Gib mir Zeit, Darling

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Als Caitlin ihre große Liebe Professor Rory Sullivan wieder sieht, erwachen äußerst zwiespältige Gefühle in ihr. Alles in ihr sehnt sich danach, erneut in seinen Armen glücklich zu werden, aber auch Angst erwacht. Wie wird Rory darauf reagieren, dass er eine sechsjährige Tochter hat? Kann es passieren, dass er um das Sorgerecht für Tara kämpft?


  • Erscheinungstag 15.10.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520522
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Mummy, was ist ein Bastard?“

Bei der leisen Frage ihrer Tochter wirbelte Caitlin Kildare herum, die leere Kaffeetasse entglitt ihrer Hand und zerbrach mit lautem Krachen auf dem Küchenfußboden.

„Wo hast du das Wort gehört?“ Hatte sie nicht gewusst, dass es eines Tages passieren könnte?

Cat nahm sich zusammen und wandte sich ihrer kleinen sechsjährigen Tochter zu, die sie aus großen Augen musterte.

Tara starrte hinab auf den Scherbenhaufen, den ihre Mutter produziert hatte. Ihre dunkelblauen Augen waren umrahmt von einem Kranz dichter Wimpern. In allem, einschließlich ihres vorgereckten Kinns, war sie eine kleinere Version ihres Vaters.

Sie war Rorys Tochter. Von der er nicht wusste, dass es sie gab.

Cat beugte sich hinab, um die Scherben aufzulesen und in den Mülleimer zu befördern.

Sie setzte Tara in einen der stabilen Stühle aus Ahornholz, kniete sich vor sie hin auf den Boden und strich ihr eine Strähne des langen schwarzen Haares aus dem Gesicht, das wie ihres mit vielen Sommersprossen übersät war.

Ein leichtes Lächeln umspielte Cats Lippen. Tara war ihrem Vater zwar wie aus dem Gesicht geschnitten, aber einige ihrer Gene hatte sie auch geerbt. Vor allem, was ihren Charakter anbetraf. Cat wiederholte ihre Frage.

Das kleine Mädchen antwortete prompt. „Heute in der Schule.“

„Wie bitte?“ Cats Augen weiteten sich schockiert. Sie hatte nicht erwartet, solche Begriffe in einer Grundschulklasse auftauchen zu sehen, selbst wenn es sich um eine Schule für besonders begabte Kinder handelte. „Wer hat das Wort benutzt?“

„Tessas Mummy.“ Tara versuchte, sich den Hergang genau zu vergegenwärtigen. „Tessa hatte ihr Lieblingsbuch vergessen, also bin ich schnell hinausgerannt, um es ihr zu geben. Da hörte ich, wie ihre Mutter zu Stephens Mutter sagte, dass Tessas Vater ein richtiger Bastard sei. Was hat sie damit gemeint?“ Tara sah Cat aus großen Kulleraugen an.

Cat entspannte sich sichtlich. Die Frau hatte das Wort nicht auf Tara bezogen. Mrs. Saunders durchlebte offensichtlich eine weitere schwierige Phase mit ihrem Ex-Ehemann, und Tara hatte zufällig das Erwachsenengespräch mitgehört.

„Tessas Mutter war wütend auf Tessas Vater, daher hat sie ihn so beschimpft“, antwortete Cat mit tröstender Stimme.

Aber Tara war nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen, bevor ihre Neugierde befriedigt war. „Aber was bedeutet es? Soll ich mein Wörterbuch holen?“

Cat erkannte, dass sie Taras Wissbegier etwas entgegensetzen musste. „Es ist ein Wort, das Erwachsene benutzen“, erklärte sie. „Tessas Mutter wollte damit ausdrücken, dass jemand gar nicht nett ist. Verstehst du das?“

Das kleine Mädchen nickte, sie akzeptierte die einfache Umschreibung.

