch als Vater ihres Babys. Dummerweise war es dafür nun zu spät. Jetzt konnte sie zusehen, wie sie aus diesem Schlamassel wieder herauskam.

Langsam fuhr Kat in die Einfahrt und parkte ihren Jeep. Als sie den Motor abgestellt hatte, betrachtete sie ihr hübsches altes Haus im historischen Stil von Charleston. Es lag im Herzen der Halbinsel und hatte ihr bisher vollauf genügt. Für eine Künstlerin wie sie bot es genügend Platz, es war hell, und der Innenhof erlaubte es ihr, ab und zu auch im Freien zu arbeiten. Und das Beste war, sie musste nichts mehr bezahlen.

Sie stieg aus dem Jeep und ging ins Haus. Das hier war mit dem Anwesen der Familie Steele nicht zu vergleichen, aber welches Haus könnte mit deren Südstaatenvilla auch mithalten? Ehrlich gesagt, hatte sie gar nicht begriffen, mit wem sie sich eingelassen hatte, ehe sie heute Abend dort angekommen war. Der Portikus mit den korinthischen Säulen, der riesige Vorplatz, das weitläufige weiße Gebäude, die lange, moosbewachsene Eichenallee … Es hätte der Schauplatz für ein Südstaatendrama, einen Schauerroman sein können. Heutzutage war so etwas normalerweise ein Museum oder wurde als Eventlocation vermietet. Aber die Steeles wohnten tatsächlich dort.

Kats Familie war nicht arm. Ihr Vater war ein erfolgreicher Krimiautor gewesen, ihre Mutter eine bekannte Malerin. Als sie bei einem Autounfall ums Leben kamen, hatte Kat von ihren Ersparnissen und der Lebensversicherung Kunst studieren können. Das kleine, ererbte Vermögen erlaubte ihr eine Existenz als freischaffende Künstlerin, ohne einem langweiligen Brotjob nachgehen zu müssen. Sicher, ihr Auto war alt, und das Haus benötigte dringend einen neuen Anstrich, aber sie selbst war mit wenig zufrieden.

Sie warf ihre Handtasche aufs Sofa. Dort stand eine Kiste mit Werkzeug für ihre Holzarbeiten. Daneben ein Stapel verschieden großer Holzblöcke. Die würde sie Montagmorgen mit ins Atelier nehmen, das sie, in einem alten Kaufhaus im historischen District, gemietet hatte. In dem charmanten Gebäude hatte sich eine Künstlerkolonie etabliert, und dort verbrachte Kat die meiste Zeit, obwohl sie auch zu Hause arbeiten könnte.

Aber sie mochte den Kontakt zu Künstlerkollegen, den Austausch, die Geselligkeit. Außerdem machte Bildhauerei mit Holz viel Lärm und Dreck, und ihr Atelier im District eignete sich bestens dafür. Wenn sie nicht arbeitete oder ihre Holzskulpturen an Leute verkaufte, die die Ateliers besuchten, traf sie sich mit den anderen Künstlern. Sie waren seit dem Tod ihrer Eltern so etwas wie ihre Familie geworden.

Diesen Ort aufgeben zu müssen, wäre fast so, als würde sie ihre Familie ein zweites Mal verlieren. Aber genau das drohte ihr nun. Und deshalb hatte sie sich neulich aufgebrezelt und war zu diesem bescheuerten Event gegangen, wo sie Finn begegnet war. Weil ein Investor namens Sawyer Steele drauf und dran war, das Künstlerparadies zu zerstören.

Vor vier Monaten war der Eigentümer des District gestorben, und seine Kinder hatten das Gebäude an einen Immobilienhai verkauft. Der wollte das alte Kaufhaus von Grund auf sanieren und umbauen. Immerhin sollte es weiterhin Künstlern zur Verfügung stehen – zumindest ging das aus dem Schreiben hervor, das alle derzeitigen Mieter erhalten hatten. Doch die Mieten würden sich verdreifachen, um die Kosten für die Renovierung wieder reinzuholen. Das hieß, die Künstler mussten mehr verkaufen, und die Kunstwerke mussten teurer werden.

Zwar besaß Kat genug Reserven, um die neue Miete zahlen zu können, doch die meisten anderen Künstler hatten nicht so viel Glück. Wenn das District irgendwann als eine Art Shoppingmall für Kunst wiedereröffnete, um solvente Kunden anzuziehen, die es liebten, sich in der Künstlerszene zu zeigen, ohne selbst kreativ zu sein, würden die meisten jener Leute, die Kat kannte und schätzte, nicht mehr dabei sein.

Sie ging die Treppe hoch in ihr Schlafzimmer, zog ihr schwarzes Cocktailkleid aus und ließ es achtlos zu Boden fallen. Dann warf sie einen Blick in den Spiegel. Im Profil war ihr Babybauch bereits zu erahnen. Seit letzter Woche gab es da eine eindeutige Wölbung, die vorher nicht da gewesen war. Jetzt klemmte ihre Lieblingsjeans. Sie hatte nicht gelogen, als sie Sawyer erklärte, das schwarze Kleid sei das Einzige, das noch passte. Normalerweise ließ Abendgarderobe jede körperliche Unzulänglichkeit gnadenlos hervortreten.

Das Leben spielte einem manchmal seltsame Streiche. Ihr Baby war der Beweis dafür. Kat war zu diesem Event im Aquarium gegangen, um mit dem neuen Eigentümer des District Klartext zu reden. Mit Sawyer Steele. Stattdessen war sie nun schwanger von seinem Bruder.

2. KAPITEL

„Du bist ein Mistkerl, weiß du das?“

„Wie bitte?“

Wie immer war Finn nicht das geringste Schuldbewusstsein anzumerken. Er klang müde, was an der Zeitverschiebung zwischen den USA und China liegen mochte. Allerdings waren die meisten Einwohner von Beijing um diese Uhrzeit schon beim Mittagessen. Finn dagegen lag noch im Bett. Diese Samstagnacht war offenbar kurz gewesen, und er hatte sie vermutlich bis zum Morgengrauen in einer Bar mit schönen Chinesinnen und viel zu viel Baijiu, chinesischem Schnaps, verbracht.

Autor

Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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