„Kann ich jetzt spielen gehen?“

Cat war froh, dass sich Tara mit ihrer Definition zufrieden gab. „Lauf schon“, bot sie dem Mädchen an, und schon schoss die Kleine mit schnellen Schritten davon.

Cat erhob sich und sah Tara hinterher. Das war knapp gewesen. Bisher hatte Tara noch nicht allzu viele Fragen darüber gestellt, warum sie keinen Vater hatte. Vermutlich deshalb nicht, weil sie einige männliche Bezugspersonen in ihrem Umfeld hatte, darunter ihren Großvater und ihren Onkel, die immer für sie da waren. Außerdem kannte sie auch einige andere Kinder, die in Eineltern-Familien aufwuchsen.

Aber dennoch, so wusste Cat, würde ihre Tochter eines Tages die Wahrheit wissen wollen. Und sie hatte auch ein Recht darauf. Cat hoffte nur, dass Tara verstehen würde, warum sie ihr den Vater vorenthalten hatte.

Aber wie sollte sie ihrer Tochter die Zusammenhänge erklären? Und wie konnte sie erwarten, dass ein Kind ihre Motive verstand? Dass sie sich aus Liebe zur Närrin gemacht hatte und das korrigiert hatte. Könnte sie das begreifen?

Da sie sich ungewöhnlich rastlos fühlte, beschloss sie nachzusehen, ob die Post schon da war.

Sie zog sich eine dunkelblaue Jacke über das lange hemdartige weiße Nachthemd, um an diesem kühlen Septembertag nicht zu frieren, und lief hinaus zum Briefkasten unten an der Auffahrt. Sie hielt kurz inne, um den beiden Spatzen, die auf ihrem Rasen herumhüpften, bei ihrem Spiel zuzusehen.

Wenn das Leben doch nur auch für sie so einfach sein könnte wie für die zwei Spatzen, überlegte sie, während sie den Briefkasten entleerte und zurück zum Haus trottete.

Aber das war es nie gewesen, und würde es wohl auch in Zukunft nicht sein.

Cat ließ den Stapel Post auf den Küchentisch fallen. Zwischen den Rechnungen, Katalogen und Zeitschriften entdeckte sie einen großen Umschlag mit Aufschrift ihrer ehemaligen Universität, der Cedar Hill Universität.

Sie holte sich ein Messer aus der nächsten Schublade, um damit den Brief zu öffnen. Schnell überflog sie den Inhalt. Alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht. Um jeden Irrtum auszuschließen, las sie den Text noch einmal.

Sie hatte sich nicht getäuscht. Die Einladung galt tatsächlich ihr. Sie wurde zu einem Empfang geladen, um das neueste Fakultätsmitglied, den Chef der neu gegründeten Abteilung für Keltische Studien, kennenzulernen.

Cat ließ sich auf den Küchenstuhl sinken, das zerknüllte Blatt Papier noch immer in der Hand haltend. Er kam zurück, nach all diesen Jahren.

Du lieber Himmel, fragte sie sich, warum nur, was wollte er hier?

Sie holte tief Luft. Natürlich würde sie nicht zu der Einweihungsparty gehen. Das war völlig ausgeschlossen.

Sie glättete das zerknitterte Blatt Papier und fuhr mit dem Daumen über seinen in schönster Druckschrift geschriebenen Namen. Plötzlich begann sie am ganzen Körper zu zittern, Tränen stiegen ihr in die Augen.

Gefühle, die sie verwunden zu haben glaubte, drängten wieder an die Oberfläche, holten die Erinnerung an die Vergangenheit unerbittlich zurück.

Sie seufzte. Ob er etwas von ihrer Tochter wusste?

Ein Gefühl der Angst durchzuckte sie bei dem Gedanken. Hatte er irgendwie herausgefunden, dass ihre kurze Liebesbeziehung Konsequenzen gehabt und sie ein Kind hatte?

Was war, wenn er das wusste, überlegte sie und nippte erneut an ihrem schon fast kalten Kaffee. Man konnte ihr Tara nicht wegnehmen, räsonierte sie. Sie hatte sie geboren, großgezogen, war das einzige Elternteil, dass das Mädchen je gekannt hatte. Sie hatte Tara gepflegt, wenn sie krank war, hatte ihr die aufgeschürften Knie verbunden. Hatte nachts an ihrem Bett gewacht, wenn sie schlimme Träume hatte. Ihr unzählige Geschichten vorgelesen und unzählige Fragen mit „Warum“, beantwortet.

Außerdem war sie nicht mehr die junge verletzliche Frau, die sie einmal gewesen war, die ein leichtes Opfer für den draufgängerischen Charme und das gute Aussehen eines Rory Sullivans gewesen war. Ein zweites Mal würde er nicht bei ihr landen können. Sie hatte ihr Herz fest im Griff, ließ sich nicht mehr so leicht in die Irre führen.

Cat erhob sich, ging zum Telefon und tippte die Nummer der Universität ein, um durchzugeben, dass sie aufrichtig bedauere, an dem Empfang nicht teilnehmen zu können.

Cat legte den Hörer wieder auf und lehnte sich mit gesenktem Kopf gegen den Küchentresen. Sie blieb eine Weile so stehen, bevor sie sich wieder zu voller Größe aufrichtete. Sie würde keinen Gedanken mehr an die Vergangenheit verschwenden, sie hatte ein Geschäft, das sie genügend in Trab hielt, und ein eigenes Leben mit vielen guten Freunden, sagte sie sich. Und eine Tochter, die sie über alles liebte.

In dieser Nacht fand Cat lange keinen Schlaf.

Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere. Sie war völlig zerschlagen von dem langen Arbeitstag in ihrem Bücherladen. Eine ganze Ladung neuer Bücher war angekommen und hatte verstaut werden müssen. Ihre Muskeln schmerzten, doch der Schlaf wollte nicht kommen.

Und auch ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe.

Cat schaltete die Nachttischlampe ein und setzte sich auf. Die Erinnerungen holten sie ein.

Es war inzwischen fast sieben Jahre her, dass sie den Vater ihres Kindes zum letzten Mal gesehen hatte. Selbst obwohl er nicht mehr Teil ihres Privatlebens war, war er doch allgegenwärtig in ihrem Berufsleben. Er schrieb sehr beliebte Geschichtsbücher, die sie in ihrem Buchladen natürlich führte. Die Schwarz-Weiß-Fotos von ihm als Autor auf dem Buchrücken zeigten ihn stets als attraktiven, brillanten Universitätsprofessor, der einen magnetischen Charme besaß. Und an dem einfach alles gut aussah, erinnerte sie sich, egal ob er einen Smoking oder Jeans trug. Er besaß genau die Art Charme, auf den Frauen flogen.

Frustriert schob Cat ihre weiche warme Decke weg, zog ihren jadegrünen Morgenmantel über und stapfte hinunter in die gemütliche Küche, um sich eine heiße Schokolade zu machen.

Während sie wartete, bis das Wasser kochte, schaute sie durch das Fenster in den dunklen Sternenhimmel.

Für sie war er als junge Frau so etwas wie ein Stern gewesen: glänzend, weit weg und unerreichbar.

Schließlich goss Cat das heiße Wasser über den Kakao im Becher und rührte alles mechanisch um. Ihre Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als das Undenkbare geschehen war, ohne dass sie etwas dazu tat. Wie durch Magie wurden ihre Fantasien Realität.

Und das waren sie eigentlich immer gewesen. Fantasien, dachte sie, während sie an ihrer Schokolade nippte.

Es waren Gefühle gewesen ohne einen gesunden Nährboden. Nichts, auf dem man aufbauen konnte, überlegte sie, während sie noch einmal traurig die Ereignisse von vor einigen Jahren Revue passieren ließ.

Die erste große Liebe hatte sie wie eine Welle mitgerissen, sie jeden Vernunftgedanken vergessen lassen. Sie sah das heute ganz klar vor sich: Er war der Lehrer, der Professor gewesen und sie die willige Studentin, auch wenn sie damals schon ihr eigenes Geschäft besessen hatte.

Und schon wanderten ihre Gedanken zurück zu jenem ersten Tag …

Cat war spät dran, sie war in einen Verkehrsstau geraten. Und ausgerechnet an diesem wichtigen Tag, stöhnte sie, als sie ihr Auto auf dem Parkplatz neben dem in einen Buch- und Geschenkwarenladen umgebauten Schuppen abstellte.

Sie hatte erst vor knapp einem Jahr eröffnet, und an diesem Tag veranstaltete sie ihren ersten wirklich großen Event. Sie hatte einen jungen Autor in ihren Laden eingeladen, der sein erstes Buch signieren würde. All ihre harte Arbeit, sich beim Herausgeber des kleinen neuen Verlages immer wieder in Erinnerung zu bringen mit Briefen und Anrufen, hatte Früchte getragen. Bei ihr würde der neue Autor, der für seine Einführung in die jüngere Geschichte Irlands mit positiver Presse förmlich überhäuft worden war, seine erste Lesung abhalten. Nachdem sie den Vorabdruck des Buches in einem durchgelesen hatte, war Cat entschlossen gewesen, diesen Mann zu einem Publikumsgespräch in ihren Laden zu bekommen, noch dazu, wo er ein Semester lang in Cedar Hill unterrichten würde. Sie war so beeindruckt von seinem Schreibstil, mit dem er historische Zusammenhänge als spannenden Krimi darzustellen vermochte, dass sie ihren Enthusiasmus mit aller Welt teilen wollte. Sie und ihre Assistentin hatten Einladungen drucken lassen, diese an einen großen Kreis interessierter Leser verschickt, und sie hofften nun, dass die Leute, die sich angemeldet hatten, auch kommen würden.

Eine halbe Stunde später konnte sich Cat schon etwas entspannen, nachdem sie sichergestellt hatte, dass alles bis ins kleinste Detail vorbereitet war: Es waren genügend Stühle da für die Leute, die unaufhörlich in den Laden strömten, es gab ausreichend Kaffee und Tee, und die Kekse und Häppchen, die ihre Assistentin, Mary Alice, aus der Bäckerei um die Ecke besorgt hatte, waren hübsch dekoriert. Sie überprüfte noch einmal, ob das neu erschienene Buch, das sie auf einem Beistelltisch nach einem bestimmten System zum Signieren aufgestapelt hatte, in ausreichender Menge vorhanden war. Schnell rückte sie noch einmal alles zurecht, bis es ihr gefiel.

Cat spazierte im Laden herum und unterhielt sich hier und da mit ihren Stammkunden, während sie auf das Erscheinen des Autors wartete. Einige hatten sich ihr Exemplar schon während der Woche besorgt und waren gespannt wie die Ladenbesitzerin, den Autor endlich kennenzulernen.

Dennoch war Cat völlig unvorbereitet für den Schock, den sie empfand, als die Tür sich einige Minuten später öffnete und der Schriftsteller hereinspaziert kam.

Er war der bestaussehende Mann, den sie jemals in ihrem Leben gesehen hatte, stellte sie fest. Aber das allein beschrieb nicht die Präsenz, die er besaß, wenn er einen Raum betrat. Er war hoch gewachsen, muskulös und hatte definitiv etwas Aristokratisches an sich, fand Cat. Er bevorzugte wohl einen lässigen Kleidungsstil, denn selbst zur Lesung tauchte er in blauer Jeans, hellblauem Hemd und schwarzer Lederjacke auf.

Sie war wie verzaubert vom strahlend blauen Glanz seiner Augen, die tief und mysteriös wirkten. Zudem waren sie von einem dichten Wimpernkranz umsäumt. Sein Haar war schwarz, sehr dick und leicht gelockt und reichte ihm bis in den Nacken. An seinem Mund fiel Cat vor allem die volle sinnliche Unterlippe auf.

Und dann lächelte er. Cat sah, wie er den Mund zu einem schiefen Lächeln verzog und ein Grübchen in seiner Wange sichtbar wurde. Es war einfach umwerfend.

Sie beobachtete ihn genau, wie er weiter in den Raum kam, sich eine Haarsträhne mit langen, schlanken Fingern aus der hohen Stirn schob. An seinem rechten Mittelfinger blitzte ein silberner Claddagh-Ring.

Und ganz unwillkürlich kam ihr der unmögliche Gedanke, wie sich seine Hände wohl auf ihrem Körper anfühlen würden. Himmlisch, lautete die Antwort, die sie sich selbst gab. Eine ungewohnte Röte stieg ihr ins Gesicht, als sie feststellte, in welche Richtung ihre Gedanken sich verirrten.

Und schon kam er auf sie zu, entschuldigte sich für sein Zuspätkommen und stellte sich mit ruhiger Stimme vor. Cat hatte das Gefühl, er müsse das laute Klopfen ihres Herzens hören. Schnell nahm sie sich zusammen und erzählte den Zuhörern ein paar einleitende Worte zum Autor und seinem Buch, bevor sie sich diskret zurückzog, damit er mit seiner Lesung beginnen konnte.

Wie alle anderen Besucher war auch Cat verzaubert von seiner Stimme und angetan von der Bildhaftigkeit, mit der er die Geschichte längst vergangener Tage vor ihren Augen lebendig werden ließ, so als sei das alles erst gestern passiert und nicht vor einigen Hundert Jahren.

Wie gebannt blieben ihre Augen auf sein Gesicht geheftet. Er war ein Dichter, ein Rebell, ein König und Krieger, all das sah Cat in seinem Gesicht gespiegelt. Er wirkte so unglaublich männlich und wie ein schöner Prinz aus lang vergangenen Tagen.

Die Lesung war ein voller Erfolg. Die Kasse klingelte ununterbrochen, und etwa Hundert Exemplare des Buchs wurden verkauft neben vielen anderen Artikeln aus ihrem Sortiment. Nach der Lesung versammelten sich viele Leute ehrfürchtig um den Autor, und einige Frauen, stellte Cat fest, flirteten schamlos mit ihm.

Er schien das alles ganz gelassen zu nehmen, scherzte hier, machte dort eine kluge Bemerkung und stellte sicher, dass jeder, der eine persönliche Widmung in sein Buch wollte, sie auch bekam.

Allmählich leerte sich dann der Laden, nur ein paar Kunden waren noch da, unterhielten sich oder stöberten noch etwas herum, während Cat damit begann, wieder aufzuräumen.

„Miss Kildare?“

„Ja, bitte?“, fragte sie Rory Sullivan höflich.

„Sind noch welche übrig?“

„Entschuldigung, ich verstehe Sie nicht ganz?“

„Ich meine von den Keksen?“

„Nein, tut mir schrecklich leid“, entschuldigte sich Cat. „Ich glaube, die Kekse waren genauso begehrt wie Ihre Bücher und Sie selbst, Dr. Sullivan.“

Er lächelte. „Nennen Sie mich bitte Rory.“

Cat war ein wenig verlegen und fuhr sich schnell mit der Zunge über die trockenen Lippen.

Ihr Gast warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Nun, es ist schon ein wenig spät für ein Mittagessen, aber auch noch zu früh, um zu Abend zu essen. Doch ich gestehe, ich bin ziemlich hungrig. Wie steht es mit Ihnen?“

Cat hatte außer einer Schnitte Brot zum Frühstück an diesem Tag noch nichts gegessen. Und auch wenn der Gedanke nur zu verführerisch war, mit diesem außergewöhnlichen Mann essen zu gehen, so hatte sie dennoch ein Geschäft zu führen und konnte nicht einfach absperren. „Vielen Dank, ich würde Sie ja gern begleiten, aber leider geht das nicht“, erklärte sie. „Ich habe noch nicht Feierabend.“

Mary Alice mischte sich in die Unterhaltung ein, ihr waren die intensiven Blicke, mit denen ihre Chefin den Gast beinahe verschlungen hatte, nicht entgangen. „Cat, ich könnte heute vielleicht etwas länger bleiben und für dich den Laden abschließen.“

Cat warf ihrer Assistentin einen dankbaren Blick zu. „Bist du sicher? Eigentlich hättest du schon in einer halben Stunde Feierabend.“

„Kein Problem“, tat Mary Alice den Einwand ab. „Ich rufe nur schnell meinen Mann an, dass es heute später wird.“

„Vielen Dank.“

„Das ist ja wunderbar“, freute sich Rory und wartete geduldig, bis Cat ihre Handtasche geholt und ihrer Assistentin letzte Anweisungen gegeben hatte. Er hatte auch gleich noch einen Geheimtipp parat. „Ich kenne hier ein kleines Lokal ganz in der Nähe mit tollem Essen, ich denke, das wäre ideal.“

Das war der Anfang von allem gewesen.

Sie gingen aus zum Abendessen, trafen sich zum Lunch oder spät am Abend auf einen Drink, eben so, wie sie beide das in ihren vollen Zeitplan unterbekommen konnten. Cat entdeckte, dass anders als sie Rory ein Einzelkind war, dessen Eltern schon relativ alt gewesen waren, als er geboren wurde. Sie hatten ihn stets besonders verhätschelt, waren aber beide schon gestorben, als er mit dem College begann. Cat hörte aufmerksam zu, wenn er von seinen hochfliegenden Plänen und Projekten für die Zukunft schwärmte. Langsam aber sicher wurde sie Teil seines Privatlebens.

Und dann eines Morgens, nur wenige Woche nach dem ersten Kennenlernen, erwachte sie in dem Bewusstsein, in ihn verliebt zu sein. Und genau genommen, hatte sie sich von der ersten Minute an in ihn verguckt. Diese Tatsache konnte sie nicht länger vor sich verheimlichen. Mit seinem Charme, seinem guten Aussehen und seinem aufregenden Verstand hatte er ihr Herz gestohlen. Nur was würde sich daraus entwickeln, fragte sie sich. Es gab viel interessantere und hübschere Frauen als sie an der Uni, Kolleginnen und Studentinnen. Frauen, die erfahrener waren als sie und die sich besser auf Affären und Liebesdinge verstanden.

Und wenn er so viele Chancen beim weiblichen Geschlecht hatte, warum sollte er sich dann ausgerechnet für sie interessieren?

Doch erstaunlicherweise schien er sie wirklich zu mögen. Oder las sie vielleicht doch zu viel in ihre Freundschaft hinein, überlegte Cat. Bisher hatte er sie jedenfalls noch nicht einmal geküsst.

Und dann eines Morgens, als sie bereits vor der Öffnungszeit in ihrem Laden aufräumte, stand er an der Tür und bat, hereingelassen zu werden. „Hallo, Cat“, begrüßte er sie.

Es war himmlisch ihn zu sehen. Er trug Freizeitkleidung, sah aber auch darin umwerfend elegant aus. Zu einem kurzärmeligen hellblauen Hemd, das am Hals offen stand und den Blick auf kleine gekräuselte Haare zuließ, trug er eine verblichene Bluejeans, die seine langen Beine eng umspannte.

Cat musste den Wunsch unterdrücken, mit der Hand über diese kleinen Härchen zu fahren und sein Hemd weiter aufzuknöpfen.

Er schaute sie strahlend an.

„Was ist?“, wollte sie wissen.

„Ich verspürte heute Morgen eine solche Lust, etwas zu tun, worauf ich schon seit Wochen warte.“ Er schloss die Tür fest hinter sich. „Und ich glaube, ich will nicht mehr länger warten.“

Er nahm sie in die Arme, beugte sich hinab und verschloss ihren Mund mit einem Kuss. Zuerst sanft und zärtlich, doch schnell wurde der Kuss leidenschaftlicher, Rory presste Cat an seinen Körper, sodass sie seine Begierde spüren konnte.

Cat gab sich ganz ihren Gefühlen hin, unwillkürlich wanderten ihre Arme hoch zu seinem Hals.

„Oh, mein Liebes“, wisperte Rory, als er schwer atmend seine Lippen von ihr löste.

Cat sah ihn strahlend an. Sie hatte nicht geglaubt, dass ihre Träume so schnell Wirklichkeit werden könnten.

Rory legte ihr die Hand unters Kinn, damit er direkt in ihre Augen schauen konnte. „Hast du dieses Wochenende frei?“

„Warum?“ Ihr Herz klopfte immer noch wie wild.

„Ich habe ein Haus am Meer gemietet. Es liegt ganz idyllisch abseits. Wir hätten den ganzen Strand für uns. Hast du Lust?“

Cat wich einen Schritt zurück, sie musste diesen Vorschlag kurz überdenken. Sie begriff, zu was er sie da einlud. Sie hatte es in seinen Augen lesen, in seinem Kuss spüren können. Warum sollte sie nicht mit ihm wegfahren, fragte sie sich. Hatten die vergangenen Wochen nicht gezeigt, dass sie ihm vertrauen konnte? Er hatte ihr all die Zeit gegeben, die sie brauchte, hatte nicht versucht, sie zu überrumpeln.

Und sie liebte ihn, sagte sich Cat, das wusste sie inzwischen. Warum sollte sie sich ihm da nicht ganz hingeben, ihre Liebe auf die intimste Weise ausdrücken?

Sie griff nach seiner Hand. „Ja“, antwortete sie schlicht. Es war klar, jetzt gab es für sie beide kein Zurück mehr.

„Du wirst das nicht bereuen, Cat.“ Er sah sie aus leidenschaftlichen dunklen Augen an und küsste sie sanft auf die noch immer geschwollenen Lippen. „Das verspreche ich dir.“

Vier Tage später atmete Cat die salzige Meeresluft ein, als sie die obere Terrasse des Holzhauses begutachtete. Sie und Rory hatten einen entspannten Tag am Strand verbracht mit Schwimmen, Sonnenbaden und anschließendem Stöbern in einem Antiquitätenladen in einem kleinen Dorf.

Die Sonne stand schon ziemlich tief. Cat nahm ihre Kamera und drückte ab, um eine Erinnerung an diesen Tag zu haben, auch wenn ein Foto niemals die Gefühle würde einfangen können, die sie an diesem Urlaubstag empfunden hatte.

Sie war so unglaublich glücklich, dass sie fast das Gefühl hatte, das Herz müsse ihr zerspringen.

Die Tür vom Wohnzimmer im Obergeschoss öffnete sich, und Rory tauchte hinter ihr auf, legte ihr besitzergreifend die Hand um die Taille. Sie konnte die Wärme seines nackten Oberkörpers durch das dünne T-Shirt spüren. Langsam hob er die Hand, ließ sie über ihren Hals und von da über ihre Schultern nach unten wandern.

Durch die offene Tür hörte sie leise Musik spielen, verführerische Liebeslieder, und sie spürte, dass jetzt der Augenblick gekommen war, um ihre Liebe vollkommen zu machen. Sie wusste es tief in ihrem Herzen, empfand ein unglaubliches körperliches Verlangen.

Und er schien es zu ahnen, denn Rory beugte sich hinab, hob sie auf seine Arme und trug sie in das Schlafzimmer, in dem er die vergangene Nacht allein verbracht hatte.

„Ich möchte dich nackt sehen, dich überall berühren. Willst du das auch?“

Cat holte tief Luft, sie nickte nur und fing an, sich das weiße T-Shirt auszuziehen. Dann öffnete sie den Clipverschluss ihres BHs und ließ ihn einfach zu Boden fallen.

Sie tat das sehr selbstbewusst, denn er hatte ihr die Wahl gelassen. Schließlich öffnete sie den Reißverschluss ihrer weißen Shorts, zog sie zusammen mit dem weißen Slip aus und warf sie achtlos zur Seite. Sie lächelte ihn einladend an und machte einen Schritt auf ihn zu.

Und Rory tat es ihr nach, zog rasch seine Jeans aus und dann noch die blauen Boxer-Shorts, bis er vollkommen nackt vor ihr stand. Er hatte einfach einen perfekten Körper, fand Cat, doch sie zögerte noch. „Rory“, sprach sie ihn leise an, „ich habe noch nie …“ Ihre Stimme brach ab.

Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. „Pst, Liebes, ich weiß.“ Und dann ließ er seine Finger sanft über ihren Hals gleiten und weiter hinunter zu den festen Brüsten. Er streichelte ihren Körper von Kopf bis Fuß und ließ sich unendlich viel Zeit damit, sie mit Zärtlichkeit in die Geheimnisse der Liebe einzuführen.

„Ich möchte deine Hände auf meinem Körper spüren“, lud er sie ein, es ihm gleichzutun.

Cat kam seiner Bitte nach, sie genoss es, mit den kleinen schwarzen Härchen auf seiner Brust zu spielen und ihn zu streicheln. Langsam wagte sie sich weiter nach unten, erregte ihn immer mehr.

Und schließlich hob sie den Kopf ihm entgegen, um ihn zu küssen, um ihm ihr drängendes Verlangen auf diese Weise zu verdeutlichen.

Rory reagierte mit primitiver Lust auf ihre forschen Eroberungsversuche, und ihre Bewegungen beschleunigten sich, ihre Zärtlichkeiten wurden heftiger, bis sie sich schließlich in einem leidenschaftlichen Rausch verloren und er endlich Besitz von ihr nahm. Aber er tat das mit einer so unglaublichen Sanftheit, dass Cat glaubte, vor Ekstase fast zerspringen zu müssen.

In den folgenden Wochen lebte Cat wie in einem Traum, sie fühlte sich geliebt und sicher in der Beziehung zu Rory. Und sie war fest davon überzeugt, dass er sie bald bitten würde, seine Frau zu werden.

Dann eines Nachmittags zerbrach diese Traumwelt in tausend Stücke, als er ihr seine Neuigkeit mitteilte. Als sie nach intensivem Liebesspiel zusammengekuschelt in seinem Bett lagen, erzählte ihr Rory von seinem neuen Job.

„Es ist fantastisch, Cat, ein Angebot, auf das ich all die vergangenen Jahre hingearbeitet habe. Ich erhalte einen Forschungsauftrag am renommierten Trinity College in Dublin.“ Er schien ganz aus dem Häuschen zu sein.

„Das kommt aber etwas plötzlich“, protestierte sie.

„Ja, aber was soll’s? Ich habe mich vor über einem Jahr beworben, und jetzt wurde mein Projekt angenommen. Ich fliege noch dieses Wochenende nach Dublin. In Cedar Hill habe ich schon gekündigt und erklärt, dass ich im Herbstsemester nicht mehr unterrichten werde. Ich suche uns schon einmal eine Wohnung“, verkündete er. „Und wenn du dich dann hier von allen verabschiedet hast, kommst du nach, ja? Nur lass mich bitte nicht zu lange warten, Darling.“

Cat hörte zu, wie er begeistert weiterredete. Doch seine Vorstellungen von der Zukunft, ihrer gemeinsamen Zukunft, waren so ganz anders als ihre.

„Ich kann nicht.“

„Was heißt das, du kannst nicht?“

„Genau das, was es sagt.“ Cat setzte sich abrupt auf. „Ich kann doch nicht einfach aus einer Laune heraus mein Leben hier aufgeben und mit dir nach Irland gehen.“

„Aus einer Laune heraus? Ist es das für dich?“ Er schien ziemlich erbost.

„Vielleicht nicht für dich.“

Autor

Gail Link
